Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2012 - 3 StR 433/12

bei uns veröffentlicht am27.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 433/12
vom
27. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. November 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 11. Juni 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützt ist, hat Erfolg.
2
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Daher kann das Urteil insgesamt nicht bestehen bleiben.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts verließen der Angeklagte und seine beiden Tatgenossen gemeinsam den Tatort und ließen dort den von ihnen - auch mit einem Holzknüppel - zusammengeschlagenen, blutenden und stöhnenden Geschädigten auf dem Boden liegend zurück. Als die Täter zum Pkw des Angeklagten liefen, hielt der Mitangeklagte T. A. , ein Bruder des Angeklagten, sowohl das zuvor entwendete Handy des Geschädigten als auch das diesem weggenommene Bargeld offen in der Hand. Dies bemerkte (auch) der Angeklagte, der spätestens ab diesem Zeitpunkt Kenntnis davon hatte, dass der Geschädigte beraubt worden war. Der Angeklagte fuhr anschließend mit den beiden anderen in Richtung der Innenstadt (von Duisburg). Das entwendete Handy warf einer der Tatgenossen des Angeklagten während der Fahrt aus dem Autofenster. Das entwendete Geld wurde im Pkw gezählt und "später aufgeteilt". T. A. erhielt einen Teil des Geldes; "ob und in welcher Höhe seine Begleiter an dem Geld partizipierten, ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen". Das Landgericht hat diese Feststellungen rechtlich dahin gewürdigt, dass sich der Angeklagte wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub strafbar gemacht habe, da er die Wegnahme des Geldes noch vor der Beendigung der Tat bemerkt und seine beiden Mittäter gleichwohl vom Tatort wegbefördert habe.
4
Die bisherigen Feststellungen belegen diese rechtliche Würdigung nicht. Vielmehr kann auf ihrer Grundlage nicht ausgeschlossen werden, dass der vom Mitangeklagten T. A. begangene besonders schwere Raub beendet war, als der Angeklagte diesen in Kenntnis der Entwendung des Handys und des Geldes des Überfallenen mit der Beute vom Tatort wegfuhr.
5
Allerdings ist zutreffend, dass Beihilfe nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig auch noch nach Vollendung der Haupttat möglich ist (aA LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 39 ff.). Nach deren Beendigung ist sie indes rechtlich ausgeschlossen; in Betracht kommen dann nur Anschlussdelikte nach §§ 257 ff. StGB (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 27 Rn. 6 mwN; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 56). Ob bei einem Raubdelikt Beendigung eingetreten ist, richtet sich danach, ob hinsichtlich der Tatbeute noch irgendwelche direkte Eingriffsmöglichkeiten des Eigentümers oder eines Beobachters bestanden hätten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 1999 - 1 StR 416/99, NStZ 2000, 31) oder die weggenommene Sache endgültig gesichert ist (vgl. MüKoStGB/Sander, 2. Aufl., § 249 Rn. 38). Dies lässt sich hier auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen: Danach wurde der Geschädigte nachts gegen 00:30 Uhr in einer menschenleeren Gegend überfallen und lag (zunächst) - schwer verletzt - auf dem Boden; sein Handy war ihm weggenommen worden, so dass er telefonisch Hilfe nicht herbeirufen konnte. Seinen Schlüsselbund hatte er während des Kampfes mit den Tätern verloren, so dass er weder sein in der Nähe abgestelltes Auto benutzen, noch seine nahe gelegene Wohnung aufsuchen konnte. Danach ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Raubtat zum Zeitpunkt des Transports des Täters durch den Angeklagten (bereits) beendet war.
6
Die Einheitlichkeit der Tat steht hier der Aufrechterhaltung der tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung entgegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 353 Rn. 7a), so dass die Sache in vollem Umfang der neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf. Wegen der Tatbestandsvoraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) weist der Senat auf seine Beschlüsse vom 2. Mai 2012 - 3 StR 146/12, vom 28. Juni 2011 - 3 StR 167/11 und vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 334/08, NStZ-RR 2009, 77 hin.
Becker Pfister Hubert Schäfer Mayer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2012 - 3 StR 433/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2012 - 3 StR 433/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2012 - 3 StR 433/12 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2011 - 3 StR 167/11

bei uns veröffentlicht am 28.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 167/11 vom 28. Juni 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. hier: Revision des Angeklagten S. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhöru

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2012 - 3 StR 146/12

bei uns veröffentlicht am 02.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 146/12 vom 2. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf de

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bei uns veröffentlicht am 30.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 334/08 vom 30. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen An
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2012 - 3 StR 433/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2019 - 1 StR 450/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 450/18 vom 23. Januar 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. Einziehungsbeteiligte: wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2019:230119B1STR450.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach A

Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 146/12
vom
2. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. Mai
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 12. Dezember 2011 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte - des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub, räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung, Computerbetrug und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , - des versuchten Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie - des besonders schweren Raubes schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub, räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung, Computerbetrug und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall A. II. 1. der Urteilsgründe), wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall A. II. 2.) sowie wegen besonders schweren Raubes (Fall A. II. 3.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nur insofern Erfolg, als sie zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall A. II. 2. der Urteilsgründe führt. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Nach den zum Fall A. II. 2. rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wollte der Angeklagte aus einem Haus Geld oder sonstige stehlenswerte Gegenstände entwenden, um damit den Erwerb von Drogen zu finanzieren. Als er den Eigentümer des Hauses auf dem Grundstück bemerkte, versteckte sich der Angeklagte hinter einem Gebüsch. Der Hauseigentümer näherte sich diesem Gebüsch. Daher fürchtete der Angeklagte seine Entdeckung, griff den Eigentümer von hinten an und schlug auf diesen ein, um seine Absicht, aus dem Haus etwas zu stehlen, noch verwirklichen zu können.
3
Diese Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen einer mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangenen gefährlichen Körperverletzung. Ein hinterlistiger Überfall setzt voraus, dass der Täter seine Verletzungsabsicht planmäßig verbirgt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 334/08, NStZ-RR 2009, 77, 78; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 224 Rn. 10). Eine solche Planmäßigkeit ist nicht belegt. Allein der Umstand, dass der Angeklagte den Angriff von hinten ausführte und dabei ein Überraschungsmoment ausnutzte, begründet keine Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. August 2009 - 3 StR 175/09, StV 2011, 136; Fischer aaO mwN).
4
Der Senat ändert den Schuldspruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte tateinheitlich zum versuchten Raub der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig ist. Andere Tatvarianten des § 224 Abs. 1 StGB sind nicht gegeben und zusätzliche Erkenntnisse in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten. Der Geschädigte hat den nach § 230 StGB erforderlichen Strafantrag rechtzeitig gestellt.
5
Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt, da der Senat ausschließen kann, dass das Landgericht bei Annahme lediglich einer vorsätzlichen Körperverletzung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Auch wenn die Kammer ihrer Strafzumessung die dem Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB entnommene Mindeststrafe von sechs Monaten anstatt eine solche von drei Monaten gemäß § 249 Abs. 1, § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt hat, hat sich diese angesichts der verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkennbar nicht ausgewirkt. Die von der Kammer maßgeblich strafschärfend herangezogenen Gesichtspunkte des brutalen Vorgehens und der erheblichen Tatfolgen liegen unabhängig von der rechtlichen Einordnung als gefährliche oder vorsätzliche Körperverletzung vor.
6
Weil das Rechtsmittel nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und seinen eigenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Becker Pfister Hubert Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 167/11
vom
28. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Revision des Angeklagten S.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 31. Januar 2011, auch soweit es den Mitangeklagten P. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. sowie den nicht revidierenden Mitangeklagten P. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Gegen den Angeklagten S. hat es eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; den Mitangeklagten hat es zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob der Angeklagte gemäß § 24 StGB strafbefreiend vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung zu- rückgetreten ist, obwohl sich eine Erörterung dieser Frage nach den getroffenen Feststellungen aufgedrängt hat.
4
Danach kam der Angeklagte mit dem Mitangeklagten überein, dem Tatopfer eine Lehre zu erteilen und es gegebenenfalls auch gewaltsam dazu zu bringen, Drogenschulden, die es seit längerer Zeit bei dem Angeklagten hatte, zu begleichen. Die Angeklagten fuhren deshalb mit dem Geschädigten in ein Waldgebiet. Dort hielt ihn der Mitangeklagte fest, während der Angeklagte mit einer Rohrzange den Finger des Opfers quetschte und es aufforderte, endlich seine Schulden zu bezahlen. Der Aufforderung kam der Geschädigte nicht nach, weil er kein Geld bei sich hatte. Nachdem der Angeklagte dem Geschädigten verdeutlicht hatte, seine Schulden so schnell wie möglich zu begleichen, "wenn er weitere Gewalttätigkeiten ihm gegenüber vermeiden wollte", ließen ihn die Angeklagten frei.
5
Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung fehlgeschlagen und damit ein Rücktritt des Angeklagten vom (unbeendeten) Versuch dieser Tat ausgeschlossen war. Denn ein Versuch ist nicht - wovon das Landgericht möglicherweise rechtsfehlerhaft ausgegangen ist - bereits dann fehlgeschlagen, wenn der Angeklagte - wie hier - seinen Tatplan nicht verwirklichen konnte. Maßgeblich ist hierfür vielmehr, ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmnisse das Erreichen seines Ziels nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte hingegen noch Herr seiner Entschlüsse und hielt er - wenngleich mit anderen Mitteln - die Ausführung seiner Tat noch für möglich , liegt ein unbeendeter und kein fehlgeschlagener Versuch vor. Entscheidend ist dabei die Sicht des Täters nach Ende der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 24 Rn. 6 ff.).
