Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2014 - 4 StR 506/13

bei uns veröffentlicht am13.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 506/13
vom
13. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 9. Juli 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen folgten der Angeklagte und S. L. , die auf eine körperliche Auseinandersetzung aus waren, der Gruppe um die Nebenkläger , zu der auch der Zeuge C. gehörte. Als C. auf die beiden zuging und sie aufforderte, endlich zu verschwinden, holte der Angeklagte aus und versuchte, C. einen Schlag zu versetzen. Dieser konnte demSchlag ausweichen und versetzte seinerseits dem Angeklagten einen Faustschlag. Nunmehr griffen die Nebenkläger und S. L. in das Geschehen ein. Im Verlaufe der anschließenden Rangelei zog der Angeklagte ein Messer und brachte den beiden Nebenklägern jeweils eine Stichverletzung im Oberkörperbereich , dem Nebenkläger F. zudem zwei Schnittverletzungen am linken Unterarm und am Rücken bei. Obwohl es dem mit dem Messer bewaffneten Angeklagten möglich gewesen wäre, weiter auf die Nebenkläger und C. einzuwirken, zog es der Angeklagte – einer Aufforderung eines Bekannten, mit der Schlägerei aufzuhören, Folge leistend – vor zu fliehen und verließ zusammen mit S. L. den Tatort. Nach der Tat äußerte der Angeklagte, einen oder mehrere „von denen abgestochen“ zu haben, er wisse aber nicht wen.

II.


3
Die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung zum Nachteil C. hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Jugendkammer hat übersehen, dass der Angeklagte nach dem festgestellten Sachverhalt vom Versuch der Körperverletzung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB strafbefreiend zurückgetreten ist.
4
Der Körperverletzungsversuch war entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts durch das Eingreifen der beiden Nebenkläger aus Sicht des Angeklagten nicht fehlgeschlagen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 f. mwN), weil dem Angeklagten zur weite- ren Verwirklichung seines Vorhabens, auch C. zu verletzen, das mitgeführte und anschließend verwendete Messer zur Verfügung stand und er noch im Zeitpunkt der Aufgabe der Tatausführung in der Lage war, das Messer gegen C. zum Einsatz zu bringen. Nach den für die Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch geltenden rechtlichen Maßstäben (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 24 Rn. 14, 18 mwN) stellte sich der Versuch unabhängig davon, ob der Angeklagte nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung wusste oder unsicher war, seinen Kontrahenten bis dahin nicht verletzt zu haben, als unbeendet dar. Denn der Angeklagte ging – bei der letztgenannten Konstellation für den Fall eines bislang ausgebliebenen Verletzungserfolgs – davon aus, noch nicht alles zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs Erforderliche getan zu haben. Vom unbeendeten Versuch der Körperverletzung zum Nachteil C. konnte der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB durch schlichte Aufgabe der weiteren Tatausführung strafbefreiend zurücktreten. Der unbedingte Wille zur Aufgabe der Tat steht auch bei Unsicherheit des Zurücktretenden über eine möglicherweise bereits eingetretene Tatvollendung außer Frage.
5
Der Senat lässt die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung entfallen und ändert den Schuldspruch entsprechend. Die Schuldspruchänderung entzieht dem Strafausspruch die Grundlage, weil die Jugend- kammer die unzutreffend bejahte versuchte Körperverletzung im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat. Der Strafausspruch bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung.
6
Da das Verfahren sich nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten richtet und keinen die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden Vorwurf mehr zum Gegenstand hat, verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2014 - 4 StR 506/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2014 - 4 StR 506/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2014 - 4 StR 506/13 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 346/12

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 346/12 vom 25. Oktober 2012 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2012, an der teilgenommen haben:

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 346/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
die Nebenklägerin in Person – in der Hauptverhandlung
–,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe des versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er hat jedoch die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Fall II. 2 a)
4
Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren seit Ende 2010 befreundet und empfanden „tiefe, intensive Gefühle“ füreinander. Da der Angeklagteje- doch von heftiger Eifersucht und starken Verlustängsten geplagt wurde, verlief die Beziehung konfliktgeladen und wurde schließlich von der Nebenklägerin in der zweiten Juni-Hälfte 2011 vorübergehend beendet. In der Folgezeit entwickelte der Angeklagte immer heftigere Rachegelüste und fand zunehmend Gefallen an einem englischsprachigen Liedtext eines Rappers, der von der Tötung einer Ex-Freundin handelte (UA S. 10, 14). Nachdem ihm eine Aussöhnung aussichtslos erschien, sann der Angeklagte darauf, „die Nebenklägerin fertig zu machen“ (UA S. 15). Zu diesem Zweck redete er immer wieder auf den Zeugen T. ein, ihm dabei behilflich zu sein, die Nebenklägerin bei passender Gelegenheit „abzufüllen“ und sie – entlang einer Straße gehend – vor sein Auto zu stoßen, damit es wie ein Unfall aussähe. Der Zeuge T. , der das wiederholte Ansinnen schließlich ernst nahm, ging darauf jedoch nicht ein. Im Verlauf des 29. Juni 2011 tauschte sich der Angeklagte mehrmals mit dem Zeugen T. über das Internet-Chat-Forum ICQ aus und äußerte, dass er kurz vor dem Ausrasten sei und die Nebenklägerin „am liebsten echt umbringen“ würde. Der Zeuge T. solle dies jedoch niemandem erzählen. Am Abend desselben Tages traf der Angeklagte auf der Geburtstagsfeier einer Bekannten erstmals nach der Trennung auf die Nebenklägerin. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2011 entwickelte sich ein lautstarkes Wortgefecht, bei dem sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wechselseitig anschrien. Dabei äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie „umbrin- gen“ (UA S. 17). Nachdem es den weiteren Partygästen gelungen war, den An- geklagten zu beruhigen, brachte ihn die Mutter der Gastgeberin nach Hause.
5
Am späten Abend des 30. Juni 2011 fuhr er sodann zwischen 23.00 und 24.00 Uhr mit dem VW Polo seines Stiefvaters in Begleitung der Zeugen P. und F. zu einer Diskothek in G. und stellte das Fahrzeug – vorwärts einparkend – im Parkflächenbereich in der ersten oder zweiten Haltebucht ab, die rechts neben der kombinierten Ein- und Ausfahrt liegt. Etwa ein bis zwei Fahrzeuglängen hinter den Parkbuchten verläuft ein ca. zehn Zentimeter breiter und ca. acht Zentimeter hoher Pflastersockel, der die Parkfläche von einem Fahrstreifen für einen Drive-in-Schnellimbiss abtrennt. Zur Straßenseite hin wird das Areal durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen begrenzt. Kurz nach Mitternacht traf der Angeklagte auf die Nebenklägerin, die die Diskothek in Begleitung des Zeugen T. verließ. In unmittelbarer Nähe des geparkten Fahrzeugs kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich versetzte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine Ohrfeige und beschloss wegzugehen. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer seines Fahrzeugs, in dem auch die Zeugen P. und F. Platz nahmen. Er beobachtete , wie sich die Nebenklägerin in Richtung der Ein-/Ausfahrt wandte. Voller Wut und Verzweiflung entschloss er sich in diesem Augenblick, die Nebenklägerin zu töten, was er gegenüber seinen Begleitern mit den Worten ankündigte „Ich fahrdie J. jetzt um“, „Ich bring sie um“, „Ich glaub, ich bring sie jetzt um“. Demgemäß starteteer – während die Nebenklägerin die ersten Schritte in Richtung der Ein-/Ausfahrt machte – den Motor und fuhr sogleich an, „um sie rückwärtsfahrend umzufahren und hierdurch zu Tode zu bringen“. Als der Zeuge P. dies erkannte, packte er den Angeklagten sofort mit den Worten „Bist du bescheuert? Du hast sie nicht mehr alle!“ so heftig und unvermittelt am Arm, dass er ihn hierdurch am Weiterfahren hinderte. Nach einem starken Ruckeln – vergleichbar einem Abwürgen des Motors bei laufender Fahrt – stand das Fahrzeug sogleich wieder still. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeugheck – ohne Fahrtrichtungsänderung – „nur kurz hinter der Parkbucht“ (UA S. 20). Nunmehr trat der Zeuge T. an das stehende Fahrzeug heran und verwickelte den Angeklagten in ein Gespräch. In der Zwischenzeit hatte die Nebenklägerin über die Ein-/Ausfahrt bereits das Parkgelände verlassen und befand sich – für den Angeklagten nicht einsehbar – auf dem Bürgersteig. Durch die Büsche des Grünstreifens erblickte sie das stehende Fahrzeug und setzte ihren Weg fort. Auf der Rückfahrt machte der Angeklagte dem Zeugen P. wegen des Eingreifens beim Rückwärtsfahren Vorhaltungen und kündigte (vorübergehend) die Freundschaft auf; außerdem stellte er Überlegungen an, die Nebenklägerin bei anderer Gelegenheit mit tödlichem Ausgang zu überfahren. Im Verlauf des 1. Juli 2011 suchte er im Internet nach Methoden, die Nebenklägerin mittels Schreckschusspistole zu töten (UA S. 21).
6
Fall II. 2 b)
7
Am Nachmittag des 2. Juli 2011 begegnete der Angeklagte der Nebenklägerin auf der Kirmes in K. . Gegen 19.00 Uhr bat er sie um ein VierAugen -Gespräch abseits des Kirmes-Geländes. Der Angeklagte hatte auf der Kirmes dem Alkohol zugesprochen, ohne dass seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt war. Es kam erneut zum Streit, wobei der Angeklagte die Nebenklägerin zunächst schubste und an den Händen packte. Gleichwohl gelang es ihr, den Angeklagten zu ohrfeigen. Daraufhin griff dieser noch fester zu, weshalb die Nebenklägerin versuchte, ihm in den Schritt zu treten. Voller Zorn beschloss der Angeklagte nunmehr, die Nebenklägerin an Ort und Stelle bis zum Tode zu würgen. Er brachte sie zu Fall, ergriff mit beiden Händen ihren Hals und drückte mit ganzer Kraft zu, so dass sie schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Angeklagte glaubte, der Todeseintritt stehe unmittelbar bevor, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass die Nebenklägerin neben seiner Mutter die wichtigste Frau in seinem Leben sei. Daraufhin konnte er die Tat nicht mehr „durchziehen“ und ließ von der Geschädigten ab, die bald darauf wieder zu Bewusstsein kam (UA S. 22).
8
Fall II. 2 c)
9
Als die Nebenklägerin dem Angeklagten anlässlich einer weiteren Aussprache am 13. Juli 2011 eröffnete, mit dem Zeugen T. eine intime Beziehung eingegangen zu sein, ergriff der Angeklagte aus Wut und Eifersucht ein Küchenmesser mit einer ca. 20 Zentimeter langen Klinge und stürmte mit dem lauten Ruf „Missgeburt, ich stech dich ab“ aus dem Haus in Richtung des Zeu- gen T. , um diesen einzuschüchtern und davon zu jagen (UA S. 29).

II.


10
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
11
1. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags (Fall II. 2 a der Urteilsgründe ) weist keinen Rechtsfehler auf.
12
a) Das Landgericht hat sich ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche auf Grund einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände von der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht des Angeklagten überzeugt. Es hat sich umfassend mit den Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt, seiner Tatmotivation und sowie seinem Vor- und Nachtatverhalten auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 1524, 1525 ff.). Insbesondere die nachhaltige Einwirkung auf den Zeugen T. vor dem 29. Juni 2011 („fingierter Verkehrsunfall“), der Verlauf der ICQ-ChatProtokolle vom 29. Juni 2011, die Todesdrohungen auf der Geburtstagsparty am 30. Juni 2011 und das Würgen der Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit am 2. Juli 2011 rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte am 1. Juli 2011 in Tötungsabsicht handelte, als er „voller Wut und Ver- zweiflung“ das Überfahren der Nebenklägerin ankündigte und seinen Pkw star- tete. Das Gesamtverhalten des Angeklagten wurde von einem stets präsenten „intentionalen Spannungsbogen“ überwölbt, der Nebenklägerin nicht nur mit Worten zu drohen, sondern dies auch umzusetzen (UA S. 52).
13
b) Das Handeln des Angeklagten hat auch bereits die Schwelle zum Versuch (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) überschritten.
14
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin – aus der Sicht des Täters – das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tat- bestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 26. August 1986 – 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; Beschluss vom 11. Juni 2003 – 2 StR 83/03, BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte , als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklä- gerin zufuhr, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte „in einem Zug“ überfahren konnte.
15
c) Das Landgericht musste sich nicht zu der Prüfung gedrängt sehen, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten ist. Hinsichtlich des Geschehens auf dem Parkplatz der Diskothek liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Davon ist auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen (UA S. 3, 20, 45 f.).
16
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Beschluss vom 7. Februar 2008 – 5 StR 402/07; Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fehlschlagen des Versuchs auszugehen. Objektiv hat der festgestellte Geschehensablauf auf dem Parkplatzgelände durch das Eingreifen des Zeugen P. , das den abrupten Stillstand des Tatfahrzeugs zur Folge hatte und nach dem Hinzutreten des Zeugen T. dazu führte, dass die Nebenklägerin sich aus dem Sichtfeld des Angeklagten entfernen konnte, eine Zäsur erfahren. Durch das Eingreifen der Zeugen P. und T. war der Angeklagte gehindert, der Nebenklägerin nachzusetzen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen.
17
2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.
18
Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten SchritteRichtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben , die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.
19
Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
20
Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

III.


21
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.