Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2016 - 4 StR 128/16

bei uns veröffentlicht am08.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 128/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zum Raub
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR128.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. November 2015, soweit es den Angeklagten betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum Raub zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand der vom Amtsgericht Essen-Borbeckim Verfahren 3 Ds verhängten Geldstrafe verhalten. Da die Verurteilung durch das Amtsgericht Essen-Borbeck, dessen genaues Datum das Urteil nicht mitteilt, nach dem Gesamtzusammenhang der getroffenen Feststellungen zeitlich nach der neu abgeurteilten, am 7. Januar 2015 begangenen Tat erfolgte, kommt sie für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB in Betracht. In Abhängigkeit von dem bei Erlass des angefochtenen Urteils erreichten Stand der Vollstreckung der Geldstrafe hätte das Landgericht entweder eine Gesamtstrafenentscheidung gemäß § 55 StGB treffen oder – im Falle einer Erledigung der Geldstrafe – bei der Bemessung der Freiheitsstrafe einen Härteausgleich vornehmen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2014 – 2 StR 325/14, vom 7. Januar 2014 – 3 StR 337/13). Mit Blick auf eine mögliche Vollstreckung der Geldstrafe durch den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafe ist auch nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die Nichtbeachtung der Gesamtstrafenlage beschwert ist.
3
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzend getroffene neue Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen. Da das weitere Verfahren sich nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2016 - 4 StR 128/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2016 - 4 StR 128/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2016 - 4 StR 128/16 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2016 - 4 StR 128/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2014 - 2 StR 325/14

bei uns veröffentlicht am 17.09.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 3 2 5 / 1 4 vom 17. September 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschw

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2014 - 3 StR 337/13

bei uns veröffentlicht am 07.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 337/13 vom 7. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts -

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 2 5 / 1 4
vom
17. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. September 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. April 2014 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Das Rechtsmittel ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer zu den Einzelstrafen und zur Bildung der Gesamtstrafe hieraus sind für sich genommen rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat aber keine Feststellungen zum Vollstreckungsstand der an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafen aus Entscheidungen des Amtsgerichts Gotha vom 13. Juli 2004 und des Amtsgerichts Meiningen vom 19. Oktober 2010 getroffen. Den Urteilsgründen kann somit nicht entnommen werden, ob eine Einbeziehung in die Gesamtfreiheitsstrafe noch möglich oder im Vollstreckungsfall die Gewährung eines Härteausgleichs erforderlich ist.
3
Der Senat kann insbesondere mit Blick auf die mitgeteilten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und den Zeitablauf nicht ausschließen, dass die Vollstreckung der Geldstrafe durch den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafe erledigt ist; dies würde den Angeklagten - anders als im Fall der Nichtzahlung der Geldstrafe die unterbliebene oder im Fall ihrer Bezahlung die nicht mehr mögliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe - beschweren.
4
Die neu zu treffende Entscheidung über den Strafausspruch kann nicht gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen werden, weil die möglicherweise zu treffende Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in den Regelungsbereich dieser Vorschriften fällt; sie ist dem Tatgericht nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 3 StR 337/13 m.w.N.).
5
Die bisher getroffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, da sie durch den Rechtsfehler nicht betroffen werden, § 353 Abs. 2 StPO. Appl Franke Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 337/13
vom
7. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 6. Juni 2013, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen werden jedoch aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer sind für sich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch kann indes gleichwohl keinen Bestand haben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand einer mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Moers vom 30. August 2012 verhängten Geldstrafe verhalten. Da die verfahrensgegenständliche Tat vom 12. Juli 2012 vor dieser Verurteilung lag, wäre - wenn die Vollstreckung der Geldstrafe im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt gewesen sein sollte - von der Strafkammer grundsätzlich eine Gesamtstrafe mit der von ihr verhängten Freiheitsstrafe zu bilden und andernfalls ein Härteausgleich vorzunehmen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 525/12, juris).
3
Der Senat kann insbesondere mit Blick auf den mitgeteilten zeitlichen Ablauf und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten nicht ausschließen , dass die Vollstreckung der Geldstrafe - etwa in Unterbrechung der Untersuchungshaft - durch den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafe erledigt ist; dies würde den Angeklagten - anders als im Fall der Nichtzahlung der Geldstrafe die unterbliebene oder im Fall ihrer Bezahlung die nicht mehr mögliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe - auch beschweren.
4
Die neu zu treffende Entscheidung über den Strafausspruch kann nicht gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen werden, weil die möglicherweise zu treffende Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in den Regelungsbereich dieser Vorschriften fällt; sie ist vielmehr dem Tatgericht nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten (vgl. BGH aaO).
5
Die bisher getroffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, da sie durch den Rechtsfehler nicht betroffen werden, § 353 Abs. 2 StPO.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol