Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2011 - 3 StR 235/11

bei uns veröffentlicht am04.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 235/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1., 2. b) und 3. auf dessen Antrag -
am 4. August 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. März 2011 aufgehoben
a) im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sowie
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. a) Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.

b) Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der zur Tatzeit zweiundzwanzigjährige, in vollem Umfang geständige Angeklagte, der an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und einer Polytoxikomanie leidet, vor dem 1. Januar 2011 innerhalb weniger Wochen zweimal in die Filiale einer deutschen Großbank und erzwang dort unter Vorhalt einer ungeladenen Schreckschusspistole die Herausgabe von mehreren tausend Euro.
3
1. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
2. Die vom Landgericht nach § 66 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung angeordnete Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hält bereits für sich betrachtet sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn sie erweist sich nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) als nicht mehr verhältnismäßig.
5
a) Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. Die Anordnung wird "in der Regel" nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist" (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 172). Diese vom Bundesverfassungsgericht geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" ist dahin zu verstehen, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 164/11) - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11).
6
b) Zwar sind schwere räuberische Erpressungen im Sinne der §§ 249, 250 Abs. 1, §§ 253, 255 StGB wegen der dafür angedrohten Mindeststrafe von drei Jahren und den für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als ausreichend "schwere Straftaten" im vorstehenden Sinn anzusehen (vgl. für Straftaten nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11). Dies gilt auch dann, wenn der Täter - wie hier - die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB dadurch verwirklicht, dass er bei einem Banküberfall mit einer ungeladenen Schreckschusspistole droht.
7
c) Jedoch verstößt die Anordnung der Sicherungsverwahrung gleichwohl bei angemessener Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles mit Blick auf die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung durch den Gesetzgeber, die einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Abstandsgebot begründet (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 172), gegen das Übermaßverbot. Dabei ist neben Art und Gewicht der vom Landgericht prognostizierten Straftaten insbesondere das noch junge Alter des Angeklagten von Belang. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung stellt für den bei Tatbegehung erst 22 Jahre alten Angeklagten einen besonders belastenden Eingriff dar. Bereits nach der früheren fachgerichtlichen Rechtsprechung war die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei derart jungen Tätern zwar nicht ausgeschlossen; sie kam jedoch nur in Ausnahmefällen in Betracht (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1988 - 3 StR 406/88, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Gefährlichkeit 1; Beschluss vom 6. August 1997 - 2 StR 199/97, juris Rn. 13). In Ermangelung einer umfassend als Gesamtkonzept ausgestalteten Regelung der Sicherungsverwahrung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung eine erhöhte Resozialisierungschance des Angeklagten bewirkt (zu den Defiziten beim Zugang zu sozialtherapeutischen Anstalten aus dem regulären Strafvollzug vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 121). Zu beachten ist schließlich der Ausnahmecharakter des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB, der eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt.
8
d) Der Senat schließt aus, dass ein neues Tatgericht Tatsachen feststellen könnte, die bei Beachtung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnten. Er entscheidet deshalb selbst in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.
9
3. Auch die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
10
a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt : "Die Strafkammer hat diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten psychiatrischen Sachverständigen - die jedoch insoweit nicht näher mitgeteilt werden - damit begründet, dass 'trotz des Substanzmittelkonsums' des Angeklagten , der in den Monaten vor den beiden in Rede stehenden Taten vermehrt Alkohol trank und auch Kokain konsumierte (UA S. 3 bis 5, 15 f.)‚ 'die Feststellung eines Hanges im Sinne von § 64 StGB' nicht 'mit hinreichender Sicherheit zu treffen' sei (UA S. 17 f.). Diese äußerst knappen Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 S[atz] 1 StGB verkannt hat. Ein solcher ist nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden (erheblichen) Abhängigkeit zu bejahen; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5, Senat Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Beschluss vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10 Rdnr. 4; Fischer[, StGB, 58. Aufl. 2011,] § 64 Rdnr. 9 m.w.N.). Dass eine derartige Neigung beim Angeklagten besteht , liegt nach den getroffenen Feststellungen nahe, denn nach der Einschätzung des Sachverständigen, die sich die Strafkammer zu eigen gemacht hat, hat der Angeklagte zur Tatzeit im Hinblick auf Alkohol und Kokain eine 'Polytoxikomanie (F 19.2)' - mithin ein psychisch bedingtes Abhängigkeitssyndrom - entwickelt (UA S. 15, 23). Mit diesem Umstand hätte sich das Tatgericht bei der Frage des Hanges nach § 64 StGB zwingend auseinandersetzen müssen. … Außerdem hält die sachverständig beratene Strafkammer die in § 64 StGB normierten Anordnungsvoraussetzungen für nicht gegeben, weil 'eine kausale Verknüpfung zwischen dem Alkohol- und Drogenkonsum und den aktuell zu beurteilenden Taten' nicht 'eindeutig herzustellen' sei (UA S. 18). Auch dies stellt keine ausreichende Begründung dar. Ihr kann nicht entnommen werden, ob sich die Strafkammer bewusst war, dass der symptomatische Zusammenhang zwischen der Tatbegehung und dem Hang i.S.d. § 64 S[atz] 1 StGB auch dann zu bejahen ist, wenn der Hang zum Rauschmittelgenuss - neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat. Der Zusammenhang kann daher nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel - etwa die vorliegend bei dem Angeklagten zusätzlich zu seiner Polytoxikomanie diagnostizierte dissoziale Persönlichkeitsstörung (UA S. 15) - eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09 Rdnr. 12 m.w.N.). Dass die festgestellte Polytoxikomanie des Angeklagten für die in Rede stehenden Banküberfälle zumindest mitursächlich gewesen sein kann, ist hier jedenfalls nicht auszuschließen, denn er nutzte die erbeuteten Geldmittel in beiden Fällen jeweils - neben der Erfüllung von Verbindlichkeiten für Hotelkosten u.ä. - für seinen Alkohol- und Kokainkonsum (UA S. 11, 13). Mithin steht zu besorgen, dass das Landgericht auch das Vorliegen des symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstaten i.S.v. § 64 S[atz] 1 StGB von zu engen Voraussetzungen abhängig gemacht hat."
11
Dem schließt sich der Senat an.
12
b) Aus den vom Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegten Gründen scheiden die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht von vorneherein aus. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung gemäß § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5 ff.; Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 ff.). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden ; hierzu werden unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neue Feststellungen zu treffen sein.
13
c) Der Strafausspruch wird durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Maßregel nicht berührt und kann daher bestehen bleiben. Es ist auszuschließen , dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
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Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2011 - 3 StR 235/11

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per
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(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/11
vom
25. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Mai 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30. September 2010 im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 46 Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hinsichtlich des Maßregelausspruchs; im Übrigen ist sie, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 5. April 2011 zutreffend dargelegt hat, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer kam es im Zeitraum zwischen Januar 2002 und September 2009 in insgesamt 52 Fällen in der Wohnung des Angeklagten, in der seiner Schwester und im Führerhaus des vom Angeklagten gefahrenen Lastkraftwagens zu sexuellen Handlungen unterschiedlicher Intensität zum Nachteil seiner beiden Nichten sowie zum Nachteil von zwei weiteren Mädchen und zwei Jungen aus seinem Bekannten- und Freundeskreis, die im Tatzeitraum zwischen vier und elf Jahre alt waren. Der im Jahr 2002 wegen vergleichbarer Taten zu einer Bewährungsstrafe verurteilte , im damaligen wie im vorliegenden Fall umfassend geständige Angeklagte berührte die Mädchen jeweils oberhalb und unterhalb der Kleidung im Scheidenbereich mit der Hand und dem Mund, wobei eines der Mädchen zusätzlich seinen erigierten Penis anfassen musste. Gegenüber den Jungen kam es zu Manipulationen an deren entblößten Genitalien, die er in einigen Fällen auch in seinen Mund nahm.
4
2. Gegen den Angeklagten sei, so das Landgericht, Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 StGB a.F. anzuordnen. Er habe über einen Zeitraum von über zehn Jahren hinweg einschlägige Taten nach einem im Kern immer gleichen Muster begangen und dabei das bei den Geschädigten und deren Eltern gewonnene Vertrauen zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse ausgenutzt. Bei der Beurteilung des konkreten Rückfallrisikos – das vom Sachverständigen für vergleichbare Fälle mit 50 % angegebene statistische Rückfallrisiko habe keine ausschlaggebende Bedeutung gehabt – seien die Zugehörigkeit der Tatopfer zum Familien- und Freundeskreis des Angeklagten und die Tatsache zu berücksichtigen, dass sich der Angeklagte auch durch eine einschlägige Bewährungsstrafe von der Begehung neuer Taten nicht habe abhalten lassen. Therapiemöglichkeiten mit dem Ziel der Verhaltensänderung habe er nicht wahrgenommen, so dass ein Rückfall in das vorhandene eingeschliffene Verhaltensmuster zu erwarten sei. Im Rahmen des nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB a.F. eingeräumten Ermessens sei der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, unter Beachtung des ultima-ratio-Charakters der Maßregel einen angemessenen Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Intensivtätern zu gewährleisten. Dass dem Angeklagten für den Fall einer Therapie nach Einschätzung des Sachverständigen eine günstige Prognose gestellt werden könne, sei unbeachtlich, da für die Gefährlichkeitsprognose der Zeitpunkt der Aburteilung maßgebend sei.

II.

Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
1. Die auf § 66 Abs. 2, 3 Satz 2 StGB a.F. gestützte Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren formelle Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Die Urteilsgründe müssen nachvollziehbar erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen von der Ermessensbefugnis Gebrauch gemacht wurde (Senatsbeschluss vom 4. Januar 1994 – 4 StR 718/93, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 5 m.w.N.). Dabei müssen erkennbar auch diejenigen Umstände erwogen werden, die gegen die Anordnung der Maßregel sprechen können. Das gilt vor allem für den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift, wonach das Tatgericht die Möglichkeit haben soll, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zu Warnung dienen lässt. Damit soll dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen werden, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 StGB a.F. eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung nicht voraussetzt. Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind deshalb wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Ermessensentscheidung regelmäßig zu berücksichtigen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 271 f. m.w.N.). Die gilt für § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB a.F. entsprechend (BGH, Beschluss vom 5. April 2011 – 3 StR 12/11).
6
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat die schon allein mit dem Vollzug der verhängten langjährigen Freiheitsstrafe verbundenen Auswirkungen auf den jetzt 45 Jahre alten Angeklagten bei der Ausübung seines Ermessens rechtsfehlerhaft unerörtert gelassen. Die Erwägung, dass der Angeklagte in der Vergangenheit die Gelegenheit zur therapeutischen Aufarbeitung seiner Problematik ungenutzt gelassen hat, ein Umstand, den die Strafkammer als Beleg für seine fortbestehende Gefährlichkeit anführt, der indes nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch die Ermessensausübung beeinflusst haben kann, erweist sich in diesem Zusammenhang als nicht tragfähig. Die Strafkammer hat sich damit nicht nur den Blick auf mögliche, mit dem fortschreitenden Lebensalter einhergehende Verhaltensänderungen beim Angeklagten verstellt, sondern auch darauf, dass sich nunmehr durch den erstmaligen Vollzug einer längeren Freiheitsstrafe die Möglichkeit einer langfristigen Therapie bietet. Gerade im Hinblick auf den erwähnten Ausnahmecharakter der §§ 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB a.F. wäre dies vor dem Hintergrund der vom Sachverständigen gestellten positiven Therapieprognose als ein wesentlicher, im vorliegenden Fall gegen die Anordnung der Maßregel sprechender Gesichtspunkt eingehend zu erörtern gewesen. Diese Erörterung wird die zu neuer Entscheidung berufene Strafkammer mit sachverständiger Hilfe nachzuholen haben.

III.

Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
7
1. § 66 StGB ist vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 (2 BVR 2365/09 u.a.) für mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden. Daher ist § 66 StGB bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, nur nach Maßgabe der vom Bundesverfassungsgericht erlassenen Weitergeltungsanordnung anzuwenden. Die weitere Anwendung des § 66 StGB in der Übergangszeit hat nach Maßgabe der Nummer III. 1. in Verbindung mit Nummer II. 1. b) des Tenors des angeführten Urteils zu erfolgen; für diesen Fall fordert das Bundesverfassungsgericht gemäß C. III. 2. a) der Gründe (Rn. 172) eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.
8
2. Nach diesem Maßstab wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer die Voraussetzungen des § 66 StGB zu prüfen und – soweit es eine Anordnung nach § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB erwägt – auch das dem Tatrichter dort eingeräumte Ermessen auszuüben haben. Angesichts des vom Sachverständigen als „moderat bis hoch“ eingeschätztenund damit der mittleren Risikokategorie zuzuordnenden Rückfallrisikos bei vier von zwölf möglichen Punkten in der Risikoeinstufung nach dem sog. Static 99 – Verfahren (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, StV 2010, 484) wird dies einer besonders sorgfältigen Begründung bedürfen. Ernemann Franke Mutzbauer Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 175/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. Januar 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten und der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die hiergegen gerichtete, auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung beantragt. Dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Unrecht abgesehen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln. Nach dem insoweit maßgeblichen und hier eindeutigen Sinn der Revisionsbegründung ist deshalb allein die Nichtanordnung der Maßregel angefochten und das Urteil im Übrigen vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Der Senat bemerkt jedoch, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, der Revisionsantrag deckungsgleich mit dem Inhalt der Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird unnötig belastet, wenn der Umfang der Anfechtung erst durch Auslegung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09 mwN).
3
Die Beschränkung der Revision ist indes unwirksam, soweit der Strafausspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wird. Dieser steht hier in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit der Maßregelanordnung.
4
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs. Auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
5
1. Gegenstand der Verurteilung sind vier Taten des Angeklagten zum Nachteil seiner früheren Lebensgefährtin.
6
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zwang der Angeklagte die Nebenklägerin in der Nacht zum 5. Mai 2009 durch erhebliche, zum Verlust von Zähnen führende Gewalt zuerst zum Oralverkehr und sodann zum Geschlechtsverkehr. Am Abend des Vortages hatte die Nebenklägerin dem Angeklagten mitgeteilt, die Beziehung zu ihm beenden zu wollen, und ihn aufgefordert , spätestens am nächsten Tag ihre Wohnung zu verlassen.
7
b) Nachdem es im Dezember 2009 zu einer Versöhnung und erneutem Zusammenleben gekommen war, trennte sich die Nebenklägerin Anfang Mai 2010 ein weiteres Mal vom Angeklagten. Dieser "passte" sie daraufhin Ende Mai / Anfang Juni in den Abendstunden auf einem Spaziergang "ab" und zwang sie unter Todesdrohungen und Einsatz einfacher körperlicher Gewalt in einem Waldstück zum Geschlechtsverkehr.
8
c) Am 24. Juli 2010 überraschte der Angeklagte die Nebenklägerin erneut auf einem Abendspaziergang. Er zwang sie, indem er sie bis zur Luftnot würgte und mit dem Tod bedrohte, zur Herausgabe ihres Mobiltelefons und verbrachte sie auf den Rücksitz ihres Autos.
9
d) Im Anschluss daran fuhr der Angeklagte mit ihr zu seiner Wohnung. Dort schlug er sie mehrfach ins Gesicht, zerrte an ihren Haaren, riss ihren Kopf nach hinten und nötigte sie damit zum Oralverkehr. Sodann zwang er sie mit weiteren Schlägen, sich auszuziehen und sich selbst zu befriedigen, was der Angeklagte mit einer Kamera filmte. Danach nötigte er die Nebenklägerin mit Gewalt insgesamt zweimal zum Geschlechtsverkehr.
10
2. Das Landgericht hat hierfür Einzelstrafen von vier Jahren, drei Jahren und sechs Monaten, neun Monaten sowie von sechs Jahren verhängt und dar- aus eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten gebildet. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen und dazu ausgeführt: Es bestehe aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten zwar eine eher hohe Rückfallgefahr, indes könne bei dem Angeklagten ein Hang zu erheblichen Straftaten (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF) nicht festgestellt werden. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung weise keine sadistischen Anteile auf; die Merkmale der "Psychopathy" seien nur im "unteren Bereich" zu bejahen; antisoziale Denkstile seien beim Angeklagten nicht festzustellen ; eine progrediente Entwicklung der Straftaten sei nicht zu erkennen; zwischen den früheren Straftaten lägen teilweise lange Zeitabschnitte; es könne "bei keiner der Vergewaltigungstaten festgestellt werden, dass der Angeklagte nicht lediglich sich ihm bietende Gelegenheiten zu sexuellen Handlungen wahrgenommen" habe.
11
3. Die Begründung, mit der das Landgericht beim Angeklagten einen Hang zu erheblichen Straftaten verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie geht in Teilen von falschen Maßstäben aus oder steht im Widerspruch zu den Feststellungen.
12
a) Das Landgericht hat das Fehlen sadistischer Anteile in der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten fehlerhaft bewertet. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1979 - 3 StR 436/79, NJW 1980, 1055 mwN). Ein Hang zur Begehung von erheblichen, gewalttätigen Sexualdelikten kann auch dann vorliegen, wenn der Täter in der Verletzung oder Demütigung seines Opfers nicht die hauptsächliche Quelle der Erregung oder der Befriedigung findet (vgl. zum Sadismus Elsner/Leygraf in Kröber u.a., Handbuch der forensischen Psychiatrie Bd. 2, 1. Aufl., S. 472, 485).
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts verläuft die Kriminalitätsentwicklung des Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen durchaus progredient. Unzutreffend ist zudem die Einschätzung, es habe sich bei den Straftaten des Angeklagten jeweils um Gelegenheitstaten gehandelt.
14
Die Vergewaltigung, die der Angeklagte im Alter von 23 Jahren zum Nachteil der Ehefrau eines Freundes begangen hatte und wegen der er 1985 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war, war zwar noch eine Spontantat. Dagegen hat der Angeklagte im Jahr 2003 die Vergewaltigung und Körperverletzung seiner damaligen Ehefrau, für die 2004 eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren gegen ihn verhängt worden ist, begangen , nachdem er sein Opfer mittels einer Finte ins Haus gelockt hatte. Die Tat zog sich zudem über einen längeren Zeitraum hin und war von einer besonderen Erniedrigung geprägt. Die nunmehr abgeurteilten Taten zeigen sowohl in der Intensität der Gewaltausübung als auch der abgenötigten Handlungen eine weitere Steigerung. Zudem verkürzten sich die Abstände zwischen den Übergriffen deutlich. Zwei von ihnen beruhten zuletzt auf planvollem Vorgehen des Angeklagten.
15
4. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt worden ist, führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruches. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1979 - 3 StR 436/79, NJW 1980, 1055 mwN; Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172).
16
5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
17
a) Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) sind u.a. die hier anzuwendenden Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung als mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat aber angeordnet, dass die Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - längstens bis 31. Mai 2013 - nach Maßgabe der Gründe seiner Entscheidung weiter anwendbar bleiben. Danach bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. In der Regel wird die Anordnung nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist" (BVerfG aaO Rn. 172).
18
Der Senat versteht die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" dahin, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 164/11) - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist. Hierzu im Einzelnen:
19
(1) Hinsichtlich der Erheblichkeit weiterer Straftaten kommen regelmäßig nur "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" in Betracht. Hierin liegt, ansonsten wäre die genannte Maßgabe ohne Inhalt, eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen. Dies gilt sowohl für die Straftatenkataloge als auch für die Beschreibung der Taten, auf die sich der Hang beziehen muss. Nicht alle "erheblichen Straftaten", durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden" (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB.
20
Nach Ansicht des Senats sind Vergewaltigungen (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) wegen der dafür im Regelfall angedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftaten" im vorstehenden Sinn anzusehen.
21
(2) Die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten muss "aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" sein. Auch dies stellt höhere Anforderungen als die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose geforderte "Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten". Das Landgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - zur Gefahrenprognose lediglich ausgeführt, die Rückfallgefahr sei "eher hoch" und die Gefährlichkeit des Angeklagten würde "bejaht". Solche verkürzten Darlegungen würden selbst den hergebrachten Anforderungen nicht genügen. Der neue Tatrichter wird ggf. die Gefährlichkeit aus konkreten Umständen herleiten und sich dabei insbesondere damit auseinandersetzen müssen , dass die Taten des Angeklagten aus dem situativen Zusammenhang einer Beziehungskrise begangen worden und zwischen den abgeurteilten Taten und den früheren Vergewaltigungen Zeiträume von fünfeinhalb bzw. 19 Jahre verstrichen sind.
22
b) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung könnte, sofern der neue Tatrichter einen Hang zu erheblichen Straftaten und eine auf ihm beruhende Gefährlichkeit des Angeklagten bejahen sollte, nur auf § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB aF gestützt werden. § 66 Abs. 1 StGB aF kommt als Grundlage dafür nicht in Betracht, da die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung aus dem Jahr 1985 auf Grund der eingetretenen "Rückfallverjährung" (§ 66 Abs. 4 Satz 3 StGB aF) als Vorverurteilung ausscheidet und deshalb die formelle Voraussetzung einer zweiten Vorstrafe fehlt.
23
c) Die Anordnung läge sodann im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dieser soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Täter schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB - im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzen. Die maßgeblichen Gründe für seine Ermessensentscheidung muss der Tatrichter nachvollziehbar darlegen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Ermessensentscheidung zu ermöglichen (Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 mwN).
VRiBGH Becker befindet Pfister Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Pfister
Mayer Menges

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 175/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. Januar 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten und der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die hiergegen gerichtete, auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung beantragt. Dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Unrecht abgesehen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln. Nach dem insoweit maßgeblichen und hier eindeutigen Sinn der Revisionsbegründung ist deshalb allein die Nichtanordnung der Maßregel angefochten und das Urteil im Übrigen vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Der Senat bemerkt jedoch, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, der Revisionsantrag deckungsgleich mit dem Inhalt der Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird unnötig belastet, wenn der Umfang der Anfechtung erst durch Auslegung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09 mwN).
3
Die Beschränkung der Revision ist indes unwirksam, soweit der Strafausspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wird. Dieser steht hier in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit der Maßregelanordnung.
4
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs. Auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
5
1. Gegenstand der Verurteilung sind vier Taten des Angeklagten zum Nachteil seiner früheren Lebensgefährtin.
6
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zwang der Angeklagte die Nebenklägerin in der Nacht zum 5. Mai 2009 durch erhebliche, zum Verlust von Zähnen führende Gewalt zuerst zum Oralverkehr und sodann zum Geschlechtsverkehr. Am Abend des Vortages hatte die Nebenklägerin dem Angeklagten mitgeteilt, die Beziehung zu ihm beenden zu wollen, und ihn aufgefordert , spätestens am nächsten Tag ihre Wohnung zu verlassen.
7
b) Nachdem es im Dezember 2009 zu einer Versöhnung und erneutem Zusammenleben gekommen war, trennte sich die Nebenklägerin Anfang Mai 2010 ein weiteres Mal vom Angeklagten. Dieser "passte" sie daraufhin Ende Mai / Anfang Juni in den Abendstunden auf einem Spaziergang "ab" und zwang sie unter Todesdrohungen und Einsatz einfacher körperlicher Gewalt in einem Waldstück zum Geschlechtsverkehr.
8
c) Am 24. Juli 2010 überraschte der Angeklagte die Nebenklägerin erneut auf einem Abendspaziergang. Er zwang sie, indem er sie bis zur Luftnot würgte und mit dem Tod bedrohte, zur Herausgabe ihres Mobiltelefons und verbrachte sie auf den Rücksitz ihres Autos.
9
d) Im Anschluss daran fuhr der Angeklagte mit ihr zu seiner Wohnung. Dort schlug er sie mehrfach ins Gesicht, zerrte an ihren Haaren, riss ihren Kopf nach hinten und nötigte sie damit zum Oralverkehr. Sodann zwang er sie mit weiteren Schlägen, sich auszuziehen und sich selbst zu befriedigen, was der Angeklagte mit einer Kamera filmte. Danach nötigte er die Nebenklägerin mit Gewalt insgesamt zweimal zum Geschlechtsverkehr.
10
2. Das Landgericht hat hierfür Einzelstrafen von vier Jahren, drei Jahren und sechs Monaten, neun Monaten sowie von sechs Jahren verhängt und dar- aus eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten gebildet. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen und dazu ausgeführt: Es bestehe aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten zwar eine eher hohe Rückfallgefahr, indes könne bei dem Angeklagten ein Hang zu erheblichen Straftaten (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF) nicht festgestellt werden. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung weise keine sadistischen Anteile auf; die Merkmale der "Psychopathy" seien nur im "unteren Bereich" zu bejahen; antisoziale Denkstile seien beim Angeklagten nicht festzustellen ; eine progrediente Entwicklung der Straftaten sei nicht zu erkennen; zwischen den früheren Straftaten lägen teilweise lange Zeitabschnitte; es könne "bei keiner der Vergewaltigungstaten festgestellt werden, dass der Angeklagte nicht lediglich sich ihm bietende Gelegenheiten zu sexuellen Handlungen wahrgenommen" habe.
11
3. Die Begründung, mit der das Landgericht beim Angeklagten einen Hang zu erheblichen Straftaten verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie geht in Teilen von falschen Maßstäben aus oder steht im Widerspruch zu den Feststellungen.
12
a) Das Landgericht hat das Fehlen sadistischer Anteile in der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten fehlerhaft bewertet. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1979 - 3 StR 436/79, NJW 1980, 1055 mwN). Ein Hang zur Begehung von erheblichen, gewalttätigen Sexualdelikten kann auch dann vorliegen, wenn der Täter in der Verletzung oder Demütigung seines Opfers nicht die hauptsächliche Quelle der Erregung oder der Befriedigung findet (vgl. zum Sadismus Elsner/Leygraf in Kröber u.a., Handbuch der forensischen Psychiatrie Bd. 2, 1. Aufl., S. 472, 485).
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts verläuft die Kriminalitätsentwicklung des Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen durchaus progredient. Unzutreffend ist zudem die Einschätzung, es habe sich bei den Straftaten des Angeklagten jeweils um Gelegenheitstaten gehandelt.
14
Die Vergewaltigung, die der Angeklagte im Alter von 23 Jahren zum Nachteil der Ehefrau eines Freundes begangen hatte und wegen der er 1985 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war, war zwar noch eine Spontantat. Dagegen hat der Angeklagte im Jahr 2003 die Vergewaltigung und Körperverletzung seiner damaligen Ehefrau, für die 2004 eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren gegen ihn verhängt worden ist, begangen , nachdem er sein Opfer mittels einer Finte ins Haus gelockt hatte. Die Tat zog sich zudem über einen längeren Zeitraum hin und war von einer besonderen Erniedrigung geprägt. Die nunmehr abgeurteilten Taten zeigen sowohl in der Intensität der Gewaltausübung als auch der abgenötigten Handlungen eine weitere Steigerung. Zudem verkürzten sich die Abstände zwischen den Übergriffen deutlich. Zwei von ihnen beruhten zuletzt auf planvollem Vorgehen des Angeklagten.
15
4. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt worden ist, führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruches. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1979 - 3 StR 436/79, NJW 1980, 1055 mwN; Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172).
16
5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
17
a) Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) sind u.a. die hier anzuwendenden Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung als mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat aber angeordnet, dass die Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - längstens bis 31. Mai 2013 - nach Maßgabe der Gründe seiner Entscheidung weiter anwendbar bleiben. Danach bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. In der Regel wird die Anordnung nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist" (BVerfG aaO Rn. 172).
18
Der Senat versteht die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" dahin, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 164/11) - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist. Hierzu im Einzelnen:
19
(1) Hinsichtlich der Erheblichkeit weiterer Straftaten kommen regelmäßig nur "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" in Betracht. Hierin liegt, ansonsten wäre die genannte Maßgabe ohne Inhalt, eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen. Dies gilt sowohl für die Straftatenkataloge als auch für die Beschreibung der Taten, auf die sich der Hang beziehen muss. Nicht alle "erheblichen Straftaten", durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden" (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB.
20
Nach Ansicht des Senats sind Vergewaltigungen (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) wegen der dafür im Regelfall angedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftaten" im vorstehenden Sinn anzusehen.
21
(2) Die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten muss "aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" sein. Auch dies stellt höhere Anforderungen als die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose geforderte "Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten". Das Landgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - zur Gefahrenprognose lediglich ausgeführt, die Rückfallgefahr sei "eher hoch" und die Gefährlichkeit des Angeklagten würde "bejaht". Solche verkürzten Darlegungen würden selbst den hergebrachten Anforderungen nicht genügen. Der neue Tatrichter wird ggf. die Gefährlichkeit aus konkreten Umständen herleiten und sich dabei insbesondere damit auseinandersetzen müssen , dass die Taten des Angeklagten aus dem situativen Zusammenhang einer Beziehungskrise begangen worden und zwischen den abgeurteilten Taten und den früheren Vergewaltigungen Zeiträume von fünfeinhalb bzw. 19 Jahre verstrichen sind.
22
b) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung könnte, sofern der neue Tatrichter einen Hang zu erheblichen Straftaten und eine auf ihm beruhende Gefährlichkeit des Angeklagten bejahen sollte, nur auf § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB aF gestützt werden. § 66 Abs. 1 StGB aF kommt als Grundlage dafür nicht in Betracht, da die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung aus dem Jahr 1985 auf Grund der eingetretenen "Rückfallverjährung" (§ 66 Abs. 4 Satz 3 StGB aF) als Vorverurteilung ausscheidet und deshalb die formelle Voraussetzung einer zweiten Vorstrafe fehlt.
23
c) Die Anordnung läge sodann im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dieser soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Täter schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB - im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzen. Die maßgeblichen Gründe für seine Ermessensentscheidung muss der Tatrichter nachvollziehbar darlegen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Ermessensentscheidung zu ermöglichen (Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 mwN).
VRiBGH Becker befindet Pfister Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Pfister
Mayer Menges

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 429/10
vom
13. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag - am

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 20. Juli 2010 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 54 bis 58 der Urteilsgründe jeweils wegen Computerbetruges verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 54 Fällen, "davon in 32 Fällen nur als Versuch", und wegen Computerbetruges in 18 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er mit der allgemeinen Sachrüge begründet hat. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 54 bis 58 der Urteilsgründe jeweils wegen Computerbetruges verurteilt worden ist. Die Teileinstellung hat in der vorliegenden Sache nicht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Diese hat vielmehr Bestand. Angesichts der verbleibenden Einzelstrafen (siebenmal ein Jahr, sechsmal zehn Monate, zweiundzwanzigmal acht Monate und zweiunddreißigmal fünf Monate Freiheitsstrafe) kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht ohne die in den eingestellten Fällen festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen (einmal ein Jahr und viermal zehn Monate) auf eine niedrigere als die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten erkannt hätte.
3
2. Der Bestand des Strafausspruchs wird im Ergebnis auch nicht dadurch gefährdet, dass das Landgericht in allen (32) Fällen des versuchten Diebstahls ohne Weiteres vom Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgegangen ist. Die hierfür gegebene Begründung, der Umstand der Nichtvollendung spiele für die Strafrahmenwahl keine Rolle, weil nach allgemeiner Meinung von der Regelwirkung auszugehen sei, wenn das Regelbeispiel wie vorliegend verwirklicht, das Grunddelikt indes nur versucht ist, hält der rechtli- chen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hätte vielmehr in allen Versuchsfällen prüfen müssen, ob der geringere Unrechtsgehalt der versuchten Tat die Regelwirkung entkräftet oder eine Strafrahmenmilderung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. nur Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 103 f.). Diese Prüfung lässt das angefochtene Urteil vermissen. Der Senat sieht indes von der Aufhebung des Strafausspruchs ab, da die verhängte Rechtsfolge (fünf Monate Freiheitsstrafe) unter Berücksichtigung der für die Strafzumessung bedeutsamen Urteilsfeststellungen in allen Fällen angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit , zu der beabsichtigten Entscheidung Stellung zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 136, 1447/05, NStZ 2007, 598).
4
3. Nicht bestehen bleiben kann das Urteil hingegen, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Die sachverständig beratene Strafkammer hat diese Entscheidung damit begründet, dass beim Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln , aber keine Sucht und damit nicht der nach § 64 StGB erforderliche Hang vorliege. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verkannt hat. Ein Hang im Sinne von § 64 StGB ist nicht nur - wovon das Landgericht möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit zu bejahen. Vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen , wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Beschluss vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Fischer, aaO, § 64 Rn. 9 mwN). Die Feststellungen des Urteils legen auch nahe, dass bei dem Ange- klagten ein Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum besteht. Ab dem Jahr 1997 konsumierte er Kokain und nahm gelegentlich Speed und Ecstasy zu sich. Nach zwei Entwöhnungstherapien war er zwar bis 2008 von Kokain abstinent , begann indes 2009 wiederum Drogen zu konsumieren. Im Sommer 2009 - kurz vor Beginn der gegenständlichen Tatserie - steigerte er seinen Kokainkonsum auf ein bis zwei Gramm täglich. Alkohol trank er mäßig, zu Zeiten des Kokainkonsums aber auch zuweilen stärker. Angesichts dieser Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht allein aufgrund der rechtsfehlerhaften Gleichsetzung von Sucht und Hang im Sinne des § 64 StGB die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterlassen hat. Da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen vor und während der Tatserie Kokain und Alkohol konsumierte, kann weiterhin auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein bestehender Hang - gegebenenfalls neben anderen Umständen (vgl. Fischer, aaO, Rn. 12) - mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte die Taten beging. Dem Erfordernis einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg steht jedenfalls nicht von vornherein entgegen, dass der Angeklagte bereits zwei stationäre Entwöhnungsmaßnahmen durchführte, zumal diese zumindest einen mehrere Jahre anhaltenden Erfolg erbrachten (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 334/08, NStZ-RR 2009, 77, 78).
5
Danach muss über die Frage der Maßregelanordnung nach § 64 StGB neu verhandelt und entschieden werden. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/09
vom
9. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 9. Juni
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten R. und J. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24. November 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten J. in vollem Umfang ,
b) hinsichtlich des Angeklagten R. , soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt, den Angeklagten R. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten J. hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es der Erörterung der von ihm erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf. Das Rechtsmittel des Angeklagten R. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich beide Angeklagte in den Abendstunden des 13. Mai 2008 in der Wohnung der Marianne H. in Wernigerode auf und genossen, wie schon am Nachmittag zuvor, im Einzelnen nicht näher feststellbare Mengen Alkohol. In den frühen Morgenstunden des 14. Mai 2008 unternahm der erheblich unter Alkoholeinfluss stehende Marco Pi. , der ebenfalls in der Wohnung anwesend war, Annäherungsversuche gegenüber Marianne H. und berührte sie an verschiedenen Körperteilen. Auf den Versuch des Angeklagten J. , Marco Pi. von weiteren Übergriffen abzuhalten und ihn zu diesem Zweck von Marianne H. zu trennen, reagierte Pi. mit einer abwehrenden Armbewegung, wobei er den Angeklagten J. mit der Hand am Hals berührte. Über dieses Verhalten ärgerte sich der Angeklagte R. und beschloss, Marco Pi. dafür mit körperlicher Züchtigung zu bestrafen. Er versetzte diesem drei bis vier Faustschläge auf die linke Gesichtshälfte, woraufhin der Angeklagte J. , der ebenso verärgert war, nun seinerseits beschloss, sich der Bestrafung des Marco Pi. anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Er schlug mehrfach gegen den Körper des Marco Pi. und trat auch mindestens einmal gegen ihn. In der Zwischenzeit beteiligte sich auch der Angeklagte R. weiter an den mit heftigen Schlägen geführten körperlichen Misshandlungen des mittlerweile von der Couch gerutschten Geschädigten. Beide Angeklagte hätten dabei auf Grund ihrer persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen trotz erheblichen Alkoholgenusses erkennen können, dass der auf Grund erheblicher Alko- holisierung (BAK: 4,0 Promille) nahezu wehrlose Geschädigte bei einer derartigen Behandlung ums Leben kommen könne und dass dieser Erfolg durch ein Unterlassen der Gewalthandlungen hätte vermieden werden können. Der Geschädigte erlitt unter Anderem eine Schädel-Hirn-Verletzung mit Brückenvenenabriss. Die dadurch verursachten Blutungen führten noch am selben Tag zum Tode.
3
2. Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass die massive Einblutung in das Hirn des Geschädigten infolge des Abrisses mehrerer Brückenvenen todesursächlich war. Hierfür komme eine stumpfe Gewalteinwirkung gegen den frei beweglichen Kopf des Geschädigten in Betracht; bei Anwendung entsprechender Kraft könne dafür schon ein Schlag ausreichend sein. Ob schon allein die vor dem Eingreifen des Angeklagten J. von R. begangenen Gewalthandlungen für den Eintritt des Brückenvenenabrisses ursächlich waren, hat das Landgericht jedoch, auch insoweit dem Sachverständigen folgend, nicht festzustellen vermocht; auch das Zusammenwirken mehrerer Verletzungshandlungen für den Eintritt des Erfolges hat es nicht feststellen können. Mit der Erwägung, es könne dahinstehen, wer von den beiden Angeklagten die Handlungen ausgeführt habe, die die tödliche Verletzung hervorrief , hat es beide Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt; beide Angeklagte müssten sich auf Grund der mittäterschaftlichen Begehungsweise die Tatbeiträge des jeweils Anderen zurechnen lassen.
4
II. Verurteilung des Angeklagten R.
5
Der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen beschloss der Angeklagte J. , sich der von dem Angeklagten R. begonnenen "Bestrafung" des Geschädigten anzuschließen und setzte diesen Entschluss sodann in die Tat um. Die Gewaltanwendung in diesem zweiten Tatabschnitt erfolgte somit im gegenseitigen Einverständnis und Zusammenwirken beider Angeklagter. Daher muss sich der Angeklagte R. auch die Schläge und den Fußtritt des in diesem Handlungsabschnitt hinzugetretenen Angeklagten J. gegen das Tatopfer zurechnen lassen. Dass R. die todesursächliche Verletzungshandlung – möglicherweise – nicht selbst vorgenommen hat, steht einer Strafbarkeit gemäß § 227 StGB nicht entgegen. Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (Senatsurteil NStZ 1994, 339 m.w.N.). So liegt es hier.
6
III. Verurteilung des Angeklagten J.
7
1. Im Hinblick auf den Angeklagten J. begegnet der Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt der Umstand, dass J. die von ihm beobachtete vorangegangene Gewaltanwendung durch den Angeklagten R. billigte und sich zur Teilnahme an dessen weiterer Gewaltanwendung entschloss, nicht dazu, dass die ihm bereits vor seinem Tatentschluss durch R. allein verwirklichten Tatumstände zuzurechnen wären. Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven ) Mittäterschaft und eine Mitwirkung an einem Verbrechen des § 227 StGB trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen Anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548, 549; Senatsurteil NStZ 1994, 339).
8
2. Da das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht feststellen konnte, welche der von beiden Angeklagten ausgeübten Gewalteinwirkungen für den todesursächlichen Brückenvenenabriss in der Hirnkammer des Geschädigten ursächlich war, war in Anwendung des Zweifelssatzes davon auszugehen, dass dem Geschädigten die zum Tode führende Verletzung schon im ersten Teil des Geschehens und damit vor dem Zeitpunkt zugefügt worden war, als der Angeklagte J. beschloss, sich der durch den Mitangeklagten R. begonnenen Bestrafung des Tatopfers anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Sollte die zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer insoweit zu keinen weiteren Feststellungen gelangen können , kommt hinsichtlich des Angeklagten J. lediglich eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht.
9
IV. Rechtlichen Bedenken begegnet weiter, dass das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat (§ 64 StGB).
10
1. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei beiden Angeklagten zwar einen Hang im Sinne von § 64 StGB bejaht, jedoch gemeint, es fehle an einem symptomatischen Zusammenhang mit der Straftat. Bei beiden Angeklag- ten sei es vielmehr schon im Vorfeld der Suchtentwicklung sozialisationsbedingt zu einer verschobenen Norm- und Wertevorstellung gekommen, aus der heraus "Gewaltanwendungen auch in der Perspektive einer Alkoholabstinenz seitens der Angeklagten als probates Mittel betrachtet (worden seien), um Konflikte zu lösen". Es gebe daher einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der körperverletzenden Verhaltensweise und den verschobenen Norm- und Wertvorstellungen , nicht aber einen solchen mit der bestehenden Alkoholabhängigkeit.
11
2. Mit dieser Begründung begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Anordnung der Maßregel von zu engen Voraussetzungen abhängig gemacht.
12
a) § 64 Abs. 1 StGB setzt einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem festgestellten Hang zum übermäßigen Alkohol- bzw. Drogengenuss und der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters voraus (vgl. nur BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1). Ein solcher Zusammenhang zwischen den begangenen und den künftig zu befürchtenden Straftaten einerseits und dem Hang zum übermäßigen Alkoholgenuss andererseits ist auch dann zu bejahen , wenn der Hang zum Alkoholgenuss – neben anderen Umständen – mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH NStZ-RR 1997, 231; BGH NStZ 2000, 25). Der Zusammenhang kann grundsätzlich nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (BGHR aaO).
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b) Die Strafkammer hat insoweit festgestellt, dass beide Angeklagte seit ihrem sechzehnten Lebensjahr regelmäßig Alkoholmissbrauch betreiben, teilweise bis zum Eintritt des Kontrollverlustes, und daneben in erheblichem Umfang Drogen konsumieren. Der Angeklagte R. hat bereits zweimal eine kurzzeitige Therapiemaßnahme absolviert. Lebensinhalt beider Angeklagter ist seit Jahren der regelmäßige Konsum von Alkohol und Rauschmitteln im Freundeskreis , lediglich unterbrochen durch die Verbüßung von Freiheitsstrafen aus zahlreichen Vorverurteilungen wegen Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten. Die Angeklagten verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung und gehen keiner geregelten Beschäftigung nach. Die hier abgeurteilte Tat steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zuvor über den wesentlichen Teil des Tattages hinweg betriebenen Alkoholkonsum. Dass die erhebliche Alkoholisierung die gewalttätige Reaktion der Angeklagten auf eine vergleichsweise geringfügige sexuelle Belästigung einer dritten Person mit beeinflusst hat, liegt danach auf der Hand. Damit ist der erforderliche symptomatische Zusammenhang in dem Sinne dargetan, dass die Alkoholsucht die Begehung der Tat mit ausgelöst hat, mag sie ihre Ursache auch in der von dem medizinischen Sachverständigen bei den Angeklagten festgestellten, bereits zuvor sozialisationsbedingt eingetretenen Verschiebung der allgemeinen Norm- und Wertevorstellungen haben. Kann die kriminalitätsfördernde Wirkung der Sucht in einem solchen Fall durch eine erfolgreiche Behandlung beseitigt werden, ist auch die Tätergefährlichkeit im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB vermindert. Den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, dass bei beiden Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines solchen Behandlungserfolges nicht besteht.
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c) Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5, 7; BGH NStZ-RR 2008, 107). Sie haben die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.). Der Strafausspruch bei dem Angeklagten R. kann bestehen bleiben. Der Senat kann angesichts des Tatbildes ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
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3. Es wird nunmehr mit sachverständiger Hilfe (§ 246 a StPO) die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB sowie - im Hinblick auf § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB i.d.F. des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (BGBl I 1327) – die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung zu klären sein (vgl. Senatsbeschluss StV 2007, 634).
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.