Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2013 - 4 StR 406/13
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) in der Urteilsformel dahin berichtigt, dass der Angeklagte zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten“ verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils wegen eines offensichtlichen Schreibversehens berichtigt. Das Landgericht hat den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (nicht: zu einer „Freiheitsstrafe“) verurteilt.
- 3
- 2. Mit dieser Klarstellung hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler zum Schuld- und Strafausspruch ergeben.
- 4
- 3. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist.
- 5
- Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt: „Die Feststellungen zum langjährigen Drogenabusus des Angeklagten und zum jeweils unmittelbar vor der Tat stattgefundenen Drogenkonsum drängten zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB gegeben sind.
).
Diese Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang im Sinne des § 64 S. 1 StGB hat, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2012 - 4 StR 253/12 Rn. 2) und die abgeurteilte Tat auch hierauf beruht. Die festgestellten Vorstrafen wegen typischer Beschaffungskriminalität und die durch die mitgeführten Tatmittel gezeigte latente Bereitschaft des Angeklagten, bei günstiger Gelegenheit weitere Raubüberfälle zu begehen, deuten darauf hin, dass ihm auch die für eine Maßnahme nach § 64 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose zu stellen ist. Die frühere freiwillige Alkoholtherapie (UA Bl. 7) spricht für einen grundsätzlichen Therapiewillen des Angeklagten und die Annahme einer positiven Behandlungsprognose im Sinne des § 64 S. 2 StGB. Die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht.
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 S. 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.“
- 6
- Dem tritt der Senat bei.
- 7
- In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf niedrigere Strafen erkannt hätte.
Mutzbauer Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
a) Die Kammer stellt ausdrücklich fest – und hat insoweit keine Bedenken , den Angaben des Angeklagten zu folgen – , dass der Angeklagte ‚beinahe täglich‛ Kokain konsumierte (UA S. 5), ‚langjährig‛ Marihuana und Kokain zu sich nahm (UA S. 17), auch während der Tatzeiten ‚Kokain konsumierte‛ (UA S. 17) und er ‚die wirtschaftlichen Vorteile aus den Straftaten … zum Ankauf von Betäubungsmitteln einzusetzen‛ gedachte (UA S. 11).
b) Die Annahme eines ‚Hangs‛ im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011, 3 StR 421/11 mwN). Dem Umstand, dass durch den Rauschgiftgebrauch bereits die Gesundheit, sowie Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind – worauf die Kammer in ihrem Urteil abstellt (UA S. 34) – kommt für das Vorliegen eines Hangs zwar eine wichtige indizielle Bedeutung zu, das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (Senat, Beschluss vom 1. April 2008, 4 StR 56/08 = NStZ-RR 2008, 198). Ausreichend ist es bereits, wenn der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint, was insbesondere bei sogenannter Beschaffungskriminalität zu bejahen ist (BGH, Beschluss vom 27. März 2008, 3 StR 38/08).
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.