Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2012 - 3 StR 41/12

bei uns veröffentlicht am06.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 41/12
vom
6. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 6. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
2
Das Urteil hat keinen Bestand, denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei an der Tat beteiligt gewesen, entbehrt einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
1. Nach den Feststellungen drangen der Angeklagte und zwei unbekannt gebliebene Mittäter am Abend des 14. November 2006 maskiert in das Wohnhaus der Eheleute H. ein, sprühten diesen Pfefferspray ins Gesicht und fesselten sie mit Damenstrumpfhosen. Während einer der Täter die Eheleute bewachte, durchsuchten die beiden anderen das Haus und nahmen Bargeld sowie Wertgegenstände an sich. Durch die Drohung, Frau H. mit einem Messer einen Finger abzuschneiden, veranlassten sie die Geschädigten schließlich zur Herausgabe eines weiteren im Haus befindlichen Bargeldbetrages. Danach verbrachten sie die Eheleute in die Garage, banden sie dort mit den Strumpfhosen auf Gartenstühlen fest und entfernten sich mit ihrer Beute.
4
Wie das Landgericht weiter feststellt, fiel einem der Täter beim Herausziehen der zur Fesselung der Geschädigten mitgebrachten Strumpfhosen unbemerkt der Stummel einer vor dem Eindringen in das Haus gerauchten Zigarette aus der Jackentasche, den er eingesteckt hatte, um Spuren in Tatortnähe zu vermeiden. Im Filter fand sich DNA, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 8,6 Billionen vom Angeklagten herrührt. Die Geschädigten selbst konnten die Täter lediglich dahin beschreiben, dass sie mit osteuropäischem Akzent sprachen sowie schlank und sportlich waren, zwei von ihnen etwa 1,70 m groß, der dritte etwas größer.
5
2. Zu der Überzeugung, der Angeklagte sei einer der drei Täter gewesen , gelangt das Landgericht aufgrund folgender Überlegungen:
6
Ein "starkes Indiz" hierfür sei die DNA-Spur auf dem von den Tätern hinterlassenen Zigarettenrest. Auch die Personenbeschreibungen der Geschädig- ten sprächen "letztlich … nicht gegen die Täterschaft des Angeklagten". "Insge- samt" habe es sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt aufgrund der gesicherten DNA-Spur "sowie der Art und Weise, wie der Zigarettenrest während der Tat … [in das Wohnzimmer der Geschädigten] gelangt sein muss."
7
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn aus den - im Übrigen rechtsfehlerfrei festgestellten - Umständen, unter denen der Zigarettenrest in die Wohnung der Geschädigten gelangte, ergeben sich keine (zusätzlichen ) Beweisanzeichen, die für die Identität des Angeklagten als einer der drei Täter sprechen könnten. Andererseits misst das Landgericht den Personenbeschreibungen der Geschädigten für die Frage der Identifizierung der Täter offensichtlich keinen Beweiswert zu; die DNA-Spur erachtet es schließlich nur als ein "starkes", für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten für sich allein indes nicht ausreichendes Indiz.
8
3. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, ein Beruhen des Urteils auf dem Mangel mit der Erwägung auszuschließen, das Landgericht hätte bereits dem Umstand, dass die am Zigarettenrest gesicherte DNA mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten herrührt, einen ausschlaggebenden Beweiswert beimessen müssen. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht davon aus, dass das Ergebnis eines DNA-Vergleichsgutachtens nur als ein - wenn auch bedeutsames - Indiz anzusehen ist, das der Würdigung im Zusammenhang mit anderen für die Täterschaft sprechenden Beweisanzeichen bedarf; denn ein solches Gutachten enthält lediglich eine abstrakte, biostatistisch begründete Aussage über die Häufigkeit der festgestellten Merkmale bzw. Merkmalskombinationen innerhalb einer bestimmten Population (Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung abweichend hiervon die Auffassung vertreten, bei einem festgestellten Seltenheitswert im Millionenbereich könne allein das Ergebnis eines DNA-Vergleichsgutachtens für die tatrichterliche Überzeugungsbildung dahin ausreichen, die Tatortspur stamme vom Angeklagten (Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159). Dem ist umgekehrt jedoch nicht zu entnehmen, ein solcher Schluss sei - was allein zu einer anderen Beurteilung der Beruhensfrage führen könnte - ab einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in jedem Falle als zwingend anzusehen. Darüber hinaus bleiben dem Senat auch Zweifel, ob die in dieser Entscheidung aufgeführten Gründe die Aufgabe der überkommenen Rechtsprechung überhaupt rechtfertigen konnten; denn die zwischenzeitlich erreichte Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchungsmethoden hat zwar die Zuverlässigkeit der Feststellung übereinstimmender Merkmale in Probe und Vergleichsprobe erhöht, indes nichts an der das genannte Urteil vom 12. August 1992 tragenden Erwägung geändert, dass am Ende nur eine Aussage über abstrakte biostatistische Wahrscheinlichkeiten steht.
9
4. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
10
Zwar ist das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren, das dazu dient, aus der Probe sowie aus der Vergleichsprobe jeweils eine bestimmte Anzahl in der Kern-DNA auftretender Systeme (sog. short tandem repeats; STR) eindeutig zu identifizieren und so einen Vergleich zu ermöglichen , inzwischen in seinen Abläufen so weit standardisiert, dass es im Urteil keiner Darlegungen hierzu bedarf. Dies gilt jedoch nicht für die an die so gewonnenen Daten anknüpfende Wahrscheinlichkeitsberechnung, denn sie erfordert zunächst die Auswahl einer in Betracht kommenden Vergleichspopulation und beispielsweise Überlegungen zur Anwendbarkeit der sog. Produktregel. Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibili- tät zu ermöglichen, verlangt der Bundesgerichtshof deshalb in ständiger Rechtsprechung die Mitteilung der Berechnungsgrundlagen im Urteil (Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 53; Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159; Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Hierzu gehören neben Verbreitungswahrscheinlichkeiten auch die eindeutige Kennzeichnung der verglichenen Systeme (Basenfolgemuster), die Zahl der Wiederholungen in den beiden zugehörigen Allelen sowie eine hinreichend deutliche Umschreibung der herangezogenen Vergleichspopulation.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2012 - 3 StR 41/12

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Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 722/08
vom
21. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________________
Jedenfalls bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann das Ergebnis der
DNA-Analyse wegen der inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen
Untersuchung für die Überzeugungsbildung des Tatrichters dahin
, dass die gesicherte Tatortspur vom Angeklagten herrührt, ausreichen,
wenn die Berechnungsgrundlage den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
aufgestellten Anforderungen entspricht.
BGH, Beschl. vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08 - LG Karlsruhe
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 24. September 2008 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Dezember
2008 bemerkt der Senat:
Zutreffend war das Landgericht vorliegend bereits aufgrund des Ergebnisses
der DNA-Analyse, wonach mit einem statistisch errechenbaren Häufigkeitswert
von 1:256 Billiarden davon auszugehen ist, dass die Spur vom Angeklagten
herrührt, davon überzeugt, dass die am Tatort gesicherte Hautabriebspur
vom Angeklagten stammt.
Jedenfalls bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann wegen der
inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchung
das Ergebnis der DNA-Analyse für die Überzeugungsbildung des Tatrichters
dahin, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur vom Angeklagten herrührt,
ausreichen, wenn die Berechnungsgrundlage den von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 38, 320, 322 ff.) aufgestellten Anforderungen
entspricht. Davon unabhängig hat das Tatgericht die Frage zu beurteilen, ob
zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht.
Nack Kolz Hebenstreit
Elf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 362/11
vom
12. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Oktober 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Mai 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Gegenstand der Verurteilung ist ein Überfall am 16. Januar 2003 auf ein Juweliergeschäft in Aachen, bei dem fünf zum Teil mit scharfen Pistolen bewaffnete Täter Schmuck und Uhren im Wert von knapp 100.000 Euro erbeuteten. Am Tatort ließen die Täter u.a. eine Umhängetasche zurück, an deren auf den Tragriemen aufgesetzter Handytasche eine DNA-Spur festgestellt wurde , "die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte" (UA 9).
3
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Für die DNA-Spur auf der Umhängetasche habe er keine Erklärung. Er habe sich 2002/2003 überwiegend im belgischen Raum aufgehalten, sei lediglich ein Mal im August/September 2002 am Aachener Hauptbahnhof umgestiegen, jedoch nicht in die Stadt gegangen.
4
Das Landgericht hält die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall für erwiesen. Es stützt sich dabei vor allem auf die DNA-Spur auf der Handytasche. Der Einlassung des Angeklagten, der das Entstehen der Spur nicht habe erklären können und wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Nach der "festen Überzeugung der Kammer" könne der Angeklagte, wäre er nicht am Überfall beteiligt gewesen, das Vorhandensein der Spur durchaus erklären; auf Erinnerungslücken oder auf Nichtwissen könne er sich nicht berufen. Darüber hinaus sprächen weitere Indizien für die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall. So habe er sich zur fraglichen Zeit nach seiner eigenen Einlassung immerhin in der Aachener Grenzregion aufgehalten, spreche die russische Sprache - nach Zeugenangaben hätten die Täter mit einem russischen bzw. osteuropäischen Dialekt gesprochen - und die Täter hätten insbesondere auch Uhren der Marke "Vacheron Constantin" entwendet, die "in Osteuropa besonders beliebt" seien. Schließlich sei der Angeklagte wegen eines gleichartigen Delikts - Überfall unter Waffeneinsatz auf einen Juwelier in Aalst im Mai 2003 - in Belgien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
5
3. Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).
6
Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein "Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009" verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNASpurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft , mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Betracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es regelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Angeklagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).
7
Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten ent- scheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang verstand sich angesichts von Gegenstand und Ort, an dem die Spur sichergestellt wurde, nicht von selbst. Das Landgericht stützt sich dabei entscheidend auf die Erwägung, dass der Angeklagte das Vorhandensein der Spur nicht plausibel erklären "konnte bzw. wollte" (UA 11). Insoweit kann dahinstehen, ob dies - wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat - bereits deshalb als rechtsfehlerhaft zu beurteilen ist, weil die im Urteil wiedergegebenen Angaben des Angeklagten nicht als Teileinlassung, sondern als pauschales Bestreiten zu werten sind, mithin das Landgericht unzulässigerweise aus seinem Schweigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen hat (vgl. etwa BGH NStZ 2007, 417; 2009, 705).
8
Jedenfalls hätte sich das Landgericht mit Rücksicht auf den allenfalls geringen Beweiswert des von ihm für ausschlaggebend erachteten Umstandes damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die Spur möglicherweise auf andere Weise als durch unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall an die Umhängetasche gelangt sein konnte. Dazu hätte es weiterer Feststellungen und Erörterungen im Urteil bedurft. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schlussfolgerung des Landgerichts auf einer tragfähigen Grundlage beruht, hätte die Kammer - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - etwa mitteilen müssen, um welche Art von Spurenträger es sich handelt und an welcher Stelle der Tasche diese gesichert wurde. Namentlich die Feststellung des Spurenträgers - z.B. Fingerspur oder Haar des Angeklagten - hätte indiziell dafür sein können, ob die DNA-Spur auf die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort hinweist oder auch ohne Verbindung zum Tatgeschehen dorthin gelangt sein konnte. Für die Frage des Zusammenhangs zwischen der DNA-Spur und der Tat konnte schließlich von Bedeutung sein, ob an der Tasche weitere DNA-Spuren von anderen Personen gefunden wurden.
9
4. Das Urteil beruht auf den erörterten Lücken bei der Beweiswürdigung. Das Landgericht hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien für die Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort, die zudem sämtlich nur einen schwachen Beweiswert besitzen, ausdrücklich nur ergänzende und keine entscheidende Bedeutung beigemessen (UA 12).
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 722/08
vom
21. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________________
Jedenfalls bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann das Ergebnis der
DNA-Analyse wegen der inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen
Untersuchung für die Überzeugungsbildung des Tatrichters dahin
, dass die gesicherte Tatortspur vom Angeklagten herrührt, ausreichen,
wenn die Berechnungsgrundlage den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
aufgestellten Anforderungen entspricht.
BGH, Beschl. vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08 - LG Karlsruhe
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 24. September 2008 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Dezember
2008 bemerkt der Senat:
Zutreffend war das Landgericht vorliegend bereits aufgrund des Ergebnisses
der DNA-Analyse, wonach mit einem statistisch errechenbaren Häufigkeitswert
von 1:256 Billiarden davon auszugehen ist, dass die Spur vom Angeklagten
herrührt, davon überzeugt, dass die am Tatort gesicherte Hautabriebspur
vom Angeklagten stammt.
Jedenfalls bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann wegen der
inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchung
das Ergebnis der DNA-Analyse für die Überzeugungsbildung des Tatrichters
dahin, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur vom Angeklagten herrührt,
ausreichen, wenn die Berechnungsgrundlage den von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 38, 320, 322 ff.) aufgestellten Anforderungen
entspricht. Davon unabhängig hat das Tatgericht die Frage zu beurteilen, ob
zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht.
Nack Kolz Hebenstreit
Elf Jäger