Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2013 - 4 StR 288/13

bei uns veröffentlicht am13.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 288/13
vom
13. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in zehn Fällen, des Diebstahls und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 14 Fällen, Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch war abzuändern, weil sich der Angeklagte in den Fällen 12 und 13, 15 und 16 sowie 17, 18 und 19 der Urteilsgründe jeweils nur eines Betruges schuldig gemacht hat.
3
Nach den Feststellungen spiegelte der Angeklagte der Geschädigten am frühen Abend des 20. November 2012 vor, kurzfristig Geld für die Auslösung von Teppichen zu benötigen und sicherte bewusst wahrheitswidrig zu, dieses mit 20% Gewinn zurückzuzahlen. Nachdem ihm die Zeugin im Vertrauen hierauf zunächst nur 450 Euro gegeben hatte, weil sie an einem Tag keinen größeren Geldbetrag abheben konnte (Fall 12), suchte sie der Angeklagte nach Mitternacht erneut auf und erhielt aus einer weiteren Abhebung nochmals 400 Euro (Fall 13). Anlässlich eines weiteren Treffens am 22. November 2012 spiegelte der Angeklagte der Geschädigten vor, noch einen größeren Geldbetrag für das Auslösen der Teppiche zu benötigen. Darauf übergab ihm die Zeugin weitere 5.700 Euro (Fall 15) und schließlich auf sein Drängen kurz darauf nochmals 1.600 Euro (Fall 16). Im Fall 17 täuschte der Angeklagte der Zeugin vor, über eine Geldanlage bei einer Bank einen Gewinn in Höhe von 20% erzielen zu können. Die Zeugin überließ ihm daraufhin 18.000 Euro, die sie sich von einer Freundin geliehen hatte, sowie bei zwei weiteren Gelegenheiten aus eigenen Mitteln einmal 2.800 Euro (Fall 18) und nochmals 400 Euro (Fall 19).
4
Nach diesen Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 13, im Fall 16 und in den Fällen 18 und 19 seinen ursprünglichen Tatplan lediglich weiterverfolgt und die in den jeweils vorgelagerten Fällen 12, 15 und 17 bei dem Tatopfer er- zeugten Irrtümer zur Erlangung weiterer Teilbeträge ausgenutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 1998 – 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110).
5
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
6
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
7
a) Das Landgericht hat bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er aus eigennützigen Motiven, „ohne in einer Not- oder Konfliktlage gewesen zu sein“, wiederholt verschiedene Kraftfahrzeuge auch über längere Strecken ohne Fahrerlaubnis geführt hat (UA S. 19). Diese Erwägung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein Handeln aus eigennützigen Motiven wird durch die Feststellungen nicht belegt. Das zusätzliche Abstellen auf das Fehlen einer „Not- oder Konfliktlage“ lässt zudem besorgen, dass es sich bei dieser Formulierung um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung handelt. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, weil sich das Landgericht dabei nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen beschränkt. Stattdessen wird die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt gemessen, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 4 StR 392/12, NStZ-RR 2013, 81, 82; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; Urteil vom 28. Mai 1980 – 3 StR 176/80, NStZ 1981, 60). Dem Angeklagten wird deshalb das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt (BGH, Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25; Beschluss vom 16. Mai 1995 – 4 StR 233/95, StV 1995, 584).
8
b) Rechtlich bedenklich ist es auch, dass das Landgericht bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Betrugstaten und den Diebstahl (Fälle 6 bis 20) straferhöhend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte weder eine schulische und berufliche Ausbildung noch eine regelmäßige Erwerbstätigkeit angestrebt hat (UA S. 20). Umstände, die zur allgemeinen Art der Lebensführung des Täters gehören, dürfen ihm bei der Strafzumessung indes nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie eine Beziehung zu der abgeurteilten Tat haben und sich daraus eine höhere Tatschuld ergibt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87, 88; Beschluss vom 20. September 1996 – 2 StR 209/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 27; Beschluss vom 23. August 1989 – 3 StR 264/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 9; Beschluss vom 22. Juli 1988 – 2 StR 361/88, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 8; Beschluss vom 13. November 1987 – 2 StR 558/87, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 7). Dies ist hier jedenfalls in Bezug auf die angeführten schulischen und beruflichen Ausbildungsdefizite des Angeklagten, die – wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt (UA S. 2) – ihre Ursache bereits im Kindesalter und im Lebensstil seiner Herkunftsfamilie haben, nicht der Fall.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Schlechterstellungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) sowohl für die Bestimmung der Einzelstrafen, als auch für die Bildung der Gesamtstrafe gilt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2013 – 3 StR 60/13, Rn. 3; Urteil vom 21. Mai 1951 – 3 StR 224/51, BGHSt 1, 252, 253 ff.). Allerdings dürfen die neu festzusetzenden Einzelstrafen für die Fälle 12, 15 und 17 erhöht werden, weil diesen Taten durch die Schuldspruchänderung der Schuld- und Unrechtsgehalt aus den ursprünglich selbstständig abgeurteilten Fällen 13, 16 sowie 18 und 19 zugeordnet worden ist und deshalb höhere Schadenssummen zugrunde zu legen sind. Das Schlechterstellungsverbot gebietet bei der Neubemessung dieser Einzelstrafen nur, dass die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, Rn. 33; Beschluss vom 4. März 2008 – 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168, 169; Beschluss vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Soweit wieder Freiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt werden (Fälle 6 und 7), wird § 47 Abs. 1 StGB zu prüfen sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8).
Sost-Scheible Cierniak Franke
RiBGH Bender ist urlaubsabwesend und deshalb gehindert , zu unterschreiben. Sost-Scheible Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2013 - 4 StR 288/13

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Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 392/12
vom
24. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 4. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Geldschulden in Höhe von 1.000 Euro bei seinem Bekannten D. . Um diese nicht in bar zurückzah- len zu müssen, transportierte er am 7. Oktober 2011 für diesen zwei Kilogramm Marihuana von H. nach O. . Auf eine telefonische Bitte des D. unterbrach er seine Fahrt in L. und übernahm dort zwei weitere Kilogramm Marihuana, die er für 500 Euro zu einer Adresse inG. verbrachte. Das in H. übernommene Marihuana händigte der Angeklagte zunächst seinem Auftraggeber D. in O. aus. Eines der beiden Kilos kaufte er ihm auf Kommission ab und veräußerte es anschließend mit einem Aufschlag von zwei Euro pro Gramm an eigene Abnehmer weiter. Das Marihuana hatte einen THC-Anteil von 1 %. Mit dem erzielten Gewinn wollte der Angeklagte Schulden bezahlen und seinen Lebensunterhalt bestreiten. 1.000 Euro zahlte er als Vorkasse für den Erwerb einer größeren Menge Amphetamin an einen Rauschgifthändler in den Niederlanden (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
3
Am 28. Oktober 2011 fuhr der Angeklagte nach Ha. , um dort von seinem niederländischen Lieferanten verabredungsgemäß Amphetamin für sich und D. in Empfang zu nehmen. Die Fahrt wurde von der Polizeiüberwacht. Nachdem seine niederländischen Geschäftspartner nicht an dem abgesprochenen Treffpunkt erschienen waren, nahm der Angeklagte Kontakt zu ihnen auf und vereinbarte ein Treffen in R. . Dort übernahm er am 29. Oktober 2011 insgesamt 7.231 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Amph-HClAnteil von 419,28 Gramm. Das Rauschgift verbaute er anschließend in seinem Fahrzeug und überquerte damit die niederländisch-deutsche Grenze. Nach seiner Einreise wurde er festgenommen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
4
Das Landgericht hat die Vorgänge vom 7. Oktober 2011 als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Tat vom 28./29. Oktober 2011 als unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.

II.


5
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
6
1. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil dem Landgericht bei der Bestimmung der Strafe ein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen ist und eine neue Strafzumessung nur bei gleichzeitiger Aufhebung des Schuldspruchs möglich ist.
7
a) Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er „nicht aus einer Abhängigkeit heraus Handel trieb und das Handeltreiben unterstützte“ (UA 9). Diese Erwägung ist – wie sich aus der allgemeinen Bezugnahme ergibt (UA 10) – auch in die Bemessung der dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. den §§ 27, 49 StGB entnommenen Strafe mit gleicher Bewertungsrichtung eingeflossen (UA 10). Da die vorhandene Gewinnorientierung des Angeklagten zusätzlich straferschwerend berücksichtigt worden ist, handelt es sich bei dieser Formulierung nicht lediglich um die negative Beschreibung der festgestellten Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350), sondern um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung. Dabei beschränkt sich das Landgericht nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen, sondern misst die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; vom 20. August 1982 – 3 StR 283/82, NStZ 1982, 463; vom 19. November 1992 – 4 StR 549/92, StV 1993, 132; vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Aus den gleichen Gründen ist es auch bedenklich, dass das Landgericht mit negativer Bewertungsrichtung angeführt hat, dass der Angeklagte dem zweiten von ihm unterstützten Auftraggeber „keinen Gefallen“ schuldete (UA 10).
8
b) Der Schuldspruch war mitaufzuheben, weil es das Landgericht unterlassen hat, eine Strafbarkeit des Angeklagten unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2000 – 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2). Nach den bisherigen Fest- stellungen drängte es sich auf, die Frage zu erörtern, ob sich der Angeklagte auch des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht hat (zum Konkurrenzverhältnis : Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29a Rn. 173 mwN). Soweit der Angeklagte selbst ein Kilogramm Marihuana erworben und gewinnbringend weiterverkauft hat, erfüllt dies die Voraussetzungen eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Insofern hat sowohl für das Konkurrenzverhältnis als auch die Frage, ob es sich um dieselbe prozessuale Tat handelt, die nicht eindeutig festgestellte zeitliche Abfolge zwischen dem Transport des Marihuanas für D. und dem anschließenden Ankauf Bedeutung. Eine nur auf den Strafausspruch beschränkte Aufhebung könnte unter Umständen dazu führen, dass der neue Tatrichter gehindert ist, durch widerspruchsfreie Feststellungen den richtigen Ausgangspunkt für eine unter Beachtung des Verschlechterungsgebots (§ 358 Abs. 2 StPO) schuldangemessene Ahndung der Tat zu finden (BGH, Urteil vom 3. März 2000 – 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2; Beschluss vom 11. November 1981 – 3 StR 342/81, zitiert bei Holtz MDR 1982, 281, 283). Eine Schuldspruchberichtigung kommt nicht in Betracht, weil die bisherigen Feststellungen nicht vollständig sind und deshalb den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht hinreichend erkennen lassen.
9
2. Die Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 2 der Urteilsgründe ist aufzuheben , weil die getroffenen Feststellungen ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht belegen.
10
a) Der Senat entnimmt den Feststellungen, dass die von dem Angeklagten in R. übernommene und auf das Bundesgebiet verbrachte Amphetaminzubereitung teilweise für ihn selbst und teilweise für D. bestimmt war. Bei dieser Sachlage kommt eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nur dann in Betracht, wenn in der auf ihn entfallenden und zur Weiterveräußerung bestimmten Teilmenge ein den Grenzwert zur nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (10 Gramm Amphetaminbase) überschreitender Wirkstoffanteil enthalten war oder aber eine Zurechnung der Gesamtmenge nach den Grundsätzen über die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) erfolgen kann. Letztere setzt dabei auch hier eine wertende Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände voraus, wobei dem jeweiligen Interesse am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung und dem Vorhandensein von Tatherrschaft eine indizielle Bedeutung zukommen (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 131/12, Rn. 5; vom 14. August 2002 – 2 StR 249/02, NStZ 2003, 90, 91). Dabei kann ein mittäterschaftliches Handeltreiben anzu- nehmen sein, wenn der gemeinsame Ankauf der Kostenreduktion und der Erzielung eines günstigen Einkaufpreises dienen sollte (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 1 StR 137/02, NStZ-RR 2003, 57, 58). Das Urteil enthält weder Feststellungen zu dem Anteil des Angeklagten an der Gesamtmenge, noch eine revisionsrechtlicher Überprüfung zugängliche wertende Betrachtung der jeweiligen Tatbeiträge. Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.
11
b) Der neue Tatrichter wird dabei zu beachten haben, dass es bei Amphetaminzubereitungen für die Bestimmung der nicht geringen Menge auf den Amphetaminbase-Anteil ankommt (BGH, Urteil vom 11. April 1985 – 1 StR 507/84, NStZ 1986, 33). Das Landgericht hat sich bei seiner Bewertung an dem nicht maßgeblichen Amph-HCl-Gewichtsanteil orientiert, ohne die gebotene Umrechnung in Amphetaminbase vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 2 StR 157/11, Rn. 3; vom 19. Juli 2007 – 3 StR 257/07, Rn. 2 zur Umrechnung bei Amphetaminsulfat).
12
Der Senat lässt offen, ob es sich bei Amphetamin um eine „harte Droge“ handelt, deren Gefährlichkeit unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Wirkstoffkonzentration straferschwerend berücksichtigt werden darf (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1997 – 2 BvR 509/96 u.a., NJW 1998, 669, 671).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 294/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
24. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. März 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in drei Fällen in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in fünf Fällen als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet und verschiedene Gegenstände sowie Bargeld in Höhe von 300 € eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. In den Fällen II. B. 2., 3., 6. bis 8. hat die jeweils tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge neben der - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfreien - Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) keinen Bestand. Der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30 a BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (Weber , BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 36 m. w. N.). Als unselbständigem Teilakt des Handeltreibens kommt der Bandeneinfuhr neben dem Bandenhandel daher keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu.
3
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und den Tenor im Übrigen aus Gründen der Klarstellung neu gefasst.
4
2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
5
Das Landgericht hat bei allen Taten gleichermaßen sowohl bei der Wahl des Strafrahmens als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten u. a. gewertet, dass der (Betäubungsmittel-) "Handel... nur dem eigenen Gewinnstreben, insbesondere nicht der Finanzierung einer eigenen Abhängigkeit" gedient habe. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht das zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörende Gewinnstreben entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat.
6
Zwar ist es dem Tatrichter nach der bisherigen - allerdings keineswegs einheitlichen - Rechtsprechung nicht verwehrt, die ausschließlich gewinnorientierte Motivation eines Angeklagten als verwerflicher zu bewerten als den häufig vorkommenden Fall, dass der Täter nur deshalb Handel mit Betäubungsmitteln treibt, weil er keinen anderen Weg sieht, die Mittel für die Befriedigung seiner eigenen Rauschgiftabhängigkeit aufzubringen (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH NStZ-RR 1997, 50; BGH, Urt. vom 11. September 2003 - 1 StR 146/03, insoweit in NStZ 2004, 398 nicht abgedruckt; einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB bejahend dagegen BGH, Beschl. vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00, insoweit in StV 2001, 68 nicht abgedruckt). Der Senat hat mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken, an dieser - soweit ersichtlich von ihm selbst begründeten (BGHR aaO) - Rechtsprechung festzuhalten. Denn das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt. Deshalb kann ihm dieses Gewinnstreben, jedenfalls solange es den Rahmen des Tatbestandsmäßigen nicht deutlich übersteigt (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 1), bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil, sondern allenfalls bei Vorliegen einer weniger verwerflichen Tatmotivation zum Vorteil gereichen. Mit der strafschärfenden Berücksichtigung einer rein gewinnorientierten Motivation wird dem Täter deshalb auch - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet (ebenso BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 11). Der Senat braucht die Rechtsfrage jedoch nicht zu entscheiden. Denn ein Fall eines rein gewinnorientierten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist hier nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Kontakt zu Drogen hat und bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache selbst regelmäßig Haschisch und Kokain konsumierte. In Anbetracht dieser Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Gewinne aus den Drogengeschäften auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums des ansonsten einkommenslosen Angeklagten dienten und deshalb kein hiervon gänzlich unabhängiges Gewinnstreben des Angeklagten vorlag. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil ein besonders verwerfliches, den Rahmen des tatbestandsmäßigen deutlich übersteigendes Gewinnstreben des Angeklagten bei Begehung der Taten gegeben war. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
7
Da sich der Rechtsfehler bei Bemessung sämtlicher Einzelstrafen ausgewirkt hat, unterliegt der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung. Jedoch handelt es sich lediglich um einen Wertungsfehler, so dass die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben können. Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Die Anordnungen des Wertersatzverfalls und der Einziehung sind von der Aufhebung nicht betroffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 96/00
vom
19. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Juli 2000,
an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Juni 1999 wird mit den Feststellungen aufgehoben
a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang
b) auf die Revision der Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , mit der sie eine Verurteilung wegen Mordes erstrebt, und die Revision der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte, Mutter von zwei Kindern, das dritte Kind ohne Wissen ihres Ehemanns abgetrieben, die Schwangerschaft und Geburt des vierten Kindes vor ihrer Familie verheimlicht, schon vor seiner Geburt Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen und es unmittelbar danach zur Adoption freigegeben. Bei den Erklärungen zur Vermittlung und Anmeldung des Kindes hatte sie die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht, den Notartermin hatte sie mit Ausreden hinausgeschoben. Die Angeklagte wollte wegen der finanziellen und häuslichen Situation der Familie kein weiteres Kind aufziehen. Zwei Monate nach der Geburt dieses Kindes wurde die Angeklagte erneut schwanger. Auch die Schwangerschaft und Geburt des fünften Kindes am 19. Dezember 1998 verheimlichte die Angeklagte ihrem Ehemann. Nachdem sie das Kind zunächst im Krankenhaus belassen hatte, holte sie es zwei Tage später im Beisein einer Jugendamtsmitarbeiterin ab. Zu Hause legte sie das Kind in der Waschküche in einen Schlafsack, zog den Reißverschluß zu und bedeckte ihn mit einem Berg von Wäschestücken. Das Kind erstickte.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch enthält Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten.

a) Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht ist von bedingtem Tötungsvorsatz ausgegangen. Nach den Feststellungen, hat die Angeklagte das Kind aus einem plötzlichen Entschluß heraus - "das Kind muß weg”- getötet. Ange-
sichts dessen und der erkennbar äußerst gefährlichen Handlung ist für die Annahme , die Angeklagte habe den Tod des Kindes nicht als sichere Folge ihres Handelns vorausgesehen (und damit auch gewollt), kein Raum. Das kann auch für die Ermittlung der Beweggründe der Angeklagten Bedeutung haben.

b) Das Landgericht hat einen Mord aus niedrigen Beweggründen verneint , weil der Angeklagten nicht ausschließbar das Bewußtsein gefehlt habe, daß ihr Handeln nach allgemeiner sittlicher Wertung auf niedrigster Stufe lag. Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken.
Zwar ist es richtig, daß sich der Täter bei einem Handeln aus niedrigen Beweggründen bei der Tat der Umstände bewußt sein muß, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, wobei es allerdings – entgegen den mißverständlichen Urteilsausführungen – bedeutungslos ist, ob der Täter seine Motive selbst als niedrig bewertet (BGH NStZ 1989, 363; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27). Ob diese subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, kann aber nicht beurteilt werden, ohne daß zuvor geklärt und dargelegt worden ist, welche Motivation der Tat zugrunde lag und ob diese Motivation als niedrig einzustufen ist.
Das Landgericht hat es unterlassen, das Tötungsmotiv der Angeklagten festzustellen. Nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Tötungsvorsatz hat es ausgeführt, daß sich die Angeklagte in einem Zwiespalt befunden habe, weil sie die Schwangerschaft vor dem Ehemann, der Verwandtschaft und Bekanntschaft verschwiegen hatte. Auch wenn es danach naheliegend ist, daß die Angeklagte aus Angst und Scham vor den Konsequenzen einer Offenbarung gehandelt hat, die möglicherweise nicht nur sie, sondern – bei Ehepro-
blemen – auch ihre Kinder getroffen hätte, lassen sich die konkreten Tatantriebe der – wie an anderer Stelle ausgeführt – von ihrem Leben überforderten Angeklagten dem Urteil nicht entnehmen.
Von dieser dem Tatrichter obliegenden Pflicht zur Feststellung und umfassenden Würdigung konnte hier auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Angeklagte – wovon das Landgericht ausgegangen ist – sich spontan zur Tötung des Kindes entschlossen hat. Abgesehen davon, daß sich diese Annahme unter anderem auf die Einlassung der Angeklagten stützt, nach der tatauslösend die Erinnerung an die – nach den Feststellungen nicht stattgefundene - Vergewaltigung gewesen sei, ist die Annahme niedriger Beweggründe auch bei einer Spontantat nicht ausgeschlossen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11). Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und der psychischen Verfassung der Angeklagten aber Anlaß sein, die subjektive Seite des Mordmerkmals besonders sorgfältig zu prüfen.
2. Der Strafausspruch enthält Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten , die zu seiner Aufhebung auf die Revision der Angeklagten führen.
Das Landgericht hat u. a. folgende gegen die Angeklagte sprechende Umstände aufgeführt:
”Durch die Tötung des Säuglings zerstörte die Angeklagte ihre Familie. Ihre zwei zur Tatzeit zehn und sechs Jahre alten Kinder haben aufgrund der bevorstehenden langen Haftstrafe während wichtiger Entwicklungsphasen ihre Mutter nicht an ihrer Seite. Darüber hinaus wurde den Kindern durch die Tat
der Angeklagten deutlich vor Augen geführt, daß ihrer Mutter die Kinder wenig wert sind, zumal sie ein weiteres Kind zur Adoption freigegeben hatte. Auch hat die Angeklagte einen hohen Vertrauensbruch gegenüber ihrem Mann begangen. Mit für die Ehe wichtigen gemeinsamen Entscheidungen hat sie es nicht genau genommen, sie hat ihrem Mann gegenüber drei Schwangerschaften verschwiegen. Sie hat sich ohne Rücksprache mit diesem zu einer Abtreibung und zu einer Freigabe zur Adoption entschieden und beides auch durchgeführt. Als letztes sprach auch gegen die Angeklagte, daß sie in ihrem persönlichen Umfeld die nachhaltigen Komplikationen erst auslöste, in dem sie immer wieder Lügengeschichten verbreitete.”
Diese Strafzumessungserwägungen sind rechtlich bedenklich. Insbesondere hat die Strafkammer damit Umstände verwertet, die nicht im schuldrelevanten Zusammenhang mit der Tat stehen.
Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten darf bei der Strafzumessung nur Berücksichtigung finden, wenn eine Beziehung zu der Tat besteht , die Rückschlüsse auf eine höhere Tatschuld zuläßt. Ein solcher die Tatschuld erhöhender Zusammenhang des ehelichen Fehlverhaltens der Angeklagten bei der vorangegangenen dritten und vierten Schwangerschaft mit der Tötung des fünften Kindes, die durch das Verschweigen dieser fünften Schwangerschaft veranlaßt war, ist im Urteil nicht dargetan.
Auch soweit die Strafkammer strafschärfend die Folgen der langen gegen die Angeklagte verhängten Haftstrafe berücksichtigt hat, handelt es sich um Umstände, die nicht geeignet sind, die Tatschuld zu kennzeichnen. Zudem führt diese Erwägung – in der Art eines Zirkelschlusses - zu einer weiteren
Verlängerung der Haftstrafe mit den der Angeklagten vorgeworfenen ungünstigen Folgen.
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

3
1. Die neu bemessene Einzelstrafe im Falle VI. 3 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Gesamtstrafenausspruch. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: "Der von der Revision geltend gemachte Verstoß gegen das Verbot der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO begründet wegen eines Eingriffs in eine zu Gunsten des Angeklagten wirkende Teilrechtskraft der oberen Bestrafungsgrenze ein Verfahrenshindernis, das von Amts wegen zu beachten ist (BGHSt 14, 5, 7; BGH wistra 2000, 475). lm Strafausspruch zu Fall Vl.3 der Urteilsgründe hat die Strafkammer gegen das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) verstoßen , indem sie hierfür eine Einzelstrafe von 4 Jahren 3 Monaten verhängt hat, obwohl der erste Tatrichter lediglich eine Einzelstrafe von 4 Jahren festgesetzt hatte. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil das Verschlechterungsverbot nach Zurückverweisung der Sache nicht nur eine Erhöhung der Gesamtstrafe ausschließt, sondern grundsätzlich auch eine Erhö- hung der Einzelstrafen nicht zulässt (BGHSt 1, 252ff; 13, 41f; BGH NStZ-RR 1998, 265; StV 1999, 419; wistra 2000, 475). Diese Einzelstrafe kann daher keinen Bestand haben. Eine Herabsetzung dieser Strafe auf das zulässige Maß von 4 Jahren kommt nicht in Betracht, da der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer bei Beachtung des Verschlechterungsverbots auf eine niedrigere als die im früheren Urteil verhängte Einzelstrafe erkannt hätte. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Strafkammer gegenüber dem Urteil vom 6. September 2011 im Fall lV.1 der Urteilsgründe eine um 3 Monate geringere und im Fall lV.2 der Urteilsgründe eine um 9 Monate geringere Strafe verhängt hatte. Der Wegfall dieser Einzelstrafe - der Einsatzstrafe - zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die jeweils rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen."
33
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen überschritten werden darf; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) hindert lediglich an einer die Summe der bisherigen Einzelstrafen überschreitenden neu festzu- setzenden Einzelstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168).
5 StR 594/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 13 Fällen schuldig ist, und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Einbeziehung der rechtskräftigen Einzelstrafen aus einer zäsurbildenden früheren Verurteilung und unter Aufrechterhaltung der dort angeordneten Maßregeln – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 36 Fällen und wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen in 24 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen, zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daneben hat es den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen in sechs Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den – über den mit der gleichen Zielrichtung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehenden – aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Urteilsfeststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen. Sie rechtfertigen allerdings das vom Landgericht angenommene Konkurrenzverhältnis der Taten nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ab. Er schließt aus, dass sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3
a) Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit nach § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen liegt eine Beihilfe im Sinne des § 52 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet (vgl. BGH NStZ 2000, 83). Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGHSt 46, 107, 116; vgl. zum Ganzen auch Jäger wistra 2000, 344, 346).
4
b) Nach diesen Grundsätzen hält die Verurteilung des Angeklagten wegen jeweils selbständiger Fälle der Beihilfe (§ 53 StGB) rechtlicher Nach- prüfung nicht stand, soweit der Angeklagte durch dieselben Unterstützungshandlungen sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer und von Lohnsteuer als auch zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt Beihilfe geleistet hat. Vielmehr ist der Angeklagte – ohne dass sich der Schuldumfang verändert – lediglich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelten in 13 Fällen schuldig. Danach gilt hier grundsätzlich, dass der Angeklagte bezogen auf jeden Monat nur eine Tat begangen hat, indem er den Haupttätern Scheinrechnungen überließ, auf deren Grundlage diese für die A. S. GmbH unrichtige Umsatzsteuererklärungen, unrichtige Lohnsteueranmeldungen sowie unrichtige Sozialversicherungsbeitragsnachweise abgaben. Allerdings sind dabei die Auswirkungen etwaiger Quartalsanmeldungen und Jahreserklärungen zu beachten.
5
aa) Die erste strafbare Beihilfe des Angeklagten umfasst dessen gesamte Unterstützungstätigkeit zu allen sich auf das Jahr 2002 beziehenden und im Rahmen der Geschäftstätigkeit der A. S. GmbH begangenen Haupttaten der Hinterziehung von Umsatzsteuer und Lohnsteuer sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt. Mit der Erstellung und Übergabe von Scheinrechnungen im Zeitraum von Juli bis Dezember 2002 unterstützte der Angeklagte monatlich jeweils sowohl die Einreichung unrichtiger Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen als auch die Fertigung und Einreichung unrichtiger Beitragsnachweise für die Sozialversicherung. Somit leistete der Angeklagte mit sechs Tatbeiträgen zu insgesamt 18 Haupttaten Hilfe. Da mit diesen Tatbeiträgen aber jeweils zugleich die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 erleichtert werden sollte, mithin alle Unterstützungshandlungen auch der Förderung dieser Haupttat dienten, liegt insoweit insgesamt nur eine einheitliche Beihilfe im Sinne von § 52 StGB zu allen 19 Haupttaten vor (vgl. Jäger aaO).
6
bb) Die vom Angeklagten im Zeitraum von Januar bis März 2003 mit der Überlassung von Scheinrechnungen für die A. S. GmbH geleisteten Unterstützungshandlungen bilden eine weitere einheitliche Beihilfe zu den in diesem Zeitraum begangenen Haupttaten der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen, der Hinterziehung von Lohnsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Quartalsanmeldung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt durch Einreichung unrichtiger Beitragsnachweise. Denn sämtliche in diesem Zeitraum vom Angeklagten erstellten Scheinrechnungen dienten auch der Förderung der Lohnsteuerhinterziehung durch Einreichung einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das erste Quartal 2003.
7
cc) Gleiches gilt für die Hinterziehung von Umsatz- und Lohnsteuer sowie das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitraum von April bis Juni 2003 mit Blick auf die Hilfeleistung zur Hinterziehung der Lohnsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das zweite Quartal 2003. Dass der Angeklagte mit den im Jahr 2003 geleisteten Unterstützungshandlungen auch zur Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2003 Hilfe geleistet habe, hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein derartiger Tatvorwurf ist auch nicht aus dem Verfahren nach § 154a StPO ausgeschieden worden.
8
dd) Für den Zeitraum von August 2003 bis März 2004 hat das Landgericht als Beihilfehandlungen des Angeklagten die Gründung einer weiteren Scheinfirma (der K. GmbH) und die Einweisung des gesondert verfolgten St. in das Ausstellen und die Weitergabe von Scheinrechungen festgestellt (UA S. 15 f., 36). Wieviele Scheinrechnungen der Angeklagte selbst in diesem Tatzeitraum übergab und welchen Anmeldezeitraum diese Rechnungen betrafen, konnte das Landgericht nicht feststellen. Der Senat schließt insoweit weitergehende Feststellungen in einem neuen Rechtsgang aus. Damit kann für diesen Zeitraum nur von einer einheitlichen Beihilfehandlung des Angeklagten durch seinen Organisationsbeitrag bei Beginn der Deliktsserie ausgegangen werden.
9
Dieser Organisationsbeitrag und die im Juli 2003 noch unter einer anderen Scheinfirma (der D. GmbH) vom Angeklagten übergebenen Scheinrechnungen förderten zugleich dieselbe Haupttat, nämlich die Abgabe der unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das dritte Quartal 2003. Daher bilden diese beiden Handlungen eine Tat im Sinne des § 52 StGB. Die Beihilfe zur Lohnsteuerhinterziehung für das dritte Quartal 2003 steht ihrerseits mit der Beihilfe zur Hinterziehung der Umsatzsteuer und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt für den Monat Juli 2003 in Tateinheit. Damit ist für den Tatzeitraum von Juli 2003 bis März 2004 von einer Tat im Sinne des § 52 StGB auszugehen.
10
ee) Im verbleibenden Tatzeitraum von Dezember 2004 bis August 2005 hat der Angeklagte in jedem Monat eine selbständige Beihilfe im Sinne des § 52 StGB zu den im Rahmen der A. S. GmbH verwirklichten Haupttaten der Hinterziehung von Lohnsteuer sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt begangen. Mit der Übergabe von Scheinrechnungen hat er jeweils zugleich zur Hinterziehung von Lohnsteuern als auch zu einer Tat nach § 266a StGB Hilfe geleistet.
11
c) Der Senat sieht gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon ab, in der Urteilsformel bei jedem Einzelfall die gleichartige Tateinheit zum Ausdruck zu bringen. Hierdurch würde der Tenor unübersichtlich; dies widerspräche dem Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH wistra 2007, 388, 391 m.w.N.).
12
2. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt hier die Aufhebung sämtlicher Einzel- und Gesamtstrafen. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen sind jeweils höhere Hinterziehungsbeträge zugrundezulegen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den hier vorliegenden Rechtsfehlern nicht.
13
3. Für die Festsetzung der neuen 13 Einzelstrafen weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen darf überschritten werden. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen. Es ist bei dieser Sachlage lediglich geboten, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Überdies hat es bei Einzelgeldstrafen zu verbleiben, soweit im betreffenden Gesamtkomplex bisher nur Einzelgeldstrafen verhängt worden sind (vgl. etwa die für die im Tatzeitraum von Januar bis März 2003 oder im Dezember 2004 begangenen Beihilfehandlungen verhängten Einzelgeldstrafen ). Schließlich dürfen die beiden neu zu bildenden Gesamtstrafen nicht höher sein als die bisherigen (st. Rspr.; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3, 7, 12 m.w.N.).
15
Der neue Tatrichter wird bei der Strafbemessung auch zu bedenken haben, dass sich allein durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses der Gesamtunrechtsgehalt der Taten nicht verringert hat. Insbesondere die rechtsfehlerfrei festgestellten Hinterziehungsbeträge bleiben hiervon unberührt. Allerdings wird das neue Tatgericht bei der Strafzumessung im Hinblick auf die Hinterziehung der Umsatzsteuer für das Jahr 2002 zu beachten haben , dass sich die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Dezember 2002 und die Umsatzsteuerjahreserklärung 2002 auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines Besteuerungszeitraumes beziehen und sich der Unrechtsgehalt teilweise überschneidet, wenn auch nicht vollständig deckungsgleich ist (vgl. BGHSt 49, 359, 362 ff.; BGH wistra 2005, 145, 146 f.). Der neue Tatrichter sollte – soweit sich das Verfahren auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2002 bezieht – eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO auf den Tatvorwurf der Beihilfe zu der durch die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 begangenen Steuerhinterziehung in Betracht ziehen (vgl. auch dazu BGHSt aaO S. 365; BGH aaO).
16
Etwa zu treffende neue Feststellungen dürfen zugrundegelegt werden, wenn sie den nunmehr rechtskräftigen nicht widersprechen.
Basdorf Gerhardt Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 313/02
vom
19. November 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu 1. wegen Zuhälterei u.a.
zu 2. und 3. wegen schweren Menschenhandels u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten D. , P. und N. wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 15. April 2002 im Schuldspruch dahin geändert, daß
a) der Angeklagte D. der Zuhälterei in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Ausbeutung von Prostituierten,
b) der Angeklagte P. des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern jeweils in Tateinheit mit Zuhälterei und Ausbeutung von Prostituierten in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, sowie der gefährlichen Körperverletzung ,
c) der Angeklagte N. des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei und Ausbeutung von Prostituierten in vier Fällen, davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und in einem dieser Fälle in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, sowie der Zuhälterei in Tateinheit mit Ausbeutung von Prostituierten in einem weiteren Falle und
d) der Mitangeklagte J. der Beihilfe in zwei Fällen der Zuhälterei in Tateinheit mit Ausbeutung von Prostituierten schuldig sind. 2. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das vorbezeichnete Urteil in dem diesen Angeklagten betreffenden gesamten Strafausspruch aufgehoben. 3. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das genannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie über die Einzelstrafen im ersten "Schleusungskomplex" (15. Oktober 2000; zum Nachteil S. , "I. "), im vierten „Schleusungskomplex“ (Juni 2001; zum Nachteil Da. und L. ), wegen vorsätzlicher Körperverletzung (zum Nachteil S. ) und wegen der Fälle der Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution zum Nachteil "K. ", "R. " und B. aufgehoben. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten D. , P. und N. werden verworfen. 5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten D. und N. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 6. Der Angeklagte P. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägerinnen erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat verurteilt: 1. den Angeklagten D. wegen "17 Fällen der tateinheitlichen Zuhälterei und Förderung der Prostitution" zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren , 2. den Angeklagten P. wegen "acht Fällen des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern, jeweils zugleich mit Zuhälterei und Förderung der Prostitution, davon in zwei Fällen zugleich mit schwerem Menschenhandel, sowie in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung" zur Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, 3. den Angeklagten N. wegen "sechs Fällen des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern, jeweils zugleich mit Zuhälterei und Förderung der Prostitution, davon in zwei Fällen zugleich mit schwerem Menschenhandel , außerdem in drei Fällen" wegen "tateinheitlicher Zuhälterei und Förderung der Prostitution sowie wegen eines Falles der vorsätzlichen Körperverletzung" zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren,
4. den nichtrevidierenden Mitangeklagten J. wegen "Beihilfe in drei tateinheitlichen Fällen sowie in zwei tateinheitlichen Fällen der Zuhälterei und Förderung der Prostitution" zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die Angeklagten D. , P. und N. wenden sich hiergegen mit ihren Revisionen und rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision des Angeklagten P. erhebt überdies Verfahrensrügen, die jedoch aus den Erwägungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift vom 20. August 2002 nicht durchgreifen. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils führt zu einer Änderung der Schuldsprüche sowie - soweit die Angeklagten D. und N. betroffen sind - zur vollständigen bzw. teilweisen Aufhebung des Strafausspruchs. Im übrigen bleiben die Rechtsmittel ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). I. Die Schuldsprüche bedürfen der Änderung. 1. Das Landgericht hat den Tatbestand der Förderung der Prostitution (§ 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB aF) angewandt und dabei nicht bedacht, daß der Gesetzgeber diesen mit Wirkung vom 1. Januar 2002 und damit vor Urteilsfindung durch das Landgericht neu und enger gefaßt und die Deliktsbezeichnung geändert hat (durch Art. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten - ProstG - vom 20. Dezember 2001, BGBl. I 3983). Die geänderte Vorschrift wäre hier als das den Angeklagten ersichtlich günstigere Recht anzuwenden gewesen (§ 2 Abs. 3 StGB). Während § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB aF (Förderung der Prostitution) u.a. voraussetzte, daß die Prostitutionsausübung durch Maßnahmen gefördert wird, welche über das bloße Gewähren von
Wohnung, Unterkunft oder Aufenthalt und die damit üblicherweise verbundenen Nebenleistungen hinausgehen, verlangt der nunmehrige Tatbestand der Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a Abs. 1 StGB nF), daß die Prostituierte in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten wird. Er entspricht insoweit der Begehungsform des § 180a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF. Der Senat kann den Schuldspruch ändern. Die vom Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergeben ohne weiteres, daß die Tatopfer hier in persönlicher Abhängigkeit gehalten wurden, mithin auch der neue Tatbestand der Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a Abs. 1 StGB nF) erfüllt ist. Davon ausgenommen ist lediglich der erste den Angeklagten D. betreffende Komplex (sieben ungarische Frauen). Aus den Urteilsgründen folgt in ihrem Zusammenhang, daß der Angeklagte D. im zweiten, dritten und vierten Komplex (fünf litauische Frauen von P. , erst zwei, dann drei litauische Frauen von N. ) sowie die Angeklagten P. und N. die Frauen in einem Abhängigkeitsverhältnis hielten, das deren persönliche Selbstbestimmung erheblich beschränkte (vgl. zum Maßstab, auch zum Tatbestandsmerkmal des Unterhaltens oder Leitens eines Betriebes nur BGH NStZ 1995, 179/180). Ihnen wurden die Arbeitszeiten vorgegeben, sie wurden beaufsichtigt, durften nicht ohne Erlaubnis und großenteils nicht ohne Begleitung außer Haus gehen und erhielten ihren Anteil am Dirnenlohn nicht ausgezahlt, um sie gefügig zu halten. Hinsichtlich des Lohns gab es lediglich für die vom Angeklagten N. vermittelte Prostituierte Ba. während des zweiten Teiles ihres Aufenthaltes in Deutschland eine Ausnahme, die jedoch an der Beschränkung der persönlichen Selbstbestimmung im übrigen ersichtlich nichts zu ändern vermag.
Eine erhebliche Beschränkung der persönlichen Selbstbestimmung läßt sich den Feststellungen allerdings hinsichtlich der im Lokal des Angeklagten D. zunächst tätigen sieben ungarischen Frauen nicht entnehmen (UA S. 12/13: Tätigkeit von "A. ", Z. , Sz. , M. , Ju. , Du. , V. vom März bis April 2001). Deshalb kann es insoweit nur bei einem Schuldspruch wegen Zuhälterei verbleiben. Eine tateinheitlich verwirklichte Ausbeutung von Prostituierten im Sinne des § 180a Abs. 1 StGB nF wird von den Feststellungen insoweit nicht getragen. Die Annahme einer tateinheitlichen Förderung der Prostitution nach § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB aF hat in diesem Tatkomplex zu entfallen (§ 2 Abs. 3 StGB). Soweit der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert hat (§ 180a Abs. 1 StGB nF anstatt § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB aF, mit Ausnahme eines Falles betreffend den Angeklagten D. ), hätten sich die Angeklagten ersichtlich nicht anders als geschehen verteidigen können. Abgesehen davon, daß sie bereits auch wegen ausbeuterischer Zuhälterei angeklagt waren, ist in der Hauptverhandlung ein rechtlicher Hinweis ergangen, demzufolge auch eine Verurteilung nach § 180a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF in Betracht komme, der inhaltlich mit § 180a Abs. 1 StGB nF übereinstimmt (vgl. zum Hinweis Anlage 10 zum Protokoll vom 15. April 2002). Der Zusammenhang der Hinweise ergab, daß auch für den Angeklagten N. der Vorwurf nach § 180a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF (merkmalsgleich mit § 180a Abs. 1 StGB nF) im Raume stand. 2. Überdies hat die Strafkammer die Zahl der den Angeklagten P. und N. angelasteten Fälle in der Urteilsformel nicht zutreffend bezeichnet ; der Senat ändert dies entsprechend der Behandlung der Einzelfälle durch die Kammer in den Urteilsgründen, namentlich bei der Strafbemessung. Dar-
über hinaus hat die Kammer die Konkurrenzverhältnisse nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei beurteilt; auch daraus ergeben sich Schuldspruchänderungen. Das Landgericht hat die Angeklagten P. und N. betreffend angenommen, daß die Taten des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern die damit im Zusammenhang stehenden Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Frauen zur Tateinheit verbinden (§ 52 StGB; vgl. dazu BGH NStZ 2000, 657, 660 f.). Dementsprechend hat es für die einzelnen "Schleusungskomplexe" nur eine Einzelstrafe festgesetzt, obgleich zumeist jeweils mehrere Frauen geschleust wurden und geschädigt waren. In der Urteilsformel hingegen hat die Strafkammer die Fallzahl ersichtlich an der Zahl der jeweils geschädigten Frauen ausgerichtet. Das steht mit der rechtlichen Würdigung und der Strafbemessung - die jeweils zutreffend sind - nicht im Einklang. Auch für die sog. "Nichtschleusungsfälle" gilt, daß die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Tatopfer wegen der teilweisen Identität der Ausführungshandlungen jeweils zu Komplexen zusammenzufassen sind, und zwar eingedenk der Höchstpersönlichkeit der durch die einschlägigen Tatbestände geschützten Rechtsgüter (vgl. dazu nur BGHR StGB § 181a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 3, § 181a Abs. 2 Konkurrenzen 1; siehe weiter BGH NStZ 2000, 657). Insoweit kann auch mit einem Körperverletzungsdelikt zum Nachteil einer Prostituierten Tateinheit bestehen, wenn diese Tat dazu dient, die Geschädigte zur Fortsetzung der Prostitution zu bewegen (vgl. nur BGH, Urt. vom 16. Februar 1993 - 5 StR 673/92). Danach ergibt sich folgendes:
a) Der Angeklagte P. hat in den ihm angelasteten "Schleusungskomplexen" jeweils nur eine Tat begangen. Obgleich acht Frauen betroffen waren , fallen ihm nur vier Taten sowie eine gefährliche Körperverletzung (zum Nachteil S. ) zur Last, wie das Landgericht in der rechtlichen
Würdigung und in seiner Strafzumessung zutreffend sieht. Dementsprechend hat es auch nur fünf Einzelstrafen angesetzt. Der Senat sieht keinen Anlaß, die Konkurrenzverhältnisse zwischen dem zweiten und dritten "Schleusungskomplex" anders zu beurteilen als das Landgericht. Die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil S. steht zu den übrigen Tatbeständen - wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei annimmt - in Tatmehrheit. Sie diente nicht unmittelbar dazu, die Geschädigte zur Fortsetzung der Prostitution zu bewegen. Vielmehr ließ der Angeklagte P. seine Wut an der Frau aus und wollte klarmachen, was es bedeute, sich ihm zu widersetzen und ihn nicht über wichtige Vorgänge (hier das Verhalten Dritter, die sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb seines Einflußbereichs befanden) zu unterrichten (vgl. UA S. 34). Der Senat paßt die Urteilsformel der rechtlichen Würdigung und den Strafzumessungsgründen des Landgerichts an. Auf die Strafbemessung hat das ersichtlich keinen den Angeklagten belastenden Einfluß, zumal das Landgericht im ersten "Schleusungskomplex" übersehen hat, daß die Höchststrafe nicht fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt, sondern nach § 92a Abs. 2 AuslG zehn Jahre Freiheitsstrafe, was den Angeklagten indes nicht beschwert.
b) Dem Angeklagten N. sind vier "Schleusungskomplexe" zuzurechnen , die sechs Frauen betreffen. Mithin hat er insoweit vier Taten begangen , bei denen die jeweils weiter verwirklichten Tatbestände zueinander in Tateinheit stehen. Das gilt hier auch hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil S. . Diese steht zu den im ersten "Schleusungskomplex" (Schleusung vom 15. Oktober 2000) verwirklichten Tatbeständen (u.a. § 181 Abs. 1 Nr. 3, § 181a Abs. 1 Nr. 2, § 180a Abs. 1 StGB) in weiterer Tateinheit, weil er die Frau "während eines Streits um die Fortsetzung
der Prostitution" mißhandelte (UA S. 38). Auch die vom Landgericht angenommenen drei selbständigen Taten zum Nachteil "K. ", "R. " und B. (vgl. UA S. 39, 57; "Nichtschleusungsfälle", § 181a Abs. 1 Nr. 2, § 180a Abs. 1 StGB) stehen untereinander nicht in Tatmehrheit, weil der Zusammenhang des Urteils auch insoweit Teilidentität der Ausführungshandlungen hinsichtlich "K. " und "R. " einerseits belegt; andererseits ist die Tat zum Nachteil der B. dem sog. vierten "Schleusungskomplex" zuzuschlagen, weil diese gemeinsam mit Da. und L. der Prostitution nachgehen mußte (UA S. 43). Die Aussprüche über die Gesamtstrafe und die Einzelstrafen gegen den Angeklagten N. in den genannten betroffenen Fällen (vgl. Beschlußtenor Ziff. 3) unterliegen folglich der Aufhebung. Die Einzelstrafen in den "Schleusungskomplexen" zwei und drei (Schleusungen vom 13. März 2001 und vom April 2001 betreffend Ba. und Pa. ) können indes bestehen bleiben. Für die insoweit abgeurteilten Taten bedingt die Aufhebung der anderen Einzelstrafen ersichtlich keine Veränderung des Unrechtsgehalts. Auswirkungen der neu festzusetzenden Einzelstrafen auf die beiden bestehen bleibenden Strafen, die dem Angeklagten günstig sein könnten , sind daher auszuschließen, zumal lediglich Fassungsmängel der Urteilsformel und Wertungsfehler hinsichtlich der Konkurrenzen in Rede stehen und die Strafkammer auch hier im "Schleusungskomplex" drei die Höchststrafdrohung aus § 92a Abs. 2 AuslG übergangen hat. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht in denjenigen Fällen, in denen neue Einzelstrafen festzusetzen sind, einer höheren als der bisherigen Einzelstrafe nicht grundsätzlich entgegen. Vom Landgericht als selbständig erachtete Taten (Tatmehrheit) sind als solche entfallen (mit den
zugehörigen Einzelstrafen); sie sind jetzt mit anderen Taten zur Tateinheit verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser nun zur Tateinheit zusammen gefaßten Taten ist damit erhöht. Das Verschlechterungsverbot, welches grundsätzlich auch für Einzelstrafen gilt, gebietet bei dieser Sachlage deshalb nur, daß die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der jeweils neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Überdies darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als bisher ausfallen (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3, 7; BGH, Beschluß vom 27. November 1997 - 5 StR 464/97; Kuckein in KK 4. Aufl. § 358 Rdn. 30 m.w.N.; Ruß ebendort § 331 Rdn. 2a m.N.; siehe auch schon RGSt 62, 61, 63; 62, 74, 76).
c) Die dem Angeklagten D. angelasteten 17 Einzelfälle, die 17 Frauen betreffen, sind ebenfalls wegen Teilidentität der Ausführungshandlungen zu vier Taten zusammenzufassen. Die sieben ungarischen Frauen (März bis April 2001), die von P. vermittelten fünf litauischen Frauen (April bis Mai 2001), die zunächst zwei (Mai bis Juni 2001), später drei weiteren litauischen Frauen (Juni 2001), die für den Angeklagten N. tätig waren, arbeiteten in dem selben Bordell bei dem Angeklagten D. unter grundsätzlich ähnlichen Bedingungen. Der Zusammenhang der Urteilsgründe belegt, daß die Ausführungshandlungen des Angeklagten D. gegenüber diesen Prostituierten in den vier Gruppen zumindest teilweise zusammenfielen und identisch waren (siehe nur BGHR StGB § 181a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 3). Da insoweit keine der Einzelstrafen gegen den Angeklagten D. bestehen bleiben kann, ist der gesamte Strafausspruch gegen diesen Angeklagten aufzuheben. Für die neue Straffindung gilt hinsichtlich des Verschlechterungsverbots das bereits Ausgeführte (siehe oben I.2.b).
II. Die Schuldspruchänderung ist auf den Mitangeklagten J. zu erstrecken, der in zwei Fällen Beihilfe zu den Taten des Angeklagten P. ("Schleusungskomplexe" zwei und drei) geleistet hat (§ 357 StPO). Auswirkungen auf die Strafzumessung insoweit sind zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen. III. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils können vollumfänglich bestehen bleiben, auch soweit die Strafaussprüche aufzuheben sind; denn insoweit stehen lediglich Wertungsfehler und Fassungsmängel in Rede. Der neue Tatrichter wird die bezeichneten Einzelstrafen und die Gesamtstrafen für die Angeklagten N. und D. neu festzusetzen haben. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind statthaft. IV. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Revision des Angeklagten P. folgt daraus, daß dieses Rechtsmittel im Ergebnis erfolglos bleibt (§ 473 Abs. 1 StPO). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 490/00
URTEIL
vom 19. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. März 2000 im Strafausspruch aufgehoben, 1. soweit der Angeklagte in 25 Fällen zu Geldstrafen verurteilt worden ist; 2. in den Fällen 5 und 71 der Urteilsgründe; 3. im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e

I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die wirksam auf einen Teil des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, führt zur Aufhebung der angefochtenen Einzelstrafen und der Gesamtstrafen.

1. Der Angeklagte ist seit 1980 als Steuerberater in München selbständig tätig. Im Dezember 1990 übernahm er daneben in beratender Funktion eine Tätigkeit für die Treuhandanstalt in Berlin. Im Hinblick auf die hohen Vergütungen für Liquidationen im Auftrag der Treuhandanstalt bewarb er sich Mitte 1992 mit Erfolg um entsprechende Aufträge und wurde seitdem als Liquidator mit der Abwicklung zahlreicher Unternehmen betraut, bei denen überwiegend die Treuhandanstalt alleinige Gesellschafterin war.
Im Rahmen dieser Tätigkeit, die jeweils auf der Grundlage von Liquidatorenverträgen und zuvor getroffener Honorarvereinbarungen durchgeführt wurde, entnahm der Angeklagte bei 15 Unternehmen in der Zeit von Dezember 1992 bis Juli 1999 pflichtwidrig insgesamt 13,1 Millionen DM. Die entnommenen Beträge, die jährlich zwischen 75.000 DM (1992) und 3,3 Millionen DM (1995) lagen, verbrauchte er für eigene Zwecke, zum Teil dienten sie ihm zur Verdeckung vorangegangener pflichtwidriger Entnahmen. In den Büchern der von ihm verwalteten Firmen und in den Rechenschaftsberichten für die Treuhandanstalt stellte er diese Beträge als liquide Mittel dar, die angeblich auf Verwaltungskonten zinsbringend angelegt waren.
2. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung im wesentlichen nach der Schadenshöhe differenziert; es hat in 25 Fällen bei Schäden bis 75.000 DM Geldstrafen von 90 Tagessätzen, in 44 Fällen bei Schäden bis 500.000 DM – unter Bejahung besonders schwerer Fälle – Freiheitsstrafen von sechs Monaten sowie im Fall 5 (Schaden von 1,2 Millionen DM) eine Freiheitsstrafe von neun Monaten und im Fall 71 (Schaden von 1,9 Millionen DM) eine solche von einem Jahr als Einsatzstrafe festgesetzt. Aus diesen Einzelstrafen hat das Landgericht sodann gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB die vorgenannten Gesamtstrafen gebildet.
3. Die Beschwerdeführerin greift die Einzelstrafaussprüche nur hinsichtlich der 25 Geldstrafen, der beiden höchsten Einzelfreiheitsstrafen und
der Gesamtstrafenbildung an. Die 44 Einzelstrafen von sechs Monaten sind davon ausdrücklich ausgenommen; sie sind damit rechtskräftig.

II.


Der Rechtsfolgenausspruch hält in mehrfacher Hinsicht rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ob die verhängten Sanktionen, soweit sie angefochten sind, noch innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegen oder ob sie sich allein im Blick auf die Höhe des angerichteten Schadens bereits – nach unten – von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 29, 319, 320), kann dahinstehen. Sie können schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil ihre Begründung Anlaß zu durchgreifenden Bedenken gibt.
1. Es ist dem Tatrichter versagt, Gesichtspunkte der Strafzumessung im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 – Begründung 19). Die Wendung, eine „zwingend zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe“ erscheine „der Kammer bei Beachtung aller Strafzwecke nicht tunlich“ (UA S. 9), begründet die Besorgnis, daß das Landgericht sich bei der angesichts der Höhe der Einzelschäden und des Gesamtschadens äußerst milden Sanktionierung gerade von solchen verbotenen Erwägungen ausschlaggebend leiten ließ.
2. Zudem ist im Zusammenhang mit der Festsetzung der Einzelstrafen die Erwägung des Landgerichts nicht nachvollziehbar, die Taten seien nicht Ausdruck einer besonderen, von verwerflichem Gewinnstreben geprägten kriminellen Energie; sie seien „nicht zuletzt auch aus einer Konfliktscheu der Treuhand/BVS gegenüber“ entstanden, weil der Angeklagte meinte, höhere Honorare beanspruchen zu können. Wenn der Angeklagte den Weg einer gerichtlichen Klärung seiner diffusen vermeintlichen Ansprüche ebenso wie eine Kündigung seiner Verträge mit der Treuhand vermied, weil ihm „hierfür die Honorare zu attraktiv erschienen”, und stattdessen heimlich Entnahmen in Millionenhöhe tätigte, so kann dieses Verhalten nur als verwerfliches Gewinnstreben bezeichnet werden. Außerdem vermag es den Angeklagten nur geringfügig zu entlasten, wenn er Teile der unrechtmäßigen Entnahmen dazu verwendet hat, Veruntreuungen zu Lasten anderer Firmen zu verschleiern.
3. Schließlich drängt sich in Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den Einzelfällen mit geringeren Schäden auf. In Fällen dieser Art muß die Bewertung der Gesamtserie ersichtlich im Vordergrund stehen. Damit erweist sich die fehlende Erörterung von § 47 StGB hier als rechtsfehlerhaft.
4. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die der Gesamtstrafen nach sich. Diese könnten abgesehen davon auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in wesentlich gleich gelagerten Fällen bei Bestimmung der Gesamtsanktion fernliegt (vgl. BGH, Beschluß vom 17. April 1996 – 5 StR 93/96 –) und für sich die Besorgnis begründet , daß sich der Tatrichter auch insoweit rechtsfehlerhaft von dem Gedanken hat leiten lassen, dem Angeklagten in jedem Fall eine Bewährungschance einräumen zu wollen (vgl. BGHSt 29, 319, 320).
5. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den gegebenen Wertungsfehlern nicht. Der neue Tatrichter hat die Neubestimmung der aufgehobenen Einzelstrafen und des Gesamtstrafausspruchs aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen zu treffen, die er lediglich – nicht notwendig – durch weitere nicht widersprechende Feststellungen ergänzen darf.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Brause

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.