Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2011 - 4 StR 346/11

bei uns veröffentlicht am18.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 346/11
vom
18. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Februar 2011 1. hinsichtlich dieses Angeklagten in den Fällen III.2.6, III.2.13 – 20, III.2.22 – 28 der Urteilsgründe
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte insoweit des Betruges in 16 tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen; 2. hinsichtlich des Angeklagten M. und des früheren Mitangeklagten H. mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über
a) die Einzelstrafen in den Fällen III.2.8 – 12 der Urteilsgründe,
b) die Gesamtstrafen. II. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Betruges in 28 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der nicht revidierende Mitangeklagte H. ist des Betruges in 58 Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. hat, teilweise auch hinsichtlich des früheren Mitangeklagten H. , in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat in den Fällen III.2.6, III.2.13 – 20, III.2.22 – 28 der Urteilsgründe das Konkurrenzverhältnis der dem Angeklagten M. rechtsfehlerfrei als Mittäter zugerechneten betrügerischen Einzelakte unzutreffend beurteilt. Insofern liegt statt Tatmehrheit Tateinheit vor.
3
a) Sind, wie hier, an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob er hinsichtlich der einzelnen Taten der Serie jeweils einen individuellen, (nur) diese fördernden Tatbeitrag geleistet hat. In solchen Fällen sind ihm diese Taten als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen; die (zusätzliche) organisatorische Einbindung des Täters in das betrügerische Geschäftsunternehmen vermag dann diese Einzeltaten der Deliktsserie rechtlich nicht zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Fehlt es jedoch an einer solchen individuellen Tatförderung, er- bringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge , durch die alle oder je mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841; Beschluss vom 7. Dezember 2010 – 3 StR 434/10 jeweils mwN).
4
b) Hieran gemessen belegen die Feststellungen lediglich in den Fällen III.2.1 – 5, III.2.7 – 12 und III.2.21 jeweils einen individuellen, nur diese Taten fördernden Beitrag des Angeklagten. In den übrigen 16 Fällen (Taten III.2.6, III.2.13 – 20 und III.2.22 - 28) erschöpfen sich die rechtsfehlerfrei festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten auf seine Mitwirkung bei der Einrichtung und Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der Fa. U. GmbH. Daher sind diese Fälle zu einer Betrugstat in 16 rechtlich zusammentreffenden Fällen zusammenzufassen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 373/09).
5
c) Der Senat schließt – insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils zur Aufgabenverteilung innerhalb der Fa. U. GmbH (UA S. 39) – aus, dass hierzu in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf einer teilweise tateinheitlichen Begehung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
6
Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für diese Fälle verhängten Einzelstrafen nach sich. Der neue Tatrichter wird daher für die Fälle III.2.6, III.2.13 – 20 und III.2.22 – 28 unter Beachtung des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO eine Einzelstrafe festzusetzen haben (zu § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO: vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 – 1StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Einer Aufhebung der insoweit getroffenen Feststellungen bedarf es dagegen nicht, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen.
7
2. In den Fällen III.2.8 – 12 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht den Angeklagten M. und den Mitangeklagten H. wegen Betruges in fünf Fällen verurteilt hat, können die Strafaussprüche ebenfalls nicht bestehen bleiben.
8
a) Nach den von der Strafkammer hierzu getroffenen Feststellungen schloss die u.a. aus dem Angeklagten M. und dem Mitangeklagten H. bestehende Tätergruppe im Zeitraum vom 19. November 2009 bis zum 14. Januar 2010 im Namen der Fa. U. GmbH mit verschiedenen Leasinggesellschaften fünf Leasingverträge über Pkws mit Laufzeiten zwischen 36 und 60 Monaten ab, wobei sie von Anfang an beabsichtigte, allenfalls in geringem Umfang ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, jedoch die Pkws solange wie möglich zu nutzen und sie „irgendwann später an die jeweiligen Leasinggeber zurückgelangen zu lassen“ (UA S. 30). Entsprechend ging sie vor.
9
b) Bei dieser Sachlage nimmt das Landgericht zutreffend jeweils einen vollendeten Betrug gegenüber den Leasinggesellschaften an, da aufgrund der getroffenen Feststellungen außer Frage steht, dass diesen jeweils ein Betrugs- schaden entstanden ist. Jedoch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, wie die Strafkammer die Höhe der von ihr bei den Leasinggesellschaften festgestellten Schäden ermittelt hat. Zwar sind „Werte“ der Pkws sowie – bei erfolgter Rückerlangung – die dann von den Leasinggesellschaften erzielten Verkaufserlöse , die Höhe der Leasingraten sowie etwaige von der Tätergruppe erbrachte Zahlungen angegeben. Hieraus lassen sich jedoch die als Schaden festgestellten Einzelbeträge nicht errechnen.
10
c) Der Mangel führt – auch bezüglich des früheren MitangeklagtenH. (§ 357 Satz 1 StPO) – zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in jedem der fünf Betrugsfälle, da das Landgericht bei deren Bemessung die Höhe der durch die Taten verursachten Schäden straferschwerend berücksichtigt hat. Dies hat bei beiden Angeklagten – beim Angeklagten M. auch aufgrund der Änderung des Konkurrenzverhältnisses (oben 1.) – die Aufhebung der Aussprüche über die Gesamtstrafen zur Folge.
11
d) Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich der vom Angeklagten für sich oder Dritte erstrebte Vermögensvorteil – da die Pkws an die Leasinggeber „zurückgelangen“ sollten – auf die von seinem Vorsatz erfasste Nutzung beschränkt, dass ein etwaiger höherer Schaden des Leasinggebers dem Angeklagten aber strafschärfend angelastet werden kann, soweit es sich dabei um vorhersehbare verschuldete Auswirkungen der Tat gehandelt hat. Auf den bei einem von Anfang an beabsichtigten Verschieben oder Weiterverkauf der Fahrzeuge maßgeblichen Wert der Pkws bei Übergabe (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2006 – 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 21; Beschluss vom 27. September 2007 – 5 StR 414/07, wistra 2007, 457) darf dagegen – wegen der geplanten „Rückerlangung“ des Leasinggegenstandes – nicht abgestellt werden; auch der Wert der Pkws im Zeitpunkt der jedenfalls in den Fällen 8 und 12 in Betracht kommenden Unterschlagungen (in diesen Fällen sinddie Fahrzeuge nicht an die Leasinggeber zurückgelangt) ist nicht maßgeblich, zumal es sich hierbei sowohl materiell als auch prozessual um eine weitere (verfolgbare ) Tat handelt.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2011 - 4 StR 346/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2011 - 4 StR 346/11

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Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d
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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 434/10
vom
7. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
zu 2.: Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. Dezember 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. , K. und Ku. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 24. Februar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit diese Angeklagten verurteilt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 51 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Angeklagten S. und Ku. hat es des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in 35 Fällen schuldig gesprochen und gegen sie Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren (S. ) bzw. zwei Jahren und neun Monaten (Ku. ) verhängt. Von weiteren Tatvorwürfen hat es die Angeklagten S. und Ku. freigesprochen. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie das Verfahren beanstanden und die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
2
1. Nach den Feststellungen beschloss der gesondert abgeurteilte frühere Mitangeklagte De. , sich durch Betrugstaten zu Lasten von Mobilfunknetzbetreibern eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Der Angeklagte K. , der dies wusste, gewährte De. für den Betrieb eines Geschäfts zum Vertrieb von Mobiltelefonen ein rückzahlbares Darlehen in Höhe von 5.000 - 6.000 € als Gegenleistung für dessen Versprechen , ihn gleichberechtigt an den Gewinnen aus den Betrugstaten zu beteiligen. Auch er wollte sich damit eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen. De. mietete unter Verwendung eines falschen Namens ein Ladenlokal an, stellte einen Geschäftsführer ein, nahm die Gewerbeanmeldung vor und eröffnete ein Geschäftskonto. Außerdem stellte er einem "D. " aus den Niederlanden seinen türkischen Pass zur Verfügung, der nach diesem Muster auf einem Computer Dateien türkischer Ausweispapiere und Debitkarten nicht existenter Personen erstellte.
3
Ab Anfang Dezember 2008 füllte De. zusammen mit einer Angestellten in dem Geschäft Anträge auf Einrichtung von Mobiltelefonanschlüssen aus, wobei sie die Personalien erfundener Personen verwendeten. Für die erforderliche Vorlage einer Kopie des Personalausweises des angeblichen Antragstellers sowie dessen Debitkarte gebrauchten sie Ausdrucke der von "D. " erstellten Dateien. Die Anträge und Kopien der gefälschten Dokumente übersandten sie an die Mobilfunknetzbetreiber, um Provisionszahlungen zu erhalten und in den Besitz subventionierter Mobiltelefone sowie freigeschalteter SIM-Karten zu gelangen. Die Mobiltelefone und die SIM-Karten wurden an dritte Personen weiterverkauft. Mehrere Erwerber von SIM-Karten verursachten durch die Anwahl so genannter "Mehrwertnummern", die sie vorher angemietet hatten, hohe uneinbringliche Telefongebühren und verschafften sich auf diese Weise vermeintliche Vergütungsansprüche gegen die Mobilfunknetzbetreiber in beträchtlicher Höhe.
4
Als der Angeklagte K. bald bemerkte, dass die Betrugstaten nicht den erwarteten Gewinn abwarfen, gewann er den Angeklagten S. als Abnehmer für einen Teil der durch Täuschung erlangten Mobiltelefone. Der Angeklagte S. und der Angeklagte Ku. vereinbarten mit De. , diesen bei dessen Straftaten zu unterstützen, um sich ebenfalls eine dauernde Einnahmequelle zu verschaffen. Spätestens vom 7. bis 23. Januar 2009 wirkten die Angeklagten S. und Ku. anstelle der Angestellten an den Straftaten mit. Die Ausdrucke der Ausweise und Debitkarten der nicht existenten Personen erstellten in der Folgezeit insbesondere der Angeklagte Ku. und teilweise auch der Angeklagte S. . Der Angeklagte Ku. und der gesondert abgeurteilte frühere Mitangeklagte De. nahmen von den Mobilfunknetzbetreibern - auch gegen Nachnahme - gelieferte Mobiltelefone entgegen. Der Angeklagte S. veräußerte betrügerisch erlangte Mobiltelefone u.a. an einen nicht identifizierten türkischen Staatsangehörigen aus M. . Die freigeschalteten SIM-Karten wurden von De. mit Kenntnis der Angeklagten an den anderweitig verfolgten "Se. " verkauft.
5
Das Landgericht hat mehrere am selben Tag bei demselben Mobilfunknetzbetreiber gestellte Anträge als eine rechtlich selbständige Tat behandelt. Als täuschungsbedingten Vermögensschaden hat es den jeweiligen Vergütungsanspruch der Mobilfunknetzbetreiber auf der Grundlage des vereinbarten und verkehrsüblichen Gebührentarifs angesehen; diesen hat es seiner Schadensberechnung "anteilig" zugrunde gelegt. Außerdem hat es als "reine Telefonie" bezeichnete Schadensbeträge in Ansatz gebracht. Hierbei handelt es sich um Vergütungen vermeintlicher Ansprüche aus der Benutzung von "Mehrwertnummern" durch Erwerber der freigeschalteten SIM-Karten.
6
2. Die Schuldsprüche können keinen Bestand haben; denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. habe 51, die Angeklagten S. und Ku. hätten 35 tatmehrheitlich zusammentreffende Betrugstaten in Tateinheit mit Urkundenfälschung begangen, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden; maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrags oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben , ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, wistra 2001, 336; BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840).
8
b) Gemessen an diesen Maßstäben belegen die Feststellungen keine zueinander in Tatmehrheit stehenden 51 (Angeklagter K. ) bzw. 35 (Angeklagte S. und Ku. ) Straftaten des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Ein jeweils individueller konkreter Tatbeitrag der Angeklagten zu jeder einzelnen der Taten, wegen der sie verurteilt worden sind, lässt sich ihnen nicht sicher entnehmen. Danach arbeitete der Angeklagte K. im Handyladen überhaupt nicht mit. Hinsichtlich der Angeklagten S. und Ku. ist nicht festgestellt, dass sie in allen 35 Fällen jeweils die gefälschten Anträge oder Kopien der Ausweispapiere bzw. der Debitkarten erstellten, diese den Mobilfunknetzbetreibern zuschickten, Mobiltelefone entgegennahmen oder diese weiterveräußerten. Die Tatbeiträge der Angeklagten S. und Ku. sind in den Urteilsgründen nur pauschal in der Weise umschrieben, dass ab 7. Januar 2009 insbesondere der Angeklagte Ku. , aber auch der Angeklagte S. - neben De. - die gefälschten Anträge und Dokumente erstellten, der Angeklagte Ku. zum Teil gelieferte Mobiltelefone entgegennahm und der Angeklagte S. solche weiterveräußerte.
9
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind. Zwar lässt sich den Feststellungen entnehmen, dass der Angeklagte K. mit der Hingabe des Darlehens zum Aufbau und zum allgemeinen Betrieb des Handyladens einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag leistete, der zur Verwirklichung jedes der abgeurteilten Einzeldelikte beitrug. Auch ergeben sie ab 7. Januar 2009 wesentliche Beiträge der Angeklagten S. und Ku. zum Betrieb des auf Betrug angelegten Geschäfts. Dennoch kann der Senat den Schuldspruch nicht dahin ändern, dass die Angeklagten des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges nebst gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in 51 (Angeklagter K. ) bzw. in 35 (Angeklagte S. und Ku. ) tateinheitlichen Fällen schuldig sind, und die ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafen als Einzelstrafen für die jeweils einheitliche Tat bestehen lassen. Denn ein solches Vorgehen setzt voraus, dass das Tatgericht den Unrechts- und Schuldgehalt des Tatgeschehens rechtsfehlerfrei festgestellt hat und dieser durch die zutreffende Bewertung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt wird. Schon an der erstgenannten Voraussetzung fehlt es hier, da das Landgericht den entstandenen Betrugsschaden sowie den Gegenstand der vom Angeklagten erstrebten rechtswidrigen Bereicherung in zweifacher Weise unzutreffend bestimmt hat. Im Einzelnen :
10
a) Der vollendete Betrug setzt voraus, dass beim Geschädigten eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne eingetreten ist, die unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung sein muss. Außerdem muss auch der vom Täter erstrebte rechtswidrige Vermögensvorteil unmittelbare Folge der vom Opfer aufgrund seines Irrtums vorgenommenen Vermögensverfügung sein und der dadurch bedingten Vermögenseinbuße des Opfers spiegelbildlich entsprechen (sog. Stoffgleichheit). Der Vermögensschaden ist durch einen Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten vor und unmittelbar nach der Verfügung festzustellen (Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 99; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 263 Rn. 110). Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind demnach die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGH, Urteil vom 13. November 2007 - 3 StR 462/06, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70; Fischer, aaO Rn. 176). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden ) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt, bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird. An dem Erfordernis, dass der Vermögensschaden unmittelbare Folge der Vermögensverfügung und der erstrebte rechtswidrige Vermögensvorteil wiederum unmittelbare Folge des Vermögensschadens sein muss, fehlt es etwa, wenn der Getäuschte dem Täter - entsprechend dessen Absicht - lediglich die tatsächliche Möglichkeit gibt, den Vermögensschaden durch weitere selbständige deliktische Handlungen herbeizuführen.
11
b) Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht den Betrugsschaden sowie den Inhalt der Bereicherungsabsicht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Mit Annahme des gefälschten Antrags auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages verpflichtete sich der jeweilige Mobilfunknetzbetreiber in zweifacher Hinsicht. Zum einen versprach er dem angeblichen Neukunden die Lieferung eines kostenlosen oder preisreduzierten Mobiltelefons nebst freigeschalteter SIM-Karte sowie die Möglichkeit des Telefonierens in und aus dem entsprechenden Mobilfunknetz für die Dauer der Vertragslaufzeit. Zum anderen sagte er dem "Inhaber des Handyladens" die Zahlung einer Provision für die Vermittlung des Mobilfunkvertrages sowie die Übersendung des Mobiltelefons nebst freigeschalteter SIMKarte zu, damit dieses dem vermeintlichen neuen Kunden ausgehändigt werden konnte. Dem standen folgende Gegenansprüche gegenüber: Der angebliche Neukunde verpflichtete sich im Falle der Lieferung eines verbilligten Mobiltelefons zur Zahlung des reduzierten Kaufpreises; außerdem sagte er die künftige Begleichung der vereinbarten Telefongebühren während der Vertragslauf- zeit zu. Der "Inhaber des Handyladens" versprach die Übergabe des Mobiltelefons nebst SIM-Karte an den Neukunden sowie eine Zahlung auf das Mobiltelefon , wenn hierauf bei dessen Auslieferung im Wege der Nachnahme Vorkasse zu leisten war. Diese Gegenansprüche waren wegen fehlender Erfüllungsbereitschaft der (angeblichen) Schuldner weitgehend wertlos; eine Ausnahme galt nur hinsichtlich der bei Nachnahmelieferung des Mobiltelefons zu leistenden Vorkasse, da die Angeklagten und ihr Mittäter zu deren Zahlung bereit waren, um in Besitz des Mobiltelefons und der SIM-Karte zu gelangen. Der Eingehungsschaden des Mobilfunknetzbetreibers könnte daher im Grundsatz nach dem vollen wirtschaftlichen Wert der von ihm eingegangenen Verpflichtungen bestimmt werden, allenfalls abzüglich der Höhe des werthaltigen Anspruchs auf Vorkasse.
12
Indes ist zu beachten, dass für die Tatbestandsverwirklichung nur die Vermögenseinbußen relevant sind, auf die spiegelbildlich die Absicht des Täters gerichtet ist, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen; weitergehende Vermögensnachteile, die der Geschädigte aufgrund der irrtumsbedingten Vermögensverfügung erleidet, sind allenfalls verschuldete Tatauswirkungen im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB. Hieraus folgt, dass der Wert der von dem jeweiligen Mobilfunkbetreiber eingegangenen Verpflichtung, dem angeblichen Neukunden während der Vertragslaufzeit das Telefonieren in und aus seinem Mobilfunknetz zu gestatten, hier bei der Berechnung des tatbestandlichen Schadens unberücksichtigt zu bleiben hat; denn den Angeklagten und ihrem Mittäter kam es gerade nicht darauf an, selbst entsprechende Telefongespräche zu führen, ohne hierfür ein Entgelt zu bezahlen. Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob eine entsprechende Schadensposition - wie das Landgericht meint - nach den für die Vertragslaufzeit vereinbarten Grundgebühren oder gegebenenfalls nach einem Anteil hiervon berechnet werden kann.
13
Der von den Angeklagten und ihrem Mittäter erstrebte Vermögensvorteil bestand tatsächlich in der Auszahlung der Provision sowie der Lieferung der kostenlosen oder verbilligten Mobiltelefone nebst freigeschalteter SIM-Karte, die gewinnbringend veräußert werden sollten. Der entsprechende Eingehungsschaden des jeweiligen Mobilfunknetzbetreibers bemisst sich daher allein nach dem Wert der von ihm insoweit eingegangenen Verpflichtungen, im Einzelfall unter Abzug des Werts des Anspruchs auf Entrichtung der Vorkasse, für die Erfüllungsbereitschaft bestand. Zu den insoweit in Ansatz zu bringenden Beträgen verhält sich das angefochtene Urteil indessen nicht. Demgemäß enthält es weder eine nachvollziehbare Berechnung des mit Vertragsschluss eingetretenen Eingehungsschadens noch legt es den mit der Auszahlung der Provision und der Auslieferung von Mobiltelefonen und SIM-Karten entstandenen Erfüllungsschaden dar.
14
Auch soweit das Landgericht die "reinen Telefoniekosten" als tatbestandliche Schadensbeträge in Ansatz gebracht hat, sind seine Ausführungen von Rechtsirrtum beeinflusst. Diesbezüglich hat es verkannt, dass die Herbeiführung der entsprechenden Vermögensnachteile zwar durch die Übersendung der freigeschalteten SIM-Karten ermöglicht wurde, aber erst durch den betrügerischen Abschluss von Verträgen über die Nutzung von "Mehrwertnummern" und deren Anwahl über die durch Betrug erlangten SIM-Karten, also durch ein selbständiges deliktisches Verhalten, die vermeintlichen Vergütungsansprüche begründet und teilweise Zahlungen ausgelöst wurden. Es fehlt daher an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen täuschungsbedingter Vermögensverfügung und eingetretenem Vermögensschaden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2005 - 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 178). Hinzu kommt, dass sich die Bereicherungsabsicht der Angeklagten und ihres Mittäters auch nicht auf die Erlöse aus dem betrügerischen Ausnutzen von "Mehrwertnummern" erstreckte. Denn die ent- sprechenden Verträge wurden allein von Dritten abgeschlossen, die SIM-Karten von den Angeklagten und ihrem Mittäter erworben hatten, ohne dass diese an den erschwindelten Gebühren beteiligt werden sollten. In Betracht kommt daher insoweit lediglich, dass sich die Angeklagten und ihr Mittäter durch den Verkauf der SIM-Karten in dem Wissen um die von den Erwerbern beabsichtigte missbräuchliche Verwendung an deren Straftaten als Gehilfen beteiligt haben. Ansonsten handelt es sich bei dem Gebührenschaden ebenfalls nur um eine verschuldete Tatfolge im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB.
15
4. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat sieht im Übrigen Anlass zu folgendem Hinweis:
16
Bei einer Serie von Straftaten mehrerer Angeklagter ist sorgfältig auf eine geordnete und übersichtliche Darstellung der einzelnen Taten zu achten, um Fehler zu vermeiden. Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht. Gegen die Angeklagten S. und Ku. hat das Landgericht 51 Einzelstrafen verhängt, obwohl es sie nur wegen 35 Taten schuldig gesprochen hat. Den Angeklagten K. hat es wegen des nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellten Falles 1 der Urteilsgründe (Fall 186 der Anklageschrift) verurteilt. Hinzu kommt, dass dieser Angeklagte in der Urteilsformel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und nach den Urteilsgründen zu einer solchen von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden ist. Fall 211 der Anklage wurde in den Urteilsgründen als Fall 14 und nochmals als Fall 16 - allerdings mit unterschiedlichen Anmeldedaten und nicht identischen Schadenshöhen - abgeurteilt. Die Fälle 183 und 206 der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage, wurden - soweit ersichtlich - weder nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt noch sind sie Gegenstand der Urteilsgründe. Sie sind also beim Landgericht anhängig geblieben.
17
Die Zusammenfassung mehrerer Straftaten zur rechtlichen Handlungseinheit in der Person des Angeklagten schließt die Annahme gewerbs- und bandenmäßiger Begehungsweise nicht aus (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2842 f.).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 373/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Oktober
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des
Landgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2009, soweit es ihn betrifft,
dahin abgeändert, dass er wegen Betruges in sechs rechtlich
zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs Monaten verurteilt wird; hiervon gilt ein Monat
Freiheitsstrafe als vollstreckt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Betruges in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass hiervon ein Monat Freiheitsstrafe "als Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer" als vollstreckt gilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuld- und Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen gründeten der Angeklagte und der Mitangeklagte F. die -GmbH (im Folgenden: GmbH) zum An- und Verkauf von Lastkraftwagen und Nutzfahrzeugen. Als Geschäftsführer wurde der Zeuge K. eingesetzt. Die konkrete Abwicklung der Geschäfte sollte dem Angeklagten F. und dessen Mittelsmännern obliegen. Der Angeklagte veranlasste zwei seiner ehemaligen Angestellten, in der GmbH auf 400 €-Basis Büroarbeiten zu verrichten. Anlässlich der Gründung der GmbH begleitete der Angeklagte den Zeugen K. zu mehreren Terminen. Im Übrigen sorgte er lediglich für die Anmietung eines Firmenwagens und erschien gelegentlich in dem Unternehmen , um Kaffee zu trinken und die von ihm angeworbenen Angestellten "bei der Stange zu halten". Bereits wenige Tage nach Gründung der GmbH stellten der Angeklagte und der Mitangeklagte F. fest, dass ein regulärer Betrieb nicht möglich war; sie einigten sich deshalb darauf, einen betrügerischen Handel mit nicht vorhandenen LKWs zu betreiben. In Ausführung dieses Vorhabens wurden in der Folgezeit Kontakte mit potentiellen Erwerbern aufgenommen und sechs Kaufverträge abgeschlossen. Den Käufern wurde vorgespiegelt, das betreffende Fahrzeug sei vorhanden und lieferbar. Der Angeklagte beteiligte sich an diesen einzelnen Aktivitäten nicht. Nach Vertragsschluss überwiesen die Geschädigten den Kaufpreis vollständig oder teilweise auf das Geschäftskonto der GmbH. Unmittelbar nach Zahlungseingang wurde das Geld jeweils von dem Zeugen K. im Beisein des Angeklagten abgehoben und dem Mitangeklagten F. bzw. dessen Mittelsmännern in bar übergeben; der Angeklagte erhielt eine "Provision" in Höhe von mindestens 30.000 €; der Gesamtschaden belief sich auf etwa 140.000 €.
3
1. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten mit Blick auf sein erhebliches Tatinteresse und das Gewicht seiner die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beiträge zwar zu Recht als Mittäter angesehen (vgl. BGHR StGB § 263 Täterschaft 1, 2, 3); jedoch hält seine Würdigung rechtlicher Prüfung nicht stand, der Angeklagte habe sechs zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehende Straftaten begangen.
4
Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter , Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden; maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrages bzw. seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, diese Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder je mehrere Einzeldelikte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; vgl. etwa BGH wistra 2001, 336; NJW 2004, 2840, 2841 m. w. N).
5
Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen nur eine materiellrechtliche Tat des Angeklagten (§ 52 StGB); denn seine Tätigkeit erschöpfte sich darin, an dem Aufbau und dem allgemeinen Betrieb der GmbH mitzuwirken , indem er den Zeugen K. als Geschäftsführer gewann, diesen bei der Gründung der GmbH unterstützte sowie Büropersonal für das Unternehmen anwarb und bei dessen Tätigkeit motivierte. Ein konkreter Tatbeitrag zu den einzelnen betrügerischen Verkäufen der LKWs lässt sich demgegenüber den Feststellungen nicht entnehmen. Ein solcher kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Angeklagte den Zeugen K. beim Abheben der auf dem Firmenkonto der GmbH eingegangenen Gelder und bei der Weitergabe derselben an den Mitangeklagten F. bzw. dessen Mittelsmänner begleitete. Zu diesen Zeitpunkten hatten die Geschädigten durch die Überweisung der jeweiligen Beträge bereits einen endgültigen Vermögensverlust erlitten; der Betrug zu ihrem Nachteil war somit beendet.
6
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den Vorwurf tateinheitlicher Tatbegehung nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat hat in der Entscheidungsformel das Konkurrenzverhältnis der gleichartigen Tateinheit im Sinne des § 52 StGB kenntlich gemacht und deshalb angegeben, wie oft der Tatbestand verwirklicht wurde (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 26).
7
3. Mit der Annahme von Tateinheit entfallen die von der Strafkammer festgesetzten Einzelstrafen. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen lassen. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat hier unberührt. Das Landgericht hat die von ihm auf ein Jahr und neun Monate festgesetzte Einsatzstrafe sowie die übrigen Einzelstrafen bei der Bildung der Gesamtstrafe straff zusammengezogen. Es ist deshalb auszuschließen, dass die Strafkammer bei Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
8
4. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

5 StR 156/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. September 2006
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 5. und 6. September 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Elf,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 6. September 2006 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Januar 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Unterschlagung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung in sechs Fällen freigesprochen. Die von der Bundesanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Freisprechung des Angeklagten und dagegen, dass das Landgericht die Unterschlagungen nicht als veruntreuende im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB gewürdigt hat. Der Angeklagte erstrebt mit seiner Revision die Aufhebung der Verurteilung. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Der jetzt 28 Jahre alte Angeklagte ist gelernter Wasserbautechniker. Nach Tätigkeiten als Kurierfahrer und Versicherungsmakler wurde er am 26. November 2001 Gesellschafter und Geschäftsführer der NAGS (NAGS) in Berlin. Dieses Handelsunternehmen hatte der gesondert verfolgte, einschlägig wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte S. zu dem Zweck gegründet, durch einen fingierten Handel mit Computerprozessoren Umsatzsteuer zu hinterziehen.
4
b) S. verschaffte der NAGS zwischen Februar und Juli 2002 135 total gefälschte, auf die Firma H. AG in Berlin als Ausstellerin lautende Eingangsrechnungen über gelieferte Computerprozessoren mit einer Rechnungssumme von insgesamt fast 33,4 Mio. Euro zuzüglich eines Umsatzsteuerausweises in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro. Die beiden ersten Rechnungen vom 19. und 25. Februar 2002 lauteten jeweils über 487.470 Euro zuzüglich 77.995,20 Euro Umsatzsteuer. Die übrigen 133 Rechnungen wiesen jeweils 243.735 Euro zuzüglich 38.997,60 Euro Umsatzsteuer aus. Alle Rechnungen ab dem 25. Februar 2002 trugen der Wahrheit widersprechende Scheck- und Barzahlungsvermerke. Auch die Rechnung vom 19. Februar 2002 war mit einer Quittung versehen. Auf keinem der Geschäftskonten der NAGS wurden den Schecksummen entsprechende Belastungen festgestellt. Es fanden auch keine Barzahlungen an die H. AG statt.
5
S. organisierte tatsächlich auch 135 Lieferungen elektronischer Bauteile unbekannter, aber jedenfalls minderwertiger Art durch einen angeblichen Mitarbeiter Sc. der Firma H. AG. Er verkaufte die Bauteile als Computerprozessoren des Typs PT 4 – E 2 des Herstellers AMD an die deutschen Exportunternehmen ACG AG (ACG; 101 Lieferungen) und WIN KG (WIN; 34 Lieferungen) mit Ausgangsrechnungen der NAGS über fast 34,4 Mio. Euro zuzüglich ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,5 Mio. Euro zum umsatzsteuerfreien Export an die Firma EM. in Malaysia. In jenem Unternehmen saßen Vertrauensleute des S. , die zunächst das Interesse der deutschen Exportunternehmen an der Abwicklung des angeblichen Großauftrags der nicht selbst exportieren- den NAGS geweckt hatten; naheliegend entfernten sie die Warenlieferungen und die Rechnungen der Exporteure im Interesse S. s aus dem Geschäftsgang des Unternehmens. Die Rechnungen der ACG und WIN wurden jedenfalls nicht von der EM. bezahlt.
6
Die Zahlungen an die Exporteure und die NAGS erfolgten tatsächlich entsprechend einem von S ersonnenen Zahlungskreislauf, in den der Angeklagte eingebunden war: Er unterzeichnete für die NAGS einen mit den Zeugen K. , Ko. und N. abgeschlossenen Darlehensvertrag über 260.000 Euro zum Ankauf der Computerprozessoren bei der

H.

AG zu einem monatlichen Zinssatz von 4,5 %. Die Darlehenssumme wurde auf ein Konto der eine GbR bildenden Zeugen bei der Hypo-Vereinsbank in Berlin eingezahlt, aber nicht bestimmungsgemäß verwendet. Jeweils einer dieser Zeugen überwies vielmehr als angeblicher Treuhänder der EM. an die ACG oder WIN vor jeder Lieferung den jeweiligen Betrag der Rechnungen der Exporteure über fast 259.000 Euro als angebliche Vorauszahlung der EM. . Die Exportunternehmen überwiesen sodann nach Anzeige des Wareneingangs durch ihre Spediteure die in den Rechnungen der NAGS ausgewiesenen Bruttobeträge über jeweils rund 291.000 Euro telegrafisch auf ein Konto der Hypo-Vereinsbank in Berlin, über das die NAGS, vertreten durch den Angeklagten, und der Zeuge K. gemeinsam verfügungsbefugt waren.
7
Hierdurch erlangte S. Zugriff auf die von der ACG und WIN gezahlten Bruttobeträge einschließlich Umsatzsteuer, während die angeblich für die EM. geleisteten Zahlungen Ausfuhrlieferungen betrafen und keine Umsatzsteuer enthielten (§ 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 UStG). Sobald die Bank den Zahlungseingang angezeigt hatte, gab der Angeklagte die noch bei den Speditionen der Exporteure lagernde Ware zur Ausfuhr frei. Der Angeklagte begab sich dann jeweils mit einem Vertreter der Kreditgeber zur Bank. Sie veranlassten gemeinsam zwei Barauszahlungen über jeweils 259.000 Euro und etwa 32.000 Euro. Der Vertreter der Darlehensgeber zahlte sogleich auf das Konto der GbR 259.000 Euro in bar ein. Dieses Geld stand damit für die nächste „Vorauszahlung“ an die ACG oder WIN zur Verfügung. Der Angeklagte zahlte auf ein anderes Geschäftskonto der NAGS jeweils 32.000 Euro ein. Von diesem Konto hob der Angeklagte zwischen dem 21. Februar und 17. Juli 2002 – nach jeder Zahlung der Exporteure – insgesamt etwa 2 Mio. Euro in bar ab. Dieses Geld übergab er S. .
8
Der Steuerberater Kr. erstellte mit den gefälschten Eingangsrechnungen und den an die ACG und WIN gerichteten Ausgangsrechnungen , die ihm der mit der vorbereitenden Buchführung der NAGS betraute Zeuge He. übergab, für die Monate Februar bis Juli 2002 die Umsatzsteuervoranmeldungen für die NAGS. Diese wurden zwischen dem 3. April und 2. Oktober 2002 beim Finanzamt eingereicht. Sie führten zu einer Verkürzung der von der NAGS zu entrichtenden Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro.
9
c) Der Angeklagte schloss auf Weisung des S. am 23. April und 14. Mai 2002 Leasingverträge über je ein Firmenfahrzeug ab. Ein Pkw Mercedes-Benz CLK Cabrio (Preis 54.000 Euro) wurde für den Angeklagten , ein weiterer S 600 lang (Kaufpreis 112.000 Euro) für S. beschafft. Am 6. Juni 2002 erwarb der Angeklagte für die NAGS einen überwiegend kreditfinanzierten PKW BMW Coupé 330 Ci A für 49.000 Euro, der von T. , einem weiteren Mitarbeiter der NAGS, genutzt wurde. Auch den Zeugen A. , Ha. , He. , Hä. und A. standen vom Angeklagten beschaffte , im Eigentum Dritter stehende Firmenfahrzeuge zur Verfügung.
10
Ende Juli, spätestens im Laufe des August 2002 stellte die NAGS ihre Geschäftstätigkeit auf Weisung des S. ein. Der Angeklagte übte die ihm kraft Gesetzes zugewiesene Funktion eines Liquidators nicht aus. Er überließ die Firmenfahrzeuge der alleinigen Verfügung durch S. . Der Angeklagte und S. reisten später nach einem Aufenthalt in der Schweiz nach Dubai. Auf Weisung des S. versandte der Zeuge Ha. im September oder Oktober 2002 die von dem Angeklagten, S. und T. in Deutschland genutzten Pkw per Luftfracht nach Dubai. Dort übernahmen der Angeklagte und S. ihre Fahrzeuge wieder. Der Angeklagte nutzte das Cabrio noch einige Zeit, bis es von S. einem Geschäftsfreund geschenkt wurde. Nach Auftreten von Zahlungsrückständen kündigten die Leasinggeber und die finanzierende Bank im Dezember 2002 die mit der NAGS abgeschlossenen Verträge. Die übrigen Firmenfahrzeuge wurden nach Ablauf der den Besitz begründenden Verträge an die Kfz-Händler zurückgegeben.
11
d) Der Angeklagte wurde am 9. August 2003 in Dubai wegen Drogenbesitzes und Drogenkonsums zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und nach Teilverbüßung dieser Strafe am 23. Dezember 2003 nach Deutschland ausgeliefert.
12
2. Der Angeklagte hat sich hinsichtlich der Vorwürfe der Unterschlagungen damit verteidigt, er habe Versprechungen S. s vertraut, dieser werde die zwischen der NAGS und den Sicherungsnehmern abgeschlossenen Verträge übernehmen und für eine Weiterzahlung der Raten sorgen. Solches hat das Landgericht als Schutzbehauptung widerlegt, weil der Angeklagte alle Fahrzeuge der von ihm nicht zu kontrollierenden Willkür

S.

s überantwortet und dadurch die konkrete Gefahr einer dauerhaften Enteignung der Eigentümer bewirkt habe.
13
Demgegenüber hat das Landgericht hinsichtlich der mittäterschaftlich angelasteten Steuerhinterziehungen die Einlassungen des Angeklagten als nicht mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit wider- legt erachtet. Insoweit hat sich der Angeklagte darauf berufen, er sei zwar von S. gesteuerten, aber realen Handelsgeschäften mit großen Gewinnspannen ausgegangen. Von den an S. bar übergebenen Geldern seien jeweils 25.000 Euro an den Lieferanten, die H. AG, gegangen. Die restlichen 7.000 Euro seien der Profit der NAGS gewesen.
14
3. Die gegen die Freisprechung des Angeklagten gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Senat kann es deshalb dahingestellt sein lassen, ob die Zurückweisung des Beweisantrags der Staatsanwaltschaft als bedeutungslos schon wegen dem Antrag nicht zu entnehmender Konnexität (vgl. BGHSt 43, 321, 329 f.) oder deshalb nicht gegen § 244 Abs. 6 StPO verstoßen konnte, weil die Staatsanwaltschaft verpflichtet war, auf eine vollständige Behandlung des von ihr gestellten Beweisantrags hinzuwirken (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag

37).


15
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf , ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
16
Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl – wie hier – nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es allerdings in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH wistra 2002, 430 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil namentlich hinsichtlich der Bewertung der Kenntnis des Angeklagten von der Nichtbezahlung der H. -Rechnungen und der Indizwirkung der Beteiligung des Angeklagten an dem von S. initiierten Zahlungskreislauf nicht gerecht.
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a) Zwar hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe darauf vertraut, dass jede Rechnung der Firma H. mit 25.000 Euro aus dem vom Angeklagten an S. übergebenen Bargeld bezahlt worden sei, einer kritischen Prüfung unterzogen. In diese sind aber wesentliche belastende Umstände nicht einbezogen worden, so dass auch die vorgenommene Gesamtwürdigung nicht mehr tragfähig ist.
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Das Landgericht hat nicht erwogen, dass der Zeuge Ha. die fingierten Eingangsrechnungen zunächst dem Angeklagten übergeben hat. Zwar hat die Wirtschaftsstrafkammer solches in einer eher distanzierenden Weise ausgedrückt, wonach Sc. dem „Ha. zufolge ihm jeweils Rechnungen für die jeweilige Lieferung überreicht haben, die er dann dem Angeklagten übergeben haben will“ (UA S. 23). Gleichwohl handelt es sich insoweit um eine Feststellung. Das Landgericht hält nämlich die Aussage des Zeugen Ha. zur Entgegennahme von Paketen, zum Erhalt der Rechnungen und zur Nichtübergabe von Bargeld bei Lieferung für glaubhaft, ohne eine Einschränkung für die Übergabe der Rechnungen an den Angeklagten vorzunehmen. Der somit festgestellte vorübergehende – bis zur Einstellung in die dem Zeugen He. anvertraute Buchführung – Besitz des Angeklagten an den Rechnungen hätte bei der gegebenen erheblichen Verdachtslage aber jedenfalls erfordert, eine naheliegende Kenntnisnahme des Angeklagten vom Inhalt der Rechnungen zu erörtern und gegebenenfalls unter Einbeziehung der Einzelheiten des dem Angeklagten bekannten Zahlungskreislaufs zu würdigen. Solches hätte den Schluss rechtfertigen können, dass dem Angeklagten klar war, dass die NAGS, die aus jedem Verkauf lediglich 32.000 Euro – die vom Angeklagten bar abgehobenen Beträge – erzielt hat, unter keinen Umständen die auf den Rechnungen der H. AG vermerkten hohen Zahlungen an die H. AG zu leisten in der Lage gewesen wäre.
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b) Darüber hinaus begründet die vom Landgericht ausschließlich als entlastend gewürdigte Barzahlung in Höhe von jeweils 25.000 Euro auf die 133 H. -Rechnungen einen Wertungsfehler (vgl. BGH wistra 2002, 260, 262; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 490/03). Nach den Feststellungen des Landgerichts war dem Angeklagten aufgrund der von ihm eigenhändig mit vorgenommenen Verteilung des Verkaufserlöses jeweils nach Eingang der vollständigen Zahlungen der ACG und WIN auf die Ausgangsrechnungen der NAGS bekannt, dass von dem Erlös in Höhe von jeweils 291.000 Euro, der jeweiligen Gutschrift auf dem Gemeinschaftskonto, für die Geschäftstätigkeit der NAGS lediglich 32.000 Euro zur Verfügung standen. Bei der jeweiligen Zahlung an die H. in Höhe von 25.000 Euro hätte es sich aber aufgedrängt, dass zu diesem Preis keine hochwertigen Prozessoren bezogen worden sein konnten, mit denen allein der nahezu zwölffache Verkaufspreis hätte erzielt werden können. Schließlich hätten auch die weiteren einen Verdacht begründenden Umstände, die Übergabe der wertvollen Prozessoren auf einem Parkplatz vor dem Geschäftshaus der NAGS und die Abwicklung (nur) eines Teils des Kerngeschäfts dieses Unternehmens im Wege der Barzahlung, mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen.
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c) Schließlich weist die Revision zu Recht darauf hin, dass das Landgericht in dem Indizienkomplex, in welchem es einen von Bankmitarbeitern erhobenen Geldwäscheverdacht als beim Angeklagten nicht vorsatzbegründend würdigt, die für die NAGS wirtschaftlich nachteiligen Umstände des vom Angeklagten mit betriebenen Zahlungskreislaufs nicht beweiswürdigend einbezogen hat. Die jeweiligen „Vorauszahlungen“ auf die Ausgangsrechnungen der ACG und der WIN stellen sich angesichts der – in Anwesenheit des Angeklagten den Bankmitarbeitern offenbarten – Treuhänderstellung im Ergebnis als Subventionierung der Endabnehmer in Malaysia dar, gespeist aus den Verkaufserlösen der NAGS in Deutschland. Der angebliche Endabnehmer EM. hat nämlich zu keiner Zeit irgendeine Zahlung an die Exporteure oder die NAGS geleistet, was sich auch dem Angeklagten aufgrund der vorstehend geschilderten, ihm bekannten Umstände erschließen musste. Denn der Angeklagte wusste zugleich, dass die GbR tatsächlich Kreditgeberin der NAGS war. Ein solches Geschäft wäre bei Annahme eines legalen Hintergrundes so offensichtlich ruinös für die NAGS, dass dieser Umstand, wie auch die exorbitante Höhe des Darlehenszinses und der wirtschaftlich unsinnige Zahlungsweg über die Exporteure, in die Gesamtwürdigung hätte einbezogen werden müssen. Naheliegend hätte sich dann der Blick darauf richten können, dass die Geschäftstätigkeit der NAGS allein darauf ausgerichtet war, die von den Exportunternehmen an sie gezahlte Umsatzsteuer für sich abzuzweigen. Denn die NAGS musste die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführen, weil sie diese Beträge mit den Vorsteuerbeträgen aus den Scheinrechnungen der H. AG verrechnete. Den Exportunternehmen drohte aus den für sie umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferungen ebenfalls kein Nachteil, da sie in ihren Steueranmeldungen gemäß § 18 Abs. 1, 3 UStG die Umsatzsteuerbeträge aus den NAGSRechnungen als Vorsteuern in Abzug bringen konnten (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a, § 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
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Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht kommt, auch wenn wieder festgestellt werden sollte, dass der Angeklagte Einzelheiten der Haupttat nicht gekannt hat (vgl. BGHSt 46, 107, 109). Sollte dagegen dem Angeklagten klar geworden sein, dass die Gründung und Geschäftstätigkeit der NAGS ausschließlich – neben dem Erwerb der fremdfinanzierten Pkws – darauf ausgerichtet war, ihren Gewinn durch Umsatzsteuerhinterziehung zu erreichen, wird die Annahme von Mittäterschaft nahe liegen.
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Mit Blick auf die vom Senat gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 370a AO geäußerten Bedenken (BGH wistra 2005, 30, 31 f.; NJW 2004, 2990, 2991 f.) wird es sich für den neuen Tatrichter anbieten, die Strafverfolgung gemäß § 154a StPO auf die Vorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AO zu beschränken.
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4. Auch die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an.
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Für eine Zueignung ist es in den hier zu beurteilenden Fällen bestehender Sicherungsübereignung erforderlich, dass der Täter ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das den sicheren Schluss darauf zulässt, dass er den Sicherungsgegenstand unter Ausschluss des Sicherungseigentümers seinem eigenen Vermögen einverleiben will (BGHSt 34, 309, 312). Im Fall der vom Landgericht angenommenen Drittzueignung muss das Verhalten des Täters darauf gerichtet sein, dass das Sicherungsgut dem Vermögen des Dritten zugeführt wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 246 Rdn. 5; Kudlich JuS 2001, 767, 771). Die Tathandlung muss zu einer Stellung des Dritten in Bezug auf die Sache führen, wie sie auch bei der Selbstzueignung für die Tatbestandserfüllung notwendig wäre (Tröndle/Fischer aaO Rdn. 11a). Bei der Unterschlagung von Sicherungsgut zum eigenen Vorteil ist dies anerkannt, falls der Sicherungsgeber das Sicherungsgut in einer Art und Weise weiter nutzt, die zum Ausdruck bringt, dass der Täter das Sicherungseigentum nicht mehr achtet, sondern den bisherigen Fremdbesitz an den Gegenständen in Eigenbesitz umwandeln wollte (BGHSt 34, 309, 313). Im Falle der Drittzueignung durch den Sicherungsgeber muss demnach bei der hier zu würdigenden Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Dritten zum Ausdruck kommen, dass der bisherige Fremdbesitz durch dem Dritten auf Dauer verschafften Eigenbesitz ersetzt werden soll (vgl. Schenkewitz NStZ 2003, 17, 20; Kudlich aaO). Solches wird für den Angeklagten durch die Feststellung des Landgerichts für die angenommene Tatzeit der Übergabe der Fahrzeuge an S. (August 2002) aber nicht ausreichend belegt.
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Das Landgericht stellt zwar das Bewusstsein des Angeklagten fest, dass S. im Zeitpunkt der Übernahme der Fahrzeuge wie ein Eigentümer über diese verfügen würde und dass den Eigentümern hierdurch die Fahrzeuge entzogen werden würden. Diese Feststellung beruht indes auf einer Schlussfolgerung, die von der sie begründenden Beweiswürdigung nicht getragen wird. Für den Tatzeitpunkt werden nämlich keine Umstände benannt, die eine Vorstellung des Angeklagten hinreichend belegen, S. werde das Sicherungseigentum missachten. Das Landgericht hat den Angeklagten als undoloses Werkzeug des S. angesehen; er habe nicht einmal das von S. gesteuerte Umsatzsteuerkarussell durchschaut. Soweit das Landgericht auch auf die wesentlich spätere Inbesitznahme der drei Pkw in Dubai abstellt und in der Nutzung des Fahrzeugs des Angeklagten möglicherweise eine nachträgliche Billigung zur Begründung von Eigenbesitz des S. sieht, wirken diese Umstände auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zur angenommenen früheren Tatzeit, der Einstellung der Geschäftstätigkeit in Deutschland, aber nicht zurück. Die Verbringung der Fahrzeuge zum ersichtlich erst später festgelegten Fluchtort beruht ausschließlich auf einer neuen Entschließung S. s, die sogar noch Raum für eine Achtung des Sicherungseigentums hinsichtlich der übrigen Kfz ließ.
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Demnach hat der Angeklagte die drei Pkw jedenfalls nicht täterschaftlich einem Dritten zugeeignet, sondern S. durch Besitzverschaffung lediglich die Gelegenheit für die von diesem vollzogene Unterschlagung geboten. Dies hätte bei Vorliegen eines Beihilfevorsatzes bei dem Angeklagten zur Bestrafung wegen Beihilfe zur Unterschlagung führen können (vgl. Maurach/Schröder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil Band 1 9. Aufl. S. 404 f.; Tröndle/Fischer aaO § 246 Rdn. 11a mit Nachweisen der weitergehenden Gegenauffassung; Schenkewitz aaO; Kudlich aaO). Auch dieser ist indes nicht hinreichend belegt.
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Auf die festgestellte Inbesitznahme des Pkw Mercedes-Benz CLK in Dubai durch den Angeklagten hat das Landgericht seine Verurteilung nicht gestützt. Gleiches gilt für den weiteren Umgang mit den übrigen Fahrzeugen durch S. in Dubai; insoweit hatte der Angeklagte als Geschäftsführer , beziehungsweise Liquidator der NAGS eine Garantenstellung.
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Die Sache bedarf demnach auch insoweit neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass bei der Bewertung des Vorstellungsbildes des Angeklagten die einen Tatkomplex betreffenden belastenden Indizien wegen der hier vorliegenden Verschränkung der Sachverhalte auch für den jeweils anderen Tatkomplex beweiswürdigend heranzuziehen sind (vgl. BGH wistra 2002, 260, 261; 430).
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5. Die für die Verurteilungsfälle auf die Nichtannahme der Qualifikation des § 246 Abs. 2 StGB beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg. Die hier vorliegenden Sicherungsübereignungen begründen ein Anvertrautsein (vgl. BGHSt 16, 280, 282; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 246 Rdn. 29). Dies wird es rechtfertigen, im Fall einer erneuten Verurteilung die Strafe dem Qualifikationstatbestand zu entnehmen.
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6. Für die eventuell neu vorzunehmende Strafzumessung weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Der durch die Unterschlagung begründete Schaden der Eigentümer bestimmt sich nach dem Wiederbeschaffungswert der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Unterschlagungshandlungen. Deshalb darf nicht auf die Höhe der noch offenen Forderungen der Darlehens- bzw. Leasinggeber abgestellt werden, die rückständige Raten oder einen entgangenen Gewinn in Form eines Zinsausfallschadens enthalten werden.
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b) Die Verfahrensdauer während des Revisionsverfahrens ist allein durch verzögerte Zustellungen um sechs Monate verlängert worden; seit der Fertigstellung des Urteils hat es über ein Jahr bis zum Eingang der Verfahrensakte bei der Bundesanwaltschaft gedauert. Solches wird Anlass geben, im Rahmen der Strafzumessung eine Art. 6 Abs. 1 MRK verletzende Verfahrensverzögerung im Rechtsmittelverfahren zu prüfen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2006 – 5 StR 587/05; vgl. im Übrigen BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13 und 16).
Basdorf Raum Brause Elf Jäger
5 StR 414/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 6. März 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten Z. wird das vorgenannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen Anstiftung zum Betrug unter Einbeziehung der rechtskräftigen Freiheitsstrafe aus einer Vorentscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten Z. hat es wegen Anstiftung zum Betrug, wegen Betruges in drei Fällen und wegen Unterschlagung eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verhängt. Die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil haben jeweils mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel aus den Gründen der Antragschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die gegen den Angeklagten F. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann keinen Bestand haben. Die Bildung der Gesamtstrafe mit der Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 16. November 2004 nach § 55 Abs. 1 StGB wird von den Feststellungen nicht getragen. Es ist nicht belegt, dass der Angeklagte F. die hier gegenständliche Straftat vor der früheren Verurteilung begangen hat. Zumindest die Haupttat aus Fall III. 6. der Urteilsgründe (Betrug zu Lasten der M. L. AG) war vor Dezember 2004 jedenfalls nicht vollendet (vgl. BGH NStZ 1992, 231; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Begehung 3). Dass nach diesem Zeitpunkt in dem anderen Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden hätte, in dem die dem Strafbefehl zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals hätten geprüft werden können, ist nicht festgestellt.
3
2. Betreffend den Angeklagten Z. sind die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufzuheben.
4
a) Das Landgericht ist bei der Strafzumessung im Fall der Anstiftung zu den Fällen III. 1. bis III. 6. der Urteilsgründe sowie in den drei Betrugsfällen unter III. 7. der Urteilsgründe jeweils von einer zu hohen Schadenssumme ausgegangen.
5
Das Landgericht hat, was an sich nicht zu beanstanden ist, die nach Tatvollendung vom Angeklagten F. geleisteten Kautionen sowie Mietund Leasingzahlungen vom tatbestandlichen Betrugsschaden, der sich nach dem Wiederbeschaffungswert der Fahrzeuge und Auflieger im Zeitpunkt der Übergabe durch die geschädigten Firmen an die gesondert verfolgten Mittäter L. und M. bestimmt (vgl. dazu BGH wistra 2007, 18, 21), abgezogen. Es hat aber diese nachträgliche Reduzierung der Schadenssummen um über 500.000 Euro nur dem Angeklagten F. , nicht aber dem Angeklagten Z. zugutegebracht, da dieser sich nicht mit eigenem Vermögen an den Zahlungen beteiligt habe. Diese Begründung trägt nicht. Denn es entsprach dem gemeinsamen Tatplan, dass die Miet- und Leasingverträge zunächst aus den Erlösen, die der Angeklagte F. aus der Weiterveräußerung der Fahrzeuge und Auflieger im Nahen Osten erzielte, bedient werden sollten. Daher war auch bei der Strafzumessung gegen den Angeklagten Z. zugrundezulegen, dass die geschädigten Firmen im Fall III. 1. bis III. 6. einen endgültigen Vermögensverlust in Höhe von rund 2.500.000 Euro und im Fall III. 7. von fast 220.000 Euro erlitten haben.
6
Der b) Senat kann nicht ausschließen, dass die rechtsfehlerhafte Strafzumessung in den genannten Fällen die Straffindung im Fall IV. der Urteilsgründe beeinflusst hat. Um dem nunmehr berufenen Tatrichter eine insgesamt neue und in sich stimmige Strafenbildung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe auf. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler nicht.
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal