Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 3 StR 156/15

bei uns veröffentlicht am09.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 5 6 / 1 5
vom
9. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juni
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 11. Dezember 2014
a) im Schuld- und Strafausspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt ist;
b) im Ausspruch über den Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 21.137,80 € angeordnet. Von dem Vorwurf, in weiteren 31 Fällen ebenfalls mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, hatte es den Angeklagten freigesprochen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben , soweit der Angeklagte freigesprochen worden war. Auf die Revision des Angeklagten hat er es im Ausspruch über den Wertersatzverfall wegen unzureichender Erörterung der Härtevorschrift (§ 73c StGB) aufgehoben (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2014 - 3 StR 373/13, StV 2014, 665 [Ls]). Die weitergehende Revision des Angeklagten hat er verworfen.
2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen 13 weiterer Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt und aus den Einzelstrafen für diese sowie für die rechtskräftig festgestellten Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 25.000 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die erneute Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Schuld- und Strafausspruch weisen keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Senat hat lediglich die Urteilsformel dahin klargestellt, dass die Gesamtzahl der im vorliegenden Strafverfahren abgeurteilten Taten aus ihr hervorgeht. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz hält indes erneut rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4
Ausgangspunkt für die Verfallsentscheidung ist die Feststellung, was der Täter aus der Tat bzw. den Taten erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte für die neu abgeur- teilten 13 Taten 46.404,60 € erlangt hat. Zur Grundlage seiner Berechnung hat es in Ermangelung von Feststellungen zu den Verkaufspreisen die Preise gemacht , die der Angeklagte an seinen Drogenhändler für den Ankauf von Haschisch und Marihuana jeweils zu zahlen hatte. Insoweit ist der Angeklagte nicht beschwert. Indes belegt die Entscheidung nicht, dass der Angeklagte in dem von der Kammer angenommenen Umfang tatsächlich Betäubungsmittel geliefert bekam und deshalb aus dem Weiterverkauf einen Erlös erlangen konnte. Hierzu im Einzelnen:
5
Nur im Fall III.2. der Urteilsgründe hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte die bestellte Rauschgiftmenge auch ausgeliefert erhielt. In den anderen Fällen beschränken sich die Feststellungen darauf, dass der Angeklagte eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln bei seinem Lieferanten "bestellte" oder von ihm "erwarb". Dies reicht jedenfalls in der vorliegenden Konstellation für die Feststellung einer Lieferung an den Angeklagten nicht aus. Das Landgericht hat seine Überzeugung von den 13 Taten im Wesentlichen auf die Aufzeichnungen gestützt, die der Lieferant des Angeklagten über seine Geschäftstätigkeit in mehreren Terminkalendern gemacht hatte. Diese enthielten in verschleierter Form Angaben über Art und Menge des Rauschgifts, den Preis, den Abnehmer und Zahlungsvorgänge. In einigen Fällen waren die Notizen ganz oder teilweise durchgestrichen. Das Landgericht hat die Bedeutung der Streichungen nicht festzustellen vermocht. Es hat für möglich gehalten, dass damit nur die endgültige Abwicklung des Rauschgiftgeschäfts (Zahlung des Kaufpreises nach Übergabe der Drogen) vermerkt werden sollte. Es hat aber auch nicht ausschließen können, dass die Streichungen vorgenommen worden waren, weil über ein Betäubungsmittelgeschäft zwar ernsthaft verhandelt worden - und damit das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bereits vollendet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252) - war, der Handel "indes aus welchen Gründen auch immer nicht durchgeführt wurde" (UA S. 15).
6
Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen, in welchem der weiteren zwölf Fälle der Angeklagte das bestellte Rauschgift erhielt. Damit fehlt es an dem Beleg, dass der Angeklagte bei diesen Taten Drogen weiterverkaufen und hieraus einen Erlös erlangen konnte. Über den Verfall von Wertersatz muss deshalb erneut befunden werden.
7
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO).
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 3 StR 156/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 3 StR 156/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 3 StR 156/15 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 3 StR 156/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 3 StR 156/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2014 - 3 StR 373/13

bei uns veröffentlicht am 23.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 373/13 vom 23. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhör

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 373/13
vom
23. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Januar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 13. März 2013 im Ausspruch über den Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 21.137,80 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandun- gen. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO.
2
Während der Schuld- und der Strafausspruch keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann die Anordnung des Verfalls von Wertersatz keinen Bestand haben. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, reicht die Mitteilung der Strafkammer in den Urteilsgründen, sie habe "keine Veranlassung" gehabt, "von der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen", nicht aus, um die Entscheidung des Landgerichts zu rechtfertigen. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte seit Februar 1998 ohne Arbeit und bezog zunächst Arbeitslosengeld I und danach Leistungen nach dem SGB II. Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob das durch die Verkäufe der Betäubungsmittel Erlangte wertmäßig noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden war (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565). Für den Fall einer Entreicherung des Angeklagten hätte das Landgericht sodann prüfen und begründen müssen, ob in Ausübung des durch § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessens von einem Verfall ganz oder teilweise abgesehen werden soll.
3
Diese Prüfung und Entscheidung wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.