Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2017 - 3 StR 322/17

bei uns veröffentlicht am05.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 322/17
vom
5. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:050917B3STR322.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag - am 5. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2017
a) im Urteilstenor dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird;
b) im Ausspruch über die Aufrechterhaltung der Sperrfrist aufgehoben ; dieser entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Langenfeld vom 1. Juli 2016 zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis aus dem vorbezeichne- ten Strafbefehl aufrechterhalten. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen wie materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Die Verfahrungsrüge ist unzulässig erhoben, da Verfahrensbeanstandungen nicht ausgeführt sind (§ 344 Abs. 2 StPO). Dagegen hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Tenorierung des Teilfreispruchs hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuleitungsschrift folgendes ausgeführt: "Soweit der Teilfreispruch hinsichtlich Tatkomplex 1 nicht erfolgt ist, liegt ein bloßes Tenorierungsversehen vor, das der Senat richtig stellen kann. Aus UA S. 16 ergibt sich, dass die beantragte Richtigstellung dem Beratungsergebnis der Strafkammer entspricht (Franke in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 354 Rn. 47 ff.; Gericke in Karlsruher Kommentar StPO 7. Aufl. § 354 Rn. 20; jeweils mwN). Soweit das Landgericht auch den Teilfreispruch hinsichtlich des Nichtrevidenten R. betreffend Tatkomplex 3 unterlassen hat (UA S. 16), ist insofern eine Erstreckung nach § 357 StPO nicht möglich, da es sich nicht um die gleiche prozessuale Tat handelt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 357 Rn. 13)."
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
2. Die Aufrechterhaltung der Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Langenfeld vom 1. Juli 2016 ist rechtsfehlerhaft, weil diese bereits am 19. Januar 2017 abgelaufen war (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 353/10 mwN). Der entsprechende Ausspruch war daher aufzuheben.
6
Der geringe Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Gericke Spaniol Berg Hoch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2017 - 3 StR 322/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2017 - 3 StR 322/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2017 - 3 StR 322/17 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2010 - 3 StR 353/10

bei uns veröffentlicht am 05.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 353/10 vom 5. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundes

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 353/10
vom
5. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
5. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. April 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen sowie der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in 12 Fällen schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe aufgehoben, dass die aufrechterhaltene Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis entfällt und eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafen nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels , zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln (Cannabis) als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeln mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe und eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist" - unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 (215 Ls 70/08 7291 Js 98327/07) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, wobei die verhängte Sperre für die Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleibt, - unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2008 (324 Ds 121/08 3121 Js 84840/07) nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und - unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 10. Juli 2009 (215 Cs 341/09 2031 Js 50904/09) und aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 13. November 2009 (233 Ds 100/09 7261 Js 48032/09) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts weder zum Verfahren noch zur Beweiswürdigung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Schuldspruch zu ändern.
4
Im Fall II. 22. der Urteilsgründe ist der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren schuldig. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) tritt als Grunddelikt hinter der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zurück (Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 196). Soweit die Strafkammer keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob bei der in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Schreckschusspistole der Explosionsdruck nach vorne austritt, was Voraussetzung für das Vorliegen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 2 StR 298/05, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 1; Weber, aaO, Rn. 95 f.), gefährdet dies den Bestand des Schuldspruchs nicht. Denn bei dem in der Wohnung, aus der der Angeklagte das Cannabis verkaufte, ebenfalls aufgefundenen Dolch mit einer Klingenlänge von 12 cm handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn und damit einen Gegenstand, der zur Verletzung von Personen bestimmt und geeignet ist (Weber, aaO, Rn. 108). Der Angeklagte führte den Dolch im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich, weil er diesen bewusst gebrauchsbereit zusammen mit einem Teil des zum Weiterverkauf bestimmten Rauschgifts verwahrte, sodass er ihn jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand benutzen konnte (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 - 3 StR 127/07, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 8). Für die Erfüllung des Tat- bestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es ausreichend, dass der Dolch nur während einzelner Verkäufe aus der Gesamtmenge von 200 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 8,5 % THC) zur Verfügung stand (Weber, aaO, Rn. 144 f.).
5
In den Fällen II. 13. bis 21. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen strafbar gemacht. Insoweit ist die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmittel nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitraum von Dezember 2007 bis Mai 2008 Teilmengen des jeweils gekauften Rauschgifts auch an den erwachsenen Zeugen S. verkaufte, sodass allein die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren den Unrechtsgehalt dieser Taten nicht ausschöpfen würde.
6
In den Fällen II. 1. bis 12. der Urteilsgründe muss die tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entfallen, weil das Landgericht insoweit nicht sicher ausschließen konnte, dass der Angeklagte das Rauschgift nur an die Minderjährigen verkaufte oder selbst verbrauchte. Bei einer solchen Fallkonstellation wird von der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren auch der im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegende Unrechtsgehalt der Tat erfasst (Weber, aaO, § 30 Rn. 116; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 31; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 72). Ob dieses Konkurrenzverhältnis auch beim Handeltreiben in nicht geringer Menge gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 - 3 StR 138/94, BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1; BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 - 4 StR 222/97, nicht tragend).
7
2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs können die verhängten Einzelstrafen bestehen bleiben. Das Landgericht hat jeweils rechtsfehlerfrei minder schwere Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB angenommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitliche Begehung der weggefallenen Straftatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt. Im Fall II. 22. der Urteilsgründe hat es zu Lasten des Angeklagten weder das Mitsichführen von zwei Waffen noch die konkrete Gefährlichkeit der Schreckschusspistole gewertet. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Einzelstrafen ausgesprochen hätte.
8
Soweit das Landgericht gemäß § 31 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB die Untergrenze der Strafrahmen der minder schweren Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB auf das gesetzliche Mindestmaß herabgesetzt und nicht erkennbar geprüft hat, ob § 31 BtMG in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist der Angeklagte nicht beschwert. Zwar wäre unter der Voraussetzung, dass er vor Eröffnung des Hauptverfahrens sein Wissen über seinen Marihuanalieferanten offenbart haben sollte (§ 46b Abs. 3 StGB), eine für den Angeklagten günstigere Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB mit einer Strafobergrenze von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe möglich gewesen. Angesichts der moderaten Freiheitsstrafen von acht Monaten (Fälle II. 1. bis 20.), von einem Jahr drei Monaten (Fall II. 21.) und von einem Jahr acht Monaten (Fall II. 22.) sowie des Umstandes, dass sich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht an der Obergrenze des Strafrahmens orientiert hat, wären von der Strafkammer geringere Einzelstrafen nicht ausgesprochen worden.
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3. Nicht bestehen bleiben können die verhängten drei Gesamtstrafen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass in die erste zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 nicht nur die Strafe aus diesem Strafbefehl und die Strafen für die vorliegend abgeurteilten Taten 1 bis 19 (Tatzeiten: 01.06. bis 31.08.2007, 01.09.2007 bis 15.03.2008) und 21 (Tatzeit: Anfang 2008), sondern auch die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2008, dem eine am 12. Mai 2007 begangene Tat zugrunde lag, einzubeziehen gewesen wären (BGHSt 32, 190, 192 ff.; BGH NStZ-RR 2007, 369 f.; Fischer StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 12 m.w.N.). Daneben könnte die Bildung einer weiteren nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelfreiheitsstrafen für die Fälle 20 (Tatzeit: 16.05. bis 01.06.2008) und Fall 22 (Tatzeit: Anfang Juni 2008) sowie den Strafen aus den Vorverurteilungen durch das Amtsgericht Hannover vom 10. Juli 2009 und vom 13. November 2009 in Betracht kommen, sofern die Vollstreckung der Strafen aus den betreffenden Vorerkenntnissen zum Zeitpunkt der Entscheidung der Strafkammer nicht bereits erledigt war. Angaben darüber, dass dies nicht der Fall war, weil diese Strafen bereits verbüßt sind oder sonstige Rechtsgründe gegen ihre Einbeziehung vorliegen, enthält das Urteil nicht. Nach §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1b Satz 1 StPO sind die Gesamtstrafen daher mit der Maßgabe aufzuheben, dass über die Frage einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO zutreffen ist. In den Tenor der neuen Gesamtstrafenentscheidung wird dann auch die Anordnung, dass zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate der zweiten (Gesamt-)Freiheitsstrafe als verbüßt anzusehen sind (UA S. 17), aufzunehmen sein. Infolge der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer trotz der Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 die darin verhängte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) nicht aufrechterhalten konnte, weil diese bereits abgelaufen war (UA S. 4; BGHSt 42, 308; Fischer aaO § 55 Rdn. 29 m.w.N.)."
10
Dem schließt sich der Senat an. Wegen des Ablaufs der Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis war auszusprechen, dass diese Maßregel entfällt.
11
4. Die Kosten- und Auslageentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.