6
Zu dem für die Abgrenzung eines fehlgeschlagenen von einem unbeendeten Versuch maßgeblichen Rücktrittshorizont des Angeklagten im Zeitpunkt seiner letzten Ausführungshandlung verhält sich das Urteil nicht. Mit Blick auf die Drohung des Angeklagten, erneut gewaltsam gegen das Tatopfer vorzugehen , wenn es seine Schulden nicht alsbald begleichen sollte, erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte die Ausführung der Tat noch für möglich hielt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte an einer Fortführung seines Vorhabens, die Bezahlung der Drogenschulden beim Tatopfer zu erzwingen, gehindert sah, enthalten die Urteilsgründe nicht.
7
2. Der Darlegungs- und Erörterungsmangel nötigt insgesamt zur Aufhebung des Urteils, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB im Ergebnis rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Der neue Tatrichter wird jedoch Gelegenheit haben zu prüfen, ob die vom Landgericht u.a. angenommene Tatvariante eines hinterlistigen Überfalls gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht ist. Nach den bisherigen Feststellungen erscheint dies zweifelhaft, da die Urteilsgründe ein planmäßiges, auf Verdeckung der wahren Absicht gerichtetes Verhalten der Angeklagten, etwa das Vortäuschen von Friedfertigkeit oder ein von Heimlichkeit geprägtes Handeln nicht belegen. Das bloße Ausnutzen eines Überraschungsmoments könnte die Annahme eines hinterlistigen Überfalls nicht rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 334/08, NStZ-RR 2009, 77 mwN).
8
Der neue Tatrichter wird ferner zu bedenken haben, dass die vom Landgericht bei der Strafzumessung zur Ablehnung eines minder schweren Falls herangezogene Erwägung, die (versuchte) Erpressung habe dazu gedient, "ein kriminelles und rechtsunwirksames Geschäft" durchzusetzen, gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, da die Rechtswidrigkeit der Bereicherung Merkmal des Tatbestands des § 253 StGB ist.
9
3. Die unterlassene Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung betrifft auch die Verurteilung des nicht revidierenden Mitangeklagten P. . Auch wenn gemäß § 24 Abs. 2 StGB der Rücktritt eines Tatbeteiligten nicht ohne weiteres zugunsten eines anderen Tatbeteiligten wirkt, kann es hierfür ausreichen, wenn die Tatbeteiligten nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiter handeln, obwohl sie dies hätten tun können (BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91, 92). Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 334/08
vom
30. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 30. Oktober
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 2. November 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer "Gesamtfreiheitsstrafe" von fünf Jahren verurteilt und das Tatmesser eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechts- mittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme, der Angeklagte habe die Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Ein Überfall ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht schon dann hinterlistig, wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer das Moment der Überraschung ausnutzt, etwa indem er plötzlich von hinten angreift. Hinterlist setzt vielmehr voraus, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Täter dem Opfer mit vorgetäuschter Friedfertigkeit entgegentritt oder sich vor dem Opfer verbirgt und ihm auflauert oder sich anschleicht (vgl. BGH NStZ 2005, 40 m. w. N.). Ein vergleichbares gezieltes, planmäßiges oder von Heimlichkeit geprägtes Vorgehen des Angeklagten hat das Landgericht nicht festgestellt. Vielmehr griff der Angeklagte die Nebenklägerin in dem gut besuchten Lokal offen an und nutzte für seine Tat lediglich den Umstand aus, dass die Nebenklägerin ihm den Rücken zuwandte und sich unterhielt und deshalb seine Annäherung nicht bemerkte.
4
Da auch andere Tatalternativen des § 224 Abs. 1 StGB nicht vorliegen und entsprechende Erkenntnisse in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte der tateinheitlich begangenen vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 StGB schuldig ist. Der nach § 230 StGB erforderliche Strafantrag wurde rechtzeitig gestellt.
5
2. Der Rechtsfolgenausspruch hat - mit Ausnahme der Einziehungsanordnung - keinen Bestand.
6
a) Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, da das Landgericht strafschärfend ausdrücklich berücksichtigt hat, dass der Angeklagte neben dem versuchten Mord eine gefährliche Körperverletzung begangen hat.
7
b) Auch die unterbliebene Erörterung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB begegnet Bedenken.
8
Die Feststellungen zum langjährigen und übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten, zu seinen beiden bisherigen, jeweils nur vorübergehend erfolgreichen Entwöhnungstherapien und zu seiner Neigung, unter Alkoholeinfluss Aggressionshandlungen zu begehen, drängten zur Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Maßregelanordnung des § 64 StGB gegeben sind. Da der Angeklagte auch bei Begehung der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin erheblich alkoholisiert war und die Strafkammer nicht zuletzt deshalb eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht hat ausschließen können, liegt nahe, dass die abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zurückgeht. Dem Erfordernis einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg steht jedenfalls nicht von vornherein entgegen, dass der Angeklagte bereits zwei stationäre Entwöhnungsmaßnahmen durchführte, zumal diese zumindest einen vorübergehenden Erfolg erbrachten.
9
Der neue Tatrichter wird deshalb auch die Frage einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB zu erörtern haben. Einer Nachholung einer Unterbringungsanordnung stünde nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (BGHSt 37, 5). Die Nichtanordnung des § 64 StGB hat der Beschwerdeführer nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer