Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2019 - 4 StR 318/19

bei uns veröffentlicht am20.11.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 318/19
vom
20. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Diebstahl
ECLI:DE:BGH:2019:201119B4STR318.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. November 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 19. Februar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Urteil hält wegen eines durchgreifenden Darstellungsmangels in der Beweiswürdigung der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
a) Das Landgericht hat sich auf Grund einer Vielzahl von Beweiszeichen von der Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestritten hat, überzeugt. Es hat den Angeklagten unter anderem deshalb als überführt angesehen, weil von der Polizei am Tatfahrzeug, nämlich an der Außenseite der Beifahrertür und am Türgriff innen, sichergestellte DNA-Spuren eindeutig dem Angeklagten zuzuordnen seien. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich jeweils die Mehrheit der in den beiden Spuren befindlichen Zellen nach dem Abgleich in der DNAAnalyse -Datenbank mit erhöhter Signalstärke dem Angeklagten zuordnen ließen. Das ermittelte DNA-Muster habe exakt dem des Angeklagten entsprochen. In beiden Spuren deute sich zwar zudem eine fragmentarische Beimengung weiterer Zellen an; diese seien aber nur von minimaler Intensität gewesen. Nach der biostatistischen Bewertung des beim Landeskriminalamt NordrheinWestfalen tätigen Gutachters bestünden keine berechtigten Zweifel daran, dass die in den Spuren dominierend nachgewiesenen DNA-Merkmale von dem Angeklagten stammten.
4
b) Dies genügt den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung nicht. Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19, Rn. 5; vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, Rn. 7; vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, NStZ 2019, 294; jeweils mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zu Grunde, wie dies etwa bei daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, NStZ 2019, 294; vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).
5
Für molekulargenetische Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuch- lichen Verfahren lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen (BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193). Bei Mischspuren, d.h. solchen Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. Schneider/ Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), ist jedoch in den Urteilsgründen weiterhin mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19, Rn. 6; vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, Rn. 8 f.; vom 6. Februar 2019 – 1 StR 499/18, NStZ 2019, 427, 428; jeweils mwN). Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten. Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19, Rn. 6; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, Rn. 13; jeweils mwN; Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447).
6
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Den Ausführungen der Strafkammer, dass sich in beiden Spuren jeweils eine fragmentarische Beimengung weiterer Zellen von minimaler Intensität andeute, ist zu entnehmen , dass es sich bei beiden Spuren um Mischspuren mit eindeutigem Hauptverursacher handelt. Die Zahl der möglichen Spurenverursacher sowie die dem Begriff „minimale Intensität“ zu Grunde liegenden Berechnungsgrundlagen er- geben sich aus dem Urteil allerdings nicht. Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen Darstellung der untersuchten Systeme und den sich ergebenden Übereinstimmungen. Dem Urteil sind auch die Ergebnisse der biostatistischen Berechnung nicht zu entnehmen.
7
c) Da das Landgericht dem Umstand, dass am Tatfahrzeug DNA-Spuren des Angeklagten aufgefunden wurden, bei der Gesamtschau aller Indizien besonderes Gewicht beigemessen hat, kann der Senat das Beruhen des Urteils auf diesem Darstellungsmangel nicht ausschließen.
8
2. Für die neue Hauptverhandlung merkt der Senat an:
9
Im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Hinblick auf die Frage, ob der Angeklagte im Tatzeitpunkt unter laufender Bewährung stand, Feststellungen zur Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Osnabrück vom 21. Januar 2015 und zur Dauer der Bewährungszeit zu treffen haben. Auf den Zeitpunkt des Straferlasses nach § 56g StGB kommt es insoweit nicht an. Quentin Roggenbuck Cierniak Bender Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2019 - 4 StR 318/19

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 56g Straferlaß


(1) Widerruft das Gericht die Strafaussetzung nicht, so erläßt es die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. § 56f Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden. (2) Das Gericht kann den Straferlaß widerrufen, wenn der Verurteilte wegen einer in der Bewährungszeit b
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5
1. Ist dem Tatgericht mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es zwar, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss es in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, juris Rn. 7; vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten ein standardisiertes Verfahren zugrunde, wie es etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).
7
a) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss er in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13,NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten jedoch ein all- gemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 410/18
vom
19. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:191218B4STR410.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. April 2018 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Strafe wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst Vorwegvollzug. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Freiheitsstrafe sowie Maßregeln gemäß §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge und mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils schlug und trat der Angeklagte gemeinsam mit einer anderen Person am 20. November 2016 gegen 3.00 Uhr morgens in einer Gaststätte auf den Nebenkläger ein, der dadurch ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und zwei Frakturen im Mittelgesicht davontrug. Er nahm außerdem das Smartphone des Nebenklägers an sich und steckte es in seine Jacke.
3
Der Nebenkläger selbst konnte zum eigentlichen Tatgeschehen keine Angaben machen. Seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten stützt das Landgericht in erster Linie auf die Aussage der damaligen Freundin des Nebenklägers, der Zeugin S. , die durch weitere Indizien erhebliche Unterstützung gefunden habe. So habe der Angeklagte bei seiner Festnahme auf einer schwarzen Jacke gelegen, in der sich das Smartphone des Nebenklägers befunden habe. An den Schuhen, die der Angeklagte nach dem Aufstehen angezogen habe, seien Blutantragungen gewesen. Eine molekulargenetische Untersuchung habe ergeben, dass der Nebenkläger als Haupturheber der Blutspuren angesehen werden könne. Der Angeklagte könne als Miturheber von DNA-Spuren an den Einlegesohlen nicht ausgeschlossen werden. Die Strafkammer hat daraus den Schluss gezogen, dass der Angeklagte diese Schuhe bei der Auseinandersetzung mit dem Nebenkläger trug. Bei der Zusammenschau der Angaben der Zeugin S. , des bei dem Angeklagten gefundenen Smartphones des Nebenklägers und der von ihm getragenen Schuhe, de- nen Blut des Nebenklägers anhaftete, ist die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte einer der Täter war.
4
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das DNA-Gutachten des gehörten Sachverständigen ist in den Urteilsgründen nicht hinreichend dargestellt.
5
a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).
6
b) Nach diesen Grundsätzen muss nach der neueren Rechtsprechung in den in der Praxis vorkommenden Regelfällen der DNA-Vergleichsuntersuchungen , die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden (BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, Rn. 10, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
7
c) Diesen Anforderungen genügt das Urteil nicht. Es enthält keinerlei Darlegungen zum DNA-Gutachten. Da der Nebenkläger als „Haupturheber“ an- gesehen und der Angeklagte als „Miturheber“ von DNA-Spuren nicht ausge- schlossen werden kann, lässt sich den Urteilsgründen schon nicht entnehmen, dass ein Regelfall der DNA-Vergleichsuntersuchung in Bezug auf eindeutige Einzelspuren vorliegt.
8
Selbst die in diesen Fällen zumindest notwendige Darstellung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit der Zuordnung der Spuren fehlt vollständig. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl kann danach keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat ihre Beweiswürdigung ausdrücklich auf die Gesamtschau aller Indizien gestützt. Das Revisionsgericht ist nicht befugt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen und aufgrund des übrigen Beweisergebnisses den DNA-Spuren ihre Bedeutung für die Überzeugungsbildung des Tatrichters abzusprechen.
9
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl führt zum Entfallen der hierfür verhängten Einsatzstrafe , der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe und der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst Anordnung des Vorwegvollzugs von Freiheitsstrafe. Das Landgericht hat die Gefahr erneuter erheblicher rechtswidriger Taten gerade auf das trotz laufender Bewährung unter Alkoholeinfluss begangene Körperverletzungsdelikt gestützt.
10
4. Da die Revision bereits mit der Sachrüge hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl Erfolg hat, kommt es nicht mehr darauf an, dass auch die Ablehnung eines Beweisantrags, der sich auf diese Tat bezieht, rechtlichen Bedenken begegnet.
11
a) Die Verteidigung hatte beantragt, rötliche Anhaftungen an den Türen der Damentoilette spurentechnisch zu untersuchen zum Beweis der Tatsache, dass sich aus deren Höhe und Flugrichtung ergebe, dass sie typische Folge einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei aufrecht stehenden Personen seien. Daraus ergebe sich weiter, dass der Nebenkläger in der Toilette aufrecht gestanden habe und bei Bewusstsein gewesen sei, was nicht der Schilderung der Zeugin S. entspreche. Das Landgericht hat den Beweisantrag abgelehnt, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung seien. Die Strafkammer gehe davon aus, dass sich der Nebenkläger, nachdem die Zeugin S. niedergeschlagen worden sei, in der Damentoilette befunden habe. Hierhin sei er geschleppt worden. Ein eigenständiges Fortbewegen aus freiem Willen sei dem Nebenkläger, den die Zeugin S. bereits beim Heraustreten ausder Damentoilette als bewusstlos angesehen habe, danach nicht mehr möglich gewesen. Möglicherweise habe der Nebenkläger dort weitere Schläge erhalten, während er gestützt oder gehalten worden sei. Sollte der Beweisantrag so zu verstehen sein, dass zwingend bewiesen werden solle, dass der Nebenkläger im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung aufrecht gestanden habe, wäre er abzulehnen, weil die Strafkammer aus eigener Sachkunde feststellen könne, dass die vereinzelten Blutspuren nicht zu einer solchen Schlussfolgerung zwängen.
12
b) Lehnt das Gericht einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen ab, hat es die unter Beweis gestellten Tatsachen wie eine erwiesene Tatsache in das bisherige Beweisergebnis einzustellen. Die hypothetische Beweiswürdigung darf keine Abstriche an der Beweisbehauptung vornehmen, sie darf diese nicht entgegen ihrem Sinn aus- legen. Dagegen hat das Landgericht verstoßen, indem es in die hypothetische Beweiswürdigung eingestellt hat, dass der Nebenkläger in die Damentoilette geschleppt und dort gestützt oder gehalten worden sei.
13
c) Die hilfsweise Ablehnung wegen eigener Sachkunde des Gerichts hält gleichfalls der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die Strafkammer die Grundlagen ihrer eigenen Sachkunde nicht dargelegt hat. Der Rückschluss von Blutanhaftungen auf einen Tatablauf übersteigt im Regelfall das Allgemeinwissen , hierfür ist ein Wissen erforderlich, das nur in besonderer Ausbildung oder sonstiger Beschäftigung mit Fragen dieser Art erworben wird. Einen solchen Kenntniserwerb hat die Strafkammer nicht dargetan.
14
5. Die Annahme von Vorsatz bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten ist angesichts der einschlägigen Vorstrafen noch ausreichend belegt. Bei der Bemessung der Einzelstrafe für diese Tat (zehn Monate Freiheitsstrafe) hat das Landgericht allerdings einen überhöhten Strafrahmen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zugrunde gelegt. Der Strafrahmen des § 316 Abs. 1 StGB sieht als Höchststrafe Freiheitsstrafe von einem Jahr vor. Der Senat kann nicht ausschließen , dass die konkrete Strafbemessung von der Annahme eines höheren als dem vom Gesetz vorgegebenen Strafrahmen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist.
15
Die Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB können bestehen bleiben, da der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr Bestand hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke
5 StR 345/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. September 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2010

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 24. März 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte J. wegen Diebstahls in 42 Fällen und der Angeklagte R. wegen Diebstahls in vier Fällen verurteilt worden sind; ausgenommen bleiben die Feststellungen zu Art und Umfang der jeweiligen Diebesbeute und der verursachten Sachschäden, die aufrechterhalten bleiben;
b) ferner in den Gesamtstrafaussprüchen und in der Entscheidung über die Einziehung der Werkzeuge.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen Diebstahls in 42 Fällen (II.1 bis 32, 34 bis 43), wegen versuchten Diebstahls (II.33) sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (II.45 und 46) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten R. wegen Diebstahls in vier Fällen (II.1, 21, 34 und 44) sowie wegen versuchten Diebstahls (II.33) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Es hat ferner sichergestelltes Heroin und vier Werkzeuge eingezogen. Die Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen aufgrund von übereinstimmenden Werkzeugspuren an abgekippten Schließzylindern mit dem Profil von im Besitz der Angeklagten befindlichen Werkzeugen davon überzeugt, dass der Angeklagte J. zwischen dem 5. August 2006 und dem 26. September 2008 in Kiel 42 Einbruchsdiebstähle in Geschäfts- und Büroräume , davon drei (II.1, 21 und 34 der Urteilsgründe) gemeinsam mit dem Angeklagten R. begangen hat.
3
Am 12. Mai 2008 blieb ein gemeinsamer Einbruch in ein Bekleidungsgeschäft ohne Erfolg. Das Landgericht hat die von einer Videoüberwachungskamera gefilmten Angeklagten wegen versuchten Diebstahls jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt (II.33 der Urteilsgründe

).


4
Der Angeklagte R. befand sich am 9. Dezember 2008 im Besitz einer in der Zeit vom 23. Juni bis 26. Juni 2008 aus einem Tresor entwendeten Digitalkamera. Das Landgericht hat ihn deshalb wegen eines weiteren Einbruchsdiebstahls schuldig gesprochen (II.44 der Urteilsgründe).
5
In der Wohnung des Angeklagten J. wurde bei Durchsuchungen am 9. Dezember 2008 und 22. Januar 2009 Heroin mit einer Wirkstoffmenge von über 3 g bzw. über 8 g sichergestellt. Das Landgericht hat diesen Angeklagten deshalb wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungs- mitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils zu Freiheitsstrafen von sechs Monaten verurteilt (II.45 und 46 der Urteilsgründe).
6
2. Diese Verurteilungen des Angeklagten J. wegen Betäubungsmitteldelikten und die beider Angeklagter wegen versuchten Diebstahls beruhen auf einer rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachengrundlage und haben Bestand.
7
3. Dies gilt indes nicht für die Verurteilung der durchweg schweigenden Angeklagten wegen der Diebstähle unter Verwendung von Werkzeugen. Die Urteilsgründe genügen insoweit nicht den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten in den schriftlichen Urteilsgründen.
8
a) Das Landgericht hat „die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen M. vom Landeskriminalamt gewonnen, der die am jeweiligen Tatort an den Schlössern gesicherten Werkzeugspuren mit den bei den Angeklagten aufgefundenen Werkzeugen bezüglich der von ihnen verursachten Spurenbilder verglichen und im Ergebnis als tatverursachend identifiziert hat“ (UA S. 26 f.). Der Sachverständige habe bekundet, dass man nach entsprechender Betrachtung und Auswertung der in eine Datenbank eingestellten Fotografien von Werkzeugspuren an zur Untersuchung eingesandten Schließzylindern identische Tatspuren festgestellt habe. „Zunächst habe man drei unterschiedliche Werkzeugspuren feststellen können und sei folglich von drei Tatserien ausgegangen. Irgendwann sei festgestellt worden, dass sich auf einer Tatspur gleichzeitig der Abdruck mehrerer verschiedener Werkzeuge gefunden habe, die sich wiederum jeweils in verschiedenen Tatserien wiedergefunden hätten, so dass ursprünglich unterschiedlich geführte Serien schließlich zu einer Serie hätten zusammengeführt werden können. Im Ergebnis sei bei dem abschließenden Vergleich nach Auffinden der Werkzeuge bei den Angeklagten die von den Werkzeugen hergestellte Vergleichsspur nicht mehr mit jeder einzelnen Tatspur verglichen worden, sondern lediglich mit einigen http://www.juris.de/jportal/portal/t/oou/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE037701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/oou/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE100257909&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/oou/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KSRE054680372&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/oou/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=6&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE328899300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - ausgewählten aus der jeweiligen Tatserie. Im Falle einer Identität der Spuren habe man logisch folgern können, dass dieses Werkzeug dann auch alle anderen Tatspuren aus derselben Serie verursacht haben müsse“ (UA S. 29 f.). Der Sachverständige habe anhand von sechs fotografisch dargestellten Spurenvergleichen – die vier sichergestellten Werkzeuge betreffend – die Methodik des visuellen Spurenvergleichs, die letztlich eine Bewertungs- und Überzeugungsfrage beim erfahrenen Betrachter sei (UA S. 28), deutlich und nachvollziehbar gemacht (UA S. 31).
9
b) Die vom Landgericht vorgenommene, im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung seiner Überzeugungsbildung kann zwar ausreichen, wenn es sich um ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren wie das daktyloskopische Gutachten (BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4), die Blutalkoholanalyse (BGHSt 28, 235, 237 f.) oder die Bestimmung von Blutgruppen (BGHSt 12, 311, 314), handelt (grundlegend BGHSt 39, 291, 297 ff.). Ein solches standardisiertes Verfahren ist aber ein Vergleichsgutachten betreffend Werkzeugspuren nicht, deshalb sind weitergehende Anforderungen an die Darlegung der Überzeugugsbildung zu stellen, die vorliegend nicht erfüllt sind.
10
c) Ein fotografischer Spurenvergleich, der teilweise in den Urteilsgründen vorgenommen wird, ist ohne weiteres geeignet, die Spurenübereinstimmung zu belegen und die Überzeugung von der Verwendung des bestimmten Werkzeugs bei einem bestimmten Einbruch zu begründen. Diese Methode ist „in der Regel (für) R. , Staatsanwälte und Verteidiger überschaubar und überzeugend“ (Katterwe NStZ 1992, 18, 21; vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO 6. Aufl. Rdn. 1917a). Das Landgericht hat aber noch nicht einmal die in Bezug genommenen Spurenvergleichsbilder bestimmten Verurteilungsfällen zugeordnet.
11
d) Zwar ist es nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) nicht ausgeschlossen, die Übereinstimmung von Tatortspur und Werkzeugprofil allein auf den für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Wertungsakt des Sachverständigen zu gründen (vgl. Schoreit in KK-StPO, 6. Aufl. § 261 Rdn. 32 m.w.N.). Dies setzt indes voraus, dass die einer Verurteilung zugrunde liegende Wertung auch in jedem Fall vom Sachverständigen vorgenommen wurde und nachvollziehbar ist. Dies wird durch das angefochtene Urteil nicht hinreichend belegt.
12
aa) Für die Übereinstimmung von Tatortspur und Werkzeugprofil ausschlaggebend war zunächst die Feststellung der Übereinstimmung der Spuren an den Schließzylindern als Grundlage für die Bildung von Tatserien. Nach den Darlegungen UA S. 29 bleibt schon unklar, wie der Sachverständige diese Übereinstimmung festgestellt hat. Die Formulierung „man“ habe nach Betrachtung und Auswertung drei Tatserien wahrgenommen, lässt offen , ob nicht Dritte diese Bewertung vorgenommen haben.
13
bb) Die Zusammenführung der angenommenen drei Tatserien ist ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Es bleibt offen, in welchem konkreten Einzelfall, auf welchen Spurenträgern und in welchem Zusammenhang die drei Spuren gefunden wurden. In lediglich einem Fall (II.6 der Urteilsgründe) sind zwei dem Angeklagten J. zugeordnete Werkzeuge und in drei Fällen (II.1, 21 und 24 der Urteilsgründe) ebenfalls zwei Werkzeug benutzt worden, von denen jeweils eines einem Angeklagten zugeordnet worden ist. Es bleibt darüber hinaus unklar, unter welchen Vergleichsaspekten das vierte Werkzeug in die Serie aufgenommen worden ist. Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen, dass – wie es das Landgericht getan hat – eine Übereinstimmung von Tatortspur und Werkzeugprofil in den Verurteilungsfällen lediglich nach – auch nicht näher erläuterten – Stichproben unter Verzicht auf Einzelvergleiche festgestellt werden konnte.
14
cc) Soweit das Landgericht dargelegt hat, dass der Sachverständige auch Überlagerungen von Werkzeugspuren und lediglich entstandene Teilabdrucke zu werten gehabt habe (UA S. 28 f.), fehlt es an jeder Erläuterung, wie bei diesen schwieriger zu beurteilenden Anknüpfungstatsachen die Wertung einer Spurenübereinstimmung nachvollziehbar dargelegt worden ist (vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4; Schoreit aaO).
15
4. Auch die Verurteilung des Angeklagten R. im Fall II.44 der Urteilsgründe hat keinen Bestand; die Entwendungshandlung wird auch mangels Werkzeugspur nicht belegt. Zudem begegnet die Würdigung des Zeitpunkts der Aussage des Vaters (vgl. BGH StV 2009, 679 m.w.N.) und des Schweigens des Angeklagten (vgl. BGHSt 45, 363, 364 m.w.N.) Bedenken.
16
5. Die Sache bedarf demnach weitgehend neuer Aufklärung und Bewertung. Dies betrifft freilich nicht die bisher getroffenen Feststellungen zu Art und Umfang der jeweiligen Diebesbeute und der Sachschäden. Diese konnten aufrechterhalten bleiben. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den Gesamtfreiheitsstrafen und der Einziehungsentscheidung bezüglich der Werkzeuge die Grundlage.
17
Das neu berufene Tatgericht wird bei der Gesamtstrafenbildung zu prüfen haben, ob die gegen den Angeklagten J. am 12. Dezember 2007 und gegen den Angeklagten R. am 6. März 2008 verhängten Geldstrafen bereits vollstreckt waren und deshalb keine Zäsur begründen konnten. Gesamtstrafen, die im Vergleich zur Einsatzstrafe stark erhöht wer- den, bedürfen einer eingehenden Begründung (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 54 Rdn. 11 m.w.N.). Zur besseren Verständlichkeit wird es sich empfehlen, im Urteil nicht – wie bisher geschehen – zwischen Ordnungsnummern des Urteils und der Anklage zu wechseln.
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Schneider Bellay
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in Bezug
auf DNA-Einzelspuren standardisiert, so dass es einer Darstellung
der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der
Anzahl der diesbezüglichen Übereinstimmungen nicht mehr
bedarf. Das Tatgericht genügt den Darlegungsanforderungen,
wenn es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen
Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitteilt, da
diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17
LG Potsdam –
ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
BESCHLUSS 5 StR 50/17 vom 28. August 2018 in der Strafsache gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29. Juli 2016 zu Tat 5 der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den revidierenden Angeklagten wegen „besonders schweren Raubes, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Tat 5 der Urteilsgründe) und wegen schweren Raubes in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jah- ren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Soweit es den Angeklagten betraf, hat der Senat das angegriffene Urteil auf die Sachrüge hin mit Beschluss vom 5. April 2017 hinsichtlich Tat 2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und die Sache insofern zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen; das Verfah- ren betreffend die zur Tat 5 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung hat er abgetrennt und die weitergehende Revision des Angeklagten verworfen. Zum abgetrennten Verfahrensteil hat das Rechtsmittel den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Tat 5 forderte der Ange- klagte in einer „Lotto-Modellbau-Post-Agentur“ unter Vorhalt einer mit Knallkar- tuschen geladenen Schreckschusspistole die Herausgabe von Bargeld. Nachdem die Angestellte ihm den Kasseninhalt – insgesamt 840 Euro – übergeben hatte, wandte sich der Angeklagte zur Flucht. Dabei schoss er aus kurzer Entfernung in Richtung des Kopfes eines Kunden, der den Überfall bemerkt und den Angeklagten durch Zuhalten der Eingangstür an der Flucht zu hindern versucht hatte. Der durch die Schusswirkung der Knallkartusche benommene Zeuge konnte den Angeklagten in der Folge nicht weiter aufhalten. Der Angeklagte flüchtete mit einem Fahrrad, an dessen Lenkergriffen DNA-Material gesichert werden konnte.
3
Das Landgericht ist „aufgrund des Ergebnisses der biologischen Unter- suchungen der am (Flucht-)Fahrrad gesicherten Spuren der Überzeugung, dass der Angeklagte (…) der Täter des Überfalls ist“. Die molekularbiologische Sachverständige habe ausgeführt, dass die am Lenkergriff festgestellte DNAMerkmalskombination mit jener im Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimme und diese Merkmalskombination in der deutschen Population (bei Nichtverwandten) einmal unter ca. 150 Trilliarden Personen vorkomme. Deshalb könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegan- gen werden, dass es sich bei dem Angeklagten um den Verursacher der DNASpur handele.

II.


4
Der Schuldspruch betreffend die Tat 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand , da die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht belegt sind.
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck aus dem Lauf nach vorn austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist bei Schreckschusswaffen nicht selbstverständlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201; vom 10. Mai 2017 – 4 StR 167/17, jeweils mwN).
6
Entsprechende Feststellungen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole enthält das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht prüfen , ob der Angeklagte den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand oder lediglich denjenigen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB verwirklicht hat. Nur insoweit bedarf es neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO).
7
2. Im Übrigen hält das Urteil rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten als rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf allein die vom Tatgericht vorgenommene Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens. Insofern ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf die Mitteilung beschränkt hat, dass die an der Tatortspur nachgewiesene DNAMerkmalskombination mit jener beim Angeklagten übereinstimmt und der diesbezügliche Wahrscheinlichkeitsquotient 1:150 Trilliarden beträgt.
8
a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10 Rn. 9 mwN).
9
b) Nach diesen Grundsätzen wurde zwar bereits das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren zur Feststellung von Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als derart standardisiert eingestuft, dass es im Urteil nicht näher erläutert werden muss. Anderes galt allerdings für die sich anschließende Berechnung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit, da diese als von wertenden Entscheidungen des Sachverständigen abhängig angesehen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Insoweit wurde – den allgemeinen Darlegungsanforderungen folgend – von den Tatgerichten verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme un- tersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuch- ten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490; vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15 Rn. 35; vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16 Rn. 25; Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 10; vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 397/15 Rn. 4; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 Rn. 11; vom 18. Januar 2018 – 4 StR 377/17).
10
c) An den beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen hält der Senat für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen , die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, nicht fest. Denn nach dem erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik ist die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung in Fällen eindeutiger Einzelspuren soweit vereinheitlicht, dass es einer Darstellung der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der Anzahl der Übereinstimmungen in den untersuchten Merkmalssystemen nicht mehr bedarf. Vielmehr genügt die Mitteilung des Gutachtenergebnisses in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form, da diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
11
Der Senat hat insbesondere zu der Frage, ob die molekulargenetische Begutachtung von eindeutigen Einzelspuren in Deutschland in der Weise standardisiert ist, dass unterschiedliche Sachverständige (gegebenenfalls auch un- ter Anwendung verschiedener Methoden) in „Normalfällen“ – in denen als Spu- renleger nicht mehrere miteinander verwandte Personen in Betracht kommen – bei der biostatistischen Bewertung zu gleichwertigen Ergebnissen gelangen, eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen S. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln eingeholt. Danach kann nunmehr auch die biostatistische Wahrscheinlichkeitsbewertung im Rahmen von molekulargenetischen Sachverständigengutachten als weithin standardisiert gelten.
12
aa) Die biostatistische Bewertung von DNA-Spuren beruht auf der Häufigkeitsschätzung des festgestellten DNA-Profils in der entsprechenden Referenzbevölkerung. Es können dabei zwei für die Ergebnisaussage gleichwertige Ansätze verfolgt werden: Zum einen ist die Benennung der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit üblich, bei der angegeben wird, unter wie vielen beliebigen Personen die beobachtete Merkmalskombination einmal vorgefunden werden kann. Zum anderen kann ein Wahrscheinlichkeitsquotient (Likelihood-Ratio) bezeichnet werden, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, wie viel wahrscheinlicher es ist, dass das Spurenmaterial von der Vergleichsperson stammt, als dass es von einer unbekannten, mit der Vergleichsperson nicht verwandten Person herrührt. Bei – wie im vorliegenden Fall – eindeutigen Einzelspuren entspricht der Zahlenwert des Wahrscheinlichkeitsquotienten jenem der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit.
13
Maßgeblich für die Häufigkeitseinschätzung in Bezug auf das jeweilige DNA-Profil ist unabhängig von dem gewählten Ansatz einerseits die Anzahl der im (anerkannt standardisierten) PCR-Verfahren ermittelten Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial. Andererseits hängt die biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage davon ab, mit welcher Häufigkeit die einzelnen STR-Systeme (und in der Folge die Merkmalskombination) in der Referenzbevölkerung vorkommen. Maßgebliche Grundlage der Häufigkeitsaussa- gen zu den einzelnen Merkmalen sind in populationsgenetischen Studien veröffentlichte Daten.
14
bb) Für die stets auf diesen Grundlagen fußende Bewertung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit bestehen in der molekulargenetischen Wissenschaft nach der Einschätzung des Sachverständigen, denen der Senat folgt, anerkannte Standards, die zu zuverlässigen und gleichwertigen Ergebnissen führen. Jedenfalls seit der Veröffentlichung der „GemeinsamenEmpfehlungen der Projektgruppe ‚biostatistische DNA-Berechnungen‘ und der Spurenkommis- sion zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden“ (Ulbrich et al. NStZ 2017, 135) sind Standards für die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung formuliert, die von Gutachtern lege artis zu beachten sind. Diese betreffen ausdrücklich (auch) die Bewertung von Einzelspuren und insbesondere die Verwendung bestimmter populationsgenetischer Daten und damit die maßgeblichen Grundlagen der gutachterlichen Häufigkeitseinschätzung. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass von allen Sachverständigen dieselbe , auf dem sogenannten Hardy-Weinberg-Gesetz beruhende und umfassend wissenschaftlich begründete Berechnungsweise angewandt wird, handelt es sich bei der biostatistischen Bewertung von DNA-Einzelspuren – die aus molekulargenetischer Sicht unstrittig ist und klare und belastbare Aussagen zur Spurenlegereigenschaft ermöglicht – um ein wissenschaftlich anerkanntes und verbindlich eingeführtes Berechnungsverfahren, dessen Anwendung stets zu gleichwertigen Ergebnissen führt.
15
cc) Für die Ersetzung einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage durch eine bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form gibt es derzeit noch keine einheitliche Skala. Der Sachverständige hat zusammenfassend darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf eindeutige Einzelspuren ei- nen Konsens gibt, auf eine zahlenmäßige Aufschlüsselung und Dokumentation bei LR-Werten von mehr als 30 Milliarden zu verzichten und dies mit der Beur- teilung „es besteht kein begründeter Zweifel, dass die Merkmale der Spur von Person A stammen“ zu verbinden.
16
d) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – insbesondere die genannte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177) – steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Es liegt keine eine Rechtsfrage betreffende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG vor. Der Senat hat auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstäbe zur Darstellung von Sachverständigengutachten in tatgerichtlichen Urteilen lediglich eine im Tatsächlichen abweichende Bewertung des fortgeschrittenen wissenschaftlichen Stands der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung im Rahmen molekulargenetischer Sachverständigengutachten vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2456).
17
3. Anlass für eine Kompensationsentscheidung wegen sogenannter rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung besteht nicht, zumal die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes in drei Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen von vier Jahren, fünf Jahren sowie fünf Jahren und sechs Monaten rechtskräftig ist. Die überdurchschnittliche Länge des Revisionsverfahrens hat ihre Ursache neben mehreren Beratungen des Senats vor allem in dem Erfordernis , das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2018 – 2 StR 334/15 Rn. 28 ff.).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher
5
1. Ist dem Tatgericht mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es zwar, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss es in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, juris Rn. 7; vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten ein standardisiertes Verfahren zugrunde, wie es etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).
7
a) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss er in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13,NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten jedoch ein all- gemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 499/18
vom
6. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:060219U1STR499.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 5. Februar 2019 in der Sitzung am 6. Februar 2019, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Bellay, Dr. Bär und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff, Dr. Pernice,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 5. Februar 2019 – als Verteidiger,
Rechtsanwältin für die Nebenklägerin K. – in der Verhandlung vom 5. Februar 2019 – und Rechtsanwältin für die Nebenklägerin G. – in der Verhandlung vom 5. Februar 2019 – als Vertreterinnen der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 18. April 2018 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von dem Tatvorwurf weiterer drei sexueller Übergriffe hat es ihn jeweils nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freigesprochen.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte griff am 24. Mai 2015 gegen 4.30 Uhr die Geschädigte K. in einer Grünanlage von hinten an, zerrte sie in ein Gebüsch und brachte sie dort mit Gewalt zu Boden. Um ihre Hilfeschreie zu unterdrücken, hielt er ihr den Mund mit äußerster Gewalt zu. Dann würgte er sie so heftig und lange, dass sie kurz vor Eintritt der Bewusstlosigkeit aus Angst um ihr Leben ihre Gegenwehr einstellte. Sodann vollzog er den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss (Fall II.1. der Urteilsgründe).
5
Am 11. Oktober 2015 befand sich die Geschädigte G. gegen 5.20 Uhr auf dem Heimweg. Als die Geschädigte während des Durchquerens des A. B. Ga. s in T. ein Telefonat führte, überfiel der Angeklagte sie von hinten, zog sie unter einen Baum und brachte sie gewaltsam zu Boden. Er würgte sie am Hals und hielt ihr den Mund zu. Der Angeklagte wollte dadurch ihre Schreie unterdrücken und ihren Widerstand brechen, um mit ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Die Passantin D. , die die Schreie gehört hatte, näherte sich, um der Geschädigten zu Hilfe zu kommen. Der Fahrradfahrer Di. stellte in derselben Absicht sein Fahrrad ab. Der Angeklagte wurde gewahr, dass sein Angriff nicht unbemerkt geblieben war, und war daher gezwungen, sein Vorhaben, den Geschlechtsverkehr durchzuführen, aufzugeben und zu fliehen (Fall II.2. der Urteilsgründe).
6
2. Das Landgericht war aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe, die in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme, insbesondere mit den an der Geschädigten nach der Tat gesicherten biologischen Spuren, stand, davon überzeugt, dass der An- geklagte in diesem Fall der Täter war. Die an der Geschädigten gesicherten biologischen Spuren in der Unterhose, am Scheideneingang und im Scheidengewölbe waren Mischspuren, in denen neben der DNA der Geschädigten je- weils auch diejenige des Angeklagten „mit allen DNA-Merkmalennachweisbar war“. Die DNA der in der Unterhose festgestellten Spermaspur stimmte mit der des Angeklagten überein, wobei „die statistische Häufigkeit der insoweit festge- stellten übereinstimmenden Merkmalskombinationen bei 1 zu 3,5 Quadrillionen“ lag.
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Den sexuellen Übergriff zulasten der Geschädigten im Fall II.2. der Urteilsgründe hat der Angeklagte bestritten. Weder die Geschädigte noch die beiden Zeugen konnten den Angeklagten als Täter identifizieren. Die Strafkammer ist jedoch aufgrund der am Kehlkopf und am Hals der Geschädigten sowie am Halsbereich ihres T-Shirts gefundenen biologischen Spuren in Verbindung mit weiteren Indizien davon überzeugt, dass der Angeklagte auch hier der Täter war.
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Die bei der Geschädigten gesicherten Hautabriebspuren wurden biologisch untersucht. Nach den Ausführungen der Sachverständigen handelte es sich hierbei jeweils um Mischspuren von „zumindest drei Personen“, bei denen dem Angeklagten zuzuordnende DNA-Merkmale vollständig nachgewiesen werden konnten. Darüber hinaus seien neben der DNA des Angeklagten auch die DNA-Merkmale der Geschädigten sowie einer dritten (berechtigten) Person vollständig enthalten gewesen. Bei der Berechnung der Häufigkeit der Merk- malskombination bei Mischspuren würden „sämtliche möglichen Merkmalskom- binationen aus den gefundenen DNA-Merkmalen“ berücksichtigt. In Bezug auf die Hautabrieb-Mischspur vom Kehlkopf der Geschädigten ergebe sich die Häufigkeit der Merkmalskombination in der Größenordnung von 1 zu 6.700.000.
Dies bedeute bei statistischer Betrachtung, dass unter etwa 6,7 Millionen zufällig ausgewählten, nicht verwandten Personen eine Person als möglicher Mitverursacher der Spur zu erwarten sei. Auch in einer Hautabrieb-Mischspur von der linken Halsseite der Geschädigten hätten die DNA-Merkmale des Angeklagten vollständig nachgewiesen werden können (Häufigkeit der Merkmalskombination 1 zu 242.100), in einer weiteren Mischspur von zumindest vier Personen vom Halsausschnitt des T-Shirts habe die Wahrscheinlichkeit der Merkmalskombination des Angeklagten bei 1 zu 5.900 gelegen.
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Die Sachverständige habe verständlich und schlüssig die Bedeutung des vollständigen Nachweises der DNA-Merkmale sowie die Berechnung von deren statistischer Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der weiteren Spurenanteile in den drei dargestellten Mischspuren gerade in Abgrenzung zu zwei weiteren Mischspuren erläutert, in denen die DNA des Angeklagten nur unvollständig enthalten gewesen sei. So hätten in einer Mischspur von der rechten Wange der Geschädigten vier Allele gefehlt und in einer weiteren von der Außenseite des rechten vorderen Jackenkragens der Geschädigten ein Allel. Die Spuren des Angeklagten seien nicht an der Nachweisgrenze gelegen, sondern seien „eindeutig“ gewesen. Die errechneten Häufigkeitswerte würden auch durch nicht-europäische Personen als Vergleichsgruppe nicht verändert. Die nachgewiesenen Spuren mit den vollständigen DNA-Merkmalen des Angeklagten hätten nur durch einen heftigen und intensiven Kontakt, nicht aber durch einen Zufallskontakt entstehen können. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Spur am Kehlkopf. Eine indirekte Übertragung der drei vollständigen DNA-Spuren sei ebenfalls auszuschließen, da die DNA-Spuren des Angeklagten nicht an exponierten Körperstellen, sondern am Hals aufgefunden worden seien – und zwar gerade an den Stellen, an denen nach den Angaben der Geschädigten die Gewalteinwirkung des Täters stattgefunden habe.
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Weitere Indizien hätten die Täterschaft des Angeklagten bestätigt:
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Die Passantin habe eine dunkle Gestalt weglaufen sehen und eine dunkelhäutige Person verdächtigt. Die Geschädigte habe angegeben, sie habe nur „schwarz“ gesehen; der Angeklagte habe in der Tatnacht – beieinem zuvor in einer Diskothek begangenen Körperverletzungsdelikt – im Wesentlichen schwarze Kleidung getragen. Die Sexualdelikte im Fall II.1. und im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie die von dem rechtsmedizinischen Sachverständigen aufgezeigte Entstehung der Verletzungen bei den Geschädigten hätten große Parallelen aufgewiesen. Die Tatörtlichkeit passe zum Heimweg des Angeklagten. In zwei weiteren Mischspuren von der Wange rechts und der rechten Außenseite des Kragens der Jacke der Geschädigten seien die DNA-Merkmale des Angeklagten ebenfalls, wenn auch nicht vollständig, nachgewiesen worden, weil ein bzw. vier Allele gefehlt hätten; die Spuren hätten sich an Körperstellen befunden , auf die der Täter nach den Angaben der Geschädigten gewaltsam eingewirkt habe.

II.


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Das Urteil hält rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten in Fall II.2. der Urteilsgründe und der Ausschluss eines Rücktritts vom Versuch als rechtsfehlerfrei. Die DNA-Spur am Kehlkopf der Geschädigten stellt ein äußerst gewichtiges Indiz dar, das zusammen mit den anderen festgestellten Beweisanzeichen die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt.
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1. Die vom Landgericht vorgenommene Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens im Fall II.2. der Urteilsgründe begegnet vorliegend keinen rechtlichen Bedenken.
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a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192 Rn. 8 mwN [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]).
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Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnung für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, Rn. 12). Deshalb muss das Tatgericht in den Urteilsgründen mitteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, aaO Rn. 9 mwN und vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, Rn. 12 f.) und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2015 – 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594 Rn. 20 mwN und vom 30. März 2016 – 4 StR 102/16, Rn. 12).
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Dies gilt nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen nicht für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensi- schen Fragestellung aufweisen, da es sich insoweit mittlerweile um ein standardisiertes Verfahren handelt (zur Begründung vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]).
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Bei Mischspuren, d.h. von Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. zur Definition Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, Allgemeine Empfehlungen der Spurenkommission zur Bewertung von DNA-Mischspuren , NStZ 2007, 447), wird von den Tatgerichten weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2018 – 5 StR 362/18, Rn. 9).
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Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118, 119). Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, Rn. 13 mwN; Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biostatistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 136; zur Klassifikation von Mischspuren Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447) sowie welche Bedeutung einer fremden Ethnie für die Vergleichspopulation zukommt. Solange allerdings nicht ausschließlich ein Alternativtäter aus der fremden Ethnie in Betracht kommt, ist die am Tatort lebende deutsche bzw.
europäische Wohnbevölkerung als Vergleichspopulation nicht zu beanstanden (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 4 StR 555/14, NStZ 2016, 111 ff.; Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490 Rn. 26 f.).
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b) Die tatrichterlichen Ausführungen erfüllen diese Anforderungen.
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Die Strafkammer teilt mit, wie viele Spurenverursacher mindestens in Betracht kommen; der Typ der Mischspur – Spur ohne klaren Hauptverursacher – ist erkennbar (vgl. dazu Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447); ausgeführt ist, welche Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen bestanden sowie die Wahrscheinlichkeit der Merkmalskombinationen. Die Sachverständige hat sich ausweislich der Urteilsgründe auch mit anderen möglichen Vergleichspopulationen auseinandergesetzt und dargelegt, dass die von ihr errechneten Häufigkeitswerte durch nicht-europäische Personen als Vergleichsgruppe nicht verändert würden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 4 StR 498/17, NStZ 2018, 303).
21
Die Anzahl der untersuchten STR-Systeme wird im Urteil zwar nicht ausdrücklich genannt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist aber zu entnehmen, dass die Sachverständige in beiden Fällen 16 STR-Systeme untersucht hat. So teilt die Strafkammer u.a. mit, dass in den erhobenen Mischspu- ren neben der DNA der Geschädigten auch jene des Angeklagten „mit allen DNA-Merkmalen“ bzw. „vollständig“ nachweisbar war. Hiermit nimmt die Strafkammer Bezug auf die heute routinemäßig mit 16 DNA-Markersystemen durchgeführte Untersuchung (vgl. Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biostatistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur biostatisti- schen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 140, Ziffer 4.3; Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/Schneider, Erläuterungen zu den wissenschaftlichen Grundlagen biostatistischer Wahrscheinlichkeitsberechnun- gen im Rahmen von DNA-Spurengutachten, NStZ 2013, 693, 695 f.; ferner BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454 Rn. 19 und vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490). Daran bestehen vorliegend keine Zweifel, weil die Sachverständige im Fall II.1. der Urteilsgründe eine biostatistische Wahrscheinlichkeit von mehreren Quadrillionen errechnet hat. Ein solcher Wert zeigt hier die Untersuchung von 16 STR-Systemen auf (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, aaO Rn. 22, 39 und vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, aaO Rn. 19; Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/ Schneider aaO; s. auch Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biosta- tistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 140, Ziffer 4.3.), ohne dass Anhaltspunkte für ein anderes Vorgehen der Sachverständigen im Fall II.2. der Urteilsgründe bestehen.
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Soweit die Revision beanstandet, dass sich die Urteilsausführungen zur getrennten Vererblichkeit der untersuchten Merkmalsysteme nicht verhalten, ist zu bemerken, dass nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik zur Nachvollziehbarkeit der Wahrscheinlichkeitsberechnung bei DNA-Vergleichsuntersuchungen, die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, keine Ausführungen zur genetischen Unabhängigkeit der untersuchten Merkmalsysteme im Urteil mehr erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, aaO).
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Auch das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren zur Feststellung von Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial ist von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als derart standardisiert eingestuft, dass es im Urteil nicht näher erläutert werden muss (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192 Rn. 9 mwN [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]).
24
2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kommt – anders als der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift meint – kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch in Betracht. Der unbeendete Versuch der Vergewaltigung war nach dem Ende der letzten Ausführungshandlung des Angeklagten fehlgeschlagen , weil dieser nach seinem von der Strafkammer festgestellten Vorstellungsbild infolge der Rufe der auf das Tatgeschehen aufmerksam gewordenen und sich nähernden Passantin den Vollzug des Geschlechtsverkehrs nicht mehr für möglich hielt. Es fehlt damit an einem freiwilligen Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB.
Jäger Bellay Bär
Hohoff Pernice
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1. Ist dem Tatgericht mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es zwar, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss es in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18, juris Rn. 7; vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten ein standardisiertes Verfahren zugrunde, wie es etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).
13
Für die Darstellung der Bewertung von Mischspuren, also von Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen, können jedoch je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls strengere Anforderungen gelten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118, 119). Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2016 – 2 StR 141/16, NStZ-RR 2017, 91, 92; zur Spurenqualität und zur Bedeutung der Anzahl der Spurenverursacher Ulbrich u.a., Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biostatistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur Biostatis- tischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 136; zur Klassifikation von Mischspuren Schneider u.a., NStZ 2007, 447).

(1) Widerruft das Gericht die Strafaussetzung nicht, so erläßt es die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. § 56f Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.

(2) Das Gericht kann den Straferlaß widerrufen, wenn der Verurteilte wegen einer in der Bewährungszeit begangenen vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird. Der Widerruf ist nur innerhalb von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit und von sechs Monaten nach Rechtskraft der Verurteilung zulässig. § 56f Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend.