Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2019 - 3 StR 503/18

bei uns veröffentlicht am14.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 503/18
vom
14. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2019:140519B3STR503.18.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 29. Mai 2018, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge erweist sich aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgeführten Gründen jedenfalls als unbegründet.
3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.
4
a) Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5
In der Tatnacht gerieten der alkoholisierte Angeklagte und der Mitangeklagte , die mit einer Gruppe unterwegs waren, mit dem aggressiv auftretenden, später getöteten S. im Streit, der seinerseits in erheblichem Umfang Kokain und Alkohol konsumiert hatte. Obgleich dieser zunächst vom Mitangeklagten mit einem Schlagring im Kopfbereich verletzt worden war und heftig blutete, verfolgte er - aufgeputscht von den zuvor konsumierten Rauschmitteln - die sich entfernende Gruppe um die Angeklagten, deren Mitglieder er erneut provozierte. Der Angeklagte, der sich hierdurch herausgefordert sah, wandte sich nun dem auf ihn zugehenden später Getöteten zu, wobei er davon ausging, dass dieser ihn nun angreifen werde. Er wich jedoch nicht zurück, sondern ergriff ein mitgeführtes Messer und stach es S. in den Hals. Da die Wunde zwar kontinuierlich, aber nur leicht blutete, erkannte S. , der der Gruppe zunächst weiter folgte, die Schwere seiner Verletzung nicht und lehnte Hilfe von Passanten ab. Er begab sich nach Hause, wo er einige Stunden später verblutete.
6
Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als Totschlag gewertet , der nicht durch Notwehr gerechtfertigt war. Zwar habe eine Notwehrlage bestanden, da ein Angriff des später Getöteten unmittelbar bevorgestanden habe. Allerdings sei der Einsatz des Messers in der gegebenen Situation nicht als erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 1 StGB anzusehen. Diese rechtliche Bewertung enthält jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
7
b) Dagegen bestehen gegen die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens durchgreifende Bedenken. Die Strafkammer hat die gegen den Angeklagten verhängte Strafe dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Dabei hat sie zwar rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 213 Alternative 1 StGB verneint. Jedoch hält es revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand, dass das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles des Totschlags nach § 213 Alternative 2 StGB verneint hat.
8
aa) Die Strafbemessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher ist jedoch dann gegeben, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 16. April 2015 - 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240).
9
bb) Daran gemessen erweist sich die Begründung, mit der die Strafkammer nicht auf einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 Alternative 2 StGB erkannt hat, als rechtsfehlerhaft.
10
Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung der Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig , ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03, BGHR StGB § 213 Alternative 2 Gesamtwürdigung 3; vgl. auch Beschlüsse vom 15. Januar 2002 - 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140 f.; vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139). Auch wenn dies nicht bedeutet, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet, so ist das Gericht doch verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO).
11
Nach diesen Grundsätzen hätte die Strafkammer bei der Prüfung des minder schweren Falles in ihre Erwägungen den wesentlichen Umstand einbeziehen und erörtern müssen, dass der Angeklagte vorliegend in einer objektiven Notwehrlage handelte, auch wenn die Voraussetzungen des § 33 StGB nicht erfüllt waren (BGH, Beschlüsse vom 29. März 2000 - 2 StR 71/00, NStZ 2000, 441; vom 27. Februar 2007 - 4 StR 581/06, NStZ-RR 2007, 194, 195; vom 4. Juli 2013 - 4 StR 213/13, NStZ 2013, 580; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 - 5 StR 134/14, NStZ 2015, 151, 152). Die Nichtberücksichtigung dieses zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunktes ist umso gewichtiger, als das Landgericht auch im Übrigen bei seiner Abwägung allein strafmildernde Gesichtspunkte, hingegen keine strafschärfenden Umstände angeführt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2000 - 2 StR 249/00, BGHR StGB § 213 Alternative 2 Verneinung 2; vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139).
12
Da der Strafausspruch aufgrund von Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die zugrundeliegenden Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Schäfer Spaniol Tiemann
Berg RiBGH Hoch befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2019 - 3 StR 503/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2019 - 3 StR 503/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2019 - 3 StR 503/18 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Strafgesetzbuch - StGB | § 33 Überschreitung der Notwehr


Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2019 - 3 StR 503/18 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2019 - 3 StR 503/18 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2013 - 4 StR 213/13

bei uns veröffentlicht am 04.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 213/13 vom 4. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Aug. 2012 - 3 StR 132/12

bei uns veröffentlicht am 02.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 132/12 vom 2. August 2012 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 2. August 2012 an der teilgenommen haben: Vorsitzender

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2003 - 4 StR 296/03

bei uns veröffentlicht am 06.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 296/03 vom 6. November 2003 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2007 - 4 StR 581/06

bei uns veröffentlicht am 27.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 581/06 vom 27. Februar 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Februar 2007 gem

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06

bei uns veröffentlicht am 26.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 150/06 vom 26. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2006, an der teilgenomme

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. März 2000 - 2 StR 71/00

bei uns veröffentlicht am 29.03.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 71/00 vom 29. März 2000 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 29. März 2000 gemäß § 349 Abs. 4 S

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2000 - 2 StR 249/00

bei uns veröffentlicht am 16.08.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 249/00 vom 16. August 2000 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. August 2000 gemäß § 349 Abs.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2008 - 3 StR 484/08

bei uns veröffentlicht am 25.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 484/08 vom 25. November 2008 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Apr. 2015 - 3 StR 638/14

bei uns veröffentlicht am 16.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 6 3 8 / 1 4 vom 16. April 2015 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzender R

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2014 - 5 StR 134/14

bei uns veröffentlicht am 01.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR134/14 vom 1. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2014, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter Basd

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 132/12
vom
2. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. August 2012 an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 22. Dezember 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 1 StGB angenommen und diesen Sonderstrafrahmen nochmals gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten. Entgegen der Ansicht der Revision und des Generalbundesanwalts lässt aber auch die Strafzumessung im engeren Sinne im Ergebnis einen durchgreifenden, den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat insoweit zu Gunsten des Angeklag- ten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft, als Erstverbüßer und nicht Deutsch sprechender Ausländer besonders strafempfindlich sei und dass er sich bereits mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft befinde. Mildernd habe sich zudem ausgewirkt, dass er sich geständig eingelassen habe und durch die Tat auch selbst körperlich und psychisch verletzt worden sei. Das Landgericht hat "besondere Umstände, die sich zu seinen Lasten ausgewirkt hätten, nicht festgestellt". Dass es dennoch innerhalb des von ihm zugrunde gelegten Strafrahmens von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe eine solche von fünf Jahren zugemessen hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, so dass das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 20 ff.; KKEngelhardt , 6. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entschei- den (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - 3 StR 311/94, NStE Nr. 42 zu § 267 StPO mwN; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 18).
4
2. Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung hier nicht ersichtlich.
5
a) Zunächst ist mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu besorgen, dass das Landgericht innerhalb des nach zweifacher Milderung gewählten Strafrahmens ausschließlich für den Angeklagten sprechende Gesichtspunkte erwogen und gleichwohl eine im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe verhängt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23). Vielmehr hat das Landgericht auch gegen den Angeklagten sprechende Umstände festgestellt, diese aber ersichtlich lediglich nicht als bestimmend im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehen und daher in den schriftlichen Urteilsgründen bei der Strafzumessung nicht angeführt. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung, es habe besondere Umstände zu seinen Lasten nicht feststellen können. Hinzuweisen ist etwa auf folgende Gesichtspunkte, die im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB gegen den Angeklagten sprechen: So nahm das Opfer den Angeklagten unmittelbar nach dessen Einreise aus Brasilien in seine Wohnung auf, gewährte ihm mehrere Wochen lang Unterkunft und führte mit ihm eine Liebesbeziehung. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer stach der Angeklagte mehrfach auf dieses ein, brachte ihm dabei (mindestens ) drei Stichverletzungen in den Hals bei und fügte dem nunmehr am Boden Liegenden mit einem Zimmermannshammer fünfzehn Kopfverletzungen zu, die zu trümmerartigen Brüchen des Hirnschädels und zum Tode führten. Diese besonderen Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen , begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken, da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, so dass für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, wenn auch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 - 1 StR 223/00, StV 2001, 615, 616).
6
b) Danach besteht entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kein Widerspruch zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und der tatrichterlichen Bewertung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Namentlich kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass Strafschärfungsgründe gänzlich fehlten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23) oder diese dem Landgericht bei der Strafzumessung völlig aus dem Blick geraten wären. Deshalb liegt auch eine rechtsfehlerhafte Lücke in der Begründung der Strafbemessung nicht vor. Die vom Generalbundesanwalt für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2009 - 5 StR 241/09, NStZ-RR 2009, 336) hatte die Verhängung einer Strafe zum Gegenstand, die innerhalb des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB als "eine beträchtliche Übersetzung der erheblichen Mindeststrafe" unbegründet geblieben war. Hier ist dagegen die Strafe einem Strafrahmen entnommen, der sich infolge zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens ergeben hatte. In diesen Fällen kann das Gewicht, das den Milderungsgründen zukommt, schon durch die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens so weit relativiert sein, dass es innerhalb dieses Strafrahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermag und die gegen den Täter sprechenden Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1987 - 1 StR 77/87, BGHSt 34, 355, 359 ff.).
Becker Hubert Schäfer
Mayer Ri'in BGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 150/06
vom
26. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 10. Januar 2006 wird verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Der Angeklagte hatte am 2. Mai 2004 anlässlich einer Konfirmationsfeier im Familienkreis bei einem Spaziergang im Wald mit seiner Cousine, die für ihn erhebliche Sympathien empfand, Geschlechtsverkehr. Dabei hatte der damals 21 Jahre alte Angeklagte zwar den entgegenstehenden Willen der damals 13jährigen Geschädigten erkannt; davon, dass er, wie sie behauptet hat, Gewalt anwandte, hat sich die Strafkammer aber nicht überzeugen können. Die Geschädigte vertraute sich zunächst niemanden an, sondern wollte das Geschehen allein verarbeiten. Um kein familiäres Aufsehen zu erregen, rief sie ihn etwa ein Jahr später sogar an und fragte, ob er zu ihrer Konfirmationsfeier käme. Offenbar hierdurch ermutigt, schickte er ihr in der Folge SMS-Nachrichten mit zunehmend zweideutigem Inhalt. Unter dem Eindruck dieser Nachrichten war sie der Belastung, die Tat allein zu verarbeiten, nicht mehr gewachsen und vertraute sich einer Freundin an.
3
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Dabei nahm die Strafkammer einen minder schweren Fall (§ 176a Abs. 4 StGB) an, da sie trotz einer Reihe belastender Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten , im Tathergang und im Nachtatverhalten von ihr näher dargelegte mildernde Gesichtspunkte sah.
4
3. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten. Einen ausdrücklichen Revisionsantrag (zu dessen Funktion vgl. BGH NStZ-RR 2004, 118) hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht gestellt. Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels ist es nicht gegen den Schuldspruch (etwa wegen der Verneinung von Gewalt) gerichtet, sondern allein gegen den Strafausspruch , insbesondere die Annahme eines minder schweren Falles und die Strafaussetzung zur Bewährung.

II.


5
Das auch vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt erfolglos.
6
1. Die Annahme eines minder schweren Falles ist rechtsfehlerfrei.
7
a) Die Staatsanwaltschaft verweist auf die Gesetzesmaterialien zu § 176a StGB: Dort, so trägt sie zutreffend vor, ist als Beispiel eines minder schweren Falles die Liebesbeziehung zwischen einem körperlich und seelisch weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten fast 14 Jahre alten Mädchen und einem jungen Erwachsenen genannt (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 32). Da der vorliegende Fall offenkundig mit jenem Beispielsfall nicht zu vergleichen ist, so folgert die Staatsanwaltschaft, widerspräche es dem Willen des Gesetzgebers und überschreite daher die Grenze des Vertretbaren, hier einen minder schweren Fall anzunehmen.
8
b) Der Senat kann dem nicht folgen.
9
§§ 176, 176a StGB schützen die Möglichkeit zur ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern (vgl. BGHSt 45, 131, 132; Tröndle/ Fischer StGB 53. Aufl. § 176 Rdn. 2 jew. m.w.N.). Es erscheint nahe liegend, dass ein minder schwerer Fall gegeben sein kann, wenn das zu schützende Rechtsgut wegen Besonderheiten in der Person eines „weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten“ Opfers weniger stark als üblich gefährdet erscheint. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Annahme eines minder schweren Falles nicht von Rechts wegen auf diese oder überhaupt eine bestimmte Art der Fallgestaltung beschränkt wäre. Vielmehr sind, wie die Strafkammer und auch die Staatsanwaltschaft selbst an anderer Stelle ihrer Revisionsbegründung ausführen , alle Umstände heranzuziehen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rspr. seit BGHSt 26, 97, 98). Anhaltspunkte dafür, dass die genannte Stelle in den Gesetzesmaterialien darauf hindeuten könnte, dass hier etwas anderes gelten solle, sind nicht ersichtlich. Der Senat braucht daher hier nicht der Frage nachzugehen, welche Bedeutung Ausfüh- rungen in den Gesetzesmaterialien haben können, die im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. hierzu BGHSt 42, 291, 293; 47, 243, 245).
10
c) Wie dies auch der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 9. Mai 2006 zutreffend ausgeführt und belegt hat, hält die von der Strafkammer vorgenommene Wertung der Tat als minder schwerer Fall auch sonst revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Erschwernisgründe und mildernden Gesichtspunkte im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Hält sich dessen Wertung rechtsfehlerfrei in den Grenzen des ihm dabei zustehenden Beurteilungsrahmens, ist sie vielmehr vom Revisionsgericht auch dann zu respektieren, wenn dieses selbst die angefallenen Erkenntnisse anders gewichtet hätte (vgl. hierzu zusammenfassend auch BGH, Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 15/99; Maatz/ Wahl, Festschrift 50 Jahre BGH S. 531, 551 f.). Die Strafkammer hat ihre Entscheidung für die Annahme eines minder schweren Falles auf Grund einer eingehenden Gesamtbetrachtung getroffen und auf die dafür bestimmenden Umstände (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) hingewiesen. Dass sie insgesamt die Grenzen möglicher tatrichterlicher Beurteilung überschritten hätte, ist nicht erkennbar.
11
Auch die hierauf bezogenen Darlegungen der Revision können nichts anderes belegen:
12
(1) Die Strafkammer hat auch erwogen, dass der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit dem Mädchen vollzog, „obwohl er wusste, dass es damit nicht einverstanden ist“. Das Vorbringen der Revision, dieser Gesichtspunkt sei „nur am Rande erwähnt“ und nur „untergeordnet gewürdigt“, es fehle eine „ausdrückliche Erörterung“, ist schon im Ansatz wenig klar. Unabhängig davon kann die Annahme der Staatsanwaltschaft, das Handeln des Angeklagten gegen den von ihm erkannten Willen der Geschädigten wäre als „entscheidendes Kriterium“ für die Ablehnung eines minder schweren Falles heranzuziehen gewesen, allerdings verdeutlichen, dass auch eine andere Bewertung als die von der Strafkammer vorgenommene möglich, vielleicht sogar nahe liegend gewesen wäre. Rechtsfehlerhaft ist die Bewertung durch die Strafkammer deshalb aber nicht.
13
(2) Wie dargelegt, hat sich die Geschädigte erst offenbart, nachdem sie vom Angeklagten zweideutige SMS-Nachrichten erhielt. Der zeitliche Zusammenhang zwischen SMS-Nachrichten und Offenbarung rechtfertigt ohne weiteres die Annahme, dass diese Nachrichten für sie in besonderem Maße belastend waren. Die Strafkammer spricht in diesem Zusammenhang von “erheblichen weiteren psychischen Nachteilen“. Die Staatsanwaltschaft meint dagegen, die schweren psychischen Belastungen resultierten „vornehmlich aus dem gegen den Willen des Kindes vollzogenen Geschlechtsverkehr selbst“. Der Senat braucht der Frage, wieso, wie die Staatsanwaltschaft meint, deshalb die Traumatisierungen der Geschädigten „nicht ausreichend ... gewürdigt“ sein sollen, aber nicht näher nachzugehen, weil sich dieser Teil des Vorbringens von den (rechtsfehlerfrei getroffenen) Urteilsfeststellungen entfernt und schon deshalb ins Leere geht.
14
2. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
15
a) Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft auch nicht speziell angegriffenen Strafzumessung innerhalb des zuvor gefundenen Strafrahmens bedarf dies keiner weiteren Darlegung.
16
b) Auch die Strafaussetzung zur Bewährung hält rechtlicher Überprüfung stand.
17
(1) Die Ausführungen der Strafkammer zu § 56 Abs. 1 und § 56 Abs. 2 StGB sind sorgfältig begründet und überschreiten die bei der revisionsrechtlichen Überprüfung maßgebliche „Grenze des Vertretbaren“ (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 56 Rdn. 25) nicht. Die nicht näher ausgeführte nur pauschale Behauptung der Staatsanwaltschaft, die „angeführten Gründe (seien) auch in der Gesamtschau nicht geeignet, eine Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zu rechtfertigen“, vermag die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht zu verdeutlichen.
18
(2) Zu § 56 Abs. 3 StGB hat der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 9. Mai 2006 ausgeführt:
19
„Entgegen der Auffassung der Revision liegen Umstände, wegen derer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten wäre, nicht nahe. Eine ausdrückliche Erörterung von § 56 Abs. 3 StGB war daher nicht veranlasst. Das Tatgeschehen ist von Besonderheiten in der Person des zur Tatzeit erst 21 Jahre alten Täters sowie dem Umstand geprägt, dass sich die Tat auf dem Boden einer jahrelang bestehenden Freundschaft zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten entwickelt hat. Trotz der psychischen Beeinträchtigung beim Tatopfer, die allerdings nicht als außergewöhnliche Folgen sexuellen Missbrauchs zu werten sind, ist es für das allgemeine Rechtsempfinden nicht schlechthin unverständlich, dass bei einem erst 21jährigen reuigen Täter die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte bereits für die Dauer von fünf Monaten in Untersuchungshaft befunden hatte.“
20
Dem stimmt der Senat zu. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 6 3 8 / 1 4
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. August 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.
2
Dem Rechtsmittel ist der Erfolg zu versagen. Dass das Landgericht einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB angenommen und die Strafe diesem Sonderstrafrahmen entnommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision lässt auch die Strafzumessung im engeren Sinne einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14, juris Rn. 4).
4
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).
5
2. Daran gemessen ist weder die Annahme des Landgerichts, es liege ein sonst minder schwerer Fall im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB vor, noch die Bemessung der Strafhöhe als rechtsfehlerhaft zu beanstanden.

6
Zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles hat das Landgericht eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; S/S-Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 13 f. mwN). Bei seiner Würdigung hat es keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Es hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich "im Wesentlichen" geständig eingelassen hat, die dauerhaft beeinträchtigende Ehesituation zu einer psychischen Labilisierung und möglicherweise sogar zu einem Drogenrückfall geführt hatte, der Tatentschluss nach Enttäuschung über die Nichtrückkehr seiner Ehefrau spontan gefasst worden war und der Angeklagte nach der Tat, wenn auch auf Aufforderung seiner Ehefrau, einen Notruf getätigt hatte. Zu seinen Lasten hat es lediglich angeführt, dass der Angeklagte, wenn auch nicht einschlägig mit Delikten gegen Leib und Leben, mehrfach vorverurteilt ist. Auf dieser Grundlage ist die Bejahung eines minder schweren Falles revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7
Die genannten Umstände hat das Landgericht auch bei der konkreten Strafzumessung gegeneinander abgewogen. Dass es insoweit in den Urteilsgründen die Strafzumessungskriterien nicht nochmals wiederholt, sondern auf die vorangegangene Aufzählung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar.
Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 296/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 6. Februar 2003 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte wegen der Tötung zweier von ihr geborener Säuglinge (Tatzeiten: 1997 und 2002) der Kindestötung und des Totschlags für schuldig befunden und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zwei Jahre und sechs Monate und sieben Jahre) verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist - wie die Revisionsbegründung deutlich macht – ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrages wirksam auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1. Die Revision der Angeklagten erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben hat. Die Verneinung eines minder schweren Falles des Totschlags durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Zwar kann nach Aufhebung des § 217 StGB a.F. die psychische Ausnahmesituation einer Mutter, die ihr eheliches oder nichteheliches Kind in oder gleich nach der Geburt tötet, durch die Anwendung des § 213 StGB Berücksichtigung finden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum 6. StrRG BTDrucks. 13/8587 S. 34). Die Annahme eines minder schweren Falles ist jedoch in diesen Fällen entgegen der Auffassung der Revision nicht zwingend, sondern bedarf - wie auch sonst - einer Gesamtwürdigung. Eine solche hat das Landgericht unter sorgfältiger Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände vorgenommen und einen minder schweren Fall im Sinne des § 213 2. Alt. StGB insbesondere mit Blick darauf, daß es sich um eine Wiederholungstat handelt, rechtsfehlerfrei verneint.
2. Auch der Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie in erster Linie im Hinblick auf die 1997 begangene Tat die Annahme eines minder schweren Falles der Kindestötung (§ 217 Abs. 2 StGB a.F.) beanstandet und sich im übrigen gegen die Bemessung der wegen Totschlags verhängten Einzelstrafe (Freiheitsstrafe von sieben Jahren) sowie der Gesamtstrafe wendet, bleibt der Erfolg versagt. Die Höhe der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe liegt jeweils im Bereich des dem Tatrichter bei der Strafzumessung einzuräumenden Beurteilungsspielraums. Ihre Bemessung läßt Rechtsfehler nicht erkennen , solche werden von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgezeigt. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung des § 217 Abs. 2 StGB a.F..


a) Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung der Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rsp., vgl. nur die Nachweise bei Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 85). Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1/msF Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1; BGH NStZ 1991, 529 jeweils mit weiteren Nachweisen).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme eines minder schweren Falls der Kindestötung rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat seine Entscheidung aus einer Gesamtschau hergeleitet, in die die maßgeblichen Gesichtspunkte eingeflossen sind. Es hat hierbei zu Gunsten der Angeklagten namentlich ihr Geständnis, die bisherige Straflosigkeit, das Vorliegen die Tat begünstigender Persönlichkeitsauffälligkeiten sowie den Umstand berücksichtigt, daß sie aus einer Konfliktsituation heraus in einem – wenn auch nicht tiefgreifenden – Affekt handelte. Daß das Landgericht hierbei – wie die Revision meint – die Art und Weise der Tatausführung und das Ver-
halten der Angeklagten nach der Tat nicht im Blick gehabt haben könnte, steht nicht zu befürchten. Die Darlegung sämtlicher Erwägungen ist weder nötig noch möglich (BGHR StGB vor § 1/msF Gesamtwürdigung, fehlerfreie 3).

c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begründet die vom Landgericht vorgenommene Berücksichtigung einer Affektsituation auch keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Richtig ist zwar, daß durch die Privilegierung des § 217 StGB a.F. dem mit dem Geburtsvorgang gewöhnlich verbundenen besonderen Erregungszustand der nichtehelichen Mutter Rechnung getragen werden sollte (vgl. hierzu Jähnke in LK 10. Aufl. § 217 Rdn. 1 und 6). Zutreffend ist auch, daß das Verbot der Doppelverwertung über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände erfassen kann, die - ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlaß für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. hierzu etwa Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 46 Rdn. 45 a, 46 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Ob und in welchem Umfang dies auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 217 Abs. 2 StGB a.F. gilt, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Das Landgericht hat nämlich bei der Annahme eines minder schweren Falles ersichtlich nicht auf einen geburtsbedingten Erregungszustand der Angeklagten,
sondern auf eine durch ihre Persönlichkeitsauffälligkeiten und außergewöhnlichen Lebensverhältnisse verursachte besondere, als existentiell empfundene Konfliktsituation abgestellt. Dies ist unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. ! " #%$ & ' ( ) * + , Ernemann Sost-Scheible

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 71/00
vom
29. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 29. März 2000 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 20. Oktober 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 2. Februar 1998 hatte das Landgericht die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Landgericht hatte - im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Angeklagten zur Tatzeit - die zweite Alternative des § 213 StGB a.F. angewandt. Der Senat hatte dieses Urteil durch Beschluß vom 9. Oktober 1998 - 2 StR 442/98 - im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , da der Tatrichter die erste Alternative des § 213 StGB a.F. nicht rechtsfehlerfrei geprüft hatte. Denn es lag nicht fern, daß die Angeklagte auch aus
Zorn gehandelt hat. Eine zweite Milderung gemäß §§ 21, 49 StGB wäre dann möglich gewesen. Durch das hier angefochtene Urteil wurde die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 213 StGB a.F. wurden verneint. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechtes gerügt wird. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

II.

Der Strafausspruch weist erneut einen Rechtsfehler auf, der zur Aufhebung des Urteils nötigt. Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen unzulässige Bezugnahmen vorgenommen. Nach § 267 Abs. 1 StPO muß jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 11). Auf mit dem früheren Urteil aufgehobene, also nicht mehr existente Feststellungen verbietet sich eine Bezugnahme von selbst (vgl. Hürxthal in KK 4. Aufl. § 267 Rdn. 4 m.w.N.). Eine Bezugnahme wird auch nicht dadurch zulässig, daß sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt. Der Tatrichter hat hier zum einen hinsichtlich der Darstellung der Vorverurteilung und der Prüfung der Schuldfähigkeit der Angeklagten, zum anderen aber vor allem hinsichtlich der Strafzumessungserwägungen, mit denen ein minder schwerer Fall im Sinne der zweiten Alternative des § 213 StGB a.F. an-
genommen wurde, auf die Gründe des ersten Urteils Bezug genommen. Dies ist unzulässig. Denn auch die Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen eines anderen Richters wird der Bedeutung der Strafzumessung und der Aufgabe des Tatrichters nicht gerecht (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 7). Der Senat kann im vorliegenden Fall insbesondere nicht prüfen, ob sich der Tatrichter rechtsfehlerfrei mit der Anwendung der zweiten Alternative des § 213 StGB a.F. auseinandergesetzt hat. Dem steht nicht entgegen , daß der Tatrichter diese Alternative letztlich bejaht hat. Denn er ist zu diesem Ergebnis nur deshalb gelangt, weil er das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB für ausschlaggebend hielt. Er hat aber nicht dargelegt, ob ein sonstiger minder schwerer Fall auch ohne diesen Umstand in Betracht kam. Eine diesbezügliche Erörterung lag hier nahe. Es steht rechtskräftig fest, daß eine Notwehrlage für die Angeklagte bestand, sie aber die Grenzen der Notwehr überschritten hat, wobei sie zwar (auch) in einer "nicht ganz unerheblichen Angst" gehandelt hat, die aber nicht das für § 33 StGB erforderliche gesteigerte Maß an Angst (Furcht als asthenischer Affekt) erreicht hatte. Hätte ihre Angst dieses Maß erreicht, hätte die Angeklagte wegen Vorliegens eines Schuldausschließungsgrundes nicht bestraft werden können. Hat ihre Angst das erforderliche gesteigerte Maß nicht ganz erreicht, stellt sie jedenfalls einen gewichtigen Strafmilderungsgrund dar, der allein die Prüfung eines minder schweren Falles gebietet. Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Der Senat kann nicht ausschließen, daß bei rechtsfehlerfreier Prüfung der zweiten Alternative des § 213 StGB a.F. das Schwurgericht zu einer geringeren Strafe gelangt wäre. Denn bei Bejahung der Voraussetzungen dieser Alternative - ohne Berücksichtigung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit der Angeklagten - hätte die Strafe zusätzlich nach §§ 21, 49 StGB gemildert
werden können. Über die Strafzumessungsfrage muß daher erneut entschieden werden. Sollte der neue Tatrichter doch zu einer schweren Beleidigung im Sinne der ersten Alternative des § 213 StGB a.F. gelangen, weist der Senat darauf hin, daß die Ausführungen des zweiten Tatrichters zum Vorliegen eines Zornes und zum Nichtvorliegen eigener Schuld der Angeklagten überhöhte Anforderungen belegen. Der Senat merkt in diesem Zusammenhang weiter an, daß der Tatrichter zwar nur an den Schuldspruch selbst und diejenigen Feststellungen gebunden ist, die ausschließlich oder - als sogenannte doppelrelevante Tatsachen - auch den nunmehr rechtskräftigen Schuldspruch betreffen. Diese Bindung erstreckt sich aber auf alle Umstände, welche das Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 16. Februar 2000 - 3 StR 24/00 - m.w.N.). Der neue Tatrichter wird daher zu beachten haben, daß er zu der mit der Notwehrsituation verknüpften Provokationslage nur solche ergänzende Feststellungen treffen darf, die nicht im Widerspruch zu den rechtskräftigen Feststellungen stehen. Auch insoweit begegnet das angefochtene Urteil rechtlichen Bedenken.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Mühlhausen zurückverwiesen. Jähnke Niemöller Ernemann Otten Rothfuß

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 581/06
vom
27. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Februar
2007 gemäß §§ 44 ff., 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 31. Juli 2006 auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Damit ist der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts vom 27. Oktober 2006 gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere – als Schwurgericht zuständige – Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
2
2. Dem Angeklagten ist nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da ihn – wie sein Verteidiger vorgetragen und glaubhaft gemacht hat – an der Fristversäumung kein (Mit-) Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO).
3
3. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch hat jedoch keinen Bestand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Indes hält die Ablehnung eines sonst minder schweren Falles des Totschlags gemäß § 213, 2. Alt. StGB revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Rahmen der bei der Prüfung eines minder schweren Falles erforderlichen Gesamtbetrachtung sind alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98 f.). Die vom Schwurgericht vorgenommene Abwägung schuldmildernder und schulderhöhender Faktoren begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Schwurgericht hat einzelnen Umständen einen schulderhöhenden Charakter zugewiesen , obwohl dies vorliegend rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwiderläuft: Die Abwägung des Schwurgerichts (UA S. 42) erschöpft sich, soweit sie zu Lasten des Angeklagten geht, im Wesentlichen in einer bloßen Wiedergabe des Tathergangs. Dabei verstößt die Hervorhebung des Umstands, dass sich der Angeklagte trotz Rückzugsmöglichkeit überhaupt auf eine Konfrontation mit dem Geschädigten eingelassen hat, gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, denn diese "Konfrontation" ist ja gerade Grund und Gegenstand der Aburteilung. Soweit das Schwurgericht es für beachtlich hält, dass der Angeklagte dem Geschädigten in dem Bewusstsein entgegen gegangen ist, in der rechten Hand ein Messer zu halten , erschöpft sich dieser Umstand ebenfalls in einer nochmaligen Verwertung des tatbestandlichen Unrechts (vgl. Tröndle /Fischer, 54. Aufl., § 46 Rdn. 77). Im Übrigen wertet das Schwurgericht unzulässigerweise das Ausbleiben von Rücktrittsbemühungen zu Lasten des Angeklagten, indem es hervorhebt , der Angeklagte habe sich nicht weiter um den schwer verletzten Geschädigten gekümmert (BGH, Beschluss vom 25. September 2002 - 1 StR 347/02). Zudem hat das Schwurgericht zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich selbst in einen alkoholisierten Zustand versetzt hat. Abgesehen davon, dass eine nicht eigenverantwortliche Berauschung des Angeklagten ein strafmildernder Gesichtspunkt gewesen wäre oder unter bestimmten Voraussetzungen zur Einordnung des Angeklagten als strafloses Werkzeug geführt hätte, stellt eine Alkoholisierung für sich genommen jedenfalls keinen schulderhöhenden Umstand dar, zumal der Angeklagte nicht etwa im Hinblick auf die spätere Tatbegehung Alkohol zu sich genommen hat. Das Schwurgericht stellt ferner wesentlich zu Lasten des Angeklagten darauf ab, der Angeklagte habe die Tat aus nichtigem Anlass begangen. Dies rechtfertigt die Besorgnis, das Schwurgericht habe die strafzumessungsrechtliche Bedeutung der zur Tatzeit zugunsten des Angeklagten objektiv gegebenen Notwehrlage verkannt. Insofern wäre vom Schwurgericht vielmehr zu berücksichtigen gewesen, dass bei einer Tötung im Grenzbereich der Notwehr (Tröndle/Fischer, 54. Aufl., § 213 Rdn. 13), insbesondere bei Überschreitung der Grenzen der Notwehr ohne Erreichen der Voraussetzungen des § 33 StGB (BGH, Beschluss vom 29. März 2000 - 2 StR 71/00), bereits allein aus diesem Grunde die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 213, 2. Alt. StGB in Betracht kommen kann und dieser Umstand gerade nicht ohne weiteres einen zu Lasten des Angeklagten wirkenden "nichtigen Tatanlass" darstellt".
4
Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 213/13
vom
4. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 8. Januar 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war seit Beginn des Jahres 2012 Geschäftsführer eines Bordellbetriebs, in dem das spätere Tatopfer v. L. als Tänzerin und Prostituierte arbeitete. Beide gingen in der Folgezeit eine Liebesbeziehung ein, die konfliktreich verlief und häufig zu wechselseitigen Provokationen sowie Tätlichkeiten führte.
4
v. L. konsumierte mehrmals täglich Amphetamin. Zudem sprach sie dem Alkohol in erheblichem Umfang zu. Insbesondere der permanente Amphetamingenuss führte bei ihr zu einer fast ständigen Enthemmung , Antriebssteigerung und Euphorie. Zugleich erhöhten sich ihre Erregbarkeit und Aggressivität. Sie war in manchen Situationen „mit Worten nicht mehr zu beruhigen“ und „kaum zu bremsen“ (UA S. 22). Mitunter schrie sie minuten- lang auf den Angeklagten ein und machte ihn „für alles verantwortlich“. Im Verlauf der zahlreichen tätlichen Auseinandersetzungen bemerkte der Angeklagte, dass er v. L. durch einen kurzen Griff mit der rechten Hand an ihren Hals ruhigstellen konnte. In der Folgezeit wandte er diese Verteidigungstechnik mehrfach erfolgreich an.
5
In den frühen Morgenstunden des 26. Juni 2012 kam es erneut zu einem heftigen Streit zwischen dem Angeklagten und v. L. und zu wechselseitigen Tätlichkeiten. Dieser Vorfall veranlasste die Verantwortlichen des Bordellbetriebes, die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten fristlos zu beenden. Die nachfolgenden Tage verbrachte der Angeklagte in verschiedenen Hotels. v. L. , die ohne ihn in dem Bordell nicht bleiben wollte, folgte ihm nach. Am 5. Juli 2012 bezogen sie ein gemeinsames Zimmer im Ho- tel „Stadt “, wobei das verfügbare Geldnur noch für zwei Übernachtungen ausreichte. Den Abend des 6. Juli 2012 verbrachten beide in der Innenstadt , wobei der Angeklagte einige Glas Bier trank, während v. L. Sekt, Cocktails und Bier zu sich nahm. Am frühen Morgen des 7. Juli 2012 kehrten beide gegen 02.00 Uhr in ihr Hotelzimmer zurück, wo es wieder zu einem heftigen Streit kam. Während dieser Auseinandersetzung schrie v. L. gegen 02.50 Uhr hysterisch über einen Zeitraum von fünf Minuten ununterbrochen auf den Angeklagten ein, machte ihm Vorhaltungen und verlangte von ihm, sie in Ruhe zu lassen und das Hotelzimmer zu verlassen. Als sie begann, ihn mit den Fäusten auf die Brust zu schlagen, stieß der Angeklagte sie weg, so dass sie zu Boden fiel. v. L. stand sofort wieder auf und trat den Angeklagten in den Unterleib. Der Angeklagte, der seine Freundin von weiteren Tritten abhalten wollte, umfasste daraufhin ihren Hals mit beiden Händen und würgte sie äußerst kräftig, so dass der Blutabfluss aus dem Kopf über einen Zeitraum von mindestens 30 Sekunden komplett unterbrochen war. v. L. geriet in Atemnot. Ihr Röcheln war im Nachbarzimmer deutlich vernehmbar. Dem Angeklagten war bewusst, dass v. L. durch die erhebliche Gewaltanwendung zu Tode kommen könnte. Gleichwohl hielt er den erheblichen Druck auf den Hals aufrecht. Auf Grund dieser Gewalteinwirkung brach die Geschädigte leblos zusammen und verstarb infolge Erstickung.
6
Eine dem Angeklagten um 05.13 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille auf. Im Blut von v. L. wurden ein Alkoholgehalt von 1,30 Promille und eine AmphetaminKonzentration von 1.800 ng/ml festgestellt.
7
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erge- ben. Insbesondere hat das Schwurgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Rechtfertigung durch Notwehr gemäß § 32 StGB im Ergebnis zu Recht verneint.
8
Der Angeklagte befand sich, als ihn das spätere Tatopfer unter Steigerung der vorangegangenen Angriffshandlungen (Faustschläge gegen die Brust) in den Unterleib trat, zwar objektiv in einer Notwehrlage. Der Angriff dauerte auch noch fort, da v. L. , was der Angeklagte wusste, in solchen Situationen „mit Worten nicht zu bremsen“ war und mit weiteren Tätlichkeiten gerechnet werden musste.
9
Art und Maß der Verteidigungshandlung des Angeklagten waren aber zur Abwehr des drohenden Angriffs nicht erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140; vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12, Rn. 27). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen war es dem Angeklagten vielmehr möglich, den gegen ihn geführten Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit schonender als geschehen zurückzuweisen. Denn es war ihm in der Vergangenheit stets gelungen, v. L. durch einen kurzen Griff an den Hals zur Räson zu bringen (UA S. 25). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese „übliche Abwehrhandlung“ in der konkreten Situation ungeeignet war, den Angriff effektiv und endgültig abzuwehren. Der Streit verlief nicht anders als vorangegangene Auseinandersetzungen. Dementsprechend hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung unter anderem mit dem Argument verteidigt, sich lediglich mit dem üblichen Verteidigungsgriff an den Hals zur Wehr gesetzt zu haben.
10
Es kommt hinzu, dass bei Würgen oder Erdrosseln als Tötungshandlung bis zum Erfolgseintritt bei dem Opfer körperliche Reaktionen eintreten, die eine Verminderung von dessen Handlungsfähigkeit bewirken (insbesondere Atemnot , Bewusstlosigkeit, Erstickungskrämpfe) und einen Angriff auf den in Notwehr Würgenden durch fortschreitende äußere Anzeichen der Ermattung des Angreifers als sicher beendet und ein noch längeres Würgen als zweckverfehlend erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 5 StR 328/11, Rn. 27). So liegt der Fall hier. Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem v. L. in akute Atemnot geriet und nur noch laut röchelte, war der von ihr ausgehende Angriff endgültig abgewehrt.
11
Auch die Voraussetzungen des § 33 StGB liegen nach den Urteilsfeststellungen – entgegen der Auffassung der Revision – nicht vor. Eine Entschuldigung wegen einer Überschreitung der Grenzen der Notwehr setzt voraus, dass der Täter in einer objektiv gegebenen Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB) bei der Angriffsabwehr die Grenzen des Erforderlichen aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat. Dafür fehlen jedwede Anhaltspunkte.
12
3. Dagegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
13
a) Bei der konkreten Strafzumessung hat das Schwurgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Tatausführung von massiver Gewalt geprägt sei und durch das heftige Würgen eine besondere Brutalität aufweise. Weitere straferschwerende Umstände führt das Urteil nicht an.
14
Diese Strafzumessungserwägungen verstoßen gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Ebenso wie der Tötungsvorsatz als solcher darf die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 1988 – 5 StR 657/87, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2; vom 28. September 1995 – 4 StR 561/95, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6; vom 24. März 1998 – 4 StR 34/98, StV 1998, 657). Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht beachtet. Denn der Angeklagte hat, indem er das Tatopfer über einen Zeitraum von mindestens 30 Sekunden heftig würgte, lediglich die Gewalt angewendet, die erforderlich war, um den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann nicht entnommen werden, dass er das zur Tötung seiner Lebensgefährtin erforderliche Maß an Gewalt überschritten hat.
15
Auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch, da das Landgericht die massive Gewaltanwendung als erheblich ins Gewicht fallend gewertet hat (UA S. 25)
16
b) Darüber hinaus begegnet die Begründung, mit welcher das Schwurgericht einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB abgelehnt hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
aa) Es wird nicht deutlich, welche Alternative des § 213 StGB das Schwurgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hätte die erste Alternative des § 213 StGB ausdrücklich erörtern müssen, weil es auf Grund des festgestellten Geschehensablaufs nicht fernliegend war, dass der Angeklagte durch eine vom späteren Tatopfer verübte Misshandlung provoziert worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2002 – 5 StR 119/02, Rn. 3 f.; vom 24. Oktober 2012 – 5 StR 472/12, Rn. 5; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 213 Rn. 2 und 12). In diesem Zusammenhang hätte das Schwurgericht auch die Zuspitzung der Situation nach der fristlosen Kündigung des Angeklagten (Verlust des Arbeitsplatzes und der Unterkunft) in den Blick nehmen und prüfen müssen, ob hierdurch und die damit verbundenen Vorhaltungen und Tätlich- keiten des Tatopfers eine Situation herbeigeführt wurde, die das „Fass zum Überlaufen“ gebracht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340). Dabei wäre auch die Alkoholisierung des Tatopfers und des Angeklagten, deren Schweregrad das Schwurgericht zudem verkannt hat, in die Betrachtung einzubeziehen gewesen (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 213 Rn. 6). Die Wertung, der Angeklagte sei nur leicht enthemmt gewesen, geht von einem unzutreffenden Maß der Alkoholisierung (1,17 Promille um 05.13 Uhr) aus. Die zur Feststellung der Tatzeit-BAK erforderliche Rückrechnung ist unterblieben. Bei Zugrundelegung eines stündlichen Abbauwerts von 0,2 Promille und eines einmaligen Sicherheitszuschlags von 0,2 Promille ergibt sich zur Tatzeit (03.00 Uhr) ein Blutalkoholgehalt von mindestens 1,81 Promille (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 13).
18
bb) Die Urteilsgründe begründen ferner die Besorgnis, dass das Schwurgericht die zu Gunsten des Angeklagten objektiv gegebene Notwehrlage verkannt hat, die jedenfalls bei der Prüfung der zweiten Alternative des § 213 StGB in die Gesamtbewertung hätte einbezogen werden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2007 – 4 StR 581/06, NStZ-RR 2007, 194, 195).
Sost-Scheible Roggenbuck RiBGH Cierniak ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Sost-Scheible
Mutzbauer Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR134/14
vom
1. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin D.
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin O. ,
Rechtsanwalt W.
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. November 2013 im Strafausspruch aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat zum Schuldspruch – gegen den Antrag des Generalbundesanwalts – keinen Erfolg, führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnte der Angeklagte zur Tatzeit in einem Männerwohnheim. Dort hielt sich häufiger auch das dem Trinkermilieu zugehörige spätere Tatopfer R. auf, um mit Bekannten Alkohol zu trinken. Am Nachmittag des Tattages war es bereits zu einem Konflikt zwischen dem Angeklagten und dem ihm flüchtig bekannten R. gekommen, als dieser zweimal versucht hatte, in das Zimmer des Angeklagten zu gelangen. Der Angeklagte hatte dem aggressiv auftretenden und, wie er bemerkte, stark alkoholisierten R. jeweils den Zutritt zum Zimmer verwehrt. Dabei hatte der Angeklagte, als R. zum zweiten Mal und nunmehr gemeinsam mit einem ebenfalls stark angetrunkenen Freund in aggressiver Stimmung an der Tür erschienen war, einen im Zimmer liegenden Hammer ergriffen und ihn beiden drohend entgegen gehalten. Hierdurch eingeschüchtert hatten R. und sein Begleiter sogleich das Zimmer des Angeklagten verlassen.
3
Abends ging der Angeklagte gemeinsam mit einem Mitbewohner des Wohnheims zu einem nahe gelegenen Einkaufsmarkt, wo sie Getränke kauften. Der aidskranke, körperlich schwächliche Angeklagte war bewaffnet mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 13 cm, das er möglicherweise stets zu seinem Schutz bei sich zu tragen pflegte. Auf dem Rückweg kamen sie an einem Haus vorbei, in dem R. eine Wohnung im ersten Obergeschoss dazu nutzte, gelegentlich dort mit Freunden zu feiern und Alkohol zu trinken. Als der Angeklagte sich mit seinem Begleiter auf dem Gehweg dem Haus näherte, bemerkte ihn R. , der mit mehreren Personen auf dem Balkon stand. Die- ser rief ihm in aggressivem Ton zu, ob „er immer noch seinenHammer dabei habe“, was der Angeklagte verneinte. Daraufhin schrie ihmR. , der dem Angeklagten körperlich überlegen war, zu, dass er dann jetzt herunterkommen würde. Der Angeklagte, der nun damit rechnete, dass R. ihn verprügeln wolle, blieb trotzdem auf dem Gehweg stehen, weil er nicht als Feigling gelten und Widerstand leisten wollte. Sein Begleiter, der die Gefährlichkeit der Situation erkannt hatte und in die Auseinandersetzung nicht hineingezogen werden wollte, ging unterdessen weiter und forderte den Angeklagten auf, sich eben- falls zu entfernen. Dies lehnte der Angeklagte, der alkoholbedingt enthemmt, jedoch uneingeschränkt steuerungsfähig war, lautstark mit dem Zuruf ab, dass er die Angelegenheit „mal klären müsse“. Auch er war wütend auf R. und pöbelte zu den weiterhin auf dem Balkon stehenden Personen. Als R. , der eine Blutalkoholkonzentration von 2,76 Promille hatte, aus dem Haus auf ihn zugelaufen kam, erkannte der Angeklagte dessen hohe Alkoholisierung und fehlende Bewaffnung. R. versuchte ihm mit der Faust in das Gesicht zu schlagen. Aufgrund seiner Alkoholisierung kam er jedoch ins Straucheln und verfehlte den Angeklagten, der ihm hatte ausweichen können. Dann erhob er erneut die Faust zum Schlag. Nunmehr zog der Angeklagte sein in der Hosen- tasche verborgenes Messer hervor, „um sich nicht ausschließbar damit gegen einen weiteren Angriff zu wehren“. Obwohl ihm ein erneutes Ausweichenohne weiteres möglich gewesen wäre, stach der Angeklagte ohne Vorwarnung und mit bedingtem Tötungsvorsatz mit dem Messer in Richtung des Oberkörpers seines Kontrahenten, wobei er möglicherweise dessen Schlagfaust treffen wollte. Der Stich traf R. jedoch direkt in die Brust und verletzte dort die Hauptschlagader. Er brach infolge dieser Verletzung sofort zusammen und verstarb noch am Tatort, von dem der Angeklagte flüchtete.
4
Eine Rechtfertigung wegen Notwehr nach § 32 StGB hat das Landgericht verneint. Zwar habe objektiv eine Notwehrlage bestanden, da der Geschädigte erneut mit erhobener Faust auf den Angeklagten zugegangen sei; zudem habe der Angeklagte mit dem Messereinsatz unwiderlegt zumindest auch den Zweck verfolgt, sich gegen den weiterhin drohenden körperlichen Angriff zu verteidigen. Eine Rechtfertigung des Angeklagten scheitere jedoch an der fehlenden Erforderlichkeit des lebensgefährlichen Messereinsatzes. Außerdem sei dieser gegen den erheblich alkoholisierten Geschädigten nicht geboten gewesen; es wäre für den Angeklagten zumutbar gewesen, sich dem Angriff durch Auswei- chen oder Flucht zu entziehen, zumal er sich durch eigenes Verhalten in diese Situation gebracht habe.
5
Die Strafe hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 213 StGB entnommen. Es hat zwar die Voraussetzungen der ersten Alternative verneint, jedoch nach einer Gesamtabwägung die zweite Alternative des § 213 StGB zur Anwendung gebracht.
6
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
7
a) Zu Recht hat das Landgericht den tödlichen Stich nicht als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen, weil es an der Erforderlichkeit der Abwehrhandlung mangelte.
8
aa) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100, und vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (BGH, Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; Beschlüsse vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106, und vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13, NJW 2014, 1121, 1122). Danach muss der Angegriffene auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann mithin durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers allerdings in der Regel anzudrohen (BGH, Urteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN, vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 f., und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschlüsse vom 11. August 2010 – 1 StR 351/10, NStZ-RR 2011, 238, und vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106).
9
bb) Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dem Angeklagten erfolgversprechende mildere Mittel zur Angriffsabwehr zur Verfügung standen: Er hätte seinen Messereinsatz zunächst androhen müssen, zumal er bei der vorausgehenden Auseinandersetzung am Nachmittag die Erfahrung gemacht hatte, R. mit einer Waffe erfolgreich drohen und von sich fernhalten zu können. Dass einer Bewaffnung des Angeklagten für das Verhalten von R. weiterhin Bedeutung zukam, wird auch durch dessen unmittelbar vor Beginn der neuen Auseinandersetzung gestellte Frage nach einem fortdauernden Mitsichführen des Hammers belegt. Erst nach deren Verneinung durch den Angeklagten kündigte R. an, „dass er dann jetzt runterkommen würde“ (UA S. 11 f.).
10
Darüber hinaus hat das Landgericht eine Erforderlichkeit des lebensgefährlichen Messereinsatzes zu Recht auch deshalb verneint, weil der Angeklagte zumindest auf einen weniger sensiblen Körperteil des Angreifers hätte zielen müssen. Eine solche mildere Abwehrhandlung war dem Angeklagten nach den Feststellungen zur Kampfsituation ohne weiteres möglich, da er auch in der La- ge war, den gegen ihn geführten Schlagbewegungen des erheblich betrunkenen R. auszuweichen.
11
cc) Danach kann dahinstehen, ob hier das Notwehrrecht des Angeklagten außerdem unter dem Gesichtspunkt der Gebotenheit der Verteidigung eine Einschränkung erfahren musste, wie das Landgericht gemeint hat, ohne allerdings zu prüfen, ob das Vorverhalten des Angeklagten als sozialethisch verwerflich zu werten ist (vgl. zur Einschränkung der Notwehr nach Provokation BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 f.,vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333 f. und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 118/10, NStZ 2011, 82, 83 mwN). Eine entsprechende Einschränkung liegt indes schon allein angesichts der dem Angeklagten bekannten massiven alkoholischen Beeinträchtigung des Opfers nahe (vgl. Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 32 Rn. 52; Rosenau in SSW-StGB, 2. Aufl., § 32 Rn. 32), und zwar trotz der eigenen Alkoholisierung des Angeklagten.
12
b) Den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten hat das Landgericht ungeachtet der Möglichkeit, dass der Angeklagte die Schlagfaust des Opfers treffen wollte, rechtsfehlerfrei aus der besonderen Gefährlichkeit des eingesetzten spitzen Messers, der Stichrichtung und der Dynamik der Bewegungsabläufe abgeleitet (UA S. 24 ff.).
13
3. Indes hat der Strafausspruch keinen Bestand.
14
a) Allerdings hat das Landgericht aus dem Leistungsverhalten des Angeklagten vor und nach der Tat mit sachverständiger Hilfe eine suchtmittelbedingte erhebliche Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (UA S. 26 ff.).
15
b) Die Gewichtung der im Urteil aufgeführten zahlreichen Strafmilderungsgründe (UA S. 32 f.) im Rahmen des im Ergebnis zutreffend gewählten Strafrahmens des § 213 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.
16
Es ist schon zweifelhaft, ob die erste Alternative des § 213 StGB verneint werden durfte. Angesichts der aggressiven Ansprache des Angeklagten durch das spätere Opfer vom Balkon unter Bezugnahme auf dessen vorangegangene Aggressionen am Nachmittag im Wohnheim und angesichts seines versuchten Faustangriffs auf den Angeklagten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 1. Alt. Misshandlung 5) ist die unter Verweisung auf das „Trinkermilieu“ vom Landgericht angenommene Verneinung einer Provokation im Sinne der Vorschrift fehlerhaft. Ein Verschulden des Angeklagten in seinem beharrlichen Verbleiben am Tatort zu sehen, ist angesichts der maßgeblich vom späteren Opfer ausgehenden Aggression gleichfalls bedenklich. Zweifelhaft bleibt freilich, ob der Umstand, dass der Angeklagte damit gerechnet hatte, angegriffen zu werden, ein „Hingerissensein“ zur Tat im Sinne der Norm hindert (vgl. dazu Fischer, StGB, 61. Aufl., § 213 Rn. 9a). Der Senat kann dies offenlassen.
17
Denn die Anwendung der zweiten Alternative des § 213 StGB war hier aufgrund der Notwehrlage und „einer Tötung im Grenzbereich der Notwehr“ (UA S. 31 f.) zwingend. Diese Problematik hat das Landgericht zwar erkannt, das in gleichem Maße wie beim Vorliegen der ersten Alternative anzuerkennende Gewicht dieses ausschlaggebenden Strafrahmenfaktors aber nicht ausreichend gewichtet, weil es ihn lediglich im Rahmen einer „Gesamtabwägung“ mit den sonstigen Strafmilderungsgründen für die Strafrahmenwahl herangezogen hat. Bei richtiger Bewertung hätten diese weiteren Milderungsgründe – namentlich die der Tat vorangegangenen Provokationen durch das Opfer und die Lebenssi- tuation des süchtigen, schwerkranken Angeklagten – bei der allgemeinen Strafzumessung stärkeres Gewicht erlangen müssen. Es liegt nicht fern, dass sie so – neben dem auch insoweit noch mitzubewertenden Mitverschulden des Opfers und ungeachtet der Vorbelastungen des Angeklagten – Anlass für die Verhängung einer milderen Strafe gegeben hätten.
18
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem reinen Wertungsfehler nicht. Das neue Tatgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 213 StGB auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen, die allenfalls durch neue nicht widersprechende ergänzt werden dürfen, neu festzusetzen.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 249/00
vom
16. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. August 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 30. Juli 1999 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es sich gegen den Strafausspruch richtet. Im übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Strafzumessung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags nach beiden Alternativen des § 213 StGB verneint und eine Strafe in der Mitte des Regelstrafrahmens des § 212 Abs. 1 StGB verhängt, obwohl es mehrere Strafmilderungs-
gründe von Gewicht, aber keine besonderen Straferschwerungsgründe festgestellt hat. Die Ablehnung eines sonst minder schweren Falls des Totschlags (§ 213 Alt. 2 StGB) ist mit der hierfür gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft. Die Prüfung, ob ein solcher Fall gegeben ist, erfordert eine Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden objektiven und subjektiven Umstände. Zu Gunsten des Angeklagten hat das Landgericht hier berücksichtigt , er sei nicht vorbestraft und habe die Tat gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen im wesentlichen gestanden, auch wenn er dabei für sich eine Nothilfesituation in Anspruch genommen habe. Seine Steuerungsfähigkeit sei zwar nicht erheblich vermindert gewesen, doch sei er durch Alkoholeinfluß erheblich enthemmt gewesen (maximale Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit 1,86 %o). Schließlich habe ihn das Tatopfer wiederholt in einer Weise angesprochen , die er als Provokation empfunden habe. "Besondere Straferschwerungsgründe vermochte die Kammer nicht festzustellen." Die Bewertung dieser Umstände ergab nach Ansicht des Landgerichts nicht, daß das Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle des Totschlags derart abweicht, daß der Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB unangemessen hart sei. "Unter erneuter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien der Kammer eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren schuldangemessen." Bei dieser Begründung wird bereits nicht verständlich, warum ein sonst minder schwerer Fall verneint wurde, obwohl mehrere Strafmilderungsgründe von Gewicht, aber kein Straferschwerungsgrund angeführt werden. Selbst wenn man aber einen minder schweren Fall verneint und den Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB (5-15 Jahre Freiheitsstrafe) zugrundelegt, ist nicht
nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Landgericht eine Strafe in der Mitte des Strafrahmens für angemessen erachtet, obwohl es meint, keine Straferschwerungsgründe feststellen zu können. Da über die Bemessung der Strafe schon aus diesen Gründen neu verhandelt und entschieden werden muß, kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Verteidigers in der Revisionsbegründung zutrifft, das Landgericht habe in einem Vorgespräch in Aussicht gestellt, den Angeklagten bei einem Geständnis im Sinn der Anklage zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren zu verurteilen. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, ergänzende Feststellungen zur Frage einer möglichen Provokation des Angeklagten durch das Tatopfer (§ 213 Alt. 1 StGB) zu treffen. Denn insoweit ist eine abschließende Beurteilung auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht möglich, weil der konkrete Inhalt der gegenseitigen Vorhalte und Beschimpfungen zwischen dem Angeklagten und seinem Tatopfer vor und bei dem eigentlichen Tatgeschehen nicht festgestellt ist. Auch im Rahmen seiner Beweiswürdigung äußert sich das Landgericht nicht dazu, ob es der in wesentlichen Teilen für glaubhaft erachteten Einlassung des Angeklagten bei seiner Exploration durch den Sachverständigen auch insoweit gefolgt ist, als es den angeblichen Inhalt der Beschimpfung des Angeklagten durch das Tatopfer angeht.
Schließlich wird die neue Schwurgerichtskammer auch einen Anrechnungsmaßstab für die in Belgien erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen haben (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Jähnke Detter Bode Otten Hebenstreit

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 484/08
vom
25. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. Juli 2008 im Strafausspruch aufgehoben. Die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg, zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 213 2. Alt. StGB abgelehnt. Die Tatsache, dass der Angeklagte nach der Tat versucht habe, Hilfe zu holen, als er davon ausging, sein Sohn sei noch zu retten, diese Bemühungen dann aber abgebrochen habe, führe nicht dazu, dass der Strafrahmen des § 212 StGB unangemessen wäre. Diese Begründung - andere Umstände hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht erörtert - trägt nicht die Ablehnung eines minder schweren Falles. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei Annahme oder Ablehnung eines minder schweren Falles auf eine Gesamtbewertung aller Umstände an (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 213 Rdn. 12 m. w. N.). Die Strafkammer hätte deshalb in ihre Erwägungen einbeziehen und erörtern müssen, dass der Angeklagte bei der Tat auch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war und dass zudem zahlreiche, auf UA S. 18, 19 aufgeführte Gründe seine Schuld mindern. Eine entsprechende Erörterung war hier vor allem schon deshalb geboten, weil das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinne allein strafmildernde Gesichtspunkte, hingegen keine strafschärfende Umstände angeführt hat. Zur Prüfungsreihenfolge in Fällen, in denen ein sonstiger minder schwerer Fall in Betracht kommt, weil neben einem gesetzlich vertypten Milderungsgrund weitere Milderungsgründe vorliegen, verweist der Senat auf Fischer aaO Rdn. 18, 19.
3
Da der Strafausspruch aufgrund von Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen. Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer