Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - 4 StR 209/11

bei uns veröffentlicht am08.06.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 209/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 8. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 20. Oktober 2010
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Verurteilung wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss eines berauschenden Mittels entfällt,
b) im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die wegen dieser Ordnungswidrigkeit verhängte Geldbuße von 500 EUR entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen versuchter Erpressung und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, mehrere Gegenstände eingezogen und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1490 € angeordnet. Ferner hat es gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss eines berauschenden Mittels eine Geldbuße in Höhe von 500 € verhängt und ein Verbot, für die Dauer eines Monats im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen, angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie führt zum Wegfall der Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit und der wegen dieser verhängten Geldbuße.
2
1. Die Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Straftatbeständen und die deswegen verhängten Rechtsfolgen richtet.
3
2. Dagegen hat das Rechtsmittel Erfolg, soweit der Angeklagte wegen der Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gemäß § 24a Abs. 2 StVG verurteilt wurde.
4
a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG wird in Fällen, in denen eine Handlung gleichzeitig eine Straftat und eine Ordnungswidrigkeit darstellt, Straftat und Ordnungswidrigkeit mithin zueinander in Tateinheit stehen, nur das Strafgesetz angewendet. Hier bestand zwischen dem Besitz der im Fall 15 der Urteilsgründe (UA 11) erworbenen Betäubungsmittel und der Fahrt, die der Angeklagte nach dem Kokainkonsum durchgeführt hat, eine unlösbare innere Verknüpfung, die über die bloße Gleichzeitigkeit der Ausführung der Tathandlungen hinausging. Denn die Verkehrsordnungswidrigkeit der "Drogenfahrt" diente dazu, die vom Angeklagten in Sch. erworbenen Betäubungsmittel zu seinem Wohnort nach M. zu transportieren. Dieser innere Bedingungszusammenhang begründet die Tateinheit, die die Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit ausschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 533/08; zur Identität der prozessualen Tat: BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06; BGH, Beschlüsse vom 27. April 2004 - 1 StR 466/03, NStZ 2004, 694 m. Anm. Bohnen; vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, NStZ 2009,

705).


5
b) Die Aufhebung der Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit hat den Wegfall der wegen ihr verhängten Geldbuße zur Folge. Dagegen kann das gegen den Angeklagten verhängte Fahrverbot bestehen bleiben (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 OWiG; Bohnert, OWiG, 2010, § 21 Rn. 15).
6
3. Da das Rechtsmittel nur in geringem Umfang Erfolg hat, ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten dadurch entstandenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO).
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - 4 StR 209/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - 4 StR 209/11

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 24a 0,5 Promille-Grenze


(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalk
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - 4 StR 209/11 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 24a 0,5 Promille-Grenze


(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalk

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 21 Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit


(1) Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nur das Strafgesetz angewendet. Auf die in dem anderen Gesetz angedrohten Nebenfolgen kann erkannt werden. (2) Im Falle des Absatzes 1 kann die Handlung jedoch als Ordnungsw

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2013 - 4 StR 187/13

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 187/13 vom 2. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Genera

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.

(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.

(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.

(1) Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nur das Strafgesetz angewendet. Auf die in dem anderen Gesetz angedrohten Nebenfolgen kann erkannt werden.

(2) Im Falle des Absatzes 1 kann die Handlung jedoch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn eine Strafe nicht verhängt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 533/08
vom
11. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 11. Dezember
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 25. August 2008 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Führens eines Fahrzeugs unter Cannabiseinfluss entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der tateinheitlich zu den Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausgesprochenen Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gemäß § 24 a Abs. 2 StVG steht § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG entgegen. Nach dieser Vorschrift wird in Fällen, in denen eine Handlung gleichzeitig eine Straftat und eine Ordnungswidrigkeit darstellt, Straftat und Ordnungswidrigkeit mithin zueinander in Tateinheit stehen (Bohnert in KK-OWiG 3. Aufl. § 21 Rdn. 2), nur das Strafgesetz angewendet. Hier bestand zwischen der Einfuhr des Heroins und dem Fahrvorgang, bei dem der Angeklagte Tetrahydrocannabinol im Blut hatte, eine unlösbare innere Verknüpfung, die über die bloße Gleichzeitigkeit der Ausführung der Tathandlungen hinausging; denn die Verkehrsordnungswidrigkeit der "Drogenfahrt" diente dazu, die im Fahrzeug befindlichen Betäubungsmittel durch das Überqueren der Grenze mit dem von dem Angeklagten gesteuerten Pkw in das Bundesgebiet zu transportieren und damit einzuführen (vgl. BGH NStZ 2004, 694, 695; BGHR BtMG § 29 Strafklageverbrauch 7). Dieser innere Bedingungszusammenhang begründet die - im Ergebnis zutreffend auch vom Landgericht bejahte - Annahme der Tateinheit, die die Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit ausschließt.
4
Der Strafausspruch wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht berührt. Zwar hat das Landgericht - wenn auch nur in geringem Umfang - bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er tateinheitlich zu den verwirklichten Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz auch noch eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Dies ist aber auch bei Anwendung des § 21 OWiG zulässig; die danach verdrängte Ordnungswidrigkeit kann nach allgemeinen Grundsätzen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, insbesondere wenn sie einen anderen Unrechtsgehalt erfasst (Bohnert aaO § 21 Rdn. 14; vgl. BGHSt 23, 342, 345). So verhält es sich hier: Die Vor- schriften des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG und des § 24 a Abs. 2 StVG schützen unterschiedliche Rechtsgüter, der Unrechtsgehalt der Einfuhrfahrt wurde dadurch gesteigert, dass der Angeklagte sie unter dem Einfluss (anderer) Betäubungsmittel durchführte. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung des § 21 OWiG eine geringere Strafe verhängt hätte.
5
Da das Rechtsmittel nur in geringem Umfang Erfolg hat, ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten dadurch entstandenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO).
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 466/03
vom
27. April 2004
in der Bußgeldsache
gegen
wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden
Mitteln
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs als Senat für Bußgeldsachen hat auf
Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. September 2003 –
2 Ss 356/2003 – am 27. April 2004 beschlossen:
Zwischen dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) und der zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln (§ 24a Abs. 2 StVG) besteht verfahrensrechtlich keine Tatidentität im Sinne des § 264 StPO, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel im Kraftfahrzeug in keinem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang steht.

Gründe:


I.


1. Gegenstand der Vorlegungsfrage ist die Tatidentität zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln und gleichzeitigem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln.
Als der Betroffene im Mai 2002 einen Pkw führte, wurde er von der Polizei kontrolliert. Er stand unter der Wirkung des berauschenden Mittels Kokain bzw. kokainhaltiger Präparate und führte Kokain bei sich.

Am 30. September 2002 erging gegen ihn ein Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG), der rechtskräftig wurde. Am 3. April 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Ulm wegen des fahrlässigen Fahrens unter der Wirkung von berauschenden Mitteln (§ 24a Abs. 2 StVG) zu einer Geldbuße. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, mit der er geltend machte, die Strafklage sei durch den rechtskräftigen Strafbefehl wegen des Betäubungsmitteldelikts verbraucht.
2. Das Oberlandesgericht Stuttgart beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, sieht sich aber daran durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. August 2001 - Ss 196/01, StV 2002, 240, 241 gehindert. In dem vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall war ein Betroffener als Führer eines Personenkraftwagens einer Verkehrskontrolle unterzogen worden. Eine Blutprobe ergab den Nachweis, daß er im Zeitpunkt der Fahrt unter dem Einfluß von Cannabioiden stand; bei der Durchsuchung seines Kraftfahrzeuges wurden zudem in einer Reisetasche im Kofferraum ca. 3,5 Gramm Haschisch aufgefunden. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde von der Staatsanwaltschaft nach Zahlung einer Geldbuße gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt.
Wegen der Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG setzte das Amtsgericht Wildeshausen eine Geldbuße in Höhe von 500 DM fest und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde führte zur Verfahrenseinstellung durch das Oberlandesgericht
Oldenburg. Zur Begründung führte dieses aus, daß mit der endgültigen Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Verhängung einer Geldbuße wegen einer Rauschfahrt im Sinne von § 24a Abs. 2 StVG das Verfahrenshindernis des (beschränkten) Strafklageverbrauchs nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO eingetreten sei. Dem Betroffenen könne lediglich der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG nachgewiesen werden, zu dem die "Rauschfahrt" hinzugetreten sei. Mit der Fahrt werde die Verfügungsmacht über das Rauschgift im Kofferraum aufrechterhalten , diese stelle (stets) einen tatbestandserheblichen Tatbeitrag zum Betäubungsmitteldelikt dar. Da bereits materiell-rechtlich Tateinheit zwischen beiden Delikten bestehe, liege auch prozessual nur eine Tat im Sinne von § 264 StPO vor.
Das Oberlandesgericht Stuttgart teilt diese Auffassung nicht. Es ist der Ansicht, daß im Vorlegungsfall die Verurteilung wegen der Straftat des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln einer späteren Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG nicht entgegenstehe.
Zwischen beiden Dauerdelikten bestehe materiell-rechtlich Realkonkurrenz. Der Besitz von Betäubungsmitteln setze einerseits weder den Konsum derselben noch das Führen eines Kraftfahrzeuges im berauschten Zustand voraus. Die Ordnungswidrigkeit des § 24a Abs. 2 StVG knüpfe andererseits nicht an den Besitz von Betäubungsmitteln, sondern lediglich an deren - für sich genommen straflosen - Konsum und die anschließende Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr an. Eine isolierte Wertung beider Delikte sei daher möglich, ohne daß hinsichtlich des jeweils anderen Delikts ein tatbestandserheblicher Beitrag fehlen würde. Beide Delikte seien lediglich gleichzeitig, nur
bei Gelegenheit des jeweils anderen Delikts begangen worden. Im Vorlegungsfall bestehe auch keine verfahrensrechtliche Tatidentität im Sinne von § 264 StPO. Beide Verhaltensweisen seien hier innerlich nicht derart miteinander verknüpft, daß ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Die Aufrechterhaltung des Betäubungsmittelbesitzes stehe - von der zufälligen zeitlichen Koinzidenz abgesehen - in keinem erkennbaren inneren Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang. Beide Handlungen beruhten auf einem für sich genommen völlig selbständigen Tatentschluß. Der Fahrvorgang sei aus subjektiver Sicht des Betroffenen zweckneutral und habe nicht der Aufrechterhaltung des Betäubungsmittelbesitzes gedient. Der Umstand, daß der Betroffene aus tatsächlichen Gründen nur aufgrund des Auffangtatbestandes des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln während der "Rauschfahrt", nicht aber wegen des vorangegangenen Erwerbs derselben, einer zweifelsfrei eigenständigen Tat, verurteilt werden könne, dürfe nicht dazu führen, daß er hinsichtlich der Reichweite des Strafklageverbrauchs "zusätzlich" privilegiert werde. Im übrigen gebiete die Bedeutung und Eigenständigkeit des betroffenen Schutzgutes der Verkehrssicherheit, daß die Ordnungswidrigkeit des § 24a Abs. 2 StVG einer eigenständigen Aburteilung zugänglich bleibe. Das Prinzip des Vertrauensschutzes stehe dem nicht entgegen.
3. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat deshalb die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
"Besteht zwischen dem Besitz eines Kraftfahrzeugführers an Betäubungsmitteln, die im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden
(§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG), und der zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Fahrens dieses Kraftfahrzeuges
unter der Wirkung von berauschenden Mitteln gemäß § 24a Abs. 2 StVG verfahrensrechtlich Tatidentität im Sinne des § 264 StPO?"

II.


Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 121 Abs. 2 GVG in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind erfüllt.
1. Das vorlegende Oberlandesgericht Stuttgart kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne hierbei von den tragenden Gründen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg abzuweichen.
2. Die Vorlegungsfrage erfaßt aber nach ihrem Wortlaut über die Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren hinaus auch solche Fallkonstellationen , wie etwa die Fälle der Transport- oder Fluchtfahrten, in denen eine verfahrensrechtliche Tatidentität eher in Betracht kommen könnte. Der Senat hat deshalb – entsprechend dem des Generalbundesanwalts - die Frage wie folgt präzisiert:
„Besteht zwischen dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) und der zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln (§ 24a Abs. 2 StVG) verfahrensrechtlich Tatidentität im Sinne des § 264 StPO, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel im Kraftfahrzeug in keinem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszu-
sammenhang mit dem Fahrvorgang steht?“

III.


Der Senat tritt – dem Generalbundesanwalt folgend - der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart bei.
Zwischen beiden Taten – der Rauschtat und dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln – besteht schon keine Tateinheit. Die objektiven tatbestandlichen Ausführungshandlungen dieser beiden Delikte decken sich nicht einmal teilweise; sie stellen bei natürlicher Betrachtungsweise - ungeachtet der zeitlichen Überschneidung bei der Tatbegehung - zwei selbständige, auf gesondert gefaßten Tatentschlüssen beruhende körperliche Willensbetätigungsakte dar. Der Täter würde die tatsächliche Sachherrschaft über das Rauschgift auch dann nicht verlieren, wenn er nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnähme.
Sachlich-rechtlich selbständige Taten sind grundsätzlich auch prozessual selbständig. Eine unlösbare innere Verknüpfung zweier Handlungen, die über die bloße Gleichzeitigkeit ihrer Ausführung hinausginge, liegt demgegenüber nicht vor, wenn der Täter - wie im Vorlegungsfall - mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung berauschender Mittel fährt und hierbei Betäubungsmittel ohne einen erkennbaren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang als Teil seines persönlichen Gewahrsams mit sich führt. Beide Tatbestände knüpfen zwar an die Existenz eines Betäubungsmittels (im Blut bzw. als körperliche Sache ) an, greifen aber in ihrer Struktur nicht ineinander. Die Fahrt verfolgt in einem solchen Fall - anders als in den Transport- oder Fluchtfällen - nicht den
Zweck, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern; die Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit dient nicht dazu, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Die Verlagerung des Besitzes ist lediglich ein notwendiger Reflex bzw. eine zwangsläufige Begleitfolge der mit dem Kraftfahrzeug bewirkten und bezweckten Ortsveränderung des Täters. Die Mitnahme der Betäubungsmittel bezieht sich andererseits auch nicht auf die Fahrtätigkeit als solche; sie dient dem Fahrer insbesondere nicht dazu, sich durch den Konsum der Drogen als Genuß- oder Aufputschmittel die Fahrt zu erleichtern.
Herr Richter am BGH Hebenstreit ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Boetticher Nack Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 566/08
vom
5. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. März 2009 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird Urteil des Landgerichts Kiel vom 22. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer mit Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel vom 31. Oktober 2007 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, da die Strafklage durch den genannten Strafbefehl verbraucht ist und somit ein Verfahrenshindernis besteht.
2
1. a) Mit Strafbefehl vom 31. Oktober 2007 erkannte das Amtsgericht Kiel gegen den Angeklagten wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gemäß § 316 Abs. 1, 2 StGB auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 €; daneben wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung angeordnet. Nach den Feststellungen des Strafbefehls befuhr der Angeklagte am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr mit seinem PKW die Kaiserstraße in Kiel. Er schwankte beim Aussteigen aus dem PKW und konnte nur mittels eines Ausfallschritts einen Sturz verhindern. Verbale Auskünfte fielen verwaschen und "stolpernd" aus. Die ihm um 18.38 Uhr entnommene Blutprobe enthielt aufgrund vorangegangenen Betäubungsmittelkonsums Kokainabbauprodukte.
3
b) Mit Anklageschrift vom 21. Februar 2008 wurde dem Angeklagten im hiesigen Verfahren vorgeworfen, in Kiel am 21. Juni 2007 und danach mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei einen Gegenstand mit sich geführt zu haben, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt gewesen sei. Danach erhielt der Angeklagte am 21. Juni 2007 ca. 100 Gramm Heroin zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Anlässlich einer Überprüfung am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr in der Kaiserstraße in Kiel wurden in seinem Besitz noch insgesamt 81,44 Gramm Heroin sowie ein Klappmesser mit zwei Klingen aufgefunden und sichergestellt.
4
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte am 21. und 22. Juni 2007 regelmäßig Kokain. Am Mittag des 22. Juni 2007 traf er sich mit einem Rauschgiftdealer und erhielt von diesem knapp 100 Gramm Heroin sowie ein Streckmittel. Der Angeklagte führte ein Filetiermesser mit zwei Klingen mit sich. Er fuhr zu der Wohnung seiner Bekannten W. und J. und überließ zumindest W. aus Freundschaft einen Teil des Heroins. W. bedeutete dem Angeklagten, dass er das restliche Rauschgift keinesfalls bei sich in der Wohnung lagern bzw. ansonsten übernehmen wolle. Notgedrungen nahm der Angeklagte deshalb die restlichen 81,44 Gramm Heroin wieder an sich, verließ gegen 17.00 Uhr die Wohnung und begab sich zu seinem PKW. Auf eine entsprechende Bitte des J. nahm er diesen ein kurzes Stück mit. Der Angeklagte konnte sich beim Führen des Fahrzeugs kaum noch wach halten und fiel zwei Polizeibeamten auf. Diese überprüften ihn gegen 17.45 Uhr in der Kaiserstraße in Kiel; dabei fanden sie das in seiner Hose mitgeführte Heroin sowie das Klappmesser.
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d) Das Landgericht hat ausgeführt, die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Strafbefehls stehe der Bestrafung des Angeklagten im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Das Verfolgungshindernis des Strafklageverbrauchs liege nicht vor; es handele sich nicht um dieselbe Tat im materiellen oder prozessualen Sinne. Zwischen dem Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel nach § 316 StGB und dem Sichverschaffen bzw. der Abgabe von Betäubungsmitteln bestehe keine Tateinheit i. S. d. § 52 StGB. Die Betäubungsmitteldelikte seien schon vollendet gewesen, als der Angeklagte das Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Der weiter gegebene unerlaubte Besitz der Betäubungsmittel sei subsidiär und habe deshalb keine eigenständige Bedeutung. Die beiden Taten seien auch prozessual selbstständig, weil ein erkennbarer Beziehungs- und Bedingungszusammenhang nicht gegeben sei. Der Angeklagte habe das Rauschgift nur gelegentlich der "Trunkenheitsfahrt" weiter mit sich geführt.
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2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren; durch ihn ist deshalb Strafklageverbrauch hinsichtlich des Tatgeschehens eingetreten, das Gegenstand des landgerichtlichen Urteils ist. Der Angeklagte darf somit nach Art. 103 Abs. 3 GG wegen der von ihm begangenen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.
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Der Begriff der Tat i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8) und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf welchen Anklage und Er- öffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbstständige Handlungen grundsätzlich nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zu Grunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (vgl. BVerfG, Beschl. vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 25, 45). Hieraus folgt:
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Die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1, 2 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) stehen - zumindest - im Verhältnis prozessualer Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings besteht zwischen diesen Delikten dann keine verfahrensrechtliche Identität, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel in keinem inneren Beziehungsbzw. Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang steht (vgl. BGH NStZ 2004, 694, 695 zu § 24 a Abs. 2 StVG mit Anm. Bohnen). Anders liegt dies aber, wenn die Fahrt gerade dem Transport der Drogen dient, also etwa den Zweck verfolgt, sie an einen sicheren Ort zu bringen. So war es hier: Der Angeklagte war nach den Feststellungen des Landgerichts aufgrund der Weigerung des W. gezwungen, das Rauschgift aus der Wohnung fortzuschaffen und an einen anderen Ort zu verbringen. Die Fahrt mit dem PKW diente deshalb primär dem Transport der Betäubungsmittel. Der somit gegebene innere Beziehungszusammenhang zwischen dem Führen des Kraftfahrzeugs und dem Besitz des Heroins wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass der Angeklagte sich aus Gefälligkeit bereit erklärte, zunächst den J. zu einem bestimmten Ort in Kiel mitzunehmen. Hauptsächlicher Zweck der Fahrt war vielmehr weiterhin das Verbringen des Rauschgifts weg von der Wohnung hin zu einem vermeintlich sicheren Ort.
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Ob darüber hinaus in einem derartigen Fall zwischen der Trunkenheitsfahrt und dem Betäubungsmittelbesitz nicht auch materiellrechtlich eine natürliche Handlungseinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) gegeben ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn da die Aburteilung wegen der Trunkenheitsfahrt die Strafklage für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbraucht hat, darf der Angeklagte auch nicht mehr wegen der Delikte bestraft werden, die nur mit diesem Verbrechen sachlichrechtlich in Tateinheit stehen und deshalb prozessual eine Tat bilden. Dies ist für das bewaffnete Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die Abgabe eines - den Grenzwert der nicht geringen Menge nicht erreichenden - Teils dieser Betäubungsmittel jedoch der Fall; denn diese beiden Straftaten werden durch den Betäubungsmittelbesitz in nicht geringer Menge, der als Verbrechen (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) nicht als Auffangtatbestand im Wege der Subsidiarität hinter das Vergehen der Abgabe einer "geringen Menge" (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) aus der Gesamtmenge zurücktritt, zur Tateinheit verbunden (s. demgegenüber BGHSt 42, 162, 165 f.: keine Verknüpfung von Betäubungsmitteleinfuhr in nicht geringer Menge - § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG - und Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - durch den Betäubungsmit- telbesitz in nicht geringer Menge, da dieser als subsidiär hinter die beiden anderen Verbrechenstatbestände zurücktritt). Dies hat im Ergebnis auch das Landgericht nicht verkannt, das zutreffend Tateinheit zwischen dem bewaffneten Sichverschaffen der Betäubungsmittel und der Abgabe von Betäubungsmitteln angenommen hat.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nur das Strafgesetz angewendet. Auf die in dem anderen Gesetz angedrohten Nebenfolgen kann erkannt werden.

(2) Im Falle des Absatzes 1 kann die Handlung jedoch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn eine Strafe nicht verhängt wird.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.