Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12

bei uns veröffentlicht am03.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 126/12
vom
3. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 3. Juli 2012 gemäß § 46 Abs. 1,
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung seiner Revision zu gewähren, wird verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. November 2011 wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und die Einziehung eines Schraubendrehers angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel sowie der von einem weiteren Verteidiger des Angeklagten ferner gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist haben keinen Erfolg.
2
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig, weil das Rechtsmittel - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 23. April 2012 zutreffend dargelegt hat - rechtzeitig begründet wurde. Er ist daher nicht nur gegenstandslos, sondern - weil auf eine unmögliche Rechtsfolge gerichtet - unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 4 StR 553/11 mwN).
3
2. Die Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 23. April 2012 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
4
Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Angeklagte bei den Stichen in den Kopf des Nebenklägers einerseits mit dem von der Strafkammer "zumindest" festgestellten bedingten Tötungsvorsatz gehandelt hat, er aber andererseits für den Fall, dass dieser Erfolg nicht eintreten sollte, die tatsächlich eingetretenen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB als sichere Folgen seiner Handlungen vorausgesehen hat (vgl. zum Vorliegen von direktem Tötungsvorsatz und wissentlichem Herbeiführen der schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 2 StGB: BGH, Urteile vom 22. Januar 1997 - 3 StR 522/96, NStZ 1997, 233, 234; vom 14. Dezember 2000 - 4 StR 327/00, NJW 2001, 980, 981, und vom 25. Juni 2002 - 5 StR 103/02, BGHR StGB § 226 Abs. 2 schwere Körperverletzung 2).
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 226 Schwere Körperverletzung


(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person 1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nic
Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 226 Schwere Körperverletzung


(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person 1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nic

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2011 - 4 StR 553/11

bei uns veröffentlicht am 21.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 553/11 vom 21. Dezember 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen besonders schweren Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 21. D

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juni 2002 - 5 StR 103/02

bei uns veröffentlicht am 25.06.2002

5 StR 103/02 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 25. Juni 2002 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen versuchten Mordes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juni 2002, an der teilgenommen haben:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - 2 StR 478/13

bei uns veröffentlicht am 11.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 478/13 vom 11. Dezember 2013 in der Strafsache gegen wegen Nötigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2013 gemäß §§

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 553/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 21. Dezember 2011 gemäß § 46
Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag der Angeklagten G. , ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung ihrer Revision zu gewähren, wird verworfen.
2. Die Revisionen der Angeklagten G. , T. und J. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. Juni 2011 werden verworfen.
3. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten sowie zwei Mitangeklagte wegen besonders schweren Raubes - teilweise unter Einbeziehung früherer Strafen - zu (Gesamt-)Freiheitsstrafen verurteilt und unter anderem bei den Angeklagten J. und T. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der (Gesamt-)Freiheitsstrafe angeordnet. Gegen das Urteil richten sich die auf jeweils eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten G. und J. . Der Angeklagte T. beanstandet mit seinem Rechtsmittel allein das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung , nämlich eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Die Rechtsmittel sowie der von der Angeklagten G. zudem gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist haben keinen Erfolg.
2
1. Der Antrag der Angeklagten G. auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig, weil das Rechtsmittel - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 7. November 2011 zutreffend ausgeführt hat - rechtzeitig begründet wurde. Er ist daher nicht nur gegenstandslos, sondern - weil auf eine unmögliche Rechtsfolge gerichtet - unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 2 StR 153/05; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 44 Rn. 6 mwN).
3
2. Die Revisionen der Angeklagten G. , T. und J. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere liegt das Verfahrenshindernis eines fehlenden bzw. unwirksamen Eröffnungsbeschlusses nicht vor.
4
Ein Eröffnungsbeschluss ist unwirksam, wenn er nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl an Richtern erlassen wurde, "wobei es nicht auf die Zahl der Unterschriften, sondern nur auf die Zahl der Richter ankommt, die bei der Beschlußfassung mitgewirkt haben" (so bereits BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 - 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279 mwN). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Er ist hieran auch nicht durch die im Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. September 2011 (3 StR 280/11) als entgegenstehend zitierte Rechtsprechung gehindert. Denn der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in späteren Entscheidungen eine etwaige entgegenstehende frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 1977 aufgegeben (vgl. Urteil vom 8. Juni 1999 - 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Beschluss vom 6. April 2005 - 1 StR 60/05); der 4. Strafsenat hält an einer etwaigen entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest.
5
Da durch die dienstliche Erklärung der drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 2. September 2011 bewiesen ist, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens von diesen Richtern (mündlich ) beschlossen und lediglich der schriftliche Beschluss versehentlich von zwei der Richter nicht unterschrieben wurde, liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

5 StR 103/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
25. Juni 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin G
als Verteidigerin für den Angeklagten R ,
Rechtsanwalt U
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Br
als Verteidiger für den Angeklagten S ,
Rechtsanwältin F
als Beistand des Nebenklägers,
Justizoberinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Juli 2001 werden mit der Maßgabe verworfen, daß die Angeklagten des versuchten Mordes in Tateinheit mit wissentlicher schwerer Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig sind.
2. Die Angeklagten B und S haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Bei dem Angeklagten R wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
3. Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten (R ) und zu Gesamtfreiheitsstrafen von 14 Jahren (S ) und 15 Jahren (B ) verurteilt. Gegen das Urteil wenden sich sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft; keine der Revisionen hat letztlich Erfolg.

I.


Die Angeklagten gehören der sogenannten Skinheadszene an, in der rechtsradikale, im wesentlichen durch Ausländerhaû und Gewaltbereitschaft geprägte Vorstellungen vertreten werden.
Am Abend des 15. Januar 2001 trafen sich die drei Beschwerdeführer mit weiteren Gesinnungsgenossen, den Nichtrevidenten H und Sch , in der Wohnung des Zeugen Z , wo sie Alkohol tranken und „rechte” Musik hörten. Im Verlaufe des Abends kam das Gespräch auf eine vermeintlich gegen eines der Gruppenmitglieder wegen Körperverletzung erstattete Strafanzeige. Als mutmaûlicher Anzeigenerstatter geriet der Nebenkläger Re in Verdacht, den alle Anwesenden aus dem nahegelegenen Wohnheim für junge ehemalige Strafgefangene kannten. H schlug vor, Re zur Rede zu stellen. Daraufhin begaben sich R und B in das Wohnheim, weckten Re auf, befahlen ihm, sie zu begleiten, weil man sich mit ihm unterhalten wolle. Nach einem vergeblichen Fluchtversuch des Zeugen erreichte man zwischen 0.00 und 0.30 Uhr die Wohnung Z . Dort versetzte H dem Zeugen einen Schlag ins Gesicht und fragte ihn, ob er die fragliche Anzeige erstattet habe. Obwohl der Zeuge dies bestritt, wurde er in den nächsten Stunden wiederholt von allen Anwesenden getreten und geschlagen, wobei H die treibende Kraft war. Infolge der Miûhandlungenerlitt Rei Hautrötungen, Hämatome und deutliche Schwellungen im Gesicht.
In den frühen Morgenstunden äuûerte H die Befürchtung, daû Re sie wegen dieser Handlungen anzeigen könne, er müsse deshalb beseitigt werden. Alle Angeklagten stimmten zu und stellten Überle-
gungen an, auf welche Weise dies geschehen könne. Wiederum auf Vorschlag von H einigte man sich nach längerer Diskussion darauf, Re zu verbrennen, weil dieser „ganz weg müsse”, um „sämtliche Beweise der Miûhandlungen zu vernichten”. In Gegenwart des verzweifelten Zeugen wurde auch noch erörtert, ob man mit Benzin einen Menschen völlig verbrennen könne und „wieviel Benzin fürs Abbrennen” erforderlich sei.
Gegen 4.30 Uhr brachte man den Zeugen zu einem abgelegenen Ort in der Nähe von Bahngleisen. Dort forderte H den Zeugen auf, sich auszuziehen, da er „dann besserbrenne”. Re weinte und flehte um sein Leben, was keinen der Angeklagten beeindruckte. Auf Geheiû von H schlug R den Zeugen zu Boden und Sch goû etwa einen Liter Benzin auf den nackten Körper des Zeugen aus. Danach hielt R wieder auf Geheiû des H ein Feuerzeug an die Füûe des Zeugen. Nach einigen Sekunden entzündete sich eine Flamme, die den Körper des Zeugen ergriff; Re brannte. Durch Hin- und Herwälzen auf dem Boden konnte er das Feuer nach kurzer Zeit jedoch löschen, aufstehen und davonlaufen. Als die Angeklagten, die sich bereits einige Meter vom Tatort entfernt hatten, dies bemerkten, liefen B und S auf entsprechenden Zuruf des H dem Zeugen nach. Diesem gelang es jedoch , sich zunächst zu verstecken und alsdann im Schutze der Dunkelheit eine nahegelegene Tankstelle zu erreichen, wo ein Rettungswagen verständigt wurde.
Re muûte vielfach operiert werden. Sein gesamter Oberkörper wie auch die Beine und Arme sind massiv vernarbt. Infolge der Hauttransplantationen hat er Schwierigkeiten, die Körpertemperatur entsprechend den äuûeren Einflüssen zu regeln. Die geschädigten Hautpartien dürfen keiner Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden und benötigen täglich einen hohen Pflegeaufwand. Der Zeuge wird für immer deutlich sichtbare Kennzeichen der erlittenen schweren Brandverletzungen behalten, die geeignet sind, auch auf sein seelisches Wohlbefinden dauerhaft einzuwirken.
Infolge der verbleibenden Schäden werden seine Berufsmöglichkeiten künftig eingeschränkt bleiben.

II.


Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet. Das Urteil weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer auf.
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg.
1. Allerdings rügt die Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller Angeklagten zu Recht, daû die Strafkammer das Inbrandsetzen des Zeugen als versuchten Mord in Tateinheit mit (nur) schwerer Körperverletzung gemäû § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB bewertet, den qualifizierten Fall der schweren Körperverletzung gemäû § 226 Abs. 2 StGB aber nicht geprüft hat.
Der Qualifikationstatbestand des § 226 Abs. 2 StGB ist unter anderem dann verwirklicht, wenn der Täter eine der in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten Folgen wissentlich verursacht. Das Landgericht hat hierzu festgestellt, daû Re sein Leben lang sichtbare Kennzeichen der durch die Tat verursachten schweren Brandverletzungen an Oberkörper, Armen und Beinen behalten wird und hat deshalb das Vorliegen des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB rechtsfehlerfrei bejaht.
Wissentliches Handeln im Sinne des § 226 Abs. 2 StGB bedeutet, daû der Täter die schwere Folge als sicheres Resultat seiner Handlungen voraussieht (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 226 Rdn. 19 m. w. N.). Dazu bedarf es entsprechender Feststellungen zur inneren Tatseite, die das Landgericht ausdrücklich allerdings nicht getroffen hat. Sie lassen sich dem angefochtenen Urteil aber ohne weiteres entnehmen: Die Angeklagten hatten sich
nach längeren Überlegungen dazu entschlossen, den Zeugen ¹ganzº zu verbrennen , um sämtliche Spuren der Miûhandlungen zu vernichten. Entsprechend diesem Tatplan haben sie den nackten Körper ihres Opfers mit Benzin übergossen und in Brand gesetzt. Daû ein solches massives Vorgehen die Hautoberfläche ganz oder teilweise zerstört, im Falle des Todes bis zur Unkenntlichkeit des Leichnams führen kann und im Falle des Überlebens dauerhaft entstellende Vernarbungen hinterläût, liegt auf der Hand. Dessen waren sich die Angeklagten gerade aufgrund ihrer vorausgegangenen Diskussion durchaus bewuût.
Der Annahme des § 226 Abs. 2 StGB steht auch nicht entgegen, daû die Angeklagten mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt haben (BGHR StGB § 226 Abs. 2 schwere Folge 1). Denn zur Tatbestandserfüllung reicht es aus, daû der Täter ± alternativ zur beabsichtigten Tötung ± die schwere Folge als sichere Auswirkung seiner Handlung voraussieht (BGHR StGB aaO), er ± wie hier ± die schwere Folge durch die gewählte Art und Weise der Tötung als notwendiges Durchgangsziel erkennt. Dementsprechend hat der Senat den Schuldspruch geändert.
2. Der festgestellte Rechtsfehler hat sich jedoch nicht auf die jeweiligen Rechtsfolgenaussprüche ausgewirkt. Der Senat schlieût entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft aus, daû der Tatrichter bei Berücksichtigung der Qualifikation bei den Angeklagten B und S die für den versuchten Mord gewährte Strafrahmenverschiebung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB und eine entsprechende Milderung der Jugendstrafe bei dem Angeklagten R nicht vorgenommen hätte.
Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrah-
menverschiebung 12 m. w. N.). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände ist namentlich dann geboten, wenn ± wie hier bei B und S ± nur die versuchsbedingte Milderung zeitige Freiheitsstrafe ermöglicht (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8).
Diesen Anforderungen werden die Erwägungen des Landgerichts zur Versuchsmilderung gerecht.
Die Strafkammer hat die wesentlichen straferschwerenden Gesichtspunkte , die für eine Versagung der Versuchsmilderung sprechen können, gesehen und gewertet. Sie hat die hohe Gefährlichkeit der Versuchshandlung , die unmittelbare Nähe zur Tatvollendung, die Verwirklichung zweier Mordmerkmale und die tateinheitliche Begehung einer schweren Körperverletzung und damit die dauernde Entstellung des Zeugen und die hiermit für diesen verbundenen Einschränkungen ersichtlich berücksichtigt. Die Strafkammer hat schlieûlich auch die von den Angeklagten aufgewendete kriminelle Energie und ihre jeweiligen Tatbeiträge im einzelnen gewichtet, dabei aber zugunsten aller Angeklagten einschränkend bedacht, daû die treibende Kraft H war, da er den Anstoû zur Tötung des Zeugen gegeben und die entscheidenden Anweisungen und Befehle erteilt habe. Insbesondere dieser Gesichtspunkt im Zusammenwirken mit weiteren schuldmindernden Umständen, wie etwa die bei allen Angeklagten gegebene alkoholische Enthemmung , die gruppendynamische Entwicklung des Tatgeschehens, die Geständnisse oder zumindest teilgeständigen Angaben und letztlich auch das Alter der Angeklagten (17, 23, 29 Jahre) haben das Landgericht bewogen, bei B und S die Strafrahmenverschiebung und bei R eine entsprechende Milderung der Jugendstrafe vorzunehmen.
Wenngleich der qualifizierte Fall der schweren Körperverletzung gemäû § 226 Abs. 2 StGB mit einem Strafrahmen von drei bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe einen höheren Unrechtsgehalt aufweist als die ¹einfacheº schwere Körperverletzung gemäû § 226 Abs. 1 StGB (Strafrahmen: ein Jahr
bis zehn Jahre), ist angesichts der dargelegten umfassenden tatrichterlichen Erwägungen, die auch dem auûergewöhnlich brutalen Vorgehen der Täter und den schweren Folgen für das Opfer Rechnung tragen, auszuschlieûen, daû bei Annahme des Qualifikationstatbestandes die Versuchsmilderung unterblieben wäre. Dies gilt umso mehr, als die Strafkammer insbesondere bei B und S , die ohne die Strafrahmenverschiebung zu lebenslangen Freiheitsstrafen hätten verurteilt werden müssen, ausdrücklich hervorhebt, daû die für den versuchten Mord in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung verhängten Einsatzstrafen von 14 Jahren und sechs Monaten (B ) und 13 Jahren und sechs Monaten (S ) ganz erheblich seien, daû aber nur derart hohe Strafen auf die Angeklagten angemessen einwirken könnten.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.