Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2013 - 2 StR 4/13

bei uns veröffentlicht am04.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 4/13
vom
4. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. September 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte wegen eines ihm von einer Gruppe unbekannter Osteuropäer gewährten Darlehens, das er nicht zurückzahlen konnte, eine Bank zu überfallen, deren örtliche Begebenheiten er als ehemaliger Kunde kannte. Da der Angeklagte ein Fluchtfahrzeug samt Fahrer benötigte, selbst aber über keinen Pkw verfügte, wandte er sich an seine Geldgeber. Diese erklärten sich bereit, ihm ein Fahr- zeug nebst Fahrer zur Verfügung zu stellen, der den Angeklagten an seinem Wohnort abholen, zur Bank und nach dem Überfall wieder nach Hause fahren sollte. Ferner erklärten sich die Geldgeber bereit, dem Angeklagten eine einsatzbereite Schreckschusswaffe zur Verfügung zu stellen.
3
Am Morgen des 3. März 2011 ließ sich der Angeklagte, ausgerüstet mit einer Sturmhaube und Handschuhen, von einem ihm unbekannten Osteuropäer in die Nähe des vorgesehenen Tatorts bringen. Nachdem der Unbekannte sein Fahrzeug geparkt hatte, fühlte sich der Angeklagte nicht mehr in der Lage, den Banküberfall auszuführen und war "wie gelähmt". Er teilte dem Fahrer mit, dass er die Bank nicht überfallen werde, verließ trotz dessen Drohungen den Pkw und entfernte sich. Handschuhe und Sturmhaube ließ der Angeklagte zurück , wobei er "damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass der Überfall nun statt seiner von dem Fahrer unter Nutzung seiner Handschuhe und Sturmhaube begangen würde" (UA S. 5). Der Fahrer zog sich Handschuhe und Sturmhaube des Angeklagten über und betrat bewaffnet mit der von ihm mitgebrachten geladenen Schreckschusspistole die Bank. Mit der Waffe bedrohte er die sich hinter dem Tresen befindliche Zeugin M. und forderte Geld. Die Zeugin M. holte unter dem Eindruck der Drohung insgesamt 15.990 € aus dem Tresor und übergab das Geld dem Unbekannten. Bei seiner anschließenden Flucht nahm der Unbekannte den zwischenzeitlich zum Fluchtfahrzeug zurückgekehrten Angeklagten mit und erzählte ihm während der Fahrt, wie sich der Überfall im Einzelnen abgespielt habe. Zugleich forderte er den Angeklagten aber auf, niemanden davon zu erzählen und sich gegenüber der Polizei ggf. selbst als Täter des Überfalls zu bekennen. Von der Beute behielt der Unbe- kannte 12.000 € für sich, den Rest sowie die Tatwaffe übergab er dem Ange- klagten.
4
2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Die Strafkammer wertet ohne Begründung die "Zurverfügungstellung von Handschuhen und Sturmhaube" als Beihilfehandlung. Dabei hat sie nicht bedacht, dass nach den Feststellungen dem Angeklagten der Sache nach ein Unterlassen, nämlich die unterlassene Mitnahme der späteren Tatmittel, vorzuwerfen ist. Zwar handelt es sich bei dem Verlassen des Fahrzeugs um ein aktives Tun, hierdurch hätte der Angeklagte für sich genommen aber die nachfolgende Tatbegehung nicht gefördert.
6
b) Die insoweit lückenhaften Feststellungen belegen die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen nicht.
7
Eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, die hier allein in Betracht kommt, setzt voraus, dass ein Vorverhalten die nahe Gefahr eines Eintritts gerade des tatbestandmäßigen Erfolges herbeigeführt hat. Dagegen würde der Angeklagte für einen Exzess des Fahrers, der nicht durch sein Vorverhalten bestärkt worden ist, nicht als Ingerent haften (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2012 – 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380 mwN). Auch muss der Vorsatz bei unechten Unterlassungsdelikten die tatsächlichen Umstände umfassen , welche die Garantenpflicht begründen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 29. Mai 1961 – GSSt 1/61, BGHSt 16, 155, 158; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 13 Rn. 87; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 15 Rn. 96). An der gebotenen Erörterung dieser Umstände hat es die Strafkammer fehlen lassen. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, auf Grund welcher konkreten Umstände der Angeklagte den – hier nicht auf der Hand liegenden – Schluss gezogen haben könnte, der ihm unbekannte und mit den örtlichen Begebenheiten nicht vertraute Fahrer selbst werde nun möglicherweise den Überfall unter Verwendung der vom Angeklagten zurückgelassenen Handschuhen und Sturmhaube begehen.
8
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Beihilfe – durch aktives Tun oder Unterlassen – oder auch wegen Täterschaft rechtfertigen könnten. Die Urteilsgründe lassen vielmehr besorgen, dass die Strafkammer vor dem Hintergrund der Täterbeschreibung durch die Zeugin J. ihren Feststellungen vorschnell die lebensfremde Einlassung des Angeklagten zu Grunde gelegt hat, ohne – wie es geboten gewesen wäre – diese zuvor auf ihre Plausibilität zu überprüfen und sodann in die Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2010 – 5 StR 75/10, NStZ 2010, 503, 504). Bei dieser Sachlage hebt der Senat das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf.
9
3. Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis:
10
Der neue Tatrichter wird, anders als bisher, die konkrete Wahrnehmungssituation der Zeugin J. in den Blick zu nehmen haben, die den Täter nur kurz durch das lamellenbehangene Bürofenster der Bank sah, als dieser die Sturmhaube vom Kopf zog (vgl. UA S. 6). Diese Umstände werden, ebenso wie die festgestellten erheblichen Belastungsindizien, in eine Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses miteinzubeziehen sein, anhand derer der neue Tatrichter zu beurteilen haben wird, ob die Einlassung des Angeklagten geeignet ist, die Überzeugungsbildung des Gerichts zu beeinflussen. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325 mwN).
Becker Fischer Schmitt Berger Eschelbach

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2007 - 1 StR 159/07

bei uns veröffentlicht am 25.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 159/07 vom 25. April 2007 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja zu Nr. 2 Veröffentlichung: ja ____________________________ BtMG §§ 29 ff.; StGB §§ 25, 27; StPO § 261 Behauptet der Transporteur von Betäubungsmitteln, sein Ta

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2010 - 5 StR 75/10

bei uns veröffentlicht am 15.04.2010

5 StR 75/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 15. April 2010 in der Strafsache gegen wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2010 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten

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5 StR 75/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2009 mit den Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Landgericht Das hat den Angeklagten wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachbeschwerde geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der seit 1999 freiberuflich als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie praktizierende Angeklagte kündigte im November 2007 seine angemieteten Praxisräume. Dabei war er der Hoffnung, über die Räumlichkeiten einen neuen Mietvertrag zu besseren Konditionen abschließen zu können. Hierzu war der Vermieter indes nicht bereit, so dass der Angeklagte gezwungen war, die Praxisräume zum 30. Juni 2009 aufzugeben.
4
Das Verhalten seines Vermieters nahm der Angeklagte als Zerstörung seines Lebenswerkes wahr. Zwischen 0.30 Uhr und 1.00 Uhr des 27. Juni 2009 fasste er im Zuge (auch) depressiver Verstimmung den Entschluss, seine Praxisräume in Brand zu stecken und auf diese Weise die Praxis und das gesamte Inventar zu zerstören.
5
Bereits auf der Autofahrt zum Tatort „schwankte der Angeklagte in seinen Überlegungen, ob er seinen Plan letztlich in die Tat umsetzen sollte“ (UA S. 9). Gleichwohl begab er sich in die Praxisräume in der vierten Etage eines Bürohauses, verklebte in nahezu allen Räumen die an der Decke angebrachten Auslasse der Sprinkleranlage mit Aluminiumfolie, um ein vorzeitiges Löschen des Brandes zu verhindern, und vergoss „entsprechend seinem Tatplan, die Praxis zu zerstören“ (UA S. 9), die mitgebrachten 50 Liter Benzin nahezu vollständig. Dabei war ihm bewusst, dass die entstehenden Dämpfe als Benzin-Luft-Gemisch explodieren könnten. „Tatplangemäß“ entnahm er sodann „ein Streichholz aus seiner mitgeführten Streichholzschachtel, um dieses anzuzünden und damit das verschüttete Benzin zu entflammen“ (UA S. 10).
6
Aufgrund „seiner in Bezug auf die Umsetzung des Tatentschlusses weiterhin ambivalenten Stimmung zögerte der Angeklagte“. Da er „seinen Plan nun zunächst doch nicht in die Tat umsetzen wollte“, versuchte er, „das Streichholz wieder in die Schachtel zurückzustecken“. Hierbei „kam er versehentlich mit der Zündseite des Streichholzes gegen die Reibefläche der Schachtel, so dass dieses sich entzündete“. Der Angeklagte versuchte, „die Flamme sogleich zu ersticken, indem er das Streichholz mit beiden Daumen gegen die von ihm in der linken Hand gehaltene Streichholzschachtel drückte. Da jedoch durch die große Menge des verschütteten Kraftstoffs die Benzindämpfe bereits hochgestiegen waren, genügte das kurzzeitige Aufflammen des Streichholzes, um diese zu entzünden“ (UA S. 10).
7
Das Feuer breitete sich schnell in den Praxisräumen aus und brannte mindestens eine und höchstens drei Minuten. Unterdessen verließ der Angeklagte fluchtartig die Räumlichkeiten. Vermutlich dadurch entstand eine Verwirbelung von Luft- und Benzindämpfen, die zur Explosion dieses Gemisches führte. Als Folge der Explosion und des anschließenden Weiterbrennens des Gemisches bis zum Löschen durch die – ungeachtet der Manipulation durch den Angeklagten – weiterhin funktionsfähige Sprinkleranlage entstand ein Sachschaden von etwa 1 Mio. €.
8
2. Die Urteilsfeststellungen halten einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie sind in Teilen widersprüchlich und tragen eine Verurteilung wegen vorsätzlich vollendeten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und wegen vorsätzlich vollendeter Brandstiftung nicht. Sie lassen nicht den Schluss auf die innere Tatseite des Angeklagten im Zeitpunkt des – „versehentlichen“ – Entzündens des Benzins und damit auf die Zurechnung einer vorsätzlichen Deliktsvollendung zu.
9
a) Die Strafkammer begründet ihre Annahme, der Angeklagte habe in Bezug auf das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit – bedingtem – Vorsatz gehandelt, im Wesentlichen wie folgt: „Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erkannte er die Möglichkeit, dass Benzin auch zu einer Explosion führen kann, und nahm diese zumindest billigend in Kauf. Der Vorsatz entfällt auch nicht dadurch, dass der Angeklagte nach dem Verschütten des Benzins und dem Herausholen eines Streichholzes sein Vorhaben zumindest in dem Moment doch nicht in die Tat umsetzen wollte und sich dann das Streichholz nur versehentlich entzündete, da es sich insoweit um eine lediglich unerhebliche Abweichung des von dem Angeklagten gewollten Kausalverlaufs darstellt. Der Angeklagte hatte vor, Benzin in seinen Praxisräumen zu verschütten und diese dann anzuzünden, um dort einen nicht unbeträchtlichen Schaden anzurichten. Dieser Vorstellung entsprechend verlief dann auch tatsächlich die von ihm begangene Tat. Der Moment des Zögerns, verbunden mit einem zumindest kurzzeitigen Abrücken vom ursprünglichen Tatentschluss, lag zu einem Zeitpunkt, als er bereits zur Tatausführung unmittelbar angesetzt hatte, da er bereits das Streichholz zum Zwecke des Entzündens des zuvor verschütteten Benzins herausgeholt hatte und es zur Vollendung auch nach seiner Vorstellung nur noch des Reibens an der Reibefläche der Streichholzschachtel bedufte“ (UA S. 45).
10
b) Die Urteilsfeststellungen belegen für den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entzündens des Benzins bzw. des Benzin-Luft-Gemisches keine über die bloße Tatgeneigtheit hinausgehende Tatentschlossenheit des Angeklagten. Den Vorsatz muss der Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung haben (vgl. BGH NStZ 2004, 201, 202; Vogel in LK 12. Aufl. § 15 Rdn. 53; Fischer , StGB 57. Aufl. § 15 Rdn. 4 m.w.N.; Puppe NK-StGB 2. Aufl. § 15 Rdn.

100).


11
Mag der Angeklagte in den vorangegangenen Ausführungsstadien die ihn immer wieder befallenden Zweifel auch überwunden haben, so gilt dies nach den Feststellungen nicht für den für die Tatbestandsverwirklichung entscheidenden Zeitpunkt des Entzündens. Denn danach „zögerte“ der Angeklagte nicht nur. Er wollte seinen Tatplan in diesem „Moment doch nicht in die Tat umsetzen“. Das Zögern war hier verbunden mit „einem zumindest kurzzeitigen Abrücken“. Dass er statt seines ursprünglichen Vorhabens nunmehr ein neues Tatgeschehen mit demselben Ziel geplant haben könnte, belegen die Feststellungen jedenfalls nicht. Die Einlassung des Angeklagten, dass er das Streichholz wieder zurück in die Schachtel habe legen wollen, er jedoch „nicht wisse, ob er es kurze Zeit später wieder herausgeholt hätte“ (UA S. 18), reicht zur Feststellung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht aus.
12
3. Der Senat sieht sich mit Rücksicht auf die ungewöhnlichen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung der Strafkammer veranlasst, darauf hinzuweisen, dass das Tatgericht eine Einlassung des Angeklagten auch dann nicht ohne Weiteres seiner Überzeugungsbildung unterstellen muss, wenn es an weiteren Beweismitteln fehlt. Die Einlassung ist auf ihre Plausibilität zu überprüfen und in die Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen. Vor diesem Hintergrund liegt das vom Angeklagten hier geschilderte Geschehen zur Entzündung des Gemisches nicht nur weit außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Gerade auch die mitgeteilte Art und Weise, wie der Angeklagte das entflammte Zündholz gelöscht haben will, erscheint im Hinblick auf die motorische Leistung und die damit einhergehende Umständlichkeit – trotz festgestellter Brandwunden an den Fingern des Angeklagten – kaum nachvollziehbar.
13
Senat Der kann andererseits nicht von sich aus sicher feststellen, dass jedes andere Ergebnis einer fehlerfreien Beweiswürdigung als die Feststellung vorsätzlicher Brandlegung auszuschließen ist. Trotz der Feststellungen zur Fehlerhaftigkeit der tatgerichtlichen Beweiswürdigung überschritte es hier die Kompetenzen des Revisionsgerichts, die getroffenen tatgerichtlichen Feststellungen von sich aus durch andere, dann den Schuldspruch tragende Feststellungen zu ersetzen.
14
Der Senat kann auch nicht den Schuldspruch in Konsequenz der auf einer durchgreifend bedenklichen Beweiswürdigung getroffenen Urteilsfeststellungen in eine lediglich versuchte Tatbegehung in Tateinheit mit den entsprechenden fahrlässigen Delikten (§§ 306d, 308 Abs. 6 StGB) abändern und auf dieser Grundlage den – freilich maßvollen – Strafausspruch unter Ausschluss möglicher Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB aufrechterhalten. Auch dies überschritte – abgesehen von einem fehlenden entsprechenden rechtlichen Hinweis vor dem Tatgericht – hier die revisionsgerichtliche Kompetenz.
15
Bei dieser Sachlage hebt der Senat das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 159/07
vom
25. April 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja zu Nr. 2
Veröffentlichung: ja
____________________________
Behauptet der Transporteur von Betäubungsmitteln, sein Tatbeitrag habe sich
darin erschöpft, die Betäubungsmittel im Auftrag eines Dritten zu transportieren,
und individualisiert er seinen Auftraggeber nicht, so ist der Tatrichter nicht auf
Grund des Zweifelssatzes gehalten, diese auf eine Beihilfe zum Handeltreiben
abzielende Einlassung zugrunde zu legen, wenn keine zuverlässigen Anhaltspunkte
für Auftrag und Person des Auftraggebers vorliegen.
BGH, Beschl. vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringerMenge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Ergebnis zu Recht wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, verurteilt. Zwar ist die bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens in nicht geringer Menge, wenn sie im Rahmen ein- und desselben Güterumsatzes erfolgt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt" (BGH NStZ 2003, 440; Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03 jew. m.w.N.). Soweit das erworbene Heroin gewinnbringend verkauft werden sollte, ist hier deshalb die Tatbestandsalternative der Einfuhr ausgeschlossen. Der Angeklagte hat jedoch 40 g der erworbenen Menge (Wirkstoffgehalt 59,4 = 60 %) zum Eigenverbrauch bestimmt. Insoweit ist in Tateinheit zum Handeltreiben auch der Tatbestand der Einfuhr, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, erfüllt, da diese Teilmenge nicht von der Tatbestandsalternative des Handeltreibens erfasst wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 22/00; Beschluss vom 28. Januar 2005 - 2 StR 555/04). 2. Die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens und nicht wegen Beihilfe ist - auch im Lichte neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kuriertätigkeiten (vgl. zusammenfassend BGH NJW 2007, 1220) - ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet. Er war unmittelbar mit Eigeninitiative am Erwerb beteiligt; insbesondere konnte er, nachdem ihm in Holland eine Kontaktaufnahme zu dem Drogenhändler "P. " nicht gelungen war, eigenverantwortlich entscheiden, das Heroin mit dem von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Geld bei einem "A. " zu erwerben. Er hatte auch darüber hinaus ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts , weil ihm für die Betäubungsmittelbeschaffung eine erhebliche Entlohnung in Form eines Schuldenerlasses in Höhe von 1.000 € in Aussicht gestellt war und er von den zu erwerbenden 300 g Heroin 40 g für den Eigenkonsum behalten sollte. Im Übrigen wäre das Landgericht nicht gehalten gewesen, die Einlassung des Angeklagten, er habe die Betäubungsmittel lediglich im Auftrag eines Drogenhändlers, dessen Name er nicht nennen wolle, von Holland nach Bayern transportiert, den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Die Strafkammer hat für einen solchen Auftrag und für die Person des Auftraggebers keine konkreten Anhaltspunkte festgestellt. Bei ei- ner solchen Sachlage muss der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371 LS; NStZ 2004, 35, 36). Dies führt auch hinsichtlich des insoweit schweigenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen (BVerfG aaO). Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf