Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2020 - 4 StR 652/19

bei uns veröffentlicht am11.02.2020
vorgehend
Landgericht Dortmund, 40, Js 321/17
Landgericht Dortmund, , 39 Ks 8/18

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 652/19
vom
11. Februar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:110220B4STR652.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Februar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 7. Juni 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Fall II. 3 der Urteilsgründe bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrecht erhalten;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung sowie wegen Hehlerei und Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen Hehlerei im Fall II. 2 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben.
3
a) Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte von dem Zeugen O. ein iPhone, das dem Zeugen C. gehörte und diesem zuvor von O. abgenötigt worden war. Dabei war dem Angeklagten bekannt, dass O. den Besitz an dem iPhone „nicht legal“ erlangt hatte. Kurz darauf begab er sich mit dem iPhone zu dem Zeugen C. und verlangte von ihm die Herausgabe der Zugangsdaten. Das Landgericht hat die Verschaffung des iPhones durch den Zeugen O. als Nötigung und dessen Ankauf durch den Angeklagten als Hehlerei gewertet.
4
b) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie nicht erkennen lässt, auf welcher Grundlage sich das Landgericht seine Überzeugung von der Begehung der Vortat verschafft hat.
5
aa) Der Tatrichter ist verpflichtet, seine Beweiserwägungen so vollständig und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen , dass die Beweiswürdigung einer sachlich-rechtlichen Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2015 – 2 StR 75/14, NStZ 2016, 228; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, NStZ-RR 2015, 180; st. Rspr.). Dabei muss erkennbar werden, dass seine Überzeugungsbildung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen mehr als eine Annahme oder eine bloße Vermutung sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 381; st. Rspr.).
6
bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Denn die Strafkammer hat lediglich mitgeteilt, worauf sie ihre Überzeugung stützt, dass der hierzu schweigende Angeklagte das iPhone von O. ankaufte und von einer deliktischen Herkunft ausging. Die dazu herangezogenen Angaben des Zeugen K. zu Erzählungen des Angeklagten über den Ankauf und des Zeugen C. sowie weiterer Zeugen zu dem späteren Besitz desAngeklagten an dem iPhone und der Abforderung der Zugangsdaten vermögen zwar den festgestellten Ankauf zu belegen. Über die Vortat sagen sie aber nichts aus. Es hätte deshalb weiterer Darlegungen bedurft, aus denen sich ergibt, warum die Strafkammer die Überzeugung gewonnen hat, dass das iPhone dem Zeugen C. zuvor von O. abgenötigt wurde. Hieran fehlt es.
7
2. Auch die Verurteilung wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Nach den Feststellungen eröffnete der sich in einer angespannten finanziellen Lage befindende Angeklagte zusammen mit seiner Verlobten am 1. Juni 2017 in S. ein Café. Dieses befand sich im Erdgeschoss eines dreige - schossigen Wohn- und Geschäftshauses, das Teil einer Häuserzeile in geschlossener Bauweise ist. Für das Inventar bestand eine „Inhalts- und Betriebs- unterbrechungsversicherung“ mit einer Versicherungssumme von insgesamt 25.000 Euro. Versicherungsnehmerin war die Verlobte des Angeklagten. Am frühen Morgen des 5. August 2017 um etwa 0.40 Uhr legte der Angeklagte in einem Nebenraum des Cafés mit Hilfe eines Brandbeschleunigers ein Feuer und verließ das Lokal. Dabei war er im Wesentlichen darauf bedacht, die für den Brand- und Betriebsausfallschaden geltend zu machende Versicherungssumme zu erhalten. Ihm war darüber hinaus auch bewusst, dass die Wohnungen über dem Ladenlokal von weiteren Personen bewohnt waren, wobei er da- von ausging, dass diese „zumindest teilweise“ mit keinem Angriff auf ihr Leben rechneten. Den möglichen Tod der Hausbewohner, wie ein Übergreifen des Feuers auf deren Wohnungen oder eine einhergehende Rauchgasentwicklung nahm er billigend in Kauf. Tatsächlich hielten sich zum Zeitpunkt der Brandlegung mindestens elf Personen im Haus auf. Der Brand breitete sich zunächst unbemerkt in den zur Straße gelegenen Verkaufsraum aus. Dort kam es unter anderem zu Brandeinwirkungen an der aus Holz bestehenden Unterdecke. Ein Durchbrand war noch nicht erfolgt, stand aber bevor. An einer Holztür brannten die Türfüllungen durch. Zudem bestand die Gefahr einer Brandübertragung über die Außenfassade auf die Obergeschossebene. Alle im Haus aufhältigen Personen konnten dieses rechtzeitig verlassen. Die alarmierte Feuerwehr evakuierte die Bewohner der unmittelbar angebauten benachbarten Häuser. Der Angeklagte zeigte den Brand noch in der Nacht zum 5. August 2017 bei der Versicherung an. Die Verlobte des Angeklagten als Versicherungsnehmerin reichte eine Schadensliste ein. Die Versicherung leistete keine Zahlungen.
9
Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als versuchten Mord (Mordmerkmale: Heimtücke, Habgier, Ermöglichungsabsicht und gemeingefährliche Mittel) in elf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gewertet.
Bei der Annahme des Tatbestandes des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB wie auch der Ermöglichungsabsicht gemäß § 211 Abs. 2 StGB ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte einen Versicherungsbetrug durch seine Verlobte als Versicherungsnehmerin ermöglichen wollte.
10
b) Die Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte die Absicht hatte, seiner Verlobten die Begehung eines Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB zum Nachteil der von ihr abgeschlossenen Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung zu ermöglichen.
11
aa) Die Voraussetzungen einer besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB sind auch dann erfüllt, wenn die Brandlegung zum Zweck eines Betruges zum Nachteil einer Versicherung begangen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 74/08 Rn. 6 mwN). Dies setzt voraus, dass der Täter darum weiß, dass auf die erstrebte Versicherungsleistung kein Anspruch besteht oder er dies zumindest irrig annimmt, denn auch in diesem Fall läge in der Schadensmeldung bei der Versicherung ein versuchter Betrug (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 74/08 Rn. 12). Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeigeführt hat. Dabei muss sich der Versicherungsnehmer auch das Verhalten seiner mit der Risikoverwaltung betrauten Repräsentanten zurechnen lassen. Repräsentant in diesem Sinne ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und darin selbstständig in einem gewissen , nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer handeln darf. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht dafür nicht aus. Ebenso wenig vermögen allein die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer eine Repräsentantenstellung zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – XII ZR 94/07, NJW 2009, 2881 Tz. 15 und 18; Urteil vom 14. März 2007 ‒ IV ZR 102/03, NJW 2007, 2038 Tz. 9; Urteil vom 14. Mai 2003 – IV ZR 166/02, NJW-RR 2003, 1250, 1251; Urteil vom 21. April 1993 ‒ IV ZR 34/92, NJW 1993, 1862, 1864; Looschelders in: Münchner Komm. z. VVG, 2. Aufl., § 81 Rn. 121 ff.; jew. mwN; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 2016 – 4 StR 512/15, NStZ 2017, 290; Beschluss vom 22. April 2008 – 3 StR 74/08 Rn. 8; Beschluss vom 15. März 2007 – 3 StR 454/06, NStZ 2007, 640, 641 mwN).
12
bb) Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass die Versicherung infolge der vorsätzlichen Brandlegung durch den Angeklagten von ihrer Einstandspflicht frei geworden ist. Dafür, dass die Verlobte des Angeklagten an der Brandlegung beteiligt war, fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer Repräsentantenstellung des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Risikoverwaltung gegeben waren. Dass der Angeklagte und seine Verlobte das Café gemeinsam eröffnet haben und der Angeklagte einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten hatte, reicht dafür nicht aus. Die Tatsache, dass der Angeklagte den Schadensfall noch in der Tatnacht bei der Versicherung anzeigte, deutet für sich genommen nur auf eine Vertragsverwaltung hin. Dass ihm auch die Risikoverwaltung übertragen war, ergibt sich hieraus nicht. Schließlich findet sich in den Feststellungen auch kein Hinweis darauf, dass der Angeklagte in der irrigen Vorstellung gehandelt haben könnte, es bestehe kein Anspruch auf eine Versicherungsleistung.
13
c) Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft zugleich auch die Verurteilung wegen versuchten Mordes in elf tateinheitlichen Fällen, weil Tatidentität besteht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 ‒ 4 StR 158/14 Rn. 8; Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Darauf, dass aus den vorstehenden Gründen auch die Annahme von Ermöglichungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nicht belegt ist, kommt es insoweit nicht mehr an. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben.
14
d) Der neue Tatrichter wird sich genauer als bisher mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2019 – 2 StR 364/18, NStZ 2019, 725 Rn. 10 mwN).
15
3. Die Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen Fall II. 2 und 3 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Quentin

Vorinstanz:
Dortmund, LG, 07.06.2019 ‒ 400 Js 321/17 39 Ks 8/18

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2020 - 4 StR 652/19

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2020 - 4 StR 652/19 zitiert 9 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 81 Herbeiführung des Versicherungsfalles


(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. (2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, sein

Strafgesetzbuch - StGB | § 306b Besonders schwere Brandstiftung


(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 75/14
vom
21. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlungen
vom 10. Juni 2015 und 24. Juni 2015 in der Sitzung am 21. Juli 2015, an
denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung
am 10. Juni 2015,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung
am 24. Juni 2015,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
am 10. Juni 2015,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
am 10. Juni 2015
als Verteidiger,
Justizangestellte in den Verhandlungen am 10. Juni 2015 und
24. Juni 2015,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten Il. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Juli 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, 1. soweit er verurteilt wurde wegen
a) bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 33 Fällen, davon in 16 Fällen in Tateinheit mit Bestimmen einer Person unter 18 Jahren dazu, mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, und
b) bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln , 2. a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, und
b) im Ausspruch über den Wertersatzverfall. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten Il. unter Freisprechung im Übrigen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreiunddreißig Fällen, davon in sechzehn Fällen in Tateinheit mit Bestimmen einer Person unter achtzehn Jahren dazu, mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, ferner wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und schließlich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 20.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten Il. . Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge und einer Verfahrensbeanstandung in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

A.


2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte Il. , dessen Bruder S. Il. , die Mitangeklagten E. , S. , O. und C. , sowie die gesondert verfolgten M. , In. und B. M`H. im Lauf des Jahres 2011 zusammen, um gemeinsam in A. Betäubungsmittel zu verkaufen. Meist handelte es sich dabei um Marihuana.
3
Die Bande verfügte über eine hierarchische Struktur. An deren Spitze standen der Angeklagte Il. , dessen Bruder S. Il. sowie der Mitangeklagte In. . Eine Ebene darunter rangierten die Angeklagten O. und S. , wiederum eine Ebene darunter die Angeklagten E. und C. sowie die gesondert Verfolgten M. und B. M`H. .
4
Die von der Bande in A. verkauften Drogen wurden in den Niederlanden beschafft und in Bunkerwohnungen neu verpackt und anders portioniert. Dann wurden sie meist in kleinen Mengen im Straßenhandel verkauft, wozu sich die Bande der Mitwirkung sogenannter Läufer bediente, die Kleinmengen an Konsumenten verkaufen.
5
Der Angeklagte Il. war nicht nur für die Beschaffung der Drogen zuständig , sondern kümmerte sich auch um das Anwerben von Läufern, deren Einsatz sowie das Anwerben von Kunden. Die Läufer erhielten von ihm Mobiltelefone , deren Anschluss den Kunden bekannt war.
6
Der Angeklagte E. war beim Verkauf der Drogen im Straßenhandel tätig und hatte Zugang zu den Bunkerwohnungen. Der Angeklagte S. war für den Kauf größerer Mengen und als Depothalter zuständig. Zudem fungierte er als Bindeglied zwischen S. Il. und dem Angeklagten Il. . Der Angeklagte O. transportierte Drogen aus den Niederlanden nach A. und bestückte die Bunkerwohnungen. Zudem war er am Verkauf größerer Mengen beteiligt. Der Angeklagte C. half beim Umverpacken der Drogen und war Depothalter.
7
Die Kommunikation zwischen den Beteiligten fand zunächst telefonisch statt. Dabei achteten die Bandenmitglieder darauf, dass während der Telefonate nicht über konkrete Drogengeschäfte gesprochen wurde. Vielmehr dienten die Telefonate jeweils der Anbahnung eines Treffens, bei dem Einzelheiten der Drogengeschäfte besprochen wurden.
8
Die Strafkammer konnte nicht feststellen, dass sich alle Mitglieder der Gruppierung kannten. Jedoch hatte der Angeklagte Il. hinsichtlich der von ihm begangenen Drogengeschäfte Kontakt mit seinem Bruder, mit dem gesondert verfolgten Zeugen In. und mit den Mitangeklagten O. , S. und E. .
9
Die Erlöse aus den Drogengeschäften wurden unter den beteiligten Bandenmitgliedern aufgeteilt, wobei die Verteilung auf den verschiedenen Hierarchieebenen unterschiedlich erfolgte.
10
Das Landgericht hat dreiunddreißig Fälle festgestellt, bei denen der Angeklagte Il. bandenmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat (Fälle 50, 52 bis 71, 73, 74, 76 bis 78, 80 bis 85 und 89 der Urteilsgründe), in den Fällen 56 bis 71 auch tateinheitlich mit der Qualifikation nach § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG. Ferner hat es einen Fall festgestellt, bei dem der Angeklagte Il. bandenmäßig mit Betäubungsmitteln Handel getrieben hat (Fall 90 der Urteilsgründe) und schließlich einen Fall des nicht bandenmäßigen Handeltreibens (Fall 51 der Urteilsgründe).
11
II. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht ausgeführt, die Tatsache, dass der Angeklagte Il. , der seine Bandenzugehörigkeit bestritten hat, an der Spitze der Gruppierung gestanden habe, ergebe sich unter anderem aus abgehörten Telefonaten. Außerdem teilen die Urteilsgründe mit, dass die Feststellungen zu den Einzeltaten auf den zum Teil geständigen Einlassungen der Mitangeklagten sowie Zeugenaussagen beruhen.

B.


12
I. Die Revision des Angeklagten Il. hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit das Landgericht ihm eine bandenmäßige Tatbegehung zugerechnet hat.
13
Den getroffenen Feststellungen zur Bandenabrede und zur Bandenstruktur steht keine ebenso geschlossene Beweiswürdigung zu dieser Frage gegenüber. Insbesondere ist in den Urteilsgründen nicht im Einzelnen mitgeteilt, wie sich die Mitangeklagten in ihren zumindest zum Teil geständigen Einlassungen dazu, insbesondere zur Rolle des Angeklagten Il. innerhalb der Bandenstruktur , geäußert haben. Alleine aus konspirativ geführten Telefongesprächen können die Einzelheiten der festgestellten Bandenstruktur nicht umfassend entnommen werden. Um die zur Überzeugung der Strafkammer sichere Widerlegung der bestreitenden Einlassung des Angeklagten Il. zu dieser Frage nachvollziehen zu können, wäre auch eine Mitteilung der diesbezüglichen Einlassungen der anderen Angeklagten und deren Würdigung erforderlich gewesen.
14
Der Darstellungsmangel zwingt zur Aufhebung des Urteils in allen Fällen, in denen eine bandenmäßig begangene Tat des Angeklagten Il. , gegebenenfalls auch tateinheitlich mit einem weiteren Tatbestand, abgeurteilt wurde.
15
Die Verurteilung wegen nicht bandenmäßig begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall 51 kann dagegen bestehen bleiben. Ihr liegen rechtsfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen zu Grunde.
16
II. Der Senat hat erwogen, ob die Urteilsaufhebung auf die Verurteilung der Angeklagten, die keine Revision eingelegt oder ihr Rechtsmittel zurückgenommen haben, gemäß § 357 StPO zu erstrecken ist. Dies ist zu verneinen.
17
1. Hinsichtlich der Angeklagten O. und C. ist das Urteil nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt worden. Insoweit gestattet das Gesetz eine Reduzierung der Ausführungen zu den Beweisgrundlagen für die Feststellungen im schriftlichen Urteil. Deshalb verstößt es im Hinblick auf diese Nichtrevidenten nicht gegen das Gesetz, wenn den Urteilsgründen nicht im Einzelnen zu entnehmen ist, wie das Tatgericht zu seinen Feststellungen über ihre Bandenbeteiligung gelangt ist. Ein gleichartiger Rechtsfehler wie im Falle des Angeklagten Il. , der zur Revisionserstreckung gemäß § 357 StPO zwingen könnte, liegt deshalb nicht vor (vgl. Hamm in: Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 195, 200; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 357 Rn. 14; BeckOK/Wiedner, StPO, Ed. 21, § 357 Rn. 3a).
18
2. Hinsichtlich des weiteren Nichtrevidenten E. , der sein Rechtsmittel zurückgenommen hat, ist eine Abkürzung der schriftlichen Urteilsbegründung nicht erfolgt. Auch insoweit liegen aber die Voraussetzungen für eine Revisionserstreckung nicht vor. Der Angeklagte E. handelte nämlich nach den Urteilsfeststellungen auf einer niedrigeren Hierarchieebene als der Angeklagte Il. . Er wirkte an Bandentaten in unterschiedlicher Beteiligung anderer Personen mit. Die Beweisgründe für die Feststellung seiner Tatbegehung als Mitglied einer Bande haben daher eine andere Bedeutung als diejenigen, die den Angeklagten Il. betreffen. Insoweit fehlt es an einer gleichartigen Gesetzesverletzung im Sinne von § 357 StPO.

C.


19
Die Revision des Angeklagten Il. hat auch mit einer Verfahrensrüge der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO Erfolg. Dieser Aufhebungsgrund reicht ebenso weit wie derjenige aufgrund der Sachrüge; er geht andererseits nicht darüber hinaus. Der Senat stellt ihn gleichwohl neben dem Sachmangel des Urteils fest, weil das Vorliegen eines Verfahrensfehlers bei der neuen Sachentscheidung über die Rechtsfolgen der Taten ein Kriterium bei der Bewertung der Gesamtverfahrensdauer sein kann.
20
I. Der Rüge liegt Folgendes zu Grunde:
21
1. Vor Beginn der Hauptverhandlung sprach der Vorsitzende der Strafkammer mit den Verteidigern der Mitangeklagten darüber, ob und in welchem Umfang Geständnisse zu erwarten seien. Er telefonierte danach auch mit einem Verteidiger des Angeklagten Il. . Mit diesem führte er zwar keine Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung, da der Verteidiger diese nicht wünschte. Jedoch erwähnte der Vorsitzende die „offene Gesprächsbereitschaft“ der Verteidiger der Mitangeklagten.
22
Zu Beginn der Hauptverhandlung wurden nach der Verlesung des Anklagesatzes durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft vom Vorsitzenden keine Hinweise auf die Vorgespräche erteilt. Nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung am Ende des ersten Verhandlungstages bat der Vorsitzende alle Verteidiger und den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zu einem Gespräch mit den Berufsrichtern der Strafkammer in das Beratungszimmer. Dabei eröffnete er den Anwesenden, dass er die Möglichkeit einer Verständigung sehe und erbat die Mitteilung von Strafmaßvorstellungen der Verteidiger. Dem kamen die Verteidiger der Mitangeklagten nach, nicht aber der Verteidiger des Angeklagten Il. . Die Berufsrichter der Strafkammer berieten über den Zwischenstand. Anschließend teilte der Vorsitzende den Verteidigern der Mitangeklagten mit, dass ihre Strafmaßvorstellungen nicht fernliegend seien. Die Erörterungen wurden vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung am zweiten Verhandlungstag fortgesetzt. Dabei äußerte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seine Strafmaßvorstellung. Der Vorsitzende erklärte, dass die Strafkammer nicht nur ein allgemein gehaltenes Geständnis der Mitangeklagten, sondern auch Äußerungen über die bandenmäßige Tatbegehung erwarte. Der Mitangeklagte O. müsse jedoch keine Angaben zur Frage seiner nach dem Anklagevorwurf zusätzlich vorhandenen Bewaffnung in bestimmten Fällen machen. Die Verteidiger der Mitangeklagten erklärten ihr Einverständnis mit den Vorschlägen des Gerichts. Der Verteidiger des Mitangeklagten O. erklärte nach dem Revisionsvorbringen: „Wenn das Ergebnis stimmt, gestehe ich alles“. Gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten Il. äußerte der Vorsit- zende der Strafkammer auch, dass im Fall des Ausbleibens eines Geständnisses durch ihn eine Strafe in Betracht komme, die deutlich über derjenigen für den Mitangeklagten O. liegen könne.
23
2. In der Hauptverhandlung wurde nach dem Protokoll Folgendes mitgeteilt : „Der Vorsitzende gibt bekannt, dass nach dem ersten Hauptver- handlungstag sowie vor der heutigen Sitzung mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, sämtlichen Verteidigern und den Berufsrichtern weitere Erörterungen stattgefunden haben, die auch eine mögliche Verständigung zum Gegenstand haben. Hinsichtlich des Angeklagten Il. hat sich die Möglichkeit einer Verständigung bislang nicht ergeben. Nach den stattgefundenen Erörterungen und der Zwischenberatung gibt die Kammer bekannt, welchen Inhalt eine mögliche Verständigung haben könnte: Im Falle umfassender Geständnisse der Angeklagten E. und C. im Sinne der Anklage, des Angeklagten S. in den Fällen 50 und 56-71 der Anklage und des Angeklagten O. in den Fällen 1-48, 49, 52-55, 74, 78 und 79-84 der Anklage, letztgenannten ohne Berücksichtigung der aufgefundenen Schusswaffe , kämen Strafen mit folgenden Unter-/Obergrenzen in Betracht : Betreffend den Angeklagten C. eine zur Bewährung auszusetzende Gesamtfreiheitsstrafe oder Jugendstrafe von 2 Jahren bis zu 2 Jahren und 6 Monaten. Betreffend den Angeklagten E. eine zur Bewährung auszusetzende Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten bis zu 2 Jahren und 3 Monaten. Betreffend den Angeklagten S. eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen 3 Jahren und 3 Jahren und 9 Monaten. Betreffend den Angeklagten O. eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten bis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten. Die Angeklagten C. und O. könnten mit Erlass des Urteils vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont werden. Die Fälle 49, 52-55 und 73-90 der Anklageschrift könnten betreffend den Angeklagten S. auf entsprechenden von der Staatsanwaltschaft zu stellenden Antrag nach § 154 StPO behandelt werden. Die Fälle 50, 56-71, 75-77, 85-90 der Anklageschrift könnten betreffend den Angeklagten O. auf entsprechenden von der Staatsanwaltschaft zu stellenden Antrag nach § 154 StPO behandelt , die Fälle 79-84 der Anklageschrift überdies hinsichtlich ihrer Verfolgung nach § 154a StPO auf den Vorwurf des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschränkt werden, so dass der Vorwurf des bewaffneten bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Wegfall geriete. Der Vorsitzende belehrte die Angeklagten gem. § 257c Abs. 4 und 5 StPO nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.08.2010 (3 StR 226/10).
Es folgt der Hinweis, dass die Verständigung zustande kommt, wenn jeweils die Angeklagten und der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zustimmen.“
24
3. Dem Urteil der Strafkammer liegt hinsichtlich der Mitangeklagten eine Verständigung zu Grunde, nicht aber hinsichtlich des Angeklagten Il. .
25
Dieser hat nach den Urteilsgründen in der Hauptverhandlung vor allem durch eine von ihm bestätigte Erklärung seines Verteidigers zur Sache Stellung genommen. Zudem hat er am zehnten Verhandlungstag Äußerungen zu einzelnen Anklagevorwürfen gemacht. In der Verteidigererklärung hat er vor allem ausgeführt, dass er Betäubungsmittelgeschäfte nur für seinen Eigenkonsum gemacht habe. An den Geschäften der Mitangeklagten habe er kein eigenes Interesse gehabt. Er sei nicht Mitglied einer Bande oder sogar deren „Chef“ ge- wesen.
26
Diese Einlassung hat die Strafkammer als widerlegt angesehen. Dazu hat sie sich unter anderem auf die Ergebnisse von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gestützt und diese mit den Einlassungen der Mitangeklagten abgeglichen sowie durch weitere Beweismittel ergänzt.
27
II. Die Revision rügt, dass der Vorsitzende entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nach Verlesung des Anklagesatzes keinen Hinweis auf Gespräche vor Verhandlungsbeginn gegeben habe, ferner, dass die Erörterungen nach Unterbrechung der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht mit ihrem wesentlichen Inhalt mitgeteilt wurden. Die Verfahrensrüge hat Erfolg.
28
1. Die Rüge ist zulässig.
29
a) Der Angeklagte ist mit seiner Rüge in der Revisionsinstanz nicht deshalb präkludiert, weil er es unterlassen hat, bei der Strafkammer von dem Zwischenrechtsbehelf gemäß § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch zu machen. Kommt der Vorsitzende seinen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies von dem Verteidiger nicht mit einer Anrufung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO zur Erhaltung einer späteren Revisionsrüge beanstandet werden (Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/14, BGHSt 59, 252, 256 ff.).
30
b) Die Verfahrensrüge genügt auch den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
31
Hinsichtlich der Gespräche vor Beginn der Hauptverhandlung hat der Beschwerdeführer dargelegt, dass eine Anfrage des Vorsitzenden an die Verteidiger der Mitangeklagten stattgefunden habe, ob Geständnisse zu erwarten seien, ferner, dass gegenüber seinem Verteidiger die „offene Gesprächsbereit- schaft“ der anderen Verteidiger mitgeteilt worden sei. Das genügt zur Erläuterung der Rüge, die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei verletzt worden.
32
Soweit der Beschwerdeführer weiter beanstandet, dass § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt worden sei, genügt sein Vorbringen gleichfalls den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat den Verlauf des Prozessgeschehens in tatsächlicher Hinsicht vollständig mitgeteilt. Eine weitere Darlegung zu der Frage, inwieweit das die Mitangeklagten betreffende Verständigungsgeschehen ihn in seiner Verteidigungsposition beeinträchtigt habe, ist nicht erforderlich. Dies betrifft die Frage, ob ein Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers vorliegt und das Urteil auch zu seinem Nach- teil darauf beruhen kann, dass die Erörterungen zur Verständigung des Gerichts mit den Mitangeklagten nicht in allen Punkten in der Hauptverhandlung mitgeteilt wurden. Dies ist ein Aspekt der Begründetheit der Rüge, nicht ihrer Zulässigkeit.
33
2. Die Verfahrensrüge ist begründet.
34
a) Das Verfahren der Strafkammer war rechtsfehlerhaft.
35
aa) Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese umfassende Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen nach Beginn der Hauptverhandlung in einer Unterbrechungsphase stattgefunden haben. Das Gesetz will damit erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verhalten eröffnen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 26). Alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit sollen nicht nur darüber informiert werden, dass Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, wer an den Gesprächen teilgenommen hat, welche Standpunkte von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist. Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252, 255 f.).
36
bb) Nach diesem Maßstab wäre eine Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes darüber erforderlich gewesen, ob und gegebenenfalls mit welchem Erklärungsinhalt er vor Beginn der Hauptverhandlung mit den Verteidigern der Mitangeklagten Gespräche geführt hat und welche Äußerungen im Gespräch mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers gemacht wurden.
37
Die Pflicht zur Mitteilung von Erörterungen nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO galt im vorliegenden Fall unbeschadet der Tatsache, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers keine Verständigung wünschte. Vielmehr ist der Vorsitzende gegebenenfalls gehalten, die Verfahrensbeteiligten von sämtlichen, gegebenenfalls auch erfolglosen Bemühungen des Gerichts um deren Zustandekommen in Kenntnis zu setzen. Selbst die sofortige Ablehnung einer Verständigung ist daher zur Herstellung umfassender Transparenz mitteilungspflichtig (vgl. SK/Frister, StPO 5. Aufl. 2015 § 243 Rn. 44e; KK/Schneider, StPO 7. Aufl. 2014 § 243 Rn. 37). Das gilt insbesondere, wenn – wie hier – die Schöffen und die Angeklagten an den Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung nicht teilgenommen haben. Das Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO ist gerade dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Möglichkeit einer Verständigung von Gericht und Staatsanwaltschaft mit Mitangeklagten gesehen wird, während ein anderer Angeklagter keine Verständigungsbereitschaft zeigt (vgl. KK/Schneider aaO § 243 Rn. 38).
38
cc) Ein Verfahrensfehler ist ferner in dem lückenhaften Inhalt der späteren Mitteilungen in der Hauptverhandlung zu sehen. Dem dort gemachten Verständigungsvorschlag des Gerichts waren Vorgespräche außerhalb der Haupt- verhandlung vorangegangen. Zu dem gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO mitzuteilenden Inhalt der Erörterungen gehört dann auch, welche Standpunkte von den Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 217; Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313). Es soll nicht nur das Ergebnis der Erörterungen, sondern auch der dahin führende Entscheidungsprozess mitgeteilt werden. Auch die Gründe für das Scheitern einer Verständigung mit dem Angeklagten Il. , die sich aus den Vorgesprächen ergaben , wären mitteilungspflichtig gewesen. Danach waren die protokollierten Mitteilungen unzureichend.
39
Aus dem Protokoll ergibt sich zwar der Hinweis des Vorsitzenden, dass an den Erörterungen nach Unterbrechung der Hauptverhandlung am Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Hauptverhandlungstages die „Berufsrichter“, alle Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen haben. Ferner ist der Mitteilung des Vorsitzenden zu entnehmen, dass die Strafkammer von den Mitangeklagten substantiierte Geständnisse, die sich auch zur Bandenmäßigkeit der Tatbegehung, nicht allerdings zur Bewaffnung des Angeklagten O. bei einem Teil der angeklagten Taten, äußern sollten. Schließlich wurden die Ober- und Untergrenzen der in Betracht gezogenen Strafen und die Möglichkeiten von Verfahrensbeschränkungen mitgeteilt.
40
Keine Informationen enthielt die Erklärung des Vorsitzenden jedoch zu der Frage, von wem die Initiative zu den Gesprächen ausgegangen war, welche Vorschläge außerhalb der Hauptverhandlung gemacht wurden, wie sich die einzelnen Teilnehmer dazu jeweils geäußert hatten und warum sich die Mög- lichkeit einer Verständigung mit dem Beschwerdeführer „bislang nicht ergeben“ hatte.
41
b) Das Urteil beruht zum Nachteil des Beschwerdeführers auf dem fehlerhaften Verfahren, soweit es die Bandentaten durch ihn betrifft.
42
aa) Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, einen Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen. Jedoch berührt die Verletzung solcher Regeln grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten. Deshalb kann das Beruhen des Urteils auf einem solchen Verfahrensfehler nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313 f.; Schmitt aaO S. 408). Dies gilt auch bei einer Verletzung der Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Das Beruhen ist insoweit nur auszuschließen, wenn feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 5 StR 310/13, NJW 2015, 1260 f.). Dies ist angesichts der Vorgespräche vor Beginn der Hauptverhandlung hier nicht anzunehmen. Wie sich aus der Fortsetzung der Gespräche nach Unterbrechung der begonnenen Hauptverhandlung durch „weitere Erörterungen“ und dem schließlich gemachten Verständigungsvorschlag des Gerichts ergibt, zielten schon die anfänglichen Gespräche auf die Herbeiführung einer Verständigung.
43
bb) Erst recht ist nicht auszuschließen, dass die unvollständige Mitteilung der weiteren Erörterungen nach Beginn der Hauptverhandlung, während ihrer Unterbrechung die Verteidigungsposition des Beschwerdeführers beeinträchtigt hat.
44
Zwar ist eine Drittwirkung von Verfahrensfehlern bei der Verständigung des Gerichts mit Mitangeklagten nicht stets anzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 2 BvR 989/14, NStZ 2014, 528 f.). Die Verteidigung des Beschwerdeführers gegen die Verwertung und die Annahme der Glaubhaftigkeit der auch ihn hinsichtlich der Bandenabrede, der Bandenstruktur der Gruppe und der Bandenmäßigkeit der Begehung der Taten belastenden Geständnisse der Mitangeklagten, die aufgrund der Verständigung abgelegt wurden , wurde hier aber dadurch beeinträchtigt, dass die Vorgespräche nicht umfassend offengelegt wurden. Eine Verständigung des Gerichts mit Mitangeklagten berührt jedenfalls in einer solchen Konstellation unmittelbar dessen Rechtskreis. Nur bei Kenntnis der genauen Umstände des Zustandekommens der Verständigung kann seine Verteidigung die Verwertbarkeit und Glaubhaftigkeit der auch ihn hinsichtlich der bandenmäßigen Tatbegehung belastenden Geständnisse der Mitangeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 5 StR 423/12, BGHSt 58, 184, 190), die aufgrund der Verständigung abgelegt wurden, näher überprüfen und gegebenenfalls gegenüber dem Gericht beanstanden.
45
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Schöffen an den Erörterungen nicht beteiligt waren und diese (vgl. Allgayer NStZ 2015, 185, 190), sowie die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, NJW 2015, 1235, 1236 f. mit Anm. Schlothauer StV 2015, 275 ff.; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 mit Anm. Knauer/Pretsch), über die Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung zu unterrichten waren. Weil dies nur unzureichend geschehen ist, kann auch insoweit nicht sicher ausgeschlossen werden, dass das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers auf dem Verfahrensfehler beruht.
46
3. Hinsichtlich der nicht bandenmäßig begangenen Tat des Angeklagten Il. , an der die anderen Angeklagten nicht beteiligt waren, hat sich das Landgericht auf die Einlassung des Angeklagten Il. gestützt, soweit es ihr zu folgen vermochte, ferner auf ein überwachtes Telefonat. Insoweit schließt der Senat aus, dass sich der Verfahrensfehler auf das Urteil ausgewirkt hat.

D.


47
Die Aufhebung des Urteils in weiten Teilen des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe und den Wertersatzverfall.
Fischer Krehl Eschelbach
RiBGH Zeng ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Fischer Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR39/15
vom
25. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 25. Februar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 25. August 2014 wird mit der Maßgabe verworfen, dass dieser Angeklagte dreier Fälle der Beihilfe zum Diebstahl sowie dreier Fälle der Beihilfe zum versuchten Diebstahl schuldig ist.
Der Angeklagte K. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 25. August 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen B.VII. und B.VIII. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten M. wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels dieses Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen „Beihilfe zum Dieb- stahl in sechs Fällen, wovon es in drei Fällen beim Versuch blieb,“ zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten M. hat es wegen „Diebstahls in vier Fällen, wovon es in zwei Fällen beim Versuch blieb,“ eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge; der Angeklagte K. hat zudem eine – nicht ausgeführte – Verfahrensrüge erhoben. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. führt lediglich zu einer Klarstellung des Schuldspruchs. Die Revision des Angeklagten M. hat hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen B.VII. und B.VIII. der Urteilsgründe und – infolgedessen – im Gesamtstrafenausspruch Erfolg.
2
1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nachvollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN).
3
Dabei dienen die schriftlichen Urteilsgründe nicht der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Gangs der Hauptverhandlung. Die Annahme, es sei notwendig, das Revisionsgericht im Detail darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben, ist verfehlt (BGH aaO). Auch muss der Tatrichter nicht für alle Feststellungen einen Beleg erbringen (BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279 f. mwN). Er ist im Fall einer Verurteilung des Angeklagten grundsätzlich aber verpflichtet, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01). Insofern beurteilt sich die Erörterungsbedürftigkeit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme; (nur) mit Umständen, die im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch beweiserheblich waren, muss sich der Tatrichter im Urteil auseinandersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 – 1 StR 183/00, NStZ-RR 2001, 174 f.; Urteil vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05). Es ist deshalb regelmäßig überflüssig, nach den tatsächlichen Feststellungen sämtliche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweismittel, auf denen das Urteil beruhen soll, aufzuzählen; dies kann die Würdigung der Beweise nicht ersetzen (so bereits BGH, Beschluss vom 17. Oktober 1996 – 1 StR 614/96) und stellt lediglich eine vermeidbare Fehlerquelle dar, da sie Anlass zu Rügen nach § 261 StPO geben kann (BGH, Beschluss vom 17. November 1999 – 3 StR 385/99, NStZ 2000, 211).
4
2. Daran gemessen ist verfehlt, dass das Landgericht im Anschluss an die Feststellungen mitteilt, dass diese unter anderem auf den Angaben von 17, teils sogar mit ihren Geburtsnamen bezeichneten Zeugen, auf im Einzelnen aufgeführten, in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden und in Augenschein genommenen Lichtbildern beruhen, es indes auf die Lichtbilder weder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verweist, noch die Inhalte der Urkunden näher mitteilt und von den 17 vernommenen Zeugen im Folgenden lediglich fünf Aussagen dargestellt und erörtert werden.
5
3. Hierauf beruht das Urteil hinsichtlich des Angeklagten K. aber nicht. Denn das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft dieses Angeklagten auf dessen Geständnis sowie auf das dieses bestätigende (Teil-) Geständnis des an einem Teil der dem Angeklagten K. zur Last gelegten Taten beteiligten Angeklagten M. und eines weiteren, als Zeugen vernommenen Beteiligten an einer der Taten.
6
Da das Urteil hinsichtlich des Angeklagten K. auch im Übrigen keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler aufweist, hat sein Rechtsmittel keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat fasst jedoch – entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 23. Januar 2015 – den Schuldspruch neu, um insbesondere klarzustellen, dass der Angeklagte K. nicht einer versuchten Beihilfe zum Diebstahl in drei Fällen schuldig ist, sondern dreier Fälle der Beihilfe zum versuchten Diebstahl.
7
4. Dagegen hat das Rechtsmittel des Angeklagten M. in den Fällen B.VII. und B.VIII. der Urteilsgründe Erfolg.
8
Hinsichtlich des Falls B.III. der Urteilsgründe stützt das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft zwar rechtsfehlerfrei auf die Geständnisse des Angeklagten M. und des Angeklagten K. . Auch trägt im Fall B.VI. der Urteilsgründe insbesondere das Geständnis des Angeklagten K. und die Aussage des an dieser Tat beteiligten Zeugen die Feststellung, der Angeklagte M. sei Mittäter dieses Einbruchdiebstahls.
9
Nicht von den Ausführungen in der Beweiswürdigung getragen wird aber die Feststellung, der Angeklagte M. habe sich auch in den Fällen B.VII. und B.VIII. der Urteilsgründe als (Mit-)Täter an den (versuchten) Einbruchdiebstählen beteiligt. Zu diesen Tatvorwürfen schwieg der Angeklagte M. , der Angeklagte K. war an ihnen nicht beteiligt und ein Augenzeuge konnte im Fall B.VIII. nur eine „grobe Beschreibung“ eines Täters geben, die – ohne dass die Strafkammer dies näher erläutert – „durchaus auf den Angeklagten M. zutrifft“ (UA S. 11). Ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten M. stützt die Strafkammer wesentlich darauf, dass im Fall B.VII. vor dem Gebäude, in das eingebrochen worden war, ein Kopfhörer und im Fall B.VIII. am Tatort ein Hammer mit der DNA des Angeklagten M. gefundenwurde (UA S. 11). Nähere Ausführungen zu den DNA-Gutachten – die vermutlich in der Einleitung zur Beweiswürdigung als verlesene Urkunden „aufgelistet“ sind – enthält das Urteil nicht.
10
Dies genügt den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung nicht. Denn das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist danach erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2455).
11
Da das Urteil hierzu keinerlei Ausführungen enthält, hat es hinsichtlich des Angeklagten M. in den Fällen B.VII. und B.VIII. der Urteilsgründe keinen Bestand. Dies hat die Aufhebung des Ausspruchs über die gegen ihn verhängte Gesamtstrafe zur Folge. Im Übrigen weist das Urteil keinen diesen Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender
5 StR 372/12
(alt: 5 StR 397/11)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. April 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. .
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten nach Aufhebung einer noch weitergehenden Verurteilung durch Senatsbeschluss vom 10. November 2011 (NStZ-RR 2012, 82) unter Freisprechung im Übrigen wegen besonders schweren Raubes, wegen Amtsanmaßung in Tateinheit mit Diebstahl und wegen Amtsanmaßung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Erfolg. Auf die zugleich erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
a) In der Nacht vom 11. zum 12. April 2010 befuhren der Angeklagte und der insoweit bereits rechtskräftig verurteilte R. mit einem gestohlenen Pkw Peugeot 307 das Berliner Stadtgebiet. Sie beabsichtigten, sich im Fließverkehr durch Vorzeigen einer rot blinkenden Polizeianhaltekelle als Zivilstreife der Polizei auszugeben und Fahrer hochwertiger Kraftfahrzeuge zum Anhalten zu veranlassen, um sie unter einem Vorwand zum Verlassen des Fahrzeugs zu bringen und sodann mit diesem davonzufahren. In Umsetzung dieses Tatplanes stoppten sie insgesamt drei Fahrzeuge, wobei der Angeklagte jeweils als Fahrer des Peugeot fungierte und R. sich nach dem Anhalten der Fahrzeuge gegenüber dem jeweiligen Fahrer als Polizeibeamter ausgab und die Herausgabe von Führerschein und Fahrzeugpapieren forderte. Während es R. in einem Fall tatsächlich gelang, mit dem Fahrzeug des Geschädigten davonzufahren, scheiterte dies in den anderen beiden Fällen, in denen sich der Angeklagte und R. sodann gemeinsam in dem Peugeot vom Tatort entfernten.
4
Am 12. April 2010 zwischen 11.00 Uhr und 12.50 Uhr suchte der Angeklagte in Begleitung einer unbekannten männlichen Person eine PostbankFiliale in Berlin-Mariendorf auf und ließ sich dort von dem am Schalter tätigen Mitarbeiter S. beraten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Mitarbeiterin Sc. in der Filiale. Die Zeugin Sc. , die zu diesem Zeitpunkt keinen eigenen Kunden zu bedienen hatte, verfolgte das Gespräch ihres Kollegen S. mit dem Angeklagten.
5
Am selben Tag kurz vor 18.00 Uhr fuhren der Angeklagte, der insoweit bereits rechtskräftig verurteilte So. und zwei weitere männliche Personen, unter ihnen vermutlich R. , mit dem bereits genannten Pkw Peugeot 307 zu der Postbank-Filiale, um diese zu überfallen. Während einer der Täter im Fahrzeug wartete, stürmten der Angeklagte, So. und ein weiterer Komplize den Geschäftsraum der Bank.So. und der Angeklagte waren mit einer mit einem Sehschlitz versehenen Sturmhaube maskiert. Der Angeklagte führte einen Zimmermannshammer mit sich, während der unbekannte Täter mit einem Baseballschläger bewaffnet war. Durch Drohungen mit dem Hammer und dem Baseballschläger schüchterten die Täter die Postbankmitarbeiter S. und B. ein und veranlassten sie dazu, die Kasse zu öffnen, aus der einer der Täter das Bargeld entnahm. Zudem nahmen sie weitere Gegenstände an sich, flüchteten zu dem im Pkw wartenden Komplizen und fuhren davon.
6
b) Der Angeklagte wurde am 14. April 2010 von Polizeibeamten dabei beobachtet, wie er als Fahrer des Pkw Peugeot 307 aus einer in der Nähe seiner Wohnung befindlichen Tiefgarage fuhr. Dort wurde der Pkw am Folgetag sichergestellt. In ihm befanden sich ein vermutlich bei sämtlichen Taten von R. getragener sogenannter „Fischerhut“ mit einem aufgenähten Emblem „Hertha BSC“, eine Anhaltekelle mit rotem Blinklicht, ein Base- ballschläger, bei dem es sich nach der Überzeugung des Landgerichts um ein Tatwerkzeug handelt, sowie bei dem Postbank-Überfall entwendete Gegenstände und zwei schwarze Wollsturmhauben mit Sehschlitz.
7
Der Zeuge S. gab am Tattag gegenüber den die Strafanzeige aufnehmenden Beamten an, er sei sich sicher, dass es sich bei dem Täter mit dem Zimmermannshammer um den Wortführer seiner beiden Kunden vom Vormittag gehandelt habe. Er beschrieb den Täter wie folgt: Südeuropäischer Typ, 20 bis 25 Jahre alt, 160 bis 170 cm groß, dunkle kurze Haare, dunkelbraune Augen, hatte einen aufgeregten Blick, sprach akzentfrei Deutsch. Bei einer weiteren Befragung am 22. April 2010 bekundete der Zeuge, er habe den maskierten Täter anhand seines Auftretens, seiner Stimme und seiner Augen als den Kunden vom Vormittag wiedererkannt. Als ihm die Kriminalbeamtin am gleichen Tag ein aktuelles Foto des Angeklagten vorlegte, konnte der Zeuge ihn nicht wiedererkennen. Am 18. Januar 2011 wurden dem Zeugen S. bei der Polizei drei DVDs mit Videowahlgegenüberstellungen von jeweils sechs männlichen Personen vorgeführt, bei denen er den Angeklagten und eine tatneutrale Person als ähnlich mit seinem Kunden vom Vormittag des Tattages bezeichnete.
8
Die Zeugin Sc. , die am Mittag, nicht jedoch bei dem Überfall in der Postbank zugegen war, beschrieb den „Sprecher“ der beiden Kunden in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 12. April 2010 folgendermaßen: Südländischer Typ, 25 bis 30 Jahre alt, 175 bis 180 cm groß, schlanke sportliche Figur, kurze schwarze Haare, unrasiert (Dreitagebart), sprach gutes akzentfreies Deutsch. Bei einer Einsichtnahme in die Lichtbildvorzeigekartei zwei Tage nach der Tat wurden der Zeugin 417 Lichtbilder vorgelegt, unter denen sich gemäß einer Wahrunterstellung des Landgerichts auch ein Foto des Angeklagten befand; die Zeugin erkannte niemanden wieder. Als ihr zehn Tage nach der Tat je zwei aktuelle Fotos des Angeklagten unddes R. vorgelegt wurden, erklärte sie zu den Fotos des Angeklagten, dass die abgebildete Person eine sehr große Ähnlichkeit mit dem verdächtigen Kunden habe. Sie erkenne ihn vor allem an seinem schmalen Gesicht, dem Dreitagebart und seinen kurzen schwarzen Haaren wieder. Allerdings habe der Kunde die Haare als Pony getragen. Auf konkrete Nachfrage schätzte die Zeugin ihre subjektive Sicherheit bei der Identifizierung auf 85 % ein. Am 18. Januar 2011 wurden der Zeugin Sc. zwei DVDs mit Videowahlgegenüberstellungen von jeweils sechs männlichen Personen vorgeführt, bei denen sie den Angeklagten nicht wiedererkannte. In der ersten Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin bekundete die Zeugin, nachdem sie bei ihrer Vernehmung zunächst geschwiegen hatte, sie sei sich fast sicher, dass „er“ es gewesen sei, und zeigte dabei auf den Angeklagten. Auf Nachfrage ergänzte sie, sie habe ihn sofort erkannt, als sie den Saal betreten habe.
9
2. Das Landgericht hat sich aufgrund einer Gesamtschau der folgenden Indizien von der Täterschaft des Angeklagten beim Überfall auf die Postbank überzeugt:
10
Der Zeuge S. habe den Täter mit dem Hammer zur Überzeugung der Kammer zutreffend als seinen Kunden vom Vormittag identifiziert. Der Angeklagte komme somit nach der Aussage des Zeugen S. zumindest als Täter in Betracht, da die Personenbeschreibung des Zeugen fast vollständig auf den Angeklagten zutreffe, der allerdings tatsächlich 176 cm groß sei. Die Identifizierung des Angeklagten als Wortführer der beiden Kunden vom Vormittag durch die Zeugin Sc. sei zwar mängelbehaftet, da sie den Angeklagten weder in der Lichtbildvorzeigekartei noch bei der Videowahlgegenüberstellung erkannt habe und ihr bei der Identifizierung am 22. April 2010 nur Fotos des Angeklagten präsentiert worden seien. Allerdings sei der Grad ihrer subjektiven Überzeugung bei der Identifizierung vom 22. April 2010 und besonders in der ersten Hauptverhandlung sehr groß. Zudem treffe die differenzierte Personenbeschreibung, die die Zeugin noch vor Kenntnisnahme aller Vergleichsfotos und Videos gegeben habe, fast vollständig auf den Angeklagten zu. Die Strafkammer sei daher aufgrund einer Zusammenschau mit den weiteren Beweisergebnissen zu der Überzeugung gelangt, dass die Zeugin Sc. den Angeklagten zutreffend als den Wortführer der beiden Kunden vom Vormittag identifiziert habe. Außerdem treffe auch die Personenbeschreibung eines weiteren Zeugen, der die Täter vor dem Betreten der Filiale gesehen hatte, auf den Angeklagten zu. Ferner sei der Angeklagte zwei Tage nach der Tat im Besitz des Fluchtwagens und damit auch der im Fahrzeug aufgefundenen Tatwerkzeuge und Beuteteile gewesen. Zudem habe er, wie sich aus Observationsberichten ergebe, sowohl drei Tage vor der Tat als auch drei Tage danach engen Kontakt zu dem Mittäter So. gehabt. Schließlich ergäben Observationen und die Auswertung eines sichergestellten Navigationsgerätes, dass er im September 2010 in Berlin und Umgebung diverse Bankfilialen ausgekundschaftet habe.
11
Seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten in den Fällen des Pkw-Diebstahls stützt das Landgericht darauf, dass der Angeklagte am 14. April 2010 das Tatfahrzeug nebst dem darin enthaltenen Tatwerkzeug (Anhaltekelle, Fischerhut) in Besitz gehabt habe, ferner darauf, dass die Personenbeschreibung eines Geschädigten (männlich, Südländer, sprach Deutsch ohne Akzent, 20 bis 25 Jahre alt, dunkler Hauttyp, kurze, dunkle Haare, schlanker Körperbau) auf den Angeklagten zutreffe und dass zwischen ihm und dem Mittäter R. ein enger Kontakt bestehe.
12
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die von der Strafkammer angeführten Indizien sind weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit geeignet, eine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten zu bilden. Insbesondere ist eine aussagekräftige Identifizierung des Angeklagten hinsichtlich beider Tatkomplexe nicht belegt. Zudem ist die Beweiswürdigung in erheblicher Weise lückenhaft.
13
Die zur richterlichen Überzeugungsbildung erforderliche persönliche Gewissheit setzt objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235, und vom 8. November 1996 – 2 StR 534/96, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
14
a) Zum Überfall auf die Postbank-Filiale
15
aa) Die Strafkammer hat nicht hinreichend bedacht, dass der Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin Sc. aufgrund erheblicher Mängel der Wiedererkennungsleistung nur ein äußerst geringer Beweiswert zukommt. Dieser ist – was die Strafkammer im Grundsatz richtig erkannt hat – bereits dadurch stark herabgesetzt, dass die Zeugin den Angeklagten lediglich auf einer Einzelbildvorlage erkannt hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, BGHR StPO § 261 Identifizierung 13; Beschluss vom 18. August 1993 – 5 StR 477/93). Dieser Umstand wiegt um- so schwerer, als die Zeugin – was das Landgericht ebenfalls im Grundsatz nicht verkannt hat – den Angeklagten weder in der sequentiellen Lichtbildvorlage noch in der Videowahlgegenüberstellung identifizieren konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, BGHR StPO § 261 Identifizierung 17), da dies Zweifel an ihrer Fähigkeit zur Wiedererkennung des Täters weckt und zusätzlichen Anlass zu der Annahme gibt, die Zeugin könnte durch den mit der Einzellichtbildvorlage verbundenen suggestiven Effekt beeinflusst worden sein.
16
Soweit das Landgericht in dem von der Zeugin angegeben Grad ihrer subjektiven Sicherheit einen die Zuverlässigkeit der Wiedererkennungsleistung steigernden und die vorgenannten Mängel jedenfalls teilweise aufwiegenden Gesichtspunkt erachtet, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Durch die anlässlich der Einzelbildvorlage geäußerte Einschätzung der Zeugin, sie sei sich hinsichtlich der Identifizierung zu 85 % sicher, wird die Verlässlichkeit der Wiedererkennung nicht gesteigert, sondern über die auch vom Landgericht anerkannten Mängel hinaus zusätzlich herabgesetzt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 235/09, NStZ 2010, 53, und vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, BGHR StPO § 261 Identifizierung 17). Denn durch diese Äußerung hat die Zeugin selbst Zweifel hinsichtlich des Erkennens benannt, über die sich das Tatgericht nicht ohne weiteres hinwegsetzen darf (BGH aaO). Einer Einstufung der Wiederkennungsleistung als zuverlässig steht insoweit entgegen, dass das Ausmaß der Unsicherheit aufgrund der Prozentangabe der Zeugin kaum objektivierbar ist.
17
Im Hinblick auf die von der Zeugin anlässlich der Identifizierung in der ersten Hauptverhandlung geäußerte Sicherheit lässt das Landgericht zum einen außer Acht, dass insoweit eine verstärkte Suggestibilität der Identifizierungssituation bestand (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 – 5 StR 593/05, NStZ-RR 2006, 212). Zum anderen hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht, dass es sich hierbei vor dem Hintergrund der Einzellichtbildvorlage vom 22. April 2010 um ein wiederholtes Wiedererkennen handelte, dessen Verlässlichkeit wegen der Beeinflussung durch die Situation des ersten Wiedererkennens und der durch diese bedingten Überlagerung des ursprünglichen Erinnerungsbildes deutlich vermindert ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 194/61, BGHSt 16, 204, 205 f.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, BGHR StPO § 261 Identifizierung 13). Das Landgericht hätte daher in seine Bewertung einstellen müssen, dass sich die Zeugin unbewusst an der Einzellichtbildvorlage orientiert haben könnte.
18
Schließlich ist auch das uneingeschränkte Heranziehen der von der Zeugin Sc. abgegebenen „differenzierten“ Personenbeschreibung als Beleg für die Zuverlässigkeit der Wiedererkennungsleistung problematisch, da diese gerade keine besonders kennzeichnenden Merkmale enthält und auf eine sehr große Anzahl von Personen – insbesondere auch aus dem Umfeld des verurteilten Täters So. – zutreffen dürfte.
19
bb) Auch soweit die Strafkammer der von ihr vorgenommenen Gesamtschau der Indizien die Überzeugung zugrunde legt, der Zeuge S. habe den Täter mit dem Hammer zutreffend als seinen Kunden vom Vormittag wahrgenommen, erörtert sie nicht hinreichend die Zuverlässigkeit dieser Identifizierungsleistung. Hierzu hätte in besonderem Maße Anlass bestanden , da der Täter maskiert war und der Zeuge ihn lediglich anhand seines „Auftretens“, seiner Stimme und seiner Augen wiedererkannt haben will, ihn aber andererseits zehn Tage nach der Tat auf einem aktuellen Foto nicht identifizieren konnte. Insbesondere wäre zu hinterfragen gewesen, ob es sich bei den vom Landgericht mehrfach in Bezug genommenen „unruhigen Augen“ tatsächlich um das besondere Kennzeichen einer Person oder aber um einen situationsbedingten, etwa aus Aufregung resultierenden Zustand handelt. Auch hinsichtlich der Personenbeschreibung des Zeugen S. gilt, dass diese kaum geeignet ist, eine Person aus dem Umfeld des festgestellten Täters So. in unterscheidbarer Weise kenntlich zu machen.
20
cc) Angesichts des danach gravierend verringerten Beweiswerts der Identifizierungen des Angeklagten, auf die das Landgericht seine Überzeugung maßgeblich stützt, fehlt es insgesamt an einer ausreichenden Tatsachengrundlage , die den Schluss auf die für die Überzeugungsbildung erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft des Angeklagten zuließe. Die übrigen von der Strafkammer angeführten Gesichtspunkte vermögen auch in ihrer Gesamtheit nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 1996 – 2 StR 534/96, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Dass der Angeklagte zwei Tage nach der Tat mit dem Fluchtfahrzeug – in dem sich Tatwerkzeug und ein Teil der Beute befanden – gesehen wurde, belegt letztlich nicht mehr, als dass er dem Bekanntenkreis der Täter zuzurechnen ist. Der Angeklagte wurde nach den Urteilsgründen offenbar nur ein einziges Mal mit dem Fahrzeug gesehen. Das Landgericht geht selbst nicht davon aus, „dass der Peugeot 307 dem Angeklagten exklusiv zur Verfügung stand“ (UA S. 29), und hältes für möglich, dass er „auch weiteren Personen, welche die Polizei … der Tätergruppierung aus dem Neuköllner Kiez zurechnet, zur Verfügung stand“ (UA S. 29). Das Auskundschaften von Bankfilialen etwa fünf Monate nach der Tat mag zwar eine allgemeine Tatgeneigtheit des Angeklagten erkennen lassen; ein hieraus gezogener Schluss auf die Täterschaft hinsichtlich der abgeurteilten Taten erweist sich jedoch mangels konkreten Bezugs zum Tatgeschehen auch im Zusammenhang mit den anderen Indizien lediglich als bloße Vermutung.
21
dd) Schließlich enthält die Beweiswürdigung der Strafkammer auch hinsichtlich des Ausschlusses der nach der Spurenlage in Betracht kommenden Alternativtäter A. und T. einen bereits für sich genommen durchgreifenden Erörterungsmangel. Während sich in dem sichergestellten Pkw Peugeot keinerlei DNA-Spuren des Angeklagten fanden, wurden an beiden Sturmhauben Schuppenspuren des Mittäters So. festgestellt. Darüber hinaus wurden an einer Sturmhaube Schuppenspuren eines A. und eines T. vorgefunden. A. und T. sind dem Ur- teil zufolge „nach Erkenntnissen der Polizei bereits einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten“ (UA S. 30). Zwar erörtert das Landgericht in diesem Zusammenhang, weshalb der Angeklagte trotz dieser Spurenlage als Täter in Betracht komme. Mit einer möglichen Täterschaft der Spurenverursacher A. und T. setzt sich das Urteil jedoch in keiner Weise auseinander. Eine Begründung dafür, dass A. und T. „als Täter mit dem Zimmermannshammer – statt des Angeklagten – zur sicheren Überzeugung der Kammer“ ausscheiden, findet sich im Urteil nicht.
22
b) Zum Tatkomplex der „falschen Polizisten“
23
Die vom Landgericht angeführten Indizien stellen keine hinreichende objektive Grundlage für den Schluss dar, bei dem Mittäter des R. handele es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Angeklagten. Vielmehr vermag die einmalige Benutzung des Fahrzeugs durch den Angeklagten angesichts der von der Strafkammer in Betracht gezogenen Möglichkeit, dass das Fahrzeug weiteren Personen der „Tätergruppierung aus dem Neuköllner Kiez“ zur Verfügung stand, auch im Zusammenhang mit der Verbindung des Angeklagten zu R. und der Tatsache, dass die – wiederum wenig spezifische und zu einer Vielzahl von Personen passende – Personenbeschreibung eines Geschädigten auf den Angeklagten zutrifft, auch in diesen Fällen lediglich einen Verdacht zu begründen. Zudem liegt ein Erörterungsmangel darin, dass es das Landgericht unterlassen hat, die Gründe des Freispruchs des Angeklagten von dem gleichgelagerten Vorwurf eines am 12. April 2012 gemeinsam mit R. begangenen Pkw-Diebstahls nach demselben Tatmuster näher mitzuteilen. Dem Revisionsgericht ist so die Prüfung verwehrt, inwieweit die zum Freispruch führenden Umstände auch die Überzeugung der Strafkammer von der Täterschaft des Angeklagten in den anderen Fällen des Pkw-Diebstahls in Frage zu stellen geeignet waren.
24
4. Nach der zweiten Aufhebung dieser Sache wird das Verfahren insbesondere angesichts der noch bestehenden Untersuchungshaftanordnung besonders zügig zu fördern sein.
Basdorf Schaal Schneider
Dölp König

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

6
1. Die Voraussetzungen einer besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) sind auch dann erfüllt, wenn die Brandlegung wie hier zum Zwecke eines Betruges zum Nachteil der Versicherung begangen wird (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; BGH NJW 2000, 3581; NStZ-RR 2000, 209; 2004, 366).

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 94/07 Verkündet am:
20. Mai 2009
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG § 61 a.F.; BGB § 307 Bb, Cf
Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrages gegen
Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung
mit Selbstbeteiligung, so verliert der Mieter diesen Versicherungsschutz
nicht, wenn ein Dritter, dem er das Fahrzeug überlassen hat, dieses
schuldhaft beschädigt.
Entgegenstehende AGB beeinträchtigen den Mieter unangemessen und sind
deshalb gemäß § 307 BGB unwirksam.
BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Mai 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs, Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Juni 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach Vermietung eines Kraftfahrzeuges.
2
Die Klägerin, ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen, vermietete mit Vertrag vom 21. März 2003 an die Beklagte zu 1 einen Kleintransporter zum Zwecke der Weitervermietung.
3
In den Vertragsbedingungen heißt es u.a.: "9. Haftung des Mieters Der Mieter haftet für während der Dauer des Mietvertrages entstandene Schäden am Fahrzeug... Bei Überlassung des Fahrzeugs an Dritte - einschließlich der in Ziff. 3 bezeichneten weiteren Fahrer - haftet der Mieter für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Mietvertrages und das Verhalten des/der Dritten wie für eigenes Handeln. 10. Haftungsreduzierung Der Mieter kann - vorbehaltlich Ziff. 11 - seine Haftung nach Ziff. 9 durch Abschluss der Optionen "Haftungsreduzierung für alle Schäden einschließlich Fahrzeugdiebstahl" ... gegen Zahlung der entsprechenden Zusatzgebühr auf eine bestimmte Selbstbeteiligung (SB) pro Schadensfall reduzieren ... 11. Wegfall der Haftungsreduzierung ... Auch im Falle vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachter Schäden tritt die Haftungsreduzierung nach Ziff. 10 nicht ein. ..."
4
Die Beklagte zu 1 vereinbarte mit der Klägerin eine Haftungsreduzierung mit einer Selbstbeteiligung von 511,29 € und vermietete ihrerseits das Fahrzeug an den Beklagten zu 2. Dieser verursachte in Absprache mit dem Beklagten zu 3 vorsätzlich einen Unfall. Dabei entstand am Mietfahrzeug der Klägerin ein Sach- und Sachfolgeschaden in Höhe von 7.306,74 €. Die Beklagte zu 1 bezahlte darauf lediglich den vereinbarten Selbstbeteiligungsbetrag.
5
Die Differenz von 6.795,45 € hat die Klägerin gegen alle drei Beklagten geltend gemacht. Das Landgericht hat die Beklagten zu 2 und 3 antragsgemäß verurteilt; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin die Hauptsache in Höhe von 2.640 € für erledigt erklärt. Die Beklagte zu 1 hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
7
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Obwohl der Beklagte zu 2 als berechtigter Fahrer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat und damit die vereinbarte Haftungsreduzierung auf den Selbstbehalt gemäß Ziff. 11 der AGB entfalle, sei die Klage unbegründet. Die in Ziff. 11 der AGB geregelte Haftungsreduzierung bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sei nämlich gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, soweit die Haftungsreduzierung wegen des nur zugerechneten Verhaltens eines Dritten entfalle.
8
Allerdings sei der vom Landgericht gewählte Ausgangspunkt, wonach bereits Ziff. 9 der AGB der Klägerin und dort insbesondere die Zurechnung des Verschuldens Dritter unwirksam sei, nicht überzeugend. Ziff. 9 enthalte insoweit eine ausschließlich mietvertragliche Haftungsregelung, die zudem der Regelung in § 540 Abs. 2 BGB entspreche. Dies sei auch dann unbedenklich, wenn der Mieter - wie hier - eine Haftungsreduzierung nach Ziff. 10 der AGB vereinbart habe. Fraglich sei lediglich, ob eine Zurechnung des Drittverschuldens auch im Rahmen der Ziff. 11 der AGB (Wegfall der Haftungsreduzierung) zulässig sei. Das sei nicht der Fall.
9
Nach Ziff. 11 Abs. 1 Satz 3 der AGB entfalle die Haftungsreduzierung gemäß Ziff. 10 u.a. im Falle vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachter Schäden. Diese Klausel knüpfe nicht an die Verursachung durch bestimmte Personen , insbesondere durch den Mieter selbst an, sondern erfasse im Zusammenspiel mit Ziff. 9 letzter Satz auch den Fall, in dem ein Dritter, dem das Fahrzeug überlassen sei, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Eine derartige Regelung sei aber in AGB gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
10
Das Berufungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich eine in den AGB eines Autovermieters gegen zusätzliches Entgelt gewährte Haftungsbefreiung am "Leitbild einer Vollkaskoversicherung" orientieren müsse. Dies gelte auch, wenn eine Selbstbeteiligung vereinbart sei. An diesem Leitbild hätten sich die AGB der Klägerin zu orientieren, auch wenn sie das Wort "Vollkaskoversicherung" oder "Volldeckung" nicht ausdrücklich erwähnten. Das "Haftungsreduzierungs"-Modell der Klägerin sei nämlich grundsätzlich nach seiner Struktur und Eigenart an eine Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung angelehnt. Es solle den Mieter vor Inanspruchnahme wegen Fahrzeugschäden und Diebstahl schützen, könne durch eine zum Mietvertrag hinzutretende gesonderte Einigung vereinbart werden und koste dann eine gesonderte Gebühr. In Ziff. 10 sei von einer "Selbstbeteiligung (SB)" die Rede, auf die sich die Haftung des Mieters reduzieren solle. Bei einer derartigen Regelung dürfe ein die Zusatzvereinbarung abschließender Mieter grundsätzlich erwarten, dass der Umfang der Haftungsreduzierung dem durch eine Vollkaskoversicherung vermittelten Schutz im Wesentlichen entspreche.
11
Diese Anforderungen erfüllten Ziff. 11 Abs. 1 Satz 3 der klägerischen AGB nicht. An die Stelle des im Rahmen einer Kaskoversicherung jedenfalls im Regelfall versicherten Eigentümerinteresses trete bei einer Haftungsfreistellung des Mieters dessen Haftungsinteresse. Dieses Interesse bestehe hier wegen der Regelung in Ziff. 9 in der Gefahr der Inanspruchnahme durch den Vermieter wegen eigenen Verschuldens des Mieters als auch wegen dem Mieter nur zugerechneten fremden Verschuldens. Diese Zurücknahme des "Quasi-Versicherungsschutzes" über das Haftungsinteresse des Mieters orientiere sich allerdings nicht in ausreichendem Maße an den Grundwertungen des § 61 VVG a.F. Nach dieser Bestimmung, die zum Kernbestand der Kaskoversicherung als Schadensversicherung gehöre, werde der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführe. Die Vorschrift knüpfe nach ihrem Wortlaut ausschließlich an das eigene Verschulden des Versicherungsnehmers an; eine Zurechnung des Verschuldens Dritter entsprechend § 278 BGB sei ausgeschlossen und die Zurechnung auf wenige Sonderfälle wie etwa die Repräsentantenhaftung begrenzt. Im Rahmen einer Kaskoversicherung werde der Versicherungsschutz bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schadensherbeiführung durch den Fahrer, dem das Fahrzeug überlassen worden sei, nicht beeinträchtigt. Der Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers bei Schadensherbeiführung durch Dritte werde im Gegenteil sogar noch durch die Regresssperre des § 15 Abs. 2 AKB ausgebaut. Dass ein "Fahrerverschulden" den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers weder direkt noch indirekt beeinträchtige, gehöre deshalb zu den Kernelementen einer Kaskoversicherung. Gegen dieses Leitbild der Kaskoversicherung verstoße Ziff. 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Ziff. 9 der klägerischen AGB, weil sie eine Zurechnung des Verschuldens des vom Mieter verschiedenen Fahrers ermögliche und die Haftungsreduzierung und damit den "Quasi-Versicherungsschutz" zu Lasten des Mieters schon dann leer laufen lasse, wenn lediglich der Fahrer, nicht aber der Mieter selbst, den Schaden vorsätzlich und/oder grob fahrlässig verursacht habe.
12
2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
13
a) Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrages gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung, so darf dieser - gleichsam als Quasi -Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeuges und als Versicherungsnehmer in der Fahr- zeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Diese vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 22, 109; Urteil vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79 - NJW 1981, 1211, Urteil vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81 - NJW 1982, 987 f., Urteil vom 19. Juni 1985 - VIII ZR 250/84 - NJW-RR 1986, 51, Senatsurteil vom 19. Januar 2005 - XII ZR 107/01 - NJW 2005, 1183).
14
b) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass in der Kraftfahrzeugvollversicherung eine Haftung des Versicherungsnehmers für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Fahrers, dem er das Fahrzeug überlassen hat, nicht in Betracht kommt. Das ergibt sich aus § 61 VVG a.F. (§ 81 VVG). Nach dieser Bestimmung ist der Versicherer von seinen Leistungspflichten nur frei, wenn der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Damit schließt bereits der Wortlaut des Gesetzes jede Zurechnung eines Drittverschuldens zu Lasten des Versicherungsnehmers aus. Es besteht auch weitgehend Einigkeit, dass im Rahmen des § 61 VVG a.F. die allgemeine zivilrechtliche Zurechnungsnorm für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) keine Anwendung findet. Begründet wird dies damit, dass § 61 VVG a.F. keine Schadensersatzpflicht statuiert, sondern einen subjektiven Risikoausschluss beinhaltet und anderenfalls die Gefahr bestünde, den Versicherungsschutz in einer Weise einzuschränken, der mit dem Zweck der Versicherung nicht mehr verträglich wäre (BGHZ 11, 120, 123).
15
Allerdings wird es als zu weitgehend angesehen, eine Zurechnung groben Drittverschuldens auch dann zu verneinen, wenn der Dritte gleichsam an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist, ihn gleichsam repräsentiert. Auf diesem Gedanken beruht die bereits auf reichsgerichtliche Rechtsprechung (RGZ 135, 370) zurückgehende, besonders für das Versicherungsrecht entwickelte "Repräsentantenhaftung" (BGHZ 107, 229, 232 f., 171, 304, 306 f.; Urteil vom 14. Mai 2003 - IV ZR 166/02 - NJW-RR 2003, 1250). Dem liegen Billigkeitserwägungen zugrunde; dem Versicherungsnehmer, der das versicherte Risiko aus der Hand gibt und sich der Obhut über die Sache gänzlich entledigt, soll es verwehrt werden, die Lage des Versicherers nach Belieben zu verschlechtern mit der Folge, dass dieser auch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des Repräsentanten leistungspflichtig wäre, während er frei wäre, wenn die "Risikoverwaltung" beim Versicherungsnehmer persönlich gegeben und dieser in gleicher Weise gehandelt hätte. Danach wird der Versicherer nur dann von der Leistungspflicht frei, wenn der Dritte Repräsentant des Versicherungsnehmers ist und in dieser Rolle den Versicherungsfall grob fahrlässig oder gar vorsätzlich vorbeiführt.
16
c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze der Kaskoversicherung auch für den Mieter gelten, der sich gegen besonderes Entgelt eine Reduzierung seiner Haftung gegenüber dem Vermieter "erkauft". Es ist nämlich kein hinreichender Grund ersichtlich, die Prinzipien der Repräsentantenhaftung auf den quasi-versicherten Kraftfahrzeugmieter nicht anzuwenden. Die aus § 61 VVG a.F. hergeleitete, auf den Repräsentanten des Kraftfahrzeugmieters eingeschränkte Haftung hat bei vereinbarter Haftungsreduzierung in der gewerblichen Kraftfahrzeugmiete die gleiche Berechtigung, wie die unmittelbar aus § 61 VVG a.F. hergeleitete Repräsentantenhaftung im Versicherungsrecht. Es wäre inkonsequent, vom gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter zu fordern, seine Vertragsbedingungen nach dem Leitbild der Fahrzeugvollversicherung zu gestalten, diese Forderung dann aber bei der wesentlichen Frage nach der Dritthaftung aufzugeben. Die Interessenlage des quasi-versicherten Kraftfahrzeugmieters und des Versicherungsnehmers sind identisch. Beide wollen sich vor Risiken schützen, die der versicherten Sache von dritter Seite drohen. Beider Interesse geht dahin, das mit dem Risikoeintritt verbundene Ausfallrisiko zu versichern, letztlich also das Insolvenzrisiko des Schädigers auf den Quasi-Versicherer zu verlagern. Dafür bezahlt der Versicherungsnehmer die Versicherungsprämie und der Kraftfahrzeugmieter über die Miete hinaus das Zusatzentgelt an den gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter , der als "Quasi-Versicherer" auftritt.
17
d) Die Auffassung der Revision, der Bundesgerichtshof habe nur von einem Leitbild, nicht aber von einem Abbild der Kaskoversicherung gesprochen und die Grundsätze der Repräsentantenhaftung seien nicht anwendbar, weil der Untermieter nicht Repräsentant des Mieters sei, vermag nicht zu überzeugen.
18
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend und unangefochten davon ausgegangen , dass der Dritte (Fahrer, Untermieter u.ä.), dem der Mieter das Fahrzeug überlässt, nicht als Repräsentant im Sinne des Versicherungsrechts anzusehen ist. Repräsentant ist nämlich nur, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertrags - oder ähnlichen Verhältnisses - an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGHZ 107, 229, 230 f.). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht dabei nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen (BGHZ aaO). Ebensowenig begründen allein verwandtschaftliche Beziehungen (Ehegatte , Kinder u.ä.) oder allein vertragliche Beziehungen, kraft derer der Dritte die Obhut über das versicherte Risiko (z.B. Miet-, Arbeits- oder Geschäftsbesorgungsverträge ) hat, die Repräsentantenstellung (BGH Urteil vom 14. Mai 2003 aaO). Vielmehr muss ein Repräsentant unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles befugt sein, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und dabei auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrnehmen (Risikoverwaltung ).
19
bb) Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht den Untermieter zu Recht nicht als Repräsentanten des Mieters angesehen, weil die Risikoverwaltung bezüglich der vereinbarten Haftungsreduzierung gänzlich in der Hand der Beklagten lag. Das stellt die Revision auch nicht in Frage. Sie macht vielmehr geltend, wenn der Unternehmer nicht als Repräsentant anzusehen sei, dann sei es auch nicht sinnvoll, die Grundsätze dieser Haftungsregelung anzuwenden. Dem ist nicht zu folgen. Die Argumentation der Revision beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Repräsentantenhaftung. Die Lehre von der Repräsentantenhaftung besagt, dass eine Haftung für Dritte nur besteht, wenn der Dritte Repräsentant des Versicherungsnehmers ist. Die Haftungsfreistellung hängt aber nicht vom Vorhandensein eines Repräsentanten ab. Sie soll vielmehr und gerade auch dann zur Geltung kommen, wenn kein Repräsentant vorhanden ist.
20
cc) Entgegen der Auffassung der Revision trifft es auch nicht zu, dass der Bundesgerichtshof von einer Haftung für Dritte ausgegangen sei, wenn diese das Mietobjekt vorsätzlich oder grob fahrlässig beschädigt haben. In den von der Revision angeführten Entscheidungen (BGH Urteile vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79 - NJW 1981, 1211; vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81 - NJW 1982, 987 f. und vom 15. Juni 1983 - VIII ZR 78/82 - WM 1983, 1009 ff.) kam es auf diese Fragen nicht an. Sollten die Entscheidungen im Sinne der Revision verstanden werden können, so hält der Senat, der für das gewerbliche Mietrecht allein zuständig ist, nicht daran fest.
21
e) Damit ist das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die AGB der Klägerin zu Lasten der Beklagten zu 1 vom Leitbild der Vollkaskoversicherung abweicht. Ohne Rechtsverstoß durfte es darin eine im Sinne des § 307 BGB unangemessene und damit unwirksame Regelung sehen. Die dagegen von der Revision vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.
22
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, nicht die Haftung für Dritte , sondern die Befreiung der Haftung für Dritte sei unangemessen, weil sie die gesetzliche Haftungsregelung auf den Kopf stelle. Nach dem Gesetz hafte der Mieter für seinen Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB); im Mietrecht sei dieser Gedanke in § 540 Abs. 2 BGB, wonach der Mieter für das Verhalten des Untermieters einstehen müsse, noch besonders hervorgehoben.
23
Es geht hier aber nicht um die Frage, inwieweit durch AGB von der gesetzlichen Haftungsregelung des Mietrechts abgewichen werden kann. Die Parteien haben individualvertraglich und damit zweifelsohne zulässig eine Haftungsbeschränkung vereinbart. Sie haben sich darauf geeinigt, dass der Mieter bei Zahlung eines Geldbetrages zusätzlich zur Miete nur noch mit einem bestimmten Selbstbeteiligungsbetrag (511,29 €) haften soll. Die entscheidende Frage ist deshalb, ob der Vermieter unter diesen Umständen die individuell vereinbarte Haftungsbeschränkung mittels AGB wieder einschränken kann und der Mieter, der sich durch ein Zusatzentgelt eine zusätzliche Leistung (Haftungsbefreiung ) erkaufen will, damit rechnen muss, dass die angestrebte Haftungsbefreiung nicht gilt, wenn er das Fahrzeug einem Dritten überlässt und dieser es vorsätzlich oder grob fahrlässig beschädigt. Sie ist zu verneinen. Der Mieter muss sich darauf verlassen können, dass er eine Haftungsfreistellung entsprechend den Grundsätzen der Kaskoversicherung erhält, wozu auch und insbesondere gehört, dass er für grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten Dritter nicht haftet (vgl. § 61 VVG a.F.).
24
bb) Soweit die Revision unter Hinweis auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm (OLGR 2006, 714), München (Versicherungsrecht 1997, 1238) und Jena (Urteil vom 7. Dezember 2000 - 1 U 627/00 - nicht veröffentlicht ) meint, ein Verstoß gegen § 307 BGB scheide schon deshalb aus, weil es einem verständlichen Bedürfnis des Vermieters entspreche, sich die vertragliche Haftung des Vertragspartners für das Verschulden von Personen zu sichern , denen die Mietsache zum Gebrauch überlassen werde, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Vermieter hat es nämlich in der Hand, sich gegen das Risiko der Schadensverursachung durch Personen, denen der Mieter die Mietsache überlässt, mit dem Abschluss einer Kaskoversicherung abzusichern. Diese Möglichkeit nehmen viele Vermieter wahr und wälzen die Versicherungsprämie auf den Mieter ab. Wenn der Vermieter - wie hier - keine Kaskoversicherung abschließt, liegt es bei ihm, die vom Mieter für die Haftungsreduzierung zu zahlende Gebühr so zu bemessen, dass das Risiko, durch schuldhaftes Verhalten Dritter geschädigt zu werden, ausreichend abgedeckt wird.
25
cc) Auch die Auffassung, der Mieter werde nicht unangemessen benachteiligt , wenn sich der Vermieter die vertragliche Haftung für das Verschulden von Personen sichere, denen der Mieter die Sache überlasse, weil er es in der Hand habe, ob und welchen Personen er die Nutzungsmöglichkeit einräume, überzeugt nicht. Während der Mieter sein eigenes Fahrverhalten steuern und damit sein Haftungsrisiko bis zu einem gewissen Grad in Grenzen halten kann, ist dies bei Überlassung des Fahrzeugs an Dritte gerade nicht der Fall. Die Überprüfungsmöglichkeiten bei der Auswahl der Personen, denen er das Fahrzeug überlässt, sind beschränkt und die Einflussnahme auf deren Fahrverhalten begrenzt. Deshalb hat der Mieter ein gesteigertes Interesse, für vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadenszuführung durch den Dritten nicht einstehen zu müssen. Gerade um sich vor diesem - für ihn nicht kalkulierbaren - Risiko zu schützen, ist der Mieter bereit, neben dem Entgelt für die Miete einen zusätzlichen Beitrag für seine Haftungsbeschränkung aufzubringen.
Hahne Wagenitz Fuchs Dose Klinkhammer

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 17.02.2006 - 306 O 52/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.06.2007 - 14 U 49/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 102/03 Verkündetam:
14.März2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
1. Hat der Versicherungsnehmer die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Rechte
und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag einem Dritten übertragen, ist dieser
insoweit sein Repräsentant.
2. Überträgt der Versicherungsnehmer dem Dritten die selbständige Wahrnehmung
seiner Befugnisse nur in einem bestimmten, abgrenzbaren Geschäftsbereich - hier:
Vertragsverwaltung -, ist die Zurechnung des Repräsentantenverhaltens darauf
beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden.
BGH, Urteil vom 14. März 2007 - IV ZR 102/03 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 14. März 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Versicherungsleistungen wegen eines Brandes vom 15. August 1994 in ihren Geschäftsräumen in der N. straße 57 in F. . Sie betrieben dort unter der Firma C. K. E. im dritten Obergeschoss einen Pelzgroßhandel mit Lager. Sie unterhielten bei der Beklagten eine Rauchwaren-Einheitsversicherung, eine Geschäfts- und Betriebsversicherung sowie eine Betriebsunterbrechungsversicherung.
2
Am 15. August 1994 brach kurz vor 4.00 Uhr in dem Gebäude an mehreren Stellen infolge vorsätzlicher Brandstiftung unter Verwendung brennbarer Flüssigkeiten Feuer aus, und zwar in den Treppenräumen vom dritten bis zum sechsten Obergeschoss, im Pelzlager eines anderen Unternehmens im vierten Obergeschoss und in den Geschäftsräumen der Klägerinnen im dritten Obergeschoss. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Zeuge W. in den Geschäftsräumen der Klägerinnen. Er ist der Vater der damals 19 Jahre alten Klägerin zu 2 und nach Behauptung der Beklagten der Lebensgefährte der Klägerin zu 1.
3
DieBeklagteberuft sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Brandstiftung durch den Zeugen W. nach § 61 VVG und entsprechenden Bestimmungen in den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Dessen Verhalten müssten sich die Klägerinnen zurechnen lassen, da er als deren Repräsentant anzusehen sei. Er sei faktisch alleiniger Geschäftsführer gewesen und habe insbesondere alle Versicherungsangelegenheiten mit der Beklagten vor und nach dem Brand in eigener Verantwortung erledigt.
4
Die Klägerinnen machen mit der Klage einen Schaden an den Waren , an der Geschäftseinrichtung und durch Betriebsunterbrechung von etwa 350.000 € gelten. Die darauf gerichteten, in den Vorinstanzen abgewiesenen Anträge verfolgen sie mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision der Klägerinnen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
Das I. Oberlandesgericht nimmt an, die Beklagte sei nach § 61 VVG in Verbindung mit entsprechenden Bestimmungen in den AVB von der Leistungspflicht frei, weil der als Repräsentant der Klägerinnen anzusehende Zeuge W. den Brand vorsätzlich gelegt habe. Repräsentanteneigenschaft könne nicht nur bei Übertragung der Risikoverwaltung , sondern auch dann vorliegen, wenn jemand aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich ausübe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Zeuge W. in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrages ausgeübt habe. Auf die Frage, ob er außerdem faktisch Geschäftsführer des Unternehmens der Klägerinnen gewesen sei, komme es daher nicht an.
7
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die vorsätzliche Brandstiftung durch einen Dritten, der nur für die Verwaltung des Versicherungsvertrages als Repräsentant anzusehen ist, braucht sich der Versicherungsnehmer nicht zurechnen zu lassen. Die Annahme einer vorsätzlichen Brandstiftung durch den Zeugen W. beruht auf einem Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht der Klägerinnen aus Art. 103 Abs. 1 GG.
8
1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Versicherungsnehmer für das - selbst vorsätzliche - Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen (vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229 unter 2 b m.w.N. insbesondere auf das Urteil vom 20. Mai 1981 - IVa ZR 86/80 - VersR 1981, 822). Der Grund der Haftungszurechnung liegt darin, dass es dem Versicherungsnehmer nicht freistehen darf, den Versicherer dadurch schlechter und sich besser zu stellen, dass er einen Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greift nicht nur dort, wo es im Rahmen der übertragenen Gefahrverwaltung (Risikoverwaltung im engeren Sinne) um die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Repräsentanten geht. Ihm ist vielmehr auch dann Rechnung zu tragen, wenn das vertraglich oder gesetzlich geschützte Interesse des Versicherers an der Einhaltung von Obliegenheiten gerade deshalb durch einen Dritten verletzt werden kann, weil der Versicherungsnehmer den Dritten in die Lage versetzt hat, insoweit selbständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln, er ihm also insoweit die eigenverantwortliche Verwaltung des Versicherungsvertrages übertragen hat. Repräsentation kraft Vertragsverwaltung ist nicht erst nach Eintritt des Versicherungsfalles möglich (a.A. Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Bd. 3 G 49; unklar Knappmann, VersR 1997, 261, 262 f., 267). Den Versicherungsnehmer treffen auch vor Eintritt des Versicherungsfalles Anzeige- und sonstige Obliegenheiten, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit führen kann. Davon kann er sich zu Lasten des Versicherers nicht dadurch befreien, dass er diese Obliegenheiten einem Dritten zur selbständigen Wahrnehmung überträgt.
9
b) Aus dem tragenden Grund dafür, dass der Versicherungsnehmer für das Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen hat, ergibt sich zugleich die Grenze der Zurechnung. Der Versicherungsnehmer muss sich Repräsentantenverhalten nur insoweit zurechnen lassen, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Überträgt er dem Dritten die selbständige Wahrnehmung seiner Befugnisse nur in einem bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich, ist die Zurechnung darauf beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1986 - IVa ZR 182/84 - VersR 1986, 541 unter 3). Eine auf einen bestimmten Bereich bezogene Repräsentantenstellung kommt insbesondere bei Geschäftsund Betriebsversicherungen in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1992 - IV ZR 17/91 - VersR 1992, 865 unter 2 und vom 14. April 1971 - IV ZR 17/70 - VersR 1971, 538 unter 3). Für die Übertragung der Vertragsverwaltung folgt daraus, dass der Versicherungsnehmer sich ein Fehlverhalten des Repräsentanten nur in Vertragsangelegenheiten zurechnen lassen muss. Das betrifft Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles , z.B. Mitteilungen zur Begrenzung des subjektiven Risikos (§§ 11 VGB 62, 9 Abs. 1 AFB 87), die Anzeige von Gefahrerhöhungen (§§ 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 VVG) und Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles i.S. von § 6 Abs. 3 VVG. Dagegen braucht er sich ein Verhalten des Vertragsverwalters, das zum Eintritt des Versicherungsfalles führt, nicht zurechnen zu lassen, sofern ihm nicht auch die Gefahrverwaltung übertragen ist (so im Ergebnis auch Johannsen, aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 6 Rdn. 58 a.E.; Knappmann, VersR 1997, 262 f.; Versicherungsrechts-Handbuch/Looschelders, § 17 Rdn. 45; ders. VersR 1999, 666, 671).
10
c) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Berufungsgericht angenommene vorsätzliche Brandstiftung des Zeugen W. den Klägerinnen nicht nach § 61 VVG zuzurechnen. Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, dass er deren Repräsentant im Bereich der Vertragsverwaltung war. Ob ihm als faktischem Geschäftsführer auch die Gefahrverwaltung übertragen war, wie die Beklagte behauptet, hat es offen gelassen.
11
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Die Revisionserwiderung macht unter Hinweis auf §§ 14 Nr. 2, 17 AFB 87 geltend, die Beklagte sei von der Leistungspflicht frei, weil der Zeuge W. versucht habe, sie arglistig über seine Beteiligung an der Brandstiftung zu täuschen und dieses Verhalten seiner Stellung als Vertragsverwalter zuzuordnen sei.
12
a) Dem ist zu folgen, soweit das Berufungsgericht den Zeugen W. als Repräsentant im Bereich der Verwaltung des Versicherungsvertrages angesehen hat. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht hierzu ausreichende Feststellungen getroffen. Danach sind die Verhandlungen mit den Vertretern der Beklagten fast ausschließlich von dem Zeugen geführt worden. Soweit die Klägerin zu 1 in geringem Umfang daran beteiligt war, hat sie keine Entscheidungen getroffen , sondern dies dem Zeugen überlassen. Daraus hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung der gesamten Umstände des Falles (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2003 - IV ZR 166/02 - r+s 2003, 367 unter II 2 a) rechtsfehlerfrei geschlossen, der Zeuge habe in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrages ausgeübt.
13
und Ob in welchem Umfang der Zeuge der Beklagten Angaben über das Brandgeschehen gemacht hat, wird nach der Zurückverweisung zu klären sein. Die Schadensanzeige erweckt jedenfalls den Eindruck, dass sie von ihm ausgefüllt und zweimal unterschrieben worden ist.

14
b) Dagegen hat das Berufungsgericht eine vorsätzliche Brandstiftung durch den Zeugen W. nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör in mehreren Punkten verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW-RR 2002, 68, 69 m.w.N.). Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht.
15
aa) Die Klägerinnen hatten vorgetragen, der Zeuge habe den mit erheblichem zügigem Treppensteigen über mehrere Stockwerke verbundenen Tathergang aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes unmöglich ausführen können. Zum Beweis dafür haben sie sich auf dessen Zeugnis, Zeugnis des Hausarztes und ein ärztliches Sachverständigengutachten berufen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag nur im Tatbestand kurz erwähnt. In den Entscheidungsgründen hat es dazu und zu den Beweisangeboten nichts ausgeführt, den Vortrag also ersichtlich nicht in seine Erwägungen einbezogen.
16
bb) An der Kleidung des Zeugen wurde kein Benzingeruch festgestellt. Zur Tatausführung wurde aus mehreren Kanistern Benzin verschüttet. Die Klägerinnen hatten dazu unter Bezugnahme auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und des von ihnen beauftragten Privatgutachters vorgetragen, das Fehlen von Benzingeruch an der Kleidung und am Körper des Zeugen schließe seine Täterschaft zwingend aus. Hätte der Zeuge das Benzin verschüttet, wäre noch Stunden danach Benzingeruch an der Kleidung und den freien Hautoberflächen wahrzunehmen gewesen.
17
Die Frage des Benzingeruchs hat das Berufungsgericht im Tatbestand erwähnt und in den Entscheidungsgründen allein mit den Sätzen beschieden, das Fehlen von entsprechendem Geruch schließe eine Täterschaft nicht aus, es habe unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit die Möglichkeit bestanden, Geruchsanhaftungen an der Kleidung zu vermeiden. Wie das konkret hätte vermieden werden können oder von dem Zeugen vermieden worden ist, führt das Berufungsgericht nicht aus. Es geht insbesondere nicht darauf ein, dass der gerichtliche Sachverständige und seine Mitarbeiter, die bei ihrem Versuch sicherlich sorgfältig mit dem Benzin umgegangen sind, starke Benzinanhaftungen an der Kleidung nicht vermeiden konnten. Die Frage des Benzingeruchs an den freien Hautoberflächen übergeht das Berufungsgericht völlig. Seine Begründung erschöpft sich damit in einer bloßen Leerformel, die nicht erkennen lässt, dass es den Vortrag der Klägerinnen erwogen hat.
18
cc) Die Klägerinnen hatten weiter vorgetragen und mit dem Privatgutachten belegt, dass der Zeuge W. bei der Brandstiftung zwangsläufig Brandverletzungen hätte erleiden müssen. Dazu hat das Berufungsgericht nur ausgeführt, der Umstand, dass das Vorgehen des Brandstifters mit einer gewissen Selbstgefährdung verbunden gewesen sei, wie der Gutachter im Einzelnen erläutert habe, führe ebenfalls nicht dazu, eine Täterschaft des Zeugen ausgeschlossen erscheinen zu lassen. Auch dies ist eine bloße Leerformel, die nichts dazu besagt, weshalb die auch nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen durchaus mögliche erhebliche Selbstgefährdung die Täterschaft des Zeugen nicht als ausgeschlossen erscheinen lässt.
19
dd) Der Senat verkennt nicht, dass erhebliche Verdachtsmomente für die Täterschaft des Zeugen sprechen und die Revisionserwiderung den Rügen der Revision mit einer nachvollziehbaren, aber revisionsrechtlich unbeachtlichen Würdigung entgegentritt. Die Beweiswürdigung ist nicht Sache des Revisionsgerichts, sondern des Tatrichters, der sich dieser Aufgabe erneut zu unterziehen hat.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 16.12.1999 - 24 O 412/96 -
OLG Köln, Entscheidung vom 18.03.2003 - 9 U 13/00 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 166/02 Verkündet am:
14. Mai 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius
und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 8. Mai 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem eine Gaststätte und ein Getränkeladen betrieben wurden, bis das Gebäude in der Nacht zum 4. Mai 1998 durch einen Brand zerstört wurde. Sie fordert aus der bei der Beklagten unterhaltenen Gebäudeversicherung Deckung für den Brandschaden in Höhe von 366.371,31 DM). Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) zugrunde.
Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Sie behauptet, der Ehemann der Klägerin, die im Zeitpunkt des Brandes unstreitig seit mehreren Wochen im Krankenhaus lag, habe das Gebäude vorsätzlich in Brand ge-

setzt. Die Klägerin müsse sich dieses Verhalten ihres Ehemannes zurechnen lassen, da er ihr Repräsentant gewesen sei. Denn er habe die Gaststätte in eigener Verantwortung geführt. Damit sei ihm die ganz überwiegende Nutzung des Gebäudes übertragen gewesen; er habe deshalb auch die Obhut über das Gebäude allein innegehabt.
Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann, dessen Täterschaft sie im übrigen bestreitet, sei lediglich als ihr Angestellter in der Gaststätte beschäftigt gewesen und habe als solcher keine eigenständigen Entscheidungsbefugnisse für den Geschäftsbetrieb gehabt.
Das gegen den Ehemann der Klägerin geführte Ermittlungsverfahren ist nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das Landgericht hat der in erster Instanz erhobenen Teilklage auf Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 133.333,33 DM stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die nunmehr auf den eingangs genannten Betrag erweiterte Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht ein Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen nicht. Die Beklagte sei gemäß § 9 Nr. 1a VGB 88 leistungsfrei, weil der Schaden von einem Repräsentanten der Klägerin vorsätzlich herbeigeführt worden sei.

Das Berufungsgericht hat sich nach der Beweisaufnahme zunächst davon überzeugt, daß der Ehemann der Klägerin das Gaststättengebäude vorsätzlich in Brand gesetzt hat.
Weiter hat es festgestellt, daß zwar die Klägerin Konzessionsträgerin für die Gaststätte geblieben sei, jedoch bis zu ihrem Krankenhausaufenthalt anderweitig vollbeschäftigt gewesen sei und daneben den Getränkehandel betrieben habe. Demgegenüber habe der Ehemann seit Jahren die Gaststätte selbständig geführt, was sich auch daran zeige, daß er sich Dritten gegenüber als Gastwirt oder Gaststätteninhaber bezeichnet, Hausverbote ausgesprochen und Vertragsverhandlungen mit Geschäftspartnern der Gaststätte geführt habe. Wirtschaftlich habe das Interesse an einer gewinnbringenden Nutzung des Gaststättengrundstücks von vornherein beim Ehemann gelegen, was sich vor allem an der für den Scheidungs - oder Trennungsfall notariell vereinbarten Verpflichtung der Klägerin zeige, ihrem Ehemann das Gaststättengrundstück nebst Inventar ohne Gegenleistung zu übertragen. Hinzu komme, daß sich die Klägerin ihrer Verantwortlichkeit für die versicherte Sache auch vollständig begeben habe. Daran ändere nichts, daß innerhalb des Gaststättengebäudes ein 13,5 qm großer Raum vom Sohn des Ehemannes als privater Wohnraum und weitere Nebenräume für den von der Klägerin geführten Getränkemarkt genutzt worden seien, denn die Gaststätte habe den ganz überwiegenden Teil des Gebäudes eingenommen.
Bei dieser Sachlage müsse sich die Klägerin die Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ihren Ehemann zurechnen lassen, denn er sei hier ihr Repräsentant. Das folge nicht aus der Ehegattenstellung als sol-

cher, sondern allein daraus, daß der Ehemann nach den Feststellungen mit dem Betrieb der Gaststätte zugleich auch die selbständige Verwaltung des gesamten Gebäudes innegehabt habe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Feststellung richten, der Ehemann der Klägerin habe das Gaststättengebäude in Brand gesetzt, verhelfen der Revision nicht zum Erfolg; von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO n.F.).
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Verhalten des Ehemannes sei der Klägerin nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zuzurechnen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung hat der Versicherungsnehmer weder im Rahmen des § 6 VVG noch im Rahmen des § 61 VVG (und vergleichbarer vertraglicher Regelungen, hier des § 9 Nr. 1a VGB 88) für das Verschulden Dritter nach § 278 BGB einzustehen (BGHZ 107, 229, 232, 233; vgl. schon RGZ 83, 43, 44; 117, 327, 329; 135, 370, 371; BGHZ 11, 120, 122). Aus Billigkeitsgründen steht es dem Versicherungsnehmer aber nicht frei, die Lage des Versicherers dadurch wesentlich zu verschlechtern , daß er die versicherten Sachen aus der Hand gibt und sich der Obhut über sie mit der Folge entäußert, daß der Versicherer für den Schaden eintreten muß, der durch das Verhalten des Sachwalters des Versicherten - seines Repräsentanten - entsteht (vgl. BGHZ 107 aaO m.w.N.). Das Ver-

halten des Repräsentanten muß sich der Versicherungsnehmer deshalb zurechnen lassen.
Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229 unter 2 b, aa; BGHZ 107, 229, 230, 231 m.w.N.; BGHZ 122, 250, 253). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen (BGHZ aaO; BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - IV ZR 48/89 - VersR 1990, 736 unter 1 b). Ebensowenig begründen - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - allein die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer (BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 aaO m.w.N.; Urteil vom 4. Juli 1990 - IV ZR 158/89 - NJW-RR 1990, 1305 unter II 1) oder ein Miet- oder Pachtverhältnis über die versicherte Sache (BGHZ 107, 229, 231 f. m.w.N.) die Repräsentantenstellung.
Repräsentant kann vielmehr nur sein, wer bei Würdigung der Gesamtumstände (BGH, Urteil vom 4. Juli 1990 aaO unter II) befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, daß der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 aaO; BGHZ 122 aaO).
Die Frage, ob ein Versicherungsnehmer die Risikoverwaltung einer versicherten Sache in dem geschilderten Maße auf einen Dritten übertra-

gen hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Bewertung der ge- samten Umstände eines Falles.

b) Gemessen daran ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Ehemann sei hier Repräsentant der Klägerin, jedenfalls im Ergebnis zutreffend.
Anders als das Berufungsgericht möglicherweise meint, kommt es allerdings nicht darauf an, in welchem Umfang das Gaststättengebäude dem Ehemann zur Nutzung überlassen war und ob sich die Nutzung gemessen an der gesamten Nutz- und Wohnfläche des Gebäudes auf dessen überwiegenden Teil erstreckte. Denn durch die bloße Überlassung der Obhut über eine versicherte Sache oder durch ein Nutzungsverhältnis (etwa Miete oder Pacht) wird die Repräsentantenstellung ohnehin nicht begründet (BGHZ 107, 229, 232; BGHZ 122 aaO). Ob die vom Berufungsgericht vorgenommene und von der Revision angegriffene Flächenberechnung zutrifft, kann deshalb offen bleiben.
Entscheidend ist vielmehr, daß hier eine Gesamtschau der weiteren Umstände ergibt, daß dem Ehemann die Risikoverwaltung für das gesamte Grundstück einschließlich des Gaststättengebäudes übertragen war. Dafür ist vor allem bedeutsam, daß - wie die notarielle Vereinbarung der Eheleute für den Scheidungs- oder Trennungsfall belegt - der Ehemann der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das wirtschaftliche Interesse an der Erhaltung des gesamten Gaststättengrundstücks hatte. Daß möglicherweise auch die Klägerin durch die Aufnahme von Darlehen zur Grundstücksfinanzierung beigetragen hatte, steht dieser Feststellung nicht entgegen. Es tritt hinzu, daß dem Ehemann

auch faktisch die beherrschende Stellung über das gesamte Grundstück übertragen war. Die von ihm betriebene Gaststätte gab der Nutzung des gesamten Anwesens das Gepräge und führte dazu, daß der Ehemann der Klägerin insoweit nicht nur geschäftlich, sondern auch ansonsten die bestimmende Rolle einnahm. Daß die Klägerin selbst zur Zeit des Brandes durch ihre Erkrankung (Verdacht auf Querschnittslähmung) auf unabsehbare Zeit gehindert war, sich persönlich um das Gaststättengrundstück zu kümmern, hat die Verantwortung ihres Ehemannes für das gesamte Anwesen noch verstärkt. Dadurch, daß sein Sohn einen Raum des Gebäudes bewohnte, wurde seine Stellung als alleiniger Risikoverwalter für das gesamte Anwesen ersichtlich nicht berührt. Wenn das Berufungsgericht nach allem den Schluß gezogen hat, der Ehemann habe die selbständige Verwaltung des gesamten Gebäudes innegehabt, ist dies nicht zu beanstanden.

c) Es stellt sich dann allerdings nicht mehr die Frage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Denn mit der Zulassung wollte es klären lassen, ob es mit einer Repräsentantenstellung vereinbar sei, wenn nicht das gesamte versicherte Gebäude, sondern nur dessen wesentlicher Teil selbständig "verwaltet" werde. Das vermengt schon die Kriterien der Nutzung und der Risikoverwaltung und steht mithin im Widerspruch zu der vorgenannten Feststellung, der Ehemann der Klägerin habe das gesamte Gebäude verwaltet. Einer Repräsentantenstellung des Ehemannes steht im übrigen auch nicht entgegen, daß die Rechtsprechung mehrfach gefordert hat, einem Repräsentanten müsse die alleinige Verantwortlichkeit (BGHZ 107, 229, 235) für die versicherte Sache vollständig (BGH, Urteil vom 4. Juli 1990 aaO unter II 1; Urteil vom 2. Mai 1990 aaO unter 1 b) übertragen sein. Auch das zielt nicht auf

die Frage, ob die versicherte Sache von dem Repräsentanten allein genutzt wird, sondern meint lediglich, daß der Versicherungsnehmer - wie hier die Klägerin - die davon zu unterscheidende Risikoverwaltung über die versicherte Sache ohne wesentliche Einschränkung und Vorbehalte an den Repräsentanten abgegeben haben muß.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 512/15
vom
5. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:050716B4STR512.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 5. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 2. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen (besonders) schwerer Brandstiftung und wegen versuchten Betruges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen kam die Angeklagte, die sich zusammen mit ihren drei ein bis vier Jahre alten, in den Kinderzimmern schlafenden Töchtern in der Wohnung der Familie aufhielt, in den frühen Morgenstunden des 16. August 2014 spontan auf die Idee, in der Wohnung Feuer zu legen, um zumindest den entstehenden Hausratsschaden bei der Hausratsversicherung geltend machen zu können. Sie vergewisserte sich zunächst in den beiden Kinderzimmern, die durch eine Verbindungstür getrennt sind und von denen nur das Zimmer der ältesten Tochter eine Tür zum Flur hat, dass die drei Kinder schliefen, und schloss die Kinderzimmertür zum Wohnungsflur. Anschließend nahm sie in der Wohnung verschiedene Veränderungen vor, um den Aufenthalt unbekannter Personen in der Wohnung und eine Brandlegung durch diese vorzutäuschen. Sodann verteilte die Angeklagte auf der Couch im Wohnzimmer und in dem lediglich 1,24 Meter breiten Flur im Bereich der Küchentür großflächig den zuvor in der Küche vorgefundenen Brandbeschleuniger, zündete die Couch mit einem Feuerzeug an und schloss sich selbst im Schlafzimmer ein, wobei sie den Zimmerschlüssel in die Tasche einer im Kleiderschrank hängenden Jacke steckte.
3
Während die Angeklagte im Schlafzimmer auf der Bettseite ihres Ehemannes sitzend wartete, entwickelte sich in der gesamten Wohnung eine erhebliche Menge an giftigen Rauchgasen. Aufgrund der hohen Temperaturen von 300 bis 400 Grad Celsius wurden auch die Fensterrahmen des Wohnzimmerfensters durch Brandzehrungen beschädigt. Gleichzeitig zerbrach eine der beiden Sicherheitsglasscheiben im Wohnzimmer mit einem lauten Knall. Durch diesen Knall realisierte die Angeklagte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und rief die Polizei, der gegenüber sie angab, in ihrer Wohnung seien Einbrecher und es rieche verbrannt. Im Anschluss öffnete sie das Fenster im Schlafzimmer und rief laut um Hilfe.
4
Durch die Hilferufe wurden zