Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12

bei uns veröffentlicht am21.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 29/12
vom
21. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. März 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 24. Oktober 2011, soweit es den Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilungen jeweils wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in den Fällen II. 17, 23 bis 29, 31 der Urteilsgründe entfallen;
b) aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Bildung einer Gesamtstrafe aus den Geldstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Neustadt vom 13. Januar 2011 und des Amtsgerichts Potsdam vom 18. April 2011 unterblieben ist, mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist;
c) hinsichtlich der Einziehungsanordnung dahin berichtigt, dass die SIM-Karte mit der Nummer eingezogen worden ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

1
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang einen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilungen wegen jeweils tateinheitlich begangenen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in den Fällen II. 17, 23 bis 29 und 31 der Urteilsgründe haben keinen Bestand, weil die Strafbarkeit wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG hinter dem Verbrechenstatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zurücktritt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 280/09, StV 2010, 131; Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 60/08, NStZ 2008, 471). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Die Einzelstrafaussprüche bleiben unberührt, da ausgeschlossen werden kann, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte.
3
2. Der Strafausspruch begegnet insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als es das Landgericht versäumt hat, aus den nach § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB aufrechterhaltenen Geldstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Neustadt vom 13. Januar 2011 und des Amtsgerichts Potsdam vom 18. April 2011, die nach den Urteilsfeststellungen untereinander gesamtstrafenfähig sind, eine Gesamtgeldstrafe zu bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 1974 - 3 StR 217/74, BGHSt 25, 382). Der Senat macht von der im Revisionsverfahren - auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 1 StR 196/10) - eröffneten Möglichkeiten des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
4
3. Hinsichtlich der Einziehungsentscheidung der Strafkammer berichtigt der Senat den offensichtlichen Fehler bei der Bezeichnung der eingezogenen SIM-Karte.
5
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Sie musste nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben, weil sicher fest steht, dass die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten nur einen geringfügigen Teilerfolg hat.
Ernemann Roggenbuck Cierniak RiBGH Dr. Mutzbauer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Bender Ernemann

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2009 - 3 StR 280/09

bei uns veröffentlicht am 24.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 280/09 vom 24. September 2009 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. zu 2.: Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2008 - 3 StR 60/08

bei uns veröffentlicht am 03.04.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 60/08 vom 3. April 2008 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. April 2008, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2010 - 1 StR 196/10

bei uns veröffentlicht am 01.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 196/10 vom 1. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 gemäß §§ 349 A
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2012 - 4 StR 29/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Feb. 2016 - 4 StR 513/15

bei uns veröffentlicht am 04.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 513/15 vom 4. Februar 2016 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:040216B4STR513.15.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Besc

Referenzen

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 280/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
zu 2.: Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) mit dessen Zustimmung, zu 3.
auf dessen Antrag - am 24. September 2009 gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten O. gegen das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 18. Februar 2009 wird
a) die Strafverfolgung gegen diesen Angeklagten gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe jeweils auf den Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln beschränkt;
b) der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte O. jeweils der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig ist.
2. Auf die Revision der Angeklagten L. wird das vorgenannte Urteil, soweit es sie betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte
a) in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe jeweils des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie
b) im Fall II. 5 der Urteilsgründe der Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen "unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte L. hat es wegen "Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen" auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, mit denen beide die Ver- letzung sachlichen Rechts rügen; der Angeklagte O. beanstandet zudem das Verfahren.
2
Die Rechtsmittel führen - nach teilweiser Beschränkung der Strafverfolgung gegen den Angeklagten O. - zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderungen. Darüber hinaus bleiben sie aus den Gründen der Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 26. Juni 2009 ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte O. führte in vier Fällen 38 Gramm (Fall II. 1 der Urteilsgründe) bzw. 30-50 Gramm (Fälle II. 2 bis 4 der Urteilsgründe) einer Heroinzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 1,5 Gramm Heroinhydrochlorid aus den Niederlanden nach Deutschland ein, wo er es der Angeklagten L. übergab. Die Hälfte dieser Betäubungsmittel war für den gewinnbringenden Verkauf bestimmt; diese wog und verpackte die Angeklagte L. zu verkaufsfertigen Portionseinheiten. Anschließend half sie dem Angeklagten O. bei dem Verkauf des Heroins, indem sie Bestellungen von Käufern entgegennahm und an ihn weiterleitete sowie bei russischsprachigen Interessenten dolmetschte. Die andere Hälfte verbrauchte die Angeklagte L. für sich.
4
Im Fall II. 5 der Urteilsgründe führte der Angeklagte O. 50,61 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 13,06 Gramm Heroinhydrochlorid nach Deutschland ein. Hierbei fuhr er - wie auch schon bei den vorangegangenen Taten - mit einem geliehenen Pkw, den ihm die Angeklagte L. in Kenntnis des Zwecks der Fahrten vermittelt hatte. Auf der Rückfahrt wurde er in Deutschland vorläufig festgenommen; die Drogen wurden sichergestellt.
5
II. Auf der Grundlage dieser Feststellungen haben die Schuldsprüche keinen Bestand.
6
1. Dies gilt zunächst, soweit in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe der Angeklagte O. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Angeklagte L. jeweils wegen Beihilfe hierzu verurteilt worden ist.
7
Von dem Heroin, das der Angeklagte O. in diesen Fällen in den Niederlanden erwarb und nach Deutschland einführte, war der Anteil, den die Angeklagte L. für ihren Eigenverbrauch erhielt, nicht zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte O. ihr die Drogen gewinnbringend verkaufte, sie überhaupt an sie veräußerte oder beim Erwerb in den Niederlanden noch beabsichtigt hatte, mit der Gesamtmenge Handel zu treiben. Wird aber eine nicht geringe Menge eines Betäubungsmittels erworben, die sodann - wie von vornherein beabsichtigt - aufgeteilt und unterschiedlichen Verwendungen zugeführt wird, so richtet sich die rechtliche Bewertung dieses Vorgangs nach der unterschiedlichen Zweckbestimmung der jeweiligen Teilmenge (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5).
8
a) Danach hat der Angeklagte O. tateinheitlich zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG nur mit der dazu bestimmten Hälfte des eingeführten Heroins Handel getrieben; weil dieser Anteil nach den Feststellungen einen Wirkstoffgehalt von 0,75 Gramm Heroinhydrochlorid enthielt und damit unterhalb des Grenzwerts der nicht geringen Menge lag, hat der Angeklagte insoweit lediglich den Vergehenstatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht.
9
Hinsichtlich der anderen Hälfte des in den Niederlanden angekauften und der Angeklagten L. in Deutschland ausgehändigten Heroins gilt Folgendes:
10
aa) Bei dem Erwerb dieser Teilmenge durch den Angeklagten O. mit dem Ziel, sie der Mitangeklagten L. ohne Gegenleistung zu überlassen, handelt es sich wegen der serbischen Staatsangehörigkeit des Angeklagten O. um die Auslandstat eines Ausländers, für die das deutsche Strafrecht nicht gilt; denn der Vertrieb von Betäubungsmitteln im Sinne des § 6 Nr. 5 StGB umfasst den Erwerb von Rauschgift im Ausland nur dann, wenn sich dieser als unselbständiger Teilakt eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, also eines eigennützigen Tätigwerdens darstellt (vgl. BGHSt 34, 1; BGH StV 1992, 65, 66 jew. für den Erwerb zum Eigenverbrauch).
11
Außerdem träte das Vergehen des Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ohnehin hinter dem Verbrechenstatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zurück (vgl. BGH NStZ 1994, 548; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 3; OLG Düsseldorf OLGSt BtMG § 29 a Nr. 2; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 a Rdn. 170; Rahlf in MünchKomm-StGB § 29 a BtMG Rdn. 91). Dieser wiederum ginge wegen seines grundsätzlichen Charakters als Auffangtatbestand in dem mit einer höheren Mindestfreiheitsstrafe bedrohten Verbrechenstatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG auf (vgl. BGHSt 25, 385; 42, 162, 165 f.; Weber aaO § 29 Rdn. 1250; Kotz in MünchKomm-StGB § 29 BtMG Rdn. 562), so dass die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge deren vorangegangenen Erwerb verdrängt (BGH NStZ 2008, 471; aA Winkler NStZ 2009, 433, 435).
12
bb) Soweit der Angeklagte O. sich in diesen Fällen durch die Weitergabe der Hälfte des Heroins an die Angeklagte L. zu deren Eigenkonsum gleichzeitig auch der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht haben könnte, hat der Senat die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts jeweils auf den Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln beschränkt.
13
Der Senat neigt insoweit entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. zum Veräußern: BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 3) der Auffassung zu, dass in Fällen, wie sie hier zu beurteilen sind, die Abgabe der unterhalb des Grenzwerts zur nicht geringen Menge liegenden Betäubungsmittel - wie das Handeltreiben - zu dem Delikt der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit steht. Das beruht auf folgenden Erwägungen:
14
Zunächst besteht zwischen dem Handeltreiben und der Abgabe hier keine Bewertungseinheit (vgl. dazu etwa BGHSt 30, 28, 31), weil das für die Angeklagte L. bestimmte Heroin zu keiner Zeit zur gewinnbringenden Veräußerung vorgesehen war. Aus diesem Grund kann auch der gemeinsame Erwerb der Betäubungsmittel das Handeltreiben mit der einen Hälfte und die Abgabe der anderen nicht zu einer einheitlichen Tat des Handeltreibens verbinden.
15
Die Abgabe der Betäubungsmittel gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG wird - anders als der Erwerb - auch nicht von dem Verbrechenstatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verdrängt. Mit der Einstufung des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Verbrechen nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 9. September 1992 (BGBl I 1302, 1305) sollte der abstrakten Gefahr der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Dritte Rechnung getragen werden, die insbesondere von einer nicht geringen Menge ausgeht (BGHSt 42, 162, 165; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 3). Dies mag es nach allgemeinen Grundsätzen rechtfertigen, Vergehen nach § 29 BtMG, die im Vorfeld der Besitzbegründung liegen oder dazu führen, in dem Verbrechenstatbestand nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aufgehen zu lassen. Der Bereich der abstrakten Gefährdung, der den Grund für die Verbrechensstrafbarkeit des Besitzes einer nicht geringen Rauschgiftmenge bildet, ist jedoch verlassen, wenn durch die Weitergabe der Betäubungsmittel an Dritte eine konkrete Gefahr begründet wird (vgl. BGHSt 42, 162, 166). Deshalb kann in diesen Fällen der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch den Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG nicht verdrängen; die Delikte stehen vielmehr in Tateinheit zueinander. Dieses Konkurrenzverhältnis ist für den Fall, dass zum Besitz der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge das Handeltreiben mit einer unterhalb dem Grenzwert liegenden Menge hinzutritt , anerkannt (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; BGH, Beschl. vom 2. Dezember 1997 - 1 StR 698/97; Weber aaO Rdn. 163; Zschockelt NStZ 1998, 238, 240). Nichts anderes darf dann für die sonstigen Delikte gelten, durch die der Kreis der Personen, die auf das Rauschgift zugreifen können, erweitert wird (vgl. auch BGHSt aaO).
16
Wird aber die Abgabe von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht vom Besitz nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdrängt, ergibt sich auch aus dem Verhältnis zwischen Einfuhr und Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kein Zurücktreten des im Anschluss an die Einfuhr verwirklichten Vergehens der Abgabe von Betäubungsmitteln. Dies gebietet nicht zuletzt die Klarstellungsfunktion des § 52 Abs. 1 StGB, weil nur so deutlich wird, dass die gesamte nicht geringe Menge nicht nur in das Bundesgebiet eingeführt worden, sondern hier auch in den Verkehr gelangt ist.
17
b) Die Angeklagte L. hat in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe nur Beihilfe zu dem Vergehen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 27 StGB geleistet, weil nur die einen Wirkstoffgehalt unterhalb des Grenzwerts zur nicht geringen Menge enthaltende Hälfte des Heroins für den gewinnbringenden Verkauf durch den Angeklagten O. vorgesehen war.
18
Die Angeklagte L. hat darüber hinaus in diesen Fällen bezüglich der gesamten Betäubungsmittelmenge, die ihr der Angeklagte O. jeweils übergeben hatte, den Verbrechenstatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verwirklicht. Dass die Taten in der Anklageschrift nicht auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt worden waren und die Angeklagte L. nicht auch insoweit angeklagt worden war, steht - entgegen der Ansicht des Landgerichts - einer entsprechenden Verurteilung nicht entgegen. Aufgrund der umfassenden Kognitionspflicht des Tatrichters hatte die Strafkammer die angeklagten Taten, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellten, ohne Bindung an die dem Eröffnungsbeschluss und der unverändert zugelassenen Anklage zugrunde liegende rechtliche Beurteilung erschöpfend abzuurteilen; dass sie dies unterließ, war rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2008, 471, 472). Aus diesem Grund ist auch der Senat nicht gehindert, den Schuldspruch dahingehend zu ändern.
19
Zugleich hat die Angeklagte L. dem Angeklagten O. aber auch Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 27 StGB) geleistet, indem sie ihm in Kenntnis des Zwecks der Fahrten die Gelegenheit vermittelte, sich das Fahrzeug für die Einfuhrfahrten zu leihen.
20
Das täterschaftlich begangene Delikt des Besitzes ist hier kein unselbständiges , im Handeltreiben aufgehendes Teilstück des Geschehens, weil die Angeklagte L. nicht in Täterschaft mit den Betäubungsmitteln Handel getrieben hat; liegt insoweit nur Beihilfe vor, so ist Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln möglich (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 1). Hier vermag zudem die Beihilfehandlung zu dem Vergehen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln den täterschaftlich begangenen Verbrechenstatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) wegen der höheren Strafdrohung nicht zu einer Bewertungseinheit zu verbinden. Die Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geht aus den gleichen Gründen ebenfalls nicht in der Beihilfe zum Handeltreiben auf (vgl. BGHSt 31, 163, 165 f.).
21
2. Im Fall II. 5 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch hingegen Bestand, soweit die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. Beihilfe dazu verurteilt worden sind, weil auch dann, wenn naheliegenderweise erneut die Hälfte des eingeführten Heroins für den Eigenkonsum der Angeklagten L. bestimmt gewesen wäre, der verbleibende Teil oberhalb des Grenzwertes zur nicht geringen Menge lag. Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Verurteilung des Angeklagten O. wegen tateinheitlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
22
Hinsichtlich der Angeklagten L. tritt hingegen auch in diesem Fall zu der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich die Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzu (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 27 StGB). Die Beihilfehandlung liegt hier einheitlich in der Vermittlung des Fahrzeugs, mit dem der Angeklagte O. die Betäubungsmittel einführte. Die Annahme einer Bewertungseinheit scheidet aus, weil der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesichts der niedrigeren Mindeststrafdrohung des § 29 a Abs. 1 BtMG als das weniger schwere Delikt erscheint und deshalb zwischen beiden Tateinheit anzunehmen ist (BGHSt 40, 73, 75). Dies gilt wegen ihrer Akzessorietät zur Haupttat auch für die durch eine Handlung begangene Beihilfe zu diesen beiden tateinheitlich verwirkten Delikten (vgl. Weber aaO vor § 29 Rdn. 274 f.).
23
3. Die durch die abweichende rechtliche Beurteilung der Taten notwendigen Änderungen der Schuldsprüche hat der Senat vorgenommen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO hindert die teilweise vorgenommene Verschärfung des Schuldspruchs ebenfalls nicht (Paul in KK 6. Aufl. § 331 Rdn. 2).
24
III. Die Strafaussprüche werden von den Schuldspruchänderungen nicht berührt.
25
1. Dies folgt hinsichtlich des Angeklagten O. bereits daraus, dass die Strafkammer den Strafrahmen in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe zutreffend der Vorschrift des § 30 Abs. 1 BtMG entnommen hat, der von der Schuldspruchänderung nicht betroffen ist. Bei der Prüfung eines minder schweren Falles und bei der Bemessung der konkreten Strafhöhe hat das Landgericht vorrangig auf die Menge und die Gefährlichkeit der eingeführten Betäubungsmittel sowie auf deren Weitergabe an einen Abnehmerkreis von mehreren Personen abgestellt. Diese Erwägungen treffen unabhängig von der Weitergabe der Hälfte des Heroins an die Angeklagte L. zu. Der Senat kann deshalb und auch angesichts der nur geringfügig über der jeweiligen Mindeststrafe liegenden Einzelstrafen ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Beurteilung mildere Einzelstrafen verhängt hätte.
26
2. Für die Angeklagte L. gilt Folgendes: Bei zutreffender rechtlicher Beurteilung hätte die Strafkammer wegen des täterschaftlich begangenen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die Einzelstrafen in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe dem Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG entnehmen müssen und diesen nicht gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB mildern dürfen. Die Mindeststrafe hätte danach in allen Fällen nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe betragen. Selbst wenn das Landgericht insoweit von einem minder schweren Fall ausgegangen wäre - dies liegt indes fern, da es die Annahme eines minder schweren Falles der Beihilfe zum Handeltreiben wegen der einschlägigen Vorstrafen der Angeklagten und der Gefährlichkeit der Betäubungsmittel abgelehnt hat -, wäre es zu der selben Mindeststrafdrohung (§ 29 a Abs. 2 BtMG) gelangt, die es im Urteil zugrunde gelegt hat.
27
Im Fall II. 5 der Urteilsgründe wäre der Strafrahmen dem gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zu entnehmen gewesen, was zu einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe geführt hätte, nicht aber zu der vom Landgericht angenommenen von drei Monaten.
28
Da auch hinsichtlich der Angeklagten L. die Einzelstrafen von jeweils neun Monaten nur geringfügig über den jeweiligen von der Strafkammer angenommenen Mindeststrafen liegen, schließt der Senat auch insoweit aus, dass sie bei richtiger rechtlicher Beurteilung und dementsprechend gegebenenfalls höheren Mindeststrafen zu milderen Einzelstrafen gelangt wäre.
29
IV. Der nur geringfügige Erfolg der Rechtsmittel lässt es nicht unbillig erscheinen , die Beschwerdeführer mit den gesamten dadurch jeweils entstandenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO).
Becker Pfister Ri'inBGH Sost-Scheible befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker RiBGH Hubert befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 60/08
vom
3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. April 2008,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 27. November 2007 aufgehoben
a) im Fall II. 1. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und - bei der Angeklagten sichergestellte - 1,7 Gramm Heroin eingezogen. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Die Staatsanwaltschaft hat - wie der Begründung des Rechtsmittels (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3) und dem Revisionsantrag zu entnehmen ist - lediglich den Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe und den Ausspruch über die Gesamtstrafe angegriffen. Das hierauf wirksam beschränkte Rechtsmittel hat vollen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen fuhr die Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe mit ihrem Bruder nach G. in den Niederlanden, wo sie vier Gramm Heroin erwarb, das sie zur Finanzierung ihres Eigenbedarfs überwiegend gewinnbringend verkaufen wollte. Ihr Bruder, der "ein eigenes Interesse am Handel mit Drogen entwickelte", erwarb 100 Gramm Kokain. Die Angeklagte versteckte das Heroin und das Kokain "in ihrem Körper"; sodann fuhr sie mit ihrem Bruder in dessen Pkw zurück nach L .
3
In der Folgezeit veräußerte die Angeklagte 60% des Heroins, mithin 2,4 Gramm, gewinnbringend. Die Restmenge konsumierte sie selbst. Ferner unterstützte die Angeklagte ihren Bruder bei dessen gewinnbringenden Verkauf des in den Niederlanden erworbenen Kokains, indem sie hiervon in unregelmäßigen Abständen unterschiedliche Teilmengen an eine Zwischenhändlerin auslieferte.

II.


4
1. Die insoweit erfolgte Verurteilung der Angeklagten kann auf die Revision der Staatsanwaltschaft schon deshalb keinen Bestand haben, weil es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, die in den beiden - gesondert er- worbenen und zusammen transportierten - Drogen enthaltenen Wirkstoffmengen festzustellen. Auf konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt kann bei Verurteilungen von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz regelmäßig nicht verzichtet werden (vgl. Weber, BtMG 2. Aufl. vor § 29 Rdn. 742 f.). So ist es auch hier. Denn der Wirkstoffgehalt der Drogen wirkte sich entscheidend auf die rechtliche Beurteilung aller von der Angeklagten begangenen Betäubungsmitteldelikte , auf deren konkurrenzrechtliches Verhältnis und auf den Schuldumfang der Taten aus. Handelte es sich etwa - wie es nach den durchschnittlichen Wirkstoffgehalten gehandelten Heroins und Kokains zumindest nicht fern liegt (s. Weber aaO Anhang H) - bei den von der Angeklagten insgesamt erworbenen vier Gramm Heroin um keine nicht geringe Menge (1,5 Gramm HHC), während das von ihrem Bruder angekaufte und abgesetzte Kokain den für diese Droge geltenden Grenzwert (5,0 Gramm KHC) mindestens erreichte, so hätte sich die Angeklagte wie folgt strafbar gemacht:
5
Der Einkauf des von vornherein teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf und zum Eigenkonsum bestimmten Heroins wäre für sich rechtlich als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln zu würdigen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; vgl. Weber aaO § 29 a Rdn. 186 ff., 192). Mit dem gleichzeitigen Schmuggel der beiden erworbenen Drogenmengen hätte die Angeklagte den Verbrechenstatbestand der (gemeinschaftlichen ) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG). Hinter dieses Delikt träte hier sowohl der Erwerb der für den Eigenverbrauch bestimmten Teilmenge des Heroins (1,4 Gramm; § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) als auch der - durch den Körperschmuggel beider Drogen gegebene - Besitz der Angeklagten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) zurück (vgl. BGHSt 42, 162, 164 f.; Weber aaO § 30 Rdn. 276 sowie § 29 a Rdn. 195 - 197). Hingegen stünde das Handel- treiben mit der Teilmenge von 2,4 Gramm Heroin (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit mit der Einfuhr (BGHSt 31, 163; vgl. Weber aaO § 30 Rdn. 272). Darüber hinaus hätte die Angeklagte durch den Schmuggel des Kokains und die Auslieferungen von Teilmengen hiervon ihrem Bruder Beihilfe zu dessen Betäubungsmittelhandel in nicht geringer Menge geleistet (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB); trotz der mehrfachen, an sich selbständigen Unterstützungshandlungen läge nur eine Beihilfetat vor (vgl. BGH NStZ 1999, 451), die mit dem Handeltreiben und der Einfuhr der Angeklagten in Tateinheit stünde. Das demgegenüber vom Landgericht hinsichtlich dieser Unterstützungshandlungen ersichtlich angenommene mittäterschaftliche Handeltreiben mit ihrem Bruder (UA S. 9) scheidet - unabhängig vom völligen Fehlen der zur Abgrenzung von Beihilfe und Täterschaft gebotenen wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung der Angeklagten umfassten Umstände (vgl. BGHSt 28, 346, 348 f.; 37, 289, 291) - schon wegen eines insoweit nicht festgestellten Eigennutzes der Angeklagten aus (vgl. BGHSt 31, 163).
6
Indem das Landgericht die umfassende Prüfung sowie die sich hieraus ergebende rechtliche Einordnung des festgestellten Verhaltens der Angeklagten unterlassen und diese lediglich wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) schuldig gesprochen hat, ist es seiner Pflicht nicht nachgekommen, die angeklagte Tat, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt, ohne Bindung an die rechtliche Beurteilung, die dem Eröffnungsbeschluss und der unverändert zugelassenen Anklageschrift zugrunde lag264 Abs. 2 StPO), in rechtlicher Hinsicht erschöpfend abzuurteilen (§ 264 Abs. 1 StPO; vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 264 Rdn. 10, 23 m. w. N.). Dies stellt einen sachlichrechtlichen Mangel des Urteils dar (vgl. BGH NStZ 1983, 174, 175). Dass die Staatsanwaltschaft neben dem (gewerbsmäßigen) Betäubungsmittelhandel "schwerwiegendere Vorwürfe" nicht geahndet wissen wollte (so UA S. 9), änderte nichts an der umfassenden Kognitionspflicht der Strafkammer.
7
2. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Diese könnte auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer bei ihrer Bildung mit rechtsfehlerhafter Begründung einen Härteausgleich von zwei Monaten gewährt hat. Nach den Urteilsgründen ist dies geschehen, "weil die am 29. März 2007 vom Amtsgericht Leer ausgesprochene Freiheitsstrafe nicht gesamtstrafenfähig war". Ein Härteausgleich setzt indessen voraus, dass eine an sich gesamtstrafenfähige Vorstrafe gegeben ist, die zum Zeitpunkt der neuen Verurteilung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht (mehr) einzubeziehen ist (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 55 Rdn. 21). Nach den Feststellungen war die verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten aber gerade nicht gesamtstrafenfähig; denn sie ist vor Begehung der zeitlich frühesten der gegenständlichen Straftaten verhängt worden.
8
3. Da die - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen des angefochtenen Urteils von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt sind, können sie aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter wird die unterbliebenen Feststellungen zu den in beiden erworbenen Drogen enthaltenen Wirkstoffmengen nachzuholen haben. Für die hierzu notfalls anzustellende Schätzung der Mindestqualität kann - neben anderen Umständen (vgl. Weber aaO vor § 29 Rdn. 747 ff.) - auch der Wirkstoffgehalt des bei der Angeklagten sichergestellten Heroins von Bedeutung sein. Auf der Grundlage der konkreten Wirkstoffmengen und der bisherigen Feststellungen wird er die strafbaren Handlungen der Angeklagten im Fall II. 1. des angefochtenen Urteils umfassend rechtlich zu würdigen haben. Sonstige neue Feststellungen darf er nur treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 196/10
vom
1. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2009 aufgehoben, soweit ein Ausspruch über die Gesamtstrafe unterblieben ist, und zwar mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 16. November 2007 wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 1. der Urteilsgründe; zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Diebstahl (Tat II. 2. der Urteilsgründe; drei Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, 800 € als Wertersatz für verfallen erklärt und den Angeklagten vom Vorwurf freigesprochen, sich in weiteren acht Fällen nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht zu haben.
2
Auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil durch sein Urteil vom 4. September 2008 (NStZ-RR 2009, 22) lediglich aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat II. 1. verurteilt worden war, sowie im Gesamtstrafenausspruch. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie diejenige des Angeklagten hat er verworfen und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 15. Dezember 2009 wegen der Tat II. 1. erneut wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, zwei Monate dieser Strafe „zur Entschädigung für überlange Verfahrensdauer“ für vollstreckt erklärt sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 800 € angeordnet. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen eingelegten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
4
3. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs , soweit die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unterblieben ist; im Übrigen erweist es sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. April 2010 als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
5
Das Landgericht hat die Bildung einer Gesamtstrafe zu Unrecht unterlassen. Denn die nunmehr ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und die durch das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2007 für die Tat II. 2. verhängte dreijährige Freiheitsstrafe waren miteinander gesamtstrafenfähig. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB sind erfüllt, insbesondere ist die Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat II. 2. seit dem Urteil des Senats vom 4. September 2008 rechtskräftig (vgl. Beschluss des Senats vom heutigen Tag - 1 StR 195/10).
6
4. Der Senat macht von der - auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung eröffneten (vgl. Kuckein in KK, StPO 6. Aufl. § 354 Rdn. 26i) - Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, so dass das erkennende Gericht eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß den §§ 460, 462 StPO zu treffen haben wird (vgl. BGH, Beschl. vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08 m.w.N.). Er weist vorsorglich daraufhin, dass die vom Landgericht vorgenommene Kompensation der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auf die Gesamtstrafe zu beziehen sein wird und der Angeklagte hierdurch im Vergleich zum angefochtenen Urteil nicht schlechter gestellt werden darf (vgl. BGHSt - GS - 52, 124, 147).
7
5. Die auf § 473 Abs. 4 StPO gestützte Kostenentscheidung musste nicht dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten werden, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung auch hinsichtlich des Schuldspruchs umfassend angegriffen hat, mit der allein die unterlassene Bildung einer Gesamtstrafe betreffenden Aufhebung nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann (vgl. BGH NStZ 2005, 163; BGH, Beschl. vom 14. Februar 2008 - 1 StR 542/07).
Nack Wahl Hebenstreit Elf Sander

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.