Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2014 - 3 StR 133/14

bei uns veröffentlicht am17.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 3 3 / 1 4
vom
17. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
17. April 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 2. Dezember 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch,
b) soweit die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs für die erlittene Auslieferungshaft unterblieben ist; die zugehörigen Feststellungen werden aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen besonders schweren Raubes zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass die von der Angeklagten vom 11. März bis 29. August 2013 in Ecuador erlittene Auslieferungshaft auf die Strafe anzurechnen ist. Die auf die Rüge der Verlet- zung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat das Landgericht zu Lasten der Angeklagten an erster Stelle berücksichtigt , sie sei einmal, wenn auch nicht einschlägig, vorbestraft. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn festgestellt ist lediglich eine Verurteilung zu (der Höhe nach nicht mitgeteilter) Geldstrafe am 17. Oktober 2013, somit nach der verfahrensgegenständlichen, am 22. Oktober 2011 begangenen Tat. Eine nach der verfahrensgegenständlichen Tat ergangene Verurteilung darf daher nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn die dieser Verurteilung zugrunde liegende Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - 5 StR 338/06, NStZ 2007, 150). Dies lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen.
3
Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob eine Gesamtstrafe zu bilden oder - für den Fall der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe - ein Härteausgleich zu gewähren ist.
4
2. Ist wie hier eine vom Angeklagten im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auf die verhängte Strafe anzurechnen (§ 51 Abs. 1, Abs. 3 StGB), so hat der Tatrichter gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB nach pflichtgemäßem Ermessen - in der Urteilsformel (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364) - den Maßstab der Anrechnung zu bestimmen. Dies hat das Landgericht übersehen.
5
Eine eigene Sachentscheidung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ist dem Senat verwehrt. Weder kommt hier von vornherein nur eine Anrechnung im Verhältnis 1:1 in Betracht (hierzu BGH aaO; vgl. zu Ecuador BGH, Beschluss vom 8. Juli 2004 - 5 StR 151/04, StraFo 2004, 391) noch sind dem Urteil Umstände zu entnehmen, welche eine hinreichend sichere Bestimmung des Maßstabs erlauben könnten (hierzu BGH, Beschluss vom 13. August 2009 - 3 StR 255/09, NStZ-RR 2009, 370).
6
Der neue Tatrichter wird deshalb ergänzende Feststellungen zu den Haftbedingungen der Angeklagten in Ecuador zu treffen haben.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2014 - 3 StR 133/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2014 - 3 StR 133/14

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2014 - 3 StR 133/14 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 338/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2006

beschlossen:
1. Die Strafverfolgung wird gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft auf den Vorwurf der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen zugunsten der Treuhandgesellschaft A. mbH für die Monate Februar und März 1995 beschränkt. Soweit der Angeklagte wegen Abgabe einer inhaltlich unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1995 verurteilt worden ist, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 24. April 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt ist, und
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zum Wegfall einer Einzelstrafe und zur Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat das Rechtsmittel zum Strafausspruch Erfolg.
2
1. Der Senat hat gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft mit Blick auf den weitgehend identischen Unrechtsgehalt zwischen Umsatzsteuerjahreserklärung und Voranmeldungen (vgl. dazu BGHSt 49, 359, 364 f.; Jäger NStZ 2005, 552, 553 m.w.N.) die Strafverfolgung auf den Vorwurf der Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar und März 1995 beschränkt (vgl. zur Kostenentscheidung BGHR StPO § 154a Kostenentscheidung 1).
3
2. Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft genannten Gründen ohne Erfolg.
4
3. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Der Angeklagte hat den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), indem er in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Treuhandgesellschaft A. mbH (im Folgenden: A. ) für die Monate Februar und März 1995 der Treuhandgesellschaft tatsächlich nicht zustehende Vorsteuerüberhänge (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1, § 15 i.V.m. § 18 Abs. 1 UStG) geltend gemacht hat.
6
Es liegt bereits nahe, dass der A. die Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen über den Erwerb von Leasingrestwerten nicht zustan- den, weil Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an die Treuhandgesellschaft nicht erbracht worden waren. Denn die von den Treugebern der Treuhandgesellschaft betriebene G. L. GmbH übernahm die Verwertung der Leasingverträge unmittelbar ohne Zwischenschaltung der A. von den Verkäufern ab Februar 1995. Aber selbst wenn die Treuhandgesellschaft als Leistungsempfängerin im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG anzusehen wäre und im Rahmen der abzugebenden Steueranmeldungen Vorsteuerabzüge hätte vornehmen können, hätten sich die angemeldeten Vorsteuerüberhänge nicht ergeben. Zutreffend hat die Bundesanwaltschaft in ihrer Zuschrift darauf hingewiesen, dass in diesem Fall dem jeweiligen Vorsteuerbetrag ein – vom Angeklagten nicht angemeldeter – gleich hoher Umsatzsteuerbetrag aus der Weiterübertragung der Leasingrestwerte an die G. L. GmbH ge-genübergestanden hätte, der die Vorsteuern vollständig ausgeglichen hätte.
7
b) Der Taterfolg ist bei den hier geltend gemachten Vorsteuerüberhängen dadurch eingetreten, dass die Finanzbehörden einer Verrechnung mit der Umsatzsteuerzahllast des die Leasingrestwerte veräußernden Unternehmens zugestimmt haben (vgl. § 168 Satz 2 AO).
8
c) Die Urteilsfeststellungen tragen auch den Tatvorsatz. Denn ihnen ist zu entnehmen, dass der als Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätige Angeklagte den Sinngehalt des in §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG verwendeten Rechnungsbegriffs und der gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG vorzunehmenden Saldierung kannte. Gerade wenn er die A. als Leistungsempfängerin ansah, wusste er, dass für die Weiterlieferungen dieser Treuhänderin an die G. L. GmbH Ausgangsrechnungen zu erstellen waren, sich damit ein Vorsteuerüberhang von vornherein nicht ergeben konnte und für die erstrebte und erreichte Verrechnung kein Raum blieb.
9
Der Angeklagte nahm nicht etwa rechtsirrig an, dass die A.
isoliert den Vorsteuerabzug aus einzelnen Rechnungen geltend machen und ihre Leistungsbeziehung zum endgültigen Abnehmer dem Finanzamt vollständig verheimlichen durfte. Vielmehr hatte der Angeklagte davon Kenntnis, dass die G. L. GmbH bereits ab Februar 1995 mit der Verwertung der Leasingrechte begann, woraus sich Umsatzsteuerbeträge ergaben, die den zur Finanzierung des Kaufpreises erforderlichen, im Wege der Verrechnung durchgesetzten Vorsteuerüberhang von vornherein nicht zuließen. Die gegenteilig lautende Klausel aus dem Treuhandvertrag, wonach an sich die A. für die Treugeber M. und K. die Leasingrestwerte verwalten sollte, hatte der Angeklagte mit den beiden Treugebern, die von Anfang an die Leasingverträge in eigener Verantwortung verwalten wollten, nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) vereinbart.
10
4. Die Strafzumessung begegnet indes durchgreifenden Bedenken.
11
a) Das Landgericht hat bei den Einzelstrafen eine – zwischenzeitlich erledigte – Verurteilung wegen Untreue zu einer Geldstrafe strafschärfend berücksichtigt, die erst nach den verfahrensgegenständlichen Taten ergangen ist. Dies wäre zwar dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen ließe (vgl. BGH wistra 2002, 21). Ob dies der Fall ist, kann der Senat indes nicht abschließend prüfen, denn das Landgericht hat in den Urteilsgründen den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht mitgeteilt , obwohl dies nach den Umständen des vorliegenden Falles geboten war. Der Strafausspruch kann daher insgesamt keinen Bestand haben.
12
b) Der Strafausspruch begegnet auch deshalb in diesem Fall Bedenken, weil den Urteilsgründen die Motive und Ziele des Angeklagten, die für die Strafzumessung von Bedeutung sind (vgl. § 46 Abs. 2 StGB), nicht eindeutig zu entnehmen sind. Das Landgericht hätte sich damit auseinander- setzen müssen, ob alleiniger Beweggrund des Angeklagten die Rettung des ohne Vorsteuerüberhang nicht finanzierbaren Kaufgeschäfts war oder ob er darüber hinaus weiteres steuerunehrliches Verhalten der wahren Leistungsempfänger M. und K. verdecken wollte. Für den erstgenannten Fall wird eine Einstellung des Verfahrens (§§ 153a, 154 StPO) zu prüfen sein.
13
5. Für das weitere Strafverfahren weist der Senat zudem auf Folgendes hin:
14
Da die an sich gesamtstrafenfähige Verurteilung des Angeklagten vom 8. Mai 2001 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von 180 Tagessätzen zu je 55 DM, deren Einbeziehung nur deswegen nicht in Betracht kommt, weil die Geldstrafe bereits bezahlt ist, in ihrer Höhe die hier verhängte Gesamtstrafe übersteigt, wird die Strafkammer auf der Basis der neu vorzunehmenden Strafzumessung zu prüfen haben, ob zur Gewährleistung eines angemessenen Härteausgleichs eine Berücksichtigung ausnahmsweise bereits auf der Ebene der Einzelstrafen geboten ist (vgl. BGHSt 31, 102, 103 f.; 33, 131, 132).
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

5 StR 162/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2003

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. November 2002 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, daß die in Spanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Indes war die Urteilsformel um die Entscheidung über die Anrechnung der in Spanien erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen. Entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat das Landgericht im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem diese Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muß in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGHSt 27, 287, 288). Der Senat holt den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Anrechnung und die Festsetzung des Maßstabes nach. Im Hinblick darauf, daß in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmt (vgl. BGH, Beschl. vom 4. Juni 2003 – 5 StR 124/03).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Schaal

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

5 StR 151/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 8. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2004

beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Land- gerichts Hamburg vom 11. Dezember 2003 dahin geändert, daß die in Ecuador ab dem 16. November 2000 bis zum 31. Januar 2001 erlittene Untersuchungshaft in der Weise auf die Strafe angerechnet wird, daß ein Tag der dort vollzogenen Untersuchungshaft drei Tagen (statt einem und einem halben Tag) Freiheitsstrafe entspricht; im übrigen erfolgt die Anrechnung der weiteren bis zum 4. Dezember 2001 in Ecuador vollzogenen Untersuchungshaft im Maßstab 1:2 (statt 1:1).
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt; je ein Drittel der im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und der notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e Im Hinblick auf die im Urteil ausführlich dargelegten Zustände und Haftbedingungen in den drei Gefängnissen, in denen die Angeklagte untergebracht war, ist der vom Landgericht gewählte Anrechnungsmaßstab ermessensfehlerhaft. Der Senat hat auf dieser Grundlage entsprechend § 354 Abs. 1 StPO für die in Ecuador vollzogene Untersuchungshaft einen anderen für die Angeklagte günstigeren Anrechnungsmaßstab festgesetzt.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 255/09
vom
13. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. August 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 2. Februar 2009 dahin abgeändert, dass die in Australien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 2 : 1 angerechnet wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt; die Staatskasse trägt ein Viertel der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

1
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung in Australien vollzogener Auslieferungshaft , den das Landgericht mit 1 : 1 bestimmt hat.
2
Das Landgericht hat ausgeführt, dass die im Urteil festgestellten Erschwernisse während der Auslieferungshaft - fortwährende Bedrohungen des Angeklagten durch Mithäftlinge, woran auch Beschwerden beim Anstaltsperso- nal nichts geändert haben; Bedrohung und Einschüchterung durch einen Vollzugsbeamten ; teilweise Unterbringung in Räumen ohne Tageslicht; nicht funktionierende und videoüberwachte Toiletten; all dies mit der Folge, dass beim Angeklagten Depressionen und Angstzustände eintraten und er zweimal in Hungerstreik trat - den Haftbedingungen in deutschen Justizvollzugsanstalten vergleichbar sind. Dies entbehrt einer tragfähigen Grundlage, weshalb das Landgericht bei der Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs von dem in § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB eröffneten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat.
3
Der Senat kann entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Maßstab für die Anrechnung selbst bestimmen, da die dafür maßgeblichen Umstände dem Urteil zu entnehmen und weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (vgl. BGH wistra 1999, 463). In Anbetracht der festgestellten Erschwernisse bestimmt ihn der Senat mit 2 : 1.
4
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
VRiBGH Becker befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Pfister Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer