Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2012 - 3 StR 31/12

bei uns veröffentlicht am27.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 31/12
vom
27. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. März 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betätigte sich der Angeklagte , ein Vollmitglied des Motorradclubs Hells Angels Westside in Bremen, im Rotlichtmilieu. Um seine diesbezüglichen Aktivitäten auszubauen, nötigte er den ebenfalls in diesem Bereich tätigen Zeugen F. zur Aufgabe der Vermietung von Wohnungen, die sich in einem Haus in Bremen befanden, an Prostituierte, indem er diesem mit Repressalien und körperlichen Misshandlungen drohte. Auf diese Weise erlangte er die Verfügungsgewalt über das Anwesen und vereinnahmte in der Folgezeit von dort tätigen Prostituierten Mieten in nicht feststellbarer Höhe.
3
Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. Das Landgericht hat - ohne materiellen Rechtsfehler - seine Überzeugung vor allem auf die Aussage des Zeugen F. gestützt, deren Glaubhaftigkeit durch die Bekundungen weiterer Zeugen sowie sonstiger Indizien gestützt werde. Demgegenüber hat es die Aussage der zur Tatzeit als Prostituierte tätigen Zeugin H. als nicht glaubhaft gewertet. Diese hat unter Vorlage von Kontounterlagen und einer an sie und eine weitere Prostituierte, Frau R. , gerichteten Rechnung über die Installation von zwei Überwachungskameras in der Hauptverhandlung bekundet, der Zeuge F. habe sie und Frau R. gefragt, ob sie das betreffende Haus übernehmen könnten. Er habe berichtet, er wolle Bremen verlassen und nach Ostdeutschland ziehen. Eine zunächst vereinbarte Abschlagszahlung von 5.000 € sei auf zweimal 2.000 € reduziert worden. Die erste Rate sei bei Übergabe der Schlüssel bezahlt worden. Die zweite Rate sei nicht mehr beglichen worden, weil in dem Haus die Überwachungskameras gefehlt hätten; dies habe den Zeugen F. sehr entrüstet. In der Folgezeit seien sie, Frau R. und eine dritte Prostituierte in dem Anwesen tätig gewesen.Die Ummeldung bei den Stadtwerken habe sie gemeinsam mit Frau R. vorgenommen; mit dieser habe sie auch die Miete an den Zeugen O. bzw. den Eigentümer des Anwesens, den Zeugen P. , bezahlt. Der Angeklagte sei nach ihrer Kenntnis an einer Übernahme oder dem Betrieb des Hauses nicht beteiligt gewesen.
4
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
5
Nach der Vernehmung der Zeugin hat die Verteidigung mit insgesamt drei Anträgen im Wesentlichen unter Beweis gestellt, dass der Zeuge B. beim Umzug geholfen und dabei festgestellt habe, dass in dem Anwesen Kameras und Fernseher verschwunden seien, das Objekt sich in einem desolaten Zustand befunden habe und nicht - wie vom Zeugen F. bekundet - vor dem Umzug erhebliche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten vorgenommen worden seien; dass der Zeuge Or. kurz darauf nach mündlicher Beauftragung durch die Zeugin H. und Frau R. eine neue Kameraanlage installiert und die Vergütung hierfür nach Rechnungstellung von diesen in bar erhalten habe; dass ab dem Umzug alle das Objekt betreffenden Zahlungen über das von der Zeugin H. benannte Konto abgewickelt worden seien. Das Landgericht hat die Beweisanträge durch in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Behauptungen würden so behandelt, als wären sie wahr. Nach der Verkündung eines weiteren Beschlusses nach § 244 Abs. 6 StPO ist die Beweisaufnahme geschlossen und in der Folgezeit auch nicht wieder eröffnet worden. In der Begründung des schriftlichen Urteils hat die Strafkammer ausgeführt, sie halte die Beweisbehauptungen nach Urteilsberatung nunmehr für "unerheblich". Aus den diesbezüglichen Darlegungen ergibt sich, dass das Landgericht die Beweistatsachen als aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung gewertet hat.
6
2. Dieses Verfahren steht mit § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO nicht in Einklang.
7
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist das Tatgericht zwar nicht gehalten , die als wahr unterstellte Tatsache noch im Urteil als bedeutsam anzusehen und sie als solche in die Beweiswürdigung einzustellen; es ist daher nicht gehindert , eine zunächst als wahr unterstellte Behauptung im Urteil als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zu behandeln (BGH, Urteile vom 15. Mai 1979 - 5 StR 746/78, NStZ 1981, 96; vom 2. November 1982 - 5 StR 308/82, NStZ 1983, 357; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 37; Beschlüsse vom 23. Juli 2008 - 5 StR 285/08, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung; vom 24. Februar 2009 - 5 StR 605/08, NStZ-RR 2009, 179). Danach soll auch eine Verpflichtung , die Verfahrensbeteiligten vor der Urteilsverkündung auf die geänderte Rechtsauffassung des Gerichts hinzuweisen, grundsätzlich nicht bestehen (aA mit beachtlichen Gründen etwa KK-Fischer, 6. Aufl., § 244 Rn. 187; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 310 jeweils mwN). Auf einen dahingehenden Hinweis darf jedoch bereits nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn es naheliegt, dass der Angeklagte wegen der Wahrunterstellung davon absieht, Beweisanträge zu einem Thema zu stellen, das mit der als wahr unterstellten Tatsache im Zusammenhang steht unddas - im Gegensatz zu dieser Tatsache - für die Entscheidung möglicherweise von Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1982 - 2 StR 798/81, BGHSt 30, 383, 385).
8
b) Ein derartiger Fall liegt hier vor. Der die Beweisanträge im Wege der Wahrunterstellung zurückweisende Beschluss enthält - für sich rechtsfehlerfrei (LR/Becker aaO Rn. 305 mwN) - keine nähere Begründung. Hätte die Strafkammer die gestellten Beweisanträge in der Hauptverhandlung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der vorgebrachten Beweistatsachen zurückgewiesen , hätte sie dagegen deren Bedeutung für die Entscheidung in freier Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses zu beurteilen gehabt und diese Würdigung im Ablehnungsbeschluss im Einzelnen darlegen müssen (LR/Becker aaO Rn. 225 mwN). Da sie die Änderung ihrer Beurteilung in der Hauptverhandlung nicht offengelegt hat, hat sie entsprechende Ausführungen erst in den schriftlichen Urteilsgründen nachgeschoben. Die Revision legt plausibel dar, dass sich im vorliegenden Fall aufgrund der bestehenden Beweislage und der in Betracht kommenden weiteren Beweisaufnahme bei Kenntnis der in den Urteilsgründen für die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen angeführten Gründe weitere Verteidigungsmöglichkeiten ergeben hätten. Diese Möglichkeiten - insbesondere , auf zusätzliche, hier nicht fernliegende Beweiserhebungen anzutragen - war der Verteidigung aufgrund des Verfahrensablaufes genommen. Die Verfahrensbeteiligten haben auch aus dem weiteren Geschehen in der Hauptverhandlung nicht schließen können, dass sich die Ansicht der Strafkammer geändert hatte; denn eine weitere Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden und das Tatgericht ist ausweislich der Urteilsbegründung erst in der Urteilsberatung zu seiner neuen Auffassung gelangt. Unter diesen Umständen war eine effektive, die berechtigten Interessen des Angeklagten wahrende Verteidigung nicht möglich.
9
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Rechtsfehler (§ 337 StPO); denn es ist nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass die Entscheidung ohne diesen anders ausgefallen wäre. Becker Pfister Schäfer Mayer Menges

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2012 - 3 StR 31/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2012 - 3 StR 31/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2012 - 3 StR 31/12 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2006 - 5 StR 410/05

bei uns veröffentlicht am 24.01.2006

5 StR 410/05 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 24. Januar 2006 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Januar 2006, an der teilgenommen haben: Richter Basdorf als

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2008 - 5 StR 285/08

bei uns veröffentlicht am 23.07.2008

5 StR 285/08 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 23. Juli 2008 in der Strafsache gegen wegen räuberischer Erpressung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2008 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge

Referenzen

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 410/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Januar
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B ,
Rechtsanwalt Bo
alsVerteidiger,
Rechtsanwältin E
alsNebenklägervertreterin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. April 2005 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung einer anderweitig wegen Totschlags verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Mit ihrer nur hinsichtlich der Verneinung niedriger Beweggründe vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes; der Angeklagte beanstandet das Verfahren und erhebt die näher ausgeführte Sachrüge. Beide Rechtsmittel bleiben erfolglos.

I.


Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen lernte der Angeklagte am späten Abend des 16. Juni 1990 im Ostteil Berlins die später von ihm getötete U S kennen. Möglicherweise verbrachten der
Angeklagte und sein späteres Opfer die Nacht zusammen und hatten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr.
Noch in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden des 17. Juni 1990 fuhr der Angeklagte mit U S in seinem Pkw auf einer Landstraße in Brandenburg. Er bog in einen Feldweg ein und hielt an einem nahe gelegenen Waldstück. Hier kam es dann zwischen dem Angeklagten und U S offenbar im Zusammenhang mit sexuellen Wünschen des Angeklagten zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte U S an einen Baum fesselte. Sie konnte aber danach entweichen und in Richtung Landstraße flüchten. Als der Angeklagte, der U S hinterherlief, diese erreicht hatte, zog sie plötzlich ein Klapptaschenmesser , öffnete dieses und hielt es dem Angeklagten entgegen, um ihn auf diese Weise abzuwehren und von sich fern zu halten. Hierüber geriet der Angeklagte in Wut, griff nach einem am Boden liegenden Stock und schlug U S damit das Messer aus der Hand. Die junge Frau flüchtete erneut.
Nunmehr beschloss der Angeklagte aus Wut und Verärgerung, U S zu töten. Er hob das Klapptaschenmesser vom Boden auf, lief seinem Opfer hinterher, holte es alsbald wieder ein und stach mehrfach auf U S ein, so dass diese zu Fall kam. Alsdann stürzte er sich auf die am Boden Liegende, würgte sie massiv am Hals, stach ihr mehrfach mit dem Messer in den Brust- und Bauchbereich, die Lendenregion, das Gesicht und den Hals und schlug ihr mit einem schweren Ast quer über das Gesicht. Der Angeklagte brachte seinem Opfer insgesamt 33 Stichverletzungen und schwerste Schlagverletzungen bei. Anschließend schleifte der Angeklagte das Opfer ca. 15 Meter in den Wald hinein und legte die sterbende junge Frau, deren Jeanshose geöffnet war, mit gespreizten Beinen und nach oben gestreckten Armen ab, breitete anschließend das Hemd und die Jacke des Opfers über dessen teilweise entblößten Oberkörper aus und verließ den Ort. Wenig später verstarb U S an den erlittenen Verletzungen.

Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Mord im Sinne des § 112 Abs. 1 StGB-DDR gewertet und der Straffindung gemäß § 2 Abs. 3 StGB § 212 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt. Vom Vorliegen von Mordmerkmalen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB hat sich das Landgericht nicht zu überzeugen vermocht.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Soweit die Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Erwägungen eine Verurteilung wegen Verdeckungsmordes begehrt, kann ihr Rechtsmittel deshalb keinen Erfolg haben, weil das Landgericht bei fehlerfreier Beweiswürdigung eine Verdeckungsabsicht des Angeklagten nicht festzustellen vermochte.
Auch die Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe verneint hat, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung noch stand. Ein Tötungsbeweggrund ist niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung , welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH NJW 1995, 3196). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. BGH, Urt. v. 11. Oktober 2005 – 1 StR 195/05 m.w.N.). Den Anforderungen an eine solche Gesamtwürdigung wird das angefochtene Urteil trotz der insoweit sehr knappen Ausführungen noch gerecht. Nach den Feststellungen handelte der Angeklagte aus spontaner Wut
und Verärgerung über die – freilich durch Notwehr gerechtfertigte – Bedrohung mit einem Messer durch sein Opfer. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Tatvorgeschehens – namentlich des zuvor möglicherweise erfolgten einverständlichen Geschlechtsverkehrs und der möglicherweise einvernehmlichen Autofahrt – liegt die Verneinung niedriger Beweggründe noch innerhalb des vom Revisionsgericht hinzunehmenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

III.


Auch der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.
1. Die Verfahrensrügen greifen sämtlich nicht durch.

a) Soweit die Revision beanstandet, dass die – überwiegend geständigen – Angaben des Angeklagten in seinen polizeilichen Vernehmungen in Ermangelung einer § 136 und § 163a StPO genügenden Belehrung des als Beschuldigten vernommenen Angeklagten einem Verwertungsverbot unterlägen und darüber hinaus das Recht des Angeklagten auf Verteidigerkonsultation gemäß § 137 StPO beeinträchtigt worden sei (Rüge Nr. 1), ist der Revisionsvortrag zum Ablauf und Inhalt der beanstandeten Vernehmungen allenfalls bruchstückhaft und daher unzureichend im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

b) Die auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützte Beanstandung, das Landgericht habe sich in der Beweiswürdigung nicht mit den Aussagen der Zeuginnen K und S sowie der Zeugen H und Ba (Rügen Nr. 2 und 5) auseinandergesetzt, bleibt ohne Erfolg. Der Tatrichter ist nicht gehalten, in dem Urteil die Bekundung eines jeden in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen oder Sachverständigen wiederzugeben und abzuhandeln. Er muss nur die wesentlichen beweiserheblichen Umstände erörtern (BGH StV 1991, 340). Ob die Bekundungen der genannten Zeugen
beweiserheblich waren, kann das Revisionsgericht nicht feststellen. Was die Zeugen in der Hauptverhandlung bekundet haben, steht nicht fest. Die Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist dem Revisionsgericht grundsätzlich versagt. Allenfalls dann, wenn sich das Revisionsgericht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den Beweisgehalt des Beweismittels ohne weiteres unmittelbar selbst zu erschließen vermag, kann die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO unter Umständen erfolgreich sein (st. Rspr.; vgl. BGH StV 1991, 549; 1993, 115; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 6, 22, 30). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

c) Die auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützte Beanstandung, das Landgericht habe sich mit der verlesenen Aussage des verstorbenen Zeugen M nicht hinreichend auseinandergesetzt (Rüge Nr. 3), ist unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision weist in ihrer rechtlichen Würdigung darauf hin, dass keine Ähnlichkeit zwischen der von dem Zeugen gesehenen Person und dem Angeklagten bestanden habe. Solches hätte sich aber erst aus dem im Zusammenhang mit den verlesenen Urkunden in Augenschein genommenen Lichtbild des Angeklagten aus dem Jahr 1989 erschließen können. Zum Verständnis der Rüge hätte demnach auch dieses Bild mit vorgelegt werden müssen. Dass es in Augenschein genommen worden ist, teilt die Revision mit.

d) Soweit die Revision mit der Rüge nach § 244 Abs. 2 StPO beanstandet , das Landgericht habe nicht aufgeklärt, ob dem Angeklagten Vergaserkraftstoff und welches Fahrzeug ihm im Tatzeitraum zur Verfügung standen und welche genaue berufliche Tätigkeit das Tatopfer ausgeübt hatte, sind diese Rügen (Nr. 4 und 6) ebenfalls unzulässig. Sie bezeichnen keine konkrete Beweisbehauptung (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Aufklärungsrüge

6).



e) Die Rüge (Nr. 7), § 265 StPO sei verletzt, weil das Landgericht nicht förmlich darauf hingewiesen habe, dass es entgegen dem Inhalt der zuge-
lassenen Anklage genauere Feststellungen zu dem vom Angeklagten zur Tatzeit benutzten Fahrzeug nicht treffen könne, ist unbegründet. Das Tatgericht war nicht verpflichtet, dem Angeklagten seine Bewertung des Ergebnisses der dazu durchgeführten Beweisaufnahme mitzuteilen (vgl. BGHSt 43, 212). Umstände, die zu Hinweisen hätten nötigen können (vgl. BGHSt 48, 221, 228 f.), trägt die Revision nicht vor.

f) Die Rüge (Nr. 8) einer nicht eingehaltenen Wahrunterstellung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist unbegründet. Die dem Beweisantrag der Verteidigung ohne eine Sinnveränderung folgende Wahrunterstellung betrifft lediglich die Identität eines vom Zeugen P vor dem Sankt-HedwigKrankenhaus in einem PKW beobachteten wartenden Mannes, nicht aber die Dauer von dessen Anwesenheit bis zum Verlassen des Krankenhauses durch das Tatopfer. Der Umstand, dass in der Tatnacht nicht der Angeklagte, sondern ein Dritter vor der Arbeitsstätte des Opfers beobachtet wurde, durfte auch als wahr unterstellt werden. Er war nicht von vornherein bedeutungslos, sondern geeignet, zu Gunsten des Angeklagten die belastende Beweislage einzuengen. Indes war das Landgericht nicht gehalten, die als wahr unterstellte Tatsache noch im Urteil als bedeutsam anzusehen und sie als solche in die Beweiswürdigung und seine Abwägung einzustellen (vgl. BGH, Beschl. vom 24. November 2005 – 1 StR 443/05). Dass die Verteidigung des Angeklagten durch die Wahrunterstellung von weiterem effektiven Verteidigungsvorbringen abgehalten worden wäre, ist nicht ersichtlich.

g) Die Rügen (Nr. 9, 11 bis 13) einer Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO im Hinblick auf die erfolgte Ablehnung von Beweisanträgen als bedeutungslos (fünf Anträge vom 22. März 2005 betreffend die Zeugen Me V , , W , Pi und G sechs ; Anträge vom 29. März 2005 betreffend sechs Ärzte) sind unbegründet. Das Landgericht hat diese Anträge unter ausreichender Darlegung seiner vorläufigen Beweiswürdigung mit zutreffender Begründung abgelehnt.

h) Die Beanstandung (Rüge Nr. 10), das Tatgericht habe zu Unrecht die Inaugenscheinnahme des Tatortes abgelehnt, bleibt unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision hat es versäumt, die in dem ablehnenden Beweisbeschluss in Bezug genommenen Skizzen und Fotos vorzulegen.

i) Soweit die Revision beanstandet (Rüge Nr. 14), § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO sei dadurch verletzt, dass das Landgericht die am 23. März 2005 beantragte molekulargenetische Untersuchung von sichergestellten Holzbruchstücken und eines Faserschreibers abgelehnt hat, bleibt dies ohne Erfolg. Es liegt in dem Antrag vom 23. März 2005 schon kein Beweisantrag vor, weil der Angeklagte insoweit keine bestimmte Beweisbehauptung erhebt, sondern nur das Beweisziel umschreibt, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände nicht berührt (vgl. BGHSt 39, 251). Die Zurückweisung dieser Beweisanregung durch das Landgericht wäre auch unter Aufklärungsgesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere vor dem Hintergrund des Inhalts der polizeilichen Vernehmungen des Angeklagten.

j) Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO durch Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens (Rüge Nr. 15) erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Ohne Kenntnis des Inhalts der im Antrag in Bezug genommenen polizeilichen Vernehmungen vom 24. und 25. August 2004 kann der Senat nicht beurteilen, ob der behauptete Verfahrensmangel vorliegt.

k) Soweit die Revision einen Verstoß gegen § 261 StPO darin erblickt (Rüge Nr. 16), dass sich das Landgericht nicht mit dem DNA-Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Bri bezüglich eines nicht von der Geschädigten stammenden Kopfhaares und eines blond gefärbten Haares auseinandergesetzt hat, begründet solches keinen Erörterungsmangel. Die Beweismittel waren schlicht unergiebig. Die Haare konnten keiner Person zugeordnet werden, weil kein DNA-Nachweis erbracht werden konnte. Als Auf-
klärungsrüge war der Vortrag der Revision nicht zu verstehen. Ein weiteres DNA-Gutachten hat im Übrigen auch keine weitere Aufklärung erbracht.
2. Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils ergibt auch unter Berücksichtigung der von der Revision erhobenen Einzelbeanstandungen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Soweit die Revision die Beweiswürdigung des Tatgerichts angreift, erschöpft sie sich darin, die rechtsfehlerfrei festgestellten Indiztatsachen anders als das Landgericht zu würdigen, ohne dabei durchgreifende Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts aufzudecken. Einer umfassenderen Erörterung der Beweisanzeichen bedurfte es angesichts des verfestigten, gegen den Angeklagten sprechenden Beweisergebnisses (Täterwissen offenbarende, teilgeständige Einlassungen vor der Polizei, selbstbelastendes Schreiben des Angeklagten an seine Ehefrau, gesicherte Spermaspur des Angeklagten am Slip des Opfers) nicht.
Die mit sachverständiger Hilfe gewonnene Erkenntnis von Dritt-DNA unter den Fingernägeln musste angesichts des Berufs des Opfers und der weitgehenden modernen Nachweismethoden keine Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten erwecken und nötigte auch nicht zu näherer Erörterung.
Sachlichrechtlich musste die mit sachverständiger Hilfe gewonnene Erkenntnis uneingeschränkter Schuldfähigkeit des jegliche Angaben zur Sache verweigernden Angeklagten bei Tatbegehung auch angesichts des fest-
gestellten Tatbildes nicht näher hinterfragt werden, insbesondere nachdem über ihn in der einbezogenen Sache zu angeblich eingeschränkter Schuldfähigkeit ersichtlich eine Fehldiagnose getroffen worden war. Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 285/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2008

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Januar 2008 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Zu der Rüge, das Landgericht habe eine zugesagte Wahrunterstellung in den Urteilsgründen nicht eingehalten (Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO), bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat mit folgendenden Erwägungen die als wahr unterstellte Beweisbehauptung in seine Würdigung einbezogen: „Gegen die Täterschaft des Angeklagten sprach auch nicht, dass zwischen der Jeansjacke der Zeugin T. und der beim Angeklagten sichergestellten schwarzen Jacke Textilfasern weder ein- noch wechselseitig übertragen worden waren (siehe Wahrunterstellung der Kammer, Anlage 2 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 11. Januar 2008). Bei der mehr als sechs Monate nach der Tat erfolgten Durchsuchung beim Angeklagten war zwar – wie der Kriminalbeamte L. der Kammer berichtete – eine schwarze Jacke sichergestellt worden, die der vom Angeklagten bei der Tat getragenen ähnelte. Gesicherte Erkenntnisse dazu, ob es sich tatsächlich um ein und dieselbe Jacke gehandelt hatte, hatten – wie der Kriminalbeamte R. bestätigte – nicht festgestellt werden können. Anders als bei den von den Überwachungskameras aufgenommenen und bei den beim Angeklagten sichergestellten Sportschuhen, konnten visuell wahrnehmbare, individuelle Auffällig- keiten, die für eine Identität zwischen der auf den Überwachungsfotos zu sehenden und der später sichergestellten Jacke gesprochen hätten, nicht festgestellt werden. Aus diesem Grund hat die Kammer aus dem Auffinden dieser dunklen Jacke keinerlei Rückschlüsse weder für noch gegen den Angeklagten ziehen können“ (UA S. 21 f.). Zudem hat das Landgericht aufgrund eines weiteren Hilfsbeweisantrags im Urteil unterstellt, dass bei der von der Geschädigten geschilderten Tatbegehung Textilfaserübertragungen auf die Jacke des Täters und von dieser hätten erfolgen müssen.
2. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Der Umstand, dass keine Faserübertragungen von der Jacke des Tatopfers auf die als Indizgegenstand beim Angeklagten sechs Monate nach der Tat sichergestellte – der beobachteten Täterjacke ähnliche – schwarze Jacke und umgekehrt stattgefunden haben, konnte nicht zum Ausschluss des Angeklagten als Täter führen. Er engte indes zum Zeitpunkt der Ablehnung des hierauf gerichteten Beweisantrags die den Angeklagten belastende Beweislage durch das Entfallen eines bei Feststellung entsprechender Faserspuren wesentlichen weiteren Belastungsindizes maßgeblich ein. Das gestattete die Ablehnung des Antrags zu diesem Zeitpunkt mit Wahrunterstellung (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 37). Dabei hing das Maß der Einengung der belastenden Beweislage zudem noch vom Grad der Ähnlichkeit der sichergestellten Jacke mit der beobachteten Täterjacke ab. Eine besondere individuelle Ähnlichkeit zwischen der sichergestellten Jacke und der beobachteten Täterjacke ist indes weder festgestellt noch von der Verteidigung unter Beweis gestellt worden, auch in der Revision nicht behauptet worden.
Von der als wahr unterstellten Tatsache ist das Landgericht im Urteil nicht abgewichen. Dass diese sich im Urteil nicht mehr günstig für den Angeklagten auf die Schuld- oder Straffrage ausgewirkt hat, mithin nun tatsächlich bedeutungslos war, nötigte das Landgericht nicht zu einem Hinweis vor Urteils- verkündung (h.M. und Rspr.; vgl. Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 92; Eisenberg , Beweisrecht der StPO 5. Aufl. Rdn. 243 ff.; a. A. allerdings Niemöller in Festschrift für Hamm 2008 S. 537, 549 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen, auch zu h.M.). Auf die mögliche und nicht etwa fern liegende Annahme, der Angeklagte könne die Tat begangen und dabei eine andere schwarze Jacke als die sichergestellte getragen haben, brauchte er nicht zur Vermeidung einer unfairen Überraschungsentscheidung besonders hingewiesen werden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.