Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2019 - 3 StR 462/18

bei uns veröffentlicht am03.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 462/18
vom
3. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:030519B3STR462.18.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Mai 2019 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. April 2018 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen “besonders“ schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Ergänzend bemerkt der Senat:
3
1. Die Rüge, dass der Angeklagte nach der Urteilsformel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden sei, wohingegen sich aus dem Protokoll die Verhängung einer lediglich sechsjährigen Gesamtfreiheitsstrafe ergebe, erweist sich als unzulässig.
4
Zwar ist die Beanstandung, mit der vorgetragen wird, dass das Protokoll eine von der schriftlichen Fassung abweichende Urteilsformel enthalte, trotz der missverständlichen Überschrift “Verletzung materiellen Rechts“ als Verfahrensrüge auszulegen. Doch legt die Revision einen Verfahrensfehler begründende Tatsachen nicht dar (§ 344 Abs. 2 StPO). Sie trägt lediglich vor, dass der Angeklagte “ausweislich des Protokolls“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden sei. Zwar kann eine solche Formulierung auch als ein Hinweis auf das geeignete Beweismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1981 - 4 StR 496/81, StV 1982, 4, 5). Hier leitet die Revision die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens jedoch ausdrücklich nur aus dem Protokoll ab, während sie zum tatsächlichen Geschehen keine Angaben macht. Die Behauptung, dass das verkündete Urteil tatsächlich auf eine sechsjährige Gesamtfreiheitsstrafe lautete, enthält das Revisionsvorbringen - auch sinngemäß - nicht.
5
Da die Rüge somit schon unzulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 4 StR 181/11, StV 2012, 73), kommt es nicht darauf an, dass eine Protokollberichtigung, die der Rüge den Boden entzogen hätte (zu den Anforderungen vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007, GSt 1/06, BGHSt 51, 298, 316 f.) bisher nicht vorliegt.
6
2. Rechtlich unzutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es das Ergebnis des Gutachtens der aussagepsychologischen Sachverständigen lediglich zur Beurteilung der Aussagetüchtigkeit der Geschädigten, nicht hinsichtlich der kriteriengestützten Aussageanalyse heranziehen dürfe, da diese Analyse ihr wegen Art. 92 GG ausschließlich selbst zustehe und ein Rückgriff auf externe Sachkunde insoweit die Gefahr einer unzulässigen Delegierung richterlicher Befugnisse mit sich bringe. Zwar ist die Beurteilung der Glaubhaf- tigkeit einer Aussage die ureigene Aufgabe des Tatgerichts, für die es in der Regel die ausreichende Sachkunde besitzt. Liegen allerdings Besonderheiten in der Person des Zeugen vor - worauf vorliegend die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens hinweist -, dann gebietet die Aufklärungspflicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 244 Rn. 74 mwN). Die Aussageanalyse, die unter anderem das Vorliegen sogenannter Realkennzeichen untersucht, ist aber Bestandteil eines wissenschaftlich fundierten Glaubhaftigkeitsgutachtens (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 170 ff.; Beschluss vom 30. Mai 2000 - 1 StR 582/99, NStZ 2001, 45, 46), den das Gericht aus Gründen der Aufklärungspflicht zur Kenntnis zu nehmen und dessen Inhalt es im Urteil darzulegen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2002 - 2 StR 307/02, BGHR StPO § 261 Beweiskraft 4). Der Tatrichter ist an die sachverständige Bewertung, die im Übrigen die Beweiswürdigung nicht zu ersetzen vermag (BGH, Beschluss vom 4. September 2009 - 2 StR 307/02, aaO), zwar nicht gebunden; er kann sich aber dem Ergebnis der Begutachtung - wie in anderen Fällen auch - nach eigener Beurteilung anschließen.
7
Auf dieser rechtsfehlerhaften Auffassung beruht das Urteil indes nicht, da das Landgericht seine Bewertung der Aussage der Nebenkläger mit der der Sachverständigen “verglichen und insoweit keine Unterschiede festgestellt“ hat. Schäfer Gericke Spaniol RiBGH Hoch befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Berg Schäfer

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 92


Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 92


Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 181/11
vom
13. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juli 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 3. Dezember 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die Rüge, mit welcher eine Verletzung des § 52 Abs. 2 und 3 StPO geltend gemacht wird, ist nicht zulässig erhoben. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen Verfahrensrügen in bestimmter Form erhoben und durch Angabe der den vorgeblichen Mangel enthaltenden Tatsachen begründet werden. Dem Revisionsvorbringen lässt sich hier nicht die bestimmte Behauptung entnehmen , dass ein Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt, sondern nur, dass er sich aus dem Protokoll ergebe.
3
In der Revisionsbegründungsschrift ist unter „Verfahrenstatsachen“ auszugsweise der Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls vom 1. Dezember 2010 wiedergegeben. Weiter heißt es dann: „Verlesen wurde im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht der Zeugin M. F. also lediglich die Erklärung der Rechtsanwältin H. vom 27.01.2010 vor der polizeilichen Vernehmung , wonach diese für M. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch mache. Die Zeugin selbst machte also gem. des Protokolls keine Angaben zu ihrer Aussagebereitschaft gegen den eigenen Vater. Die Rechtsanwältin H. überprüfte ihre Einstellung als Vertreterin im Hinblick auf das Zeugnisverweigerungsrecht kein weiteres Mal im Rahmen der Hauptverhandlung. Gem. dem Protokoll fand eine entsprechende Belehrung der M. F. nicht statt, dass die Zustimmung ihrer eigenen Vertreterin sie nicht zur Aussage gegen den eigenen Vater verpflichtet“ (Hervorhebungen durch den Senat). In einem weiteren Abschnitt „rechtliche Würdigung“ heißt es entsprechend: „Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich gerade nicht, dass die Zeugin M. F. aussagen will…Im Protokoll befindet sich lediglich die recht allgemeine Ausführung `Die Zeugin wurde dem Alter entsprechend belehrt`. Ihre Reaktion darauf ist nicht protokolliert.“
4
Zwar kann eine Formulierung wie beispielsweise „ausweislich des Proto- kolls“ im Revisionsvorbringen auch nur als ein Hinweis auf das geeignete Be- weismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1981 – 4 StR 496/81, StV 1982, 4, 5). Hier leitet die Revision die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens jedoch mehrfach ausdrücklich nur aus dem Protokoll ab, zum tatsächlichen Geschehen (Inhalt der Belehrung, Reaktion der Zeugin F. ) werden keine Angaben gemacht. So wird auch der Umstand, dass die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zeugin F. , Rechts- anwältin H. , in der Hauptverhandlung vom 1. Dezember 2010 abwesend war, von der Revision nicht vorgetragen.
5
2. Die weiteren Verfahrensrügen und die Sachrüge sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Mai 2011 unbegründet. Ernemann Roggenbuck Cierniak Bender Quentin

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 582/99
vom
30. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Mai 2000 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 24. Juni 1999 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Der Erörterung bedarf allein die Verfahrensrüge, mit der die Revision die Verletzung von § 244 Abs. 4 2. Halbsatz StPO rügt.
Dazu ist folgendes Prozeßgeschehen festgestellt: Das Landgericht beauftragte eine Diplom-Psychologin der Universität H. mit der aussagepsychologischen Begutachtung der 17jährigen Hauptbelastungszeugin. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Aussage des Mädchens, sie sei vom Angeklagten vergewaltigt worden, sei glaubhaft. In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigung als weiteren Sachverständigen Herrn Prof. Dr. S. von der Universität D. zur Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin zu hören. Die Verteidigung behauptete unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. , das Glaubwürdigkeitsgutachten der DiplomPsychologin sei zum Teil mit erheblichen Mängeln und Versäumnissen belastet.
Das Landgericht lehnte den Beweisantrag mit der Begründung ab, das Gegenteil der behaupteten Tatsachen sei durch die Anhörung der DiplomPsychologin bereits erwiesen. Die Sachkunde der Sachverständigen sei nicht zweifelhaft. Ihr Gutachten gehe nicht von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus und enthalte keine Widersprüche. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich und solche auch nicht vorgetragen, daß der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfüge, die denen der gehörten Gutachterin überlegen erscheinen könnten.
Die Ablehnung des Beweisantrags hält rechtlicher Überprüfung stand.

II.


Der Ablehnungsbeschluß vom 4. Mai 1999 entspricht allerdings nicht den Anforderungen, die der Senat seit seinem Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR
618/98 -, NStZ 2000, 100 an die Begründung eines Beschlusses stellt, mit dem das Gericht trotz erhobener Einwände gegen die Sachkunde des Gutachters die Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Gutachtens ablehnen kann.
1. Wird unter Bezugnahme auf eine kritische Würdigung des Erstgutachtens durch einen anderen Fachvertreter auf konkrete Mängel dieses Gutachtens hingewiesen, muß sich das Tatgericht mit den behaupteten Einwänden im einzelnen auseinandersetzen. Dieses Erfordernis gilt dann nicht, wenn die geltend gemachten Mängel nach anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben offensichtlich nicht bestehen (BGH aaO S. 101). Dies gilt auch für Fälle, in denen – ohne nähere Kenntnis der gesamten Aktenlage – allein das schriftliche Sachverständigengutachten einer eher allgemein gehaltenen Methodenkritik ausgesetzt wird.
2. Der Senat ist den von der Verteidigung vorgebrachten Einwänden nachgegangen und hat das von der Revision vorgelegte schriftliche Gutachten der Diplom-Psychologin überprüft. Dies gibt dem Senat Anlaß klarzustellen, daß es sich bei den im Urteil vom 30. Juli 1999 niedergelegten methodischen Grundprinzipien für die aussagepsychologische Begutachtung um Prüfungsschritte handelt, nach denen der wissenschaftlich ausgebildete psychologische Sachverständige gedanklich arbeitet. Für die Beteiligten muß überprüfbar sein, auf welchem Weg der Sachverständige zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (BGH aaO S. 104). Die aussagepsychologischen Gutachten müssen nicht einheitlich einer bestimmten Prüfstrategie folgen und einen einheitlichen Aufbau haben. Die einzelnen Elemente der Aussagebegutachtung müssen auch nicht nach einer bestimmten Reihenfolge geprüft werden. Es gilt
weiterhin der Grundsatz, daß es in erster Linie dem Sachverständigen überlassen ist, in welcher Art und Weise er sein Gutachten dem Gericht unterbreitet (BGH aaO S. 104).
3. Der Senat schließt aus, daß die in der Stellungnahme von Prof. Dr. S. behaupteten Mängel im Gutachten der Diplom-Psychologin zu einem falschen Gutachtenergebnis geführt haben:

a) Das Gutachten enthält allerdings keinen Bericht über die Aussage und deren Verlauf, der auf einem Wortprotokoll auf der Grundlage einer Tonband - oder Videoaufnahme beruht und aus dem die Fragen und Antworten hervorgehen. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 30. Juli 1999 ausgeführt : Im Interesse einer besseren Dokumentation sind “in der Regel” Audiound ggf. Videoaufnahmen zu erstellen (BGH aaO S. 104). Nur durch eine genaue Dokumentation kann eine Abschätzung erfolgen, welche Aussagequalitäten bei den Schlußfolgerungen zur Glaubhaftigkeitseinschätzung verwertet werden können. Enthält jedoch wie hier das Gutachten der Diplom-Psychologin einen umfangreichen, detailreichen Bericht über die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen , der auch Erzählanstöße aufweist und dem - unter Verwendung der indirekten Rede - mittelbar eine Anzahl der gestellten Fragen und Antworten zu entnehmen sind, entzieht dies jedenfalls den bis zur Entscheidung des Senats vom 30. Juli 1999 erstellten Gutachten die wissenschaftliche Grundlage nicht zwingend.

b) Gegenstand einer aussagepsychologischen Beurteilung ist allerdings nicht die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit der Untersuchten im
Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft (BGH aaO S. 101). Dennoch lagen hier Besonderheiten vor, die es notwendig machten zu prüfen, ob wegen einer beim Tatopfer festgestellten Bulimie eine Beeinträchtigung der Fähigkeit der Zeugin zur Wahrnehmung, Speicherung und Reproduktion von komplexen Sachverhalten und zur Realitätskontrolle vorlag. Diese Prüfung ist erfolgt. Einschränkungen der Fähigkeiten der Geschädigten zu einer qualifizierten Aussage hat das Landgericht aufgrund der Aussage des als Zeugen gehörten Oberarztes Dr. K. vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim verneint.

c) Der Einwand, das Gutachten habe zur Klärung externer Einflüsse auf die Aussage die Alternativhypothese “bewußte oder irrtümliche Falschaussage” und die Aussagegenese nicht ausreichend berücksichtigt, ist nicht begründet.
Das Vorbringen richtet sich im Grunde gegen die von der Gutachterin verwendeten Prüfungselemente und die von ihr gewählte Prüfungsreihenfolge.
Nach den Gutachten der seinerzeit vom Senat gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Steller und Prof. Dr. Fiedler, wie sie im Urteil vom 30. Juli 1999 mitgeteilt worden sind, soll der Gutachter den zu überprüfenden Sachverhalt an Hand von anerkannten Realkennzeichen auf einen realen Erlebnishintergrund untersuchen. Das erlangte Ergebnis ist durch die Bildung von Alternativhypothesen zu überprüfen. Mit dieser Hypothesenbildung soll überprüft werden, ob die im Einzelfall vorfindbare Aussagequalität durch sogenannte Parallelerlebnisse oder reine Erfindung erklärbar sein könnte. Die Nullhypothese sowie die in der Aussagebegutachtung im wesentlichen verwendeten Elemente der Aussageanalyse (Qualität, Konstanz, Aussageverhalten), der Persönlichkeitsana-
lyse und der Fehlerquellen – bzw. der Motivationsanalyse sind gedankliche Arbeitsschritte zur Beurteilung der Zuverlässigkeit einer Aussage. Sie sind nicht nur in einer Prüfungsstrategie anzuwenden und verlangen keinen vom Einzelfall losgelösten, schematischen Gutachtenaufbau.
Die gerichtlich bestellte Gutachterin hat nicht den Weg der Analyse des Aussageinhalts und der nachfolgenden Überprüfung der Ergebnisse durch Alternativhypothesen gewählt. Sie untersucht die Aussage der Geschädigten “formal und inhaltlich” unter dem Abschnitt “Spezielle Glaubwürdigkeit” und beginnt mit der Entstehung der Aussage. Dabei überprüft sie mögliche Motive, die auf eine Falschaussage hindeuten könnten. Die Diplom-Psychologin prüft ausführlich die “bewußte Falschaussage” und schließt diese aus, nachdem die Geschädigte am Tag nach dem Vorfall zu der Anzeige bei der Polizei gedrängt und dort sofort vernommen worden ist. Für die Prüfung der Alternative “Irrtümliche Falschaussage” bietet der zu prüfende Sachverhalt einer Vergewaltigung keinen Anlaß.
Die Diplom-Psychologin befaßt sich im Rahmen der Prüfung der Geschichte der Aussage – wenn auch nur kurz - auch mit der “Suggestionshypothese”. Sie schließt diese aus, weil in der Erstaussagesituation die Notwendigkeit einer Rechtfertigung vor der Mutter oder auf erwartete negative Reaktionen auf das Bekanntwerden des sexuellen Erlebnisses nicht bestanden habe.
Ihrer Prüfung legt die Gutachterin die Mitteilungen der Geschädigten an die Personen zugrunde, die das Tatopfer unmittelbar im Anschluß an die Tathandlung in einer Telefonzelle in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufgefunden und befragt haben. Daß die kurz nach der Tat gemachte Aussage der Geschä-
digten auch konstant ist, belegt die Sachverständige an Hand der vor der Polizei gemachten Aussagen der Zeugen Sa. M. , Ma. und E. R. . Daß die Sachverständige sich auf die polizeilichen Vernehmungen der Zeugen stützt und ohne ausdrücklichen Auftrag des Gerichts keine eigenen informatorischen Anhörungen im Vorfeld durchgeführt hat, sieht der Senat wegen der im Urteil vom 30. Juli 1999 gemachten strafprozessualen Vorbehalte ausdrücklich nicht als Mangel des Gutachtens an (BGH aaO S. 103).
Der Senat schließt aus, daß die Sachverständige unter Berücksichtigung der objektiven Begleitumstände des Auffindens in der Telefonzelle (zerrissenes T-Shirt, Kratzspuren am Hals des Angeklagten) bei einem anderen methodischen Vorgehen zu einem abweichenden Ergebnis gekommen wäre. Im übrigen hat das Landgericht der Aussagegenese nach dem Auffinden der Geschädigten in der Telefonzelle in seiner Beweiswürdigung breiten Raum gewidmet und hat durch eigenständige Würdigung der Zeugenaussagen die Möglichkeit einer Falschbezichtigung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

d) Soweit schließlich Prof. Dr. S. den Einwand erhebt, hinsichtlich der Feststellungen der Sachverständigen zur “Konstanz” der Aussage des Tatopfers als Zeugin bestünden erhebliche Zweifel, ist dies nicht näher ausgeführt. Die von der Dipolm-Psychologin angenommene Konstanz der Aussagen bei den wiederholten Vernehmungen wird im übrigen von den Feststellungen der Strafkammer bestätigt.

III.


Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Schäfer Herr RiBGH Dr. Maul ist wegen Granderath Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Schäfer Nack Boetticher

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.