Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10

bei uns veröffentlicht am20.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 291/10
vom
20. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 12. März 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes unter Einbeziehung des Urteils (richtig: der Strafe aus dem Urteil) des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. Dezember 2009 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richtet sich die wirksam mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Entscheidung der Strafkammer, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Die Strafkammer hat die Voraussetzungen des § 64 StGB für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bejaht. Gleichwohl hat sie unter Verweis auf § 62 StGB von einer Anordnung der Maßregel abgesehen. Die im Rahmen der Bewährungsentscheidung erteilte Weisung, wonach der Angeklagte sich einer Entziehungskur zu unterziehen und die diesbezüglichen Anstrengungen binnen vier Monaten nach Rechtskraft des Urteils dem Gericht unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht nachzuweisen habe, sei als mildere Möglichkeit anzusehen, um den Angeklagten ohne die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu therapieren und zukünftig ohne Drogen auskommen zu lassen. Der Angeklagte, der es in der Vergangenheit sogar mit einer ambulanten Therapie geschafft habe, längere Zeit drogenfrei zu leben, habe die dringende Notwendigkeit erkannt, sein Suchtproblem zu lösen, und bereits ernsthafte Anstrengungen unternommen, einen Therapieplatz zu erhalten. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, den Angeklagten den besonderen Belastungen des geschlossenen Maßregelvollzugs auszusetzen.
4
Abgesehen davon, dass die Begründung des Landgerichts jegliche Auseinandersetzung mit dem Gewicht der Anlasstat und der Bedeutung der von dem Angeklagten infolge seines Hangs zu erwartenden Taten vermissen lässt, halten diese Ausführungen einer rechtlichen Prüfung schon deshalb nicht stand, weil die Strafkammer im Rahmen ihrer Verhältnismäßigkeitserwägungen von einer zu vollstreckenden Maßregel ausgegangen ist, ohne die Möglichkeit einer Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung nach § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB geprüft zu haben.
5
Nach der Vorschrift des § 62 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen oder zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die in der Norm als Bezugspunkte der Prüfung genannten Kriterien in einer Gesamtbetrachtung zusammenfassend zu würdigen und zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs in Beziehung zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1971 - 2 StR 82/71, BGHSt 24, 134, 135; Urteil vom 6. Juni 2001 - 2 StR 136/01, NJW 2001, 3560, 3562).
6
Da das Gewicht des mit der Unterbringungsanordnung einhergehenden Eingriffs maßgeblich von der Frage der Vollstreckung der Maßregel abhängt, hätte die Strafkammer vorrangig prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67b Abs. 1 StGB vorliegen. Nach dieser Norm, mit welcher gerade dem Bedürfnis Rechnung getragen werden soll, den Vollzug einer angeordneten Unterbringung zu vermeiden, wenn der Zweck der Maßregel durch mildere Maßnahmen erreicht werden kann (vgl. MünchKommStGB/Veh § 67b Rdn. 1), ist mit der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Als besonderer Umstand im Sinne des § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB kommen auch Therapiebereitschaft und Bemühungen zur Aufnahme einer stationären Suchtbehandlung jedenfalls dann in Betracht, wenn die mit der Führungsaufsicht nach § 67b Abs. 2 StGB gegebenen Überwachungsmöglichkeiten und die Aussicht eines im Falle eines Weisungsverstoßes drohenden Widerrufs der Vollstreckungsaussetzung eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sich der Angeklagte der beabsichtigten, die Gefahr weiterer Taten ausschließenden Entwöhnungsbehandlung unterzieht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - 4 StR 154/01, RuP 2002, 192; Beschluss vom 22. März 1988 - 4 StR 97/88, BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 2).
7
2. Die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Strafgesetzbuch - StGB | § 67b Aussetzung zugleich mit der Anordnung


(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßrege

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juni 2001 - 2 StR 136/01

bei uns veröffentlicht am 06.06.2001

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja I. Veröffentlichung: ja StPO § 414 Abs. 2 Der Antrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens kann im Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft noch im Beschwerdeverfahren nach Ablehnung der Eröffnung des Ha
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 StR 291/10.

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Mai 2019 - 3 StR 87/19

bei uns veröffentlicht am 02.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 87/19 vom 2. Mai 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:020519U3STR87.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Mai 2019, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 3 StR 287/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 2 8 7 / 1 4 vom 8. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2018 - 4 StR 356/18

bei uns veröffentlicht am 22.11.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 356/18 vom 22. November 2018 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2018:221118U4STR356.18.0 Der 4. Strafsenat

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja I.
Veröffentlichung: ja
Der Antrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens kann im Strafverfahren von
der Staatsanwaltschaft noch im Beschwerdeverfahren nach Ablehnung der Eröffnung
des Hauptverfahrens gestellt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 136/01
vom
6. Juni 2001
in dem Sicherungsverfahren
gegen
wegen Beleidigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni 2001,
an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 3. November 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Die Verfahrensvoraussetzung einer zulässigen Antragsschrift und eines demgemäß wirksamen Eröffnungsbeschlusses ist gegeben. Im einzelnen: Dem Verfahren liegen zwei ursprünglich an das Amtsgericht St. Goar gerichtete Anklagen vom 12. August und 9. November 1999 zugrunde. In dem
einen Strafverfahren hat die Staatsanwaltschaft Koblenz vom 23. Dezember 1999 die einstweilige Unterbringung des Beschuldigten nach § 126 a StPO beantragt und im Hinblick auf die zu erwartende Maßregelanordnung die Vorlage der Akten an das Landgericht gemäß § 209 Abs. 2 StPO oder § 225 a StPO angeregt. Durch Beschluß vom 7. Februar 2000 hat das Landgericht Koblenz nach Verbindung der beiden Verfahren das Sicherungsverfahren bezüglich der Tat II.4. eröffnet und im übrigen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Gegen die teilweise Nichteröffnung des Sicherungsverfahrens hat die Staatsanwaltschaft Koblenz fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und in der Beschwerdebegründung ausdrücklich die Eröffnung des Sicherungsverfahrens beantragt. Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit Beschluß vom 15. März 2000 auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Sicherungsverfahren auch hinsichtlich der weiteren Taten eröffnet. Die Antragsschrift nach § 414 Abs. 2 StPO ist Prozeßvoraussetzung für das Sicherungsverfahren und wird durch eine Anklageschrift nicht ersetzt (Fischer in KK 4. Aufl. Rdn. 9 ff; Gössel in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. Rdn. 18; Pfeiffer StPO 3. Aufl. Rdn. 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. Rdn. 3 jeweils zu § 414). Auf eine die Durchführung des Strafverfahrens bezweckende Anklageschrift kann das Hauptverfahren im Sicherungsverfahren nicht eröffnet werden, weil der Eröffnungsrichter damit in unzulässiger Weise in das hinsichtlich der Durchführung des selbständigen Sicherungsverfahrens bestehende Ermessen der Staatsanwaltschaft eingreifen würde (RGSt 72, 143). Am Fehlen des erforderlichen Antrags nach § 414 Abs. 2 StPO vermag auch die nachträgliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Eröffnung des Sicherungsverfahrens nichts zu ändern.
Der Antrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens kann jedoch von der Staatsanwaltschaft als Hilfsantrag mit einer Anklageschrift verbunden (RGSt aaO, Fischer aaO Rdn. 10; Gössel aaO) oder im weiteren Verlauf des Zwischenverfahrens gestellt werden (aA wohl Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 416 Rdn. 1). Auch in diesem Fall ist das Einleitungsermessen der Staatsanwaltschaft gewahrt. Im übrigen ist die Staatsanwaltschaft bis zu einer Eröffnungsentscheidung des Gerichts ohnehin befugt, die Anklageschrift zurückzunehmen und eine Antragsschrift nach § 414 Abs. 2 StPO neu einzureichen. Die Stellung eines Sicherungsverfahrensantrags ist darüber hinaus auch noch im Beschwerdeverfahren nach Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens möglich. Die Entscheidungsfreiheit der Staatsanwaltschaft wird nicht eingeschränkt und die Verteidigungsinteressen des Beschuldigten sind durch dessen Beteiligung im Beschwerdeverfahren gewahrt. Daß eine Anklage über den Wortlaut des § 156 StPO hinaus auch nach einem die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Beschluß von der Staatsanwaltschaft nicht mehr zurückgenommen werden kann (OLG Frankfurt JR 1986, 470; Schoreit in KK 4. Aufl. § 156 Rdn. 4; Rieß in Löwe/Rosenberg 24. Aufl. § 156 Rdn. 7), steht dem nicht entgegen. Denn diese Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit dient dazu, dem Angeschuldigten die Sperrwirkungen des § 211 StPO zu erhalten (Rieß aaO; Meyer-Goßner JR 1986, 471, 472). Die Vorschrift des § 211 StPO steht aber bei einer Ablehnung der Eröffnung des Strafverfahrens wegen Schuldunfähigkeit der anschließenden Durchführung eines Sicherungsverfahrens gerade nicht entgegen (Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 211 Rdn. 5; Rieß aaO § 211 Rdn. 7). Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 23. Dezember 1999 nicht als Hilfsantrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens ausgelegt werden. Die einstweilige Unterbringung in
§ 126 a StPO ist ebenso wie die Unterbringung nach § 63 StGB ohne weiteres im Strafverfahren möglich. In der Antragsbegründung wird ausgeführt, daß aufgrund der vorliegenden gutachterlichen Ä ußerungen von einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit des Beschuldigten auszugehen und das Vorliegen der Maßregelvoraussetzungen durch eine ausführliche Begutachtung im Verlauf des weiteren Strafverfahrens zu klären sei. Der Antrag auf Durchführung des Sicherungsverfahrens ist jedoch bezüglich der vom Landgericht nicht eröffneten Taten II.1.-3. und 5.-8. von der Staatsanwaltschaft in dem sofortigen Beschwerdeverfahren - nach dem oben Ausgeführten wirksam - gestellt worden. Hinsichtlich dieser Taten liegen somit die Verfahrensvoraussetzungen einer Antragsschrift nach § 414 Abs. 2 StPO und eines Eröffnungsbeschlusses vor. Da die Taten II.3. und II.4. (Nr. 3 und 4 der Anklageschrift vom 12. August 1999 - Sachakten Bd. II AS 248) einen einheitlichen geschichtlichen Lebensvorgang und damit eine prozessuale Tat im Sinne von § 264 StPO darstellen und eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 a StPO nicht gewollt war - aufgrund der Verfahrenskonstellation stellte sich diese Frage im Beschwerdeverfahren weder für die Staatsanwaltschaft noch für das Oberlandesgericht -, erfaßt die Eröffnungsentscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. März 2000 auch die Tat II.4.. Der Eröffnungsbeschluß des Landgerichts vom 7. Februar 2000 steht dem nicht entgegen , da die Eröffnung des Sicherungsverfahrens durch das Landgericht wegen des Fehlens eines dahingehenden Antrags der Staatsanwaltschaft unwirksam war.

II.

Nach den Feststellungen wurde bei dem Beschuldigten, der in den Jahren 1973 und 1981 jeweils wegen Totschlags verurteilt worden ist, anläßlich
seiner letzten Verurteilung eine schwere Persönlichkeitsstörung festgestellt. Diese zeigte sich darin, daß der Beschuldigte in seinem Verhalten und seiner Einstellung jegliche Schwäche und eigenes Versagen leugnete und auf Kritik an Fehlverhalten mit verbalen Attacken gegen diejenigen Personen reagierte, die ihn tatsächlich oder vermeintlich kritisierten oder herabsetzten. Nach der Verurteilung im Jahre 1981 entwickelte sich beim Beschuldigten eine von der sachverständig beratenen Strafkammer als krankhafte seelische Störung qualifizierte chronische wahnhafte Störung, die durch die Wahnvorstellung geprägt ist, Personen der Justiz, unfähige Gutachter und andere Feinde wollten ihn vernichten. Infolge dessen fühlte sich der Beschuldigte zunehmend von einem undurchschaubaren System von “Naziseilschaften” bedroht und verfolgt. Nach seiner Haftentlassung zog der Beschuldigte 1989 nach Bo. - Bu. . Nachdem er im Herbst 1996 den späteren Bürgermeister von Bo. Dr. B. anläßlich eines von diesem während des Wahlkampfs durchgeführten Hausbesuchs kennengelernt hatte, ging der Beschuldigte davon aus, daß Dr. B. Bestandteil des undurchschaubaren Systems sei, das ihn bedrohe und verfolge. Um sich dagegen zur Wehr zu setzen, beschmierte er im Oktober 1997 eine öffentliche Unterführung mittels eines nicht abwaschbaren Filzstiftes mit der Aufschrift "SPD-Bürgermeister B. benutzt Nazimethoden gegen erwerbsunfähige Sozialhilfeempfänger !!!" (Fall II.1.). In der Folgezeit warf er Dr. B. u.a. in Flugblättern vor, ihn zu terrorisieren, und kündigte dabei an, sich gegen diese Terrorakte zu wehren. Dr. B. , der sich und seine Familie bedroht fühlte, versuchte daraufhin vergeblich, die Einweisung des Beschuldigten in eine psychiatrische Klinik zu erreichen. Nach dem Scheitern dieser Versuche wandte er sich an die Medien, worauf im April 1999 der S. und im September 1999 das Nachrichtenmagazin F. über den Beschuldigten berichteten. Am 7. Juni 1999 stellte sich der Beschuldigte in
eine Unterführung in Bo. und hielt ein Schild mit der Aufschrift "B. , das kalte Herz" vor seinen Körper (Fall II.2.). Am 25. Juni 1999 demonstrierte der Beschuldigte an einer Bushaltestelle gegen den Bürgermeister, indem er ein Schild mit der Aufschrift "Jesus wäre gegen Dr. B. " trug. Als die auf den Bus wartende Zeugin A. -W. äußerte, daß das doch nichts bringe, reagierte er heftig und fragte die Zeugin, ob sie den "Arsch" auch gewählt habe (Fall II.3.). Daß der Beschuldigte anschließend ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8 cm zog, es der Zeugin vor den Bauch hielt und dabei äußerte, wer mit Dr. B. z usammenarbeite, werde ihn kennenlernen, genauso wie Dr. B. ihn kennenlernen werde, hat die Strafkammer nicht festgestellt (Fall II.4.). Am 26. Juli 1999 trug der an der Straße stehende Beschuldigte ein Schild mit der Aufschrift "B. jagt Menschen wie Tiere" um den Hals. Von Polizeibeamten hierauf angesprochen äußerte er, Dr. B. verfolge und vernichte Menschen ähnlich der Judenverfolgung im Dritten Reich (Fall II.5.). Nachdem der Bericht über den Beschuldigten im Nachrichtenmagazin F. erschienen war, stand der Beschuldigte an drei Tagen im September 1999 jeweils an einer Straße in Bo. , wobei er einmal ein Schild mit der Aufschrift "B. Rufmord für TV" und an den beiden anderen Tagen ein Plakat mit der Aufschrift "Bürgermeister begeht Rufmord" trug (Fall II.6.-8.). Dem Beschuldigten fehlte wegen seiner chronischen wahnhaften Störung im gesamten Tatzeitraum jedes Unrechtsbewußtsein. Aufgrund seines Verfolgungswahns besteht die Gefahr, daß der Beschuldigte an sich harmlose Situationen derart verzerrt wahrnimmt, daß ihm eine gewaltsame Notwehr gerechtfertigt erscheint. Daraus ergibt sich die erhöhte Gefahr, daß er Gewalttaten begehen wird, durch die die Opfer erheblich geschädigt werden können.

III.

Das Landgericht hat die Tat II.1. als gemeinschädliche Sachbeschädigung nach § 304 Abs. 1 StGB und die Taten II.3. und 5. als Beleidigungen nach § 185 StGB gewertet und auf dieser Grundlage die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB bejaht. Unter Hinweis auf § 62 StGB hat es dennoch die Anordnung der Maßregel abgelehnt, weil die Unterbringung angesichts der geringfügigen Anlaßtaten unverhältnismäßig sei. Diese Erwägung der Strafkammer hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Die Ablehnung der Maßregelanordnung kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die von der Strafkammer vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung den sich aus § 62 StGB ergebenden rechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Nach der Vorschrift des § 62 StGB darf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen oder zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht. Die Norm nennt damit drei voneinander zu unterscheidende Kriterien, die als Bezugpunkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen sind. Dabei darf die Zulässigkeit der Maßregel jedoch nicht nach ihrem Verhältnis zu jedem einzelnen der in § 62 StGB bezeichneten Elemente beurteilt werden. Vielmehr sind alle Merkmale insgesamt zu würdigen und zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (BGHSt 24, 134, 135; BGH StV 1999, 489). Da die Unterbringung nach § 63 StGB ihrem Zweck nach auf die Verhinderung künftiger Taten abzielt, wird bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung regelmäßig der Bedeutung der in Zukunft zu erwartenden Rechtsverlet-
zungen besonderes Gewicht zukommen. Die Anordnung der Maßregel kann deshalb auch dann zulässig sein, wenn die bisherigen Taten für sich betrachtet weniger gewichtig erscheinen, in Zukunft aber Taten von erheblicher Schwere zu erwarten sind (BGHSt 24, 134, 135; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 62 Rdn. 2; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 62 Rdn. 5). Daß die festgestellten Anlaßtaten die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten, berührt somit weder das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen nach § 63 StGB (BGH NStZ 86, 237 und JR 1977, 169; Tröndle/Fischer aaO § 63 Rdn. 2 a; Stree aaO § 63 Rdn. 18), noch stellt es - für sich allein betrachtet - die Verhältnismäßigkeit der Unterbringung in Frage. Diesen Grundsätzen trägt das angefochtene Urteil nicht ausreichend Rechnung. Die Strafkammer leitet ihre sich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit befassenden Urteilsausführungen zwar mit der wörtlichen Wiedergabe des § 62 StGB ein. Die nachfolgenden Erörterungen befassen sich aber nahezu ausschließlich mit dem Gewicht der festgestellten Anlaßtaten. Eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung der nach den Feststellungen vom Beschuldigten zu erwartenden Gewalttaten, die mit einer erheblichen Schädigung der Opfer einhergehen können, sowie mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit solcher Taten im Rahmen einer alle Kriterien des § 62 StGB umfassenden Gesamtwürdigung läßt das Urteil demgegenüber vermissen. Soweit die Strafkammer bei der Würdigung der beiden Tötungsdelikte auf das Fehlen gewalttätiger Reaktionen in der Zeit nach der Haftentlassung abhebt, setzt sie sich zudem in Widerspruch zu ihren Feststellungen zur Gefährlichkeit des Beschuldigten. 2. Weitere durchgreifende sachlich-rechtliche Bedenken erheben sich darüber hinaus gegen die tatrichterliche Bewertung der als Anlaßtaten in Betracht kommenden Fälle II.2., 4., 6.-8..

a) Soweit das Landgericht sich im Fall II.4. nicht von einer vom Beschuldigten begangenen Drohung mit seinem gezogenen Taschenmesser hat überzeugen können, hält die Beweiswürdigung der Strafkammer der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Zeugin A. -W. hat in der Hauptverhandlung angegeben, der Beschuldigte habe das Opinel-Messer gezogen, es in kurzem Abstand vor ihr in ihre Richtung gehalten und dabei die Drohung wiederholt, wer mit B. z usammenarbeite , werde ihn kennenlernen. Als eine alte Frau gekommen sei, habe der Beschuldigte das Messer wieder weggesteckt. Einige Zeit später habe sie - ebenso wie der Beschuldigte - den Bus bestiegen und sei nach Hause gefahren. Von dort habe sie Dr. B. angerufen, ihn gefragt, welches Problem er mit dem Beschuldigten habe, und auf Nachfrage von Dr.B. von dem Vorfall berichtet. Von der Richtigkeit dieser Schilderung hat sich die Strafkammer nicht zu überzeugen vermocht, weil die Zeugin sich nicht an die Polizei oder, um ihn von sich aus als Amtsperson zum Einschreiten zu bewegen, an den Bürgermeister gewandt, sondern erst auf dessen Nachfrage hin von dem Vorfall berichtet habe. Darüber hinaus habe sie in ihrer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am 26. Juli 1999 ausgesagt, nach dem Vorfall völlig erschrocken gewesen zu sein, so daß sie vor lauter Angst eine Woche nicht in die Stadt gegangen sei, während die Angelegenheit nach ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung für sie keine große Bedeutung gehabt habe. Bei der Würdigung der Aussage der Zeugin hat die Strafkammer indessen nicht berücksichtigt , daß der den Messereinsatz bestreitende Beschuldigte eingeräumt hat, das Opinel-Messer bei der Begegnung mit der Zeugin in seiner Bauchtasche mit sich geführt zu haben, und daß das Messer kurze Zeit nach dem Vorfall von
der Polizei bei ihm sichergestellt wurde. Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen , daß die Zeugin unabhängig von dem Vorfall Kenntnis von dem Mitführen des Messers hatte, spricht dieser Umstand eher für die Richtigkeit ihrer Schilderung. Des weiteren hat sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt , welchen Anlaß die Zeugin, der der Beschuldigte bis zu dem Vorfall unbekannt war, dafür haben sollte, den Beschuldigten fälschlicherweise zu belasten. Bei der Bewertung des Verhaltens der Zeugin nach der Tat ist schließlich die naheliegende Möglichkeit unbeachtet geblieben, daß die Zeugin in dem Telefonat mit Dr. B. von der strafrechtlichen Vorbelastung des Beschuldigten erfuhr und ihre Einschätzung des Vorfalls durch diese Information nachhaltig verändert wurde.
b) In den Fällen II. 2., 6.-8. bei denen schon zweifelhaft sein kann, ob der Tatbestand der Beleidigung überhaupt als erfüllt anzusehen ist, was der Tatrichter zu prüfen hat, ist die Annahme des Landgerichts, die Kundgaben des Beschuldigten seien als Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt, ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern. Der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB setzt voraus, daß bei Abwägung der einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten (BGHSt 18, 182, 184) sich die Ehrverletzung nach den konkreten Umständen als angemessenes Mittel der Interessenwahrnehmung darstellt (Tröndle/Fischer aaO § 193 Rdn. 9). Die hiernach erforderliche umfassende Interessenabwägung fehlt im angefochtenen Urteil. Insoweit wird der neu entscheidende Tatrichter zu beachten haben, daß die Auseinandersetzung vom Beschuldigten begonnen und durch sein Verhalten u.a. bei der Tat II.1. in die Öffentlichkeit getragen wurde.
c) Das im Fall II.1. festgestellte Verhalten des Beschuldigten erfüllt nicht den Tatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung nach § 304 Abs. 1
StGB, da die Beschädigung der Unterführung durch den Schriftzug deren dem öffentlichen Nutzen dienende Funktion nicht beeinträchtigte (vgl. BayObLG StV 1999, 543; Stree aaO § 304 Rdn. 9). Es liegt jedoch eine Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB vor, hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft in der Anklage vom 12. August 1999 das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat. Vizepräsident Dr. Jähnke Detter Otten befindet sich in Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Detter Fischer Elf

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.