Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2004 - 4 StR 582/03

bei uns veröffentlicht am24.02.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 582/03
vom
24. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Februar 2004 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im übrigen - wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zog der Angeklagte, dem das alleinige Sorgerecht für seine am 14. Juni 1989 geborene Tochter A. zugesprochen worden war, diese in einem "auf Überwachung" angelegten Erziehungsstil streng auf. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene An-
klage wirft ihm vor, sie in 14 Fällen – darunter in zehn Fällen beim gemeinsa- men Baden in der Badewanne - sexuell mißbraucht zu haben. Das Landgericht hält nur drei “Badewannen-Fälle“ für erwiesen: Nach den Feststellungen zu Fall II 1. der Urteilsgründe verlangte der Angeklagte von A. - als diese etwa sieben Jahre alt war - in der Badewanne, daß sie seinen Penis anfassen und daran reiben sollte, was sie auch tat, ohne daß es zum Samenerguß kam. Im Fall II 2. mußte A. den Angeklagten wiederum in der Badewanne am Penis anfassen und ihn bis zum Samenerguß befriedigen. Im dritten Fall (Fall II 3.) drückte der Angeklagte, als sich die damals höchstens acht Jahre alte A. weigerte , beim Baden seinen Penis anzufassen, ihren Kopf kurz unter Wasser; so eingeschüchtert, rieb A. , wie vom Angeklagten gefordert, an seinem Geschlechtsteil. Soweit der Angeklagte über die festgestellten Taten hinaus angeklagt war, daß er sich von seiner Tochter manuell bis zum Samenerguß befriedigen ließ (Fall 1 der Anklage und sieben “Badewannen-Fälle“), hat das Landgericht ihn - soweit ersichtlich, wegen mangelnder Konkretisierung dieser Taten (UA
7) - freigesprochen; "mangels sicheren Tatnachweises" hat es ihn auch in den Fällen 12 bis 14 der Anklage freigesprochen. Hier war dem Angeklagten vorgeworfen worden,
a) an einem Samstag im Mai 1998 A. zunächst dazu veranlaßt zu haben , mit ihm im Wohnzimmer einen Pornofilm anzuschauen, sodann von ihr verlangt zu haben, sich auf das Sofa zu legen, und dort mit ihr den Geschlechtsverkehr ausgeführt zu haben (Fall 12),
b) im Oktober 2001, nachdem A. nachts von zu Hause weggelaufen war, ihr gefolgt zu sein, sie in Höhe der S.-Straße festgehalten, sie sodann in
das Waldgelände in der Nähe des Parkplatzes des Schwimmbades D. gezerrt und dort mit ihr den Geschlechtsverkehr ausgeführt zu haben (Fall 13),
c) im Juni 2001 in der damaligen Wohnung die Hose der A. geöffnet, an ihrer Scheide geleckt und schließlich, als sie aufzustehen versuchte, ein Feuerzeug hervorgeholt und ihr damit Verbrennungen im Genitalbereich beigebracht zu haben (Fall 14). 2. Ab dem Sommer 2001 erzählte A. Mitschülern, Lehrern und Mitarbeitern des Jugendamtes von sexuellen Mißbrauchsfällen, die sie allerdings im Zusammenhang mit einem Drogenhändler schilderte (UA 9: "Drogen gegen Sex"). Als der Diplom-Pädagoge H. ihre Darstellung bezweifelte und er A. gegenüber den Verdacht äußerte, der Angeklagte könne Täter eines sexuellen Mißbrauchs sein - insbesondere wegen der auch ihm gegenüber angegebenen Angst der A. vor ihrem Vater -, erwiderte sie hierauf nichts. Gegenüber einer Erzieherin erklärte A. dann, daß sie eine Aussage gegen ihren Vater machen möchte; sie habe große Angst und wolle endlich eine Klärung herbeiführen. A. schilderte sodann die angeklagten Taten. 3. Das Landgericht hält den die Tatvorwürfe bestreitenden Angeklagten aufgrund der glaubhaften Angaben der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 13jährigen A. mit sachverständiger Hilfe für überführt. Ein Motiv für eine Falschbelastung sei ebensowenig erkennbar (UA 16) wie etwa suggestive Einflüsse ersichtlich geworden seien (UA 17). Unter Berücksichtigung der Konstanz der Angaben von A. zu den Vorwürfen seien die "Badewannen-Fälle" mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" erfahrungsfundiert. Weil diese Konstanz für die weiteren Vorwürfe "nicht in diesem Ausmaß" vorlägen, beruhten diese "bloß wahrscheinlich" auf einem Erlebnishintergrund (UA 17/18). Da außer bei den festgestellten "Badewannen-Fällen" für das Gericht “keine volle Überzeu-
gungsbildung ... eingetreten (sei)“ (UA 18), hat die Jugendkammer den Angeklagten im übrigen freigesprochen. 4. Diese Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. In einem Fall, in dem - wie hier - Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 44, 256, 257; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht:
a) Zum einen hat die Jugendkammer nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt , daß bei der Würdigung der Aussage kindlicher Zeugen der Entstehungsgeschichte der Beschuldigung besondere Bedeutung zukommt (vgl. BGH StV 1994, 227; 1995, 6, 7; 1998, 250; 1999, 306; NStZ 2000, 496, 497). So drängte es sich hier auf zu erörtern, ob A. durch den Verdacht des Zeugen H. , der Angeklagte könne Täter eines sexuellen Mißbrauchs sein, zu ihren Beschuldigungen veranlaßt wurde. Dazu hat sich das Landgericht jedoch nicht geäußert.
b) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte A. ungewöhnlich streng erzogen. Er untersagte, daß sie im Kindergarten oder in der Schule am Schwimmunterricht teilnahm, sie durfte nur in Begleitung zur Schule gehen und mußte nach der Schule wieder abgeholt werden, bei Klassenausflügen gab der Angeklagte dem Lehrer die Weisung, daß A. nie unbeaufsichtigt bleiben dürfe , und er drohte mehrfach, sie in den Iran zu schicken, wo sie die Koranschule
besuchen müsse (UA 5). Für das Mädchen lag daher ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu beschuldigen, um nämlich seiner Kontrolle zu entgehen, nicht fern. Auch damit hätte sich das Landgericht näher befassen müssen.
c) A. hat eingeräumt, falsche Angaben gemacht zu haben ("Drogen gegen Sex"). Damit setzt sich das Urteil ebenfalls nicht - wie erforderlich (vgl. BGHSt 44, 153, 158 ff.; BGHR StPO § 261 Zeuge 5) - auseinander. Insbesondere wird nicht erörtert, in welchem Maße das Kind phantasiebegabt ist, warum es vor seinen Beschuldigungen gegen den Angeklagten einen anderen belastet und die Unwahrheit gesagt hat und wie A. sich zu dem Vorwurf, ursprünglich falsche Angaben gemacht zu haben, selbst geäußert hat.
d) Auch die bloße Übernahme der Bewertung der Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der A. - die "Badenwannen-Fälle" seien "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfahrungsfundiert", die erheblich schwerwiegenderen Fälle 12 bis 14 der Anklage seien aber wegen abweichender Konstanz nur "wahrscheinlich erlebnisfundiert", mit der Konsequenz des Freispruchs insoweit - genügt den Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht. Das Landgericht mußte sich entscheiden, ob dem Kind zu glauben ist oder nicht. Wenn es meint, ihm sei in den detailliert und individuell geschilderten schwerwiegenden Freispruchsfällen nicht zu glauben, so ist nicht nachvollziehbar, warum es in den knapp und mit wenigen Details (UA 16) versehenen Fällen, die zur Verurteilung geführt haben, die Wahrheit gesagt haben soll (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, widersprüchliche 4). Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. 5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Trotz der sich nur auf den verurteilenden Teil erstreckenden Aufhebung des Urteils wird sich die neu entscheidende Jugendkammer bei der erfor- derlichen Erörterung der Aussagegenese auch mit den Freispruchsfällen befassen müssen, obwohl eine Verurteilung insoweit nicht mehr möglich ist. Sie ist nicht gehindert, die Glaubhaftigkeit der Angaben der A. hinsichtlich des Sachverhalts, der dem in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch zugrunde liegt, anders zu beurteilen als bisher (vgl. den Senatsbeschluß vom 29. Juli 2003 - 4 StR 253/03).
b) Falls der neue Tatrichter wiederum zu einer Verurteilung kommen sollte, wird er die im Antragsschreiben des Generalbundesanwalts vom 7. Januar 2004 angesprochene Verjährungsproblematik zu beachten haben.
Tepperwien Maatz Kuckein

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2004 - 4 StR 582/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2004 - 4 StR 582/03

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2004 - 4 StR 582/03 zitiert 3 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juli 2003 - 4 StR 253/03

bei uns veröffentlicht am 29.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 253/03 vom 29. Juli 2003 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Juli 2003 gemäß § 349

Referenzen

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 253/03
vom
29. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Juli 2003 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 22. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten zum Nachteil der Nebenklägerin, der am 25. August 1986 geborenen Sarah N. , bestritten. Er hat sich dahin eingelassen, im Frühjahr oder Sommer 1997 (Fall B II 1) habe er keine sexuellen Handlungen an dem damals zehn oder elf Jahre alten Mädchen vorgenommen. Im September 2001 (Fall B II 2) und kurz vor Weihnachten 2001 (Fall B II 3) habe er zwar mit Sarah N. den Geschlechtsverkehr vollzogen , jedoch sei dies im "gegenseitigen Einvernehmen" geschehen. Im September 2001 habe er Sarah N. , die Geld gebraucht habe, dafür 70 DM gegeben. Die der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen (Fälle B II 1 und 3) stützt die Strafkammer auf die Angaben Sarah N. s. Vom Vorwurf der Vergewaltigung der Nebenklägerin im Fall B II 2 hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen, da die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben habe, daß er sie auch im September 2001 gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. In diesem Fall folgt die Strafkammer nicht den Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung. Vielmehr habe sie am 18. Februar 2002 zu diesem Vorfall gegenüber der Sozialarbeiterin P. anderslautende Angaben gemacht, dieser nämlich berichtet, im September 2001 den Beischlaf mit dem Angeklagten freiwillig vollzogen zu haben, nachdem er ihr angeboten habe, ihre Schulden aus Katalogbestellungen zu begleichen, und ihr 50 DM gegeben habe. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß die Angaben Sarah N. s insoweit unrichtig sind.
Wenn wie hier Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegung einbezogen hat (st. Rspr.;
vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23). Dies gilt besonders, wenn sich die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt oder - wie hier - dies jedenfalls nicht auszuschließen ist. Dann muß der Tatrichter regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen , der Zeugenaussage im übrigen dennoch zu glauben (vgl. BGHSt 44, 153, 159; 44, 256, 257).
Diesen strengen Anforderungen wird die Beweiswürdigung zu den der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer folgt insoweit den Angaben Sarah N. s mit der Begründung, ihre Aussage in der Hauptverhandlung sei "flüssig, detailreich, widerspruchsfrei und insgesamt glaubhaft" (UA 13) gewesen bzw. sie habe den Vorfall "sehr differenzierend, detailreich (und) präzise" (UA 18) geschildert. Außerdem seien ihre Angaben zu diesen Fällen gegenüber der Sozialarbeiterin P. und der sie in der psychiatrischen Klinik behandelnden Ärztin, der Zeugin G. , und in der Hauptverhandlung "inhaltlich zum Kerngeschehen konstant geblieben". Vom Vorfall im Jahr 1997 habe die Nebenklägerin einige Monate später überdies ihrer Mutter und einer Freundin berichtet.
Damit hat die Strafkammer die Beweiswürdigung nicht erschöpft. Soweit sie bei der Glaubwürdigkeitsprüfung in den Fällen B II 1 und 3 auf den Detailreichtum , die Widerspruchsfreiheit bzw. Differenziertheit der Aussage Sarah N. s abstellt, setzt sie sich nicht damit auseinander, daß diese Glaubwürdigkeitskriterien gleichermaßen auf die Angaben zutreffen, die die Zeugin in der Hauptverhandlung zum Fall B II 2 gemacht hat, an deren Glaubhaftigkeit das Landgericht gleichwohl nicht zu überwindende Zweifel hat. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß die Strafkammer diesen Glaubwürdigkeitskriterien in den
Fällen, die der Verurteilung zugrundeliegen, ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Hinzu kommt, daß die Aussage der Zeugin G. im Urteil nur insoweit wiedergegeben wird, als Sarah N. ihr über den Vorfall aus dem Jahr 1997 berichtet hat (UA 15). Welche Angaben die Geschädigte gegenüber dieser Zeugin zu dem Vorfall vom Dezember 2001 gemacht hat, ergeben die Urteilsgründe nicht. Der Senat kann die vom Landgericht zur Begründung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin herangezogene inhaltliche Konstanz der Aussage zum Kerngeschehen deshalb nicht nachvollziehen. Zur Beurteilung der Aussagekonstanz hätte es in einem Fall wie dem vorliegenden überdies der Mitteilung der Angaben bedurft, die die Geschädigte im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung gemacht hat. Hieran fehlt es ebenfalls. Schließlich legt die Strafkammer nicht dar, in welcher Weise sich die bei Sarah N. festgestellten "psychischen Auffälligkeiten" ausgewirkt haben. In Anbetracht dessen , daß die Zeugin nur eine Woche, nachdem sie gegenüber der Zeugin P. über die sexuellen Übergriffe des Angeklagten berichtet hatte, aufgrund einer "dringlich qualifizierten Einweisungsverfügung" ihres Hausarztes in ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie eingewiesen und dort fast zwei Monate stationär behandelt wurde, ist die lediglich abstrakte Schilderung des ersichtlich erheblichen Krankheitsbildes nicht geeignet, nachvollziehbar darzutun, daß die psychischen Auffälligkeiten keine "durchgreifenden Zweifel an ihrer Persönlichkeit und ihren Angaben" (UA 22) zu begründen vermochten.
Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß die Strafkammer bei der gebotenen erschöpfenden Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit der Zeugin N. in den Fällen B II 1 und 3 anders beurteilt hätte.
Trotz der sich nur auf den verurteilenden Teil erstreckenden Aufhebung des Urteils ist der neue Tatrichter nicht gehindert, die Glaubhaftigkeit der An- gaben der Nebenklägerin hinsichtlich des dem in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruchs zugrundeliegenden Sachverhalts anders als bisher geschehen zu würdigen.
In Anbetracht der psychischen Auffälligkeiten der Nebenklägerin ist die vom Landgericht angenommene eigene Sachkunde zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin nicht frei von rechtlichen Bedenken. Die Hinzuziehung eines geeigneten Sachverständigen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 10, 18 und Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 3, 4, 5) in der neuen Hauptverhandlung erscheint deshalb angeraten.
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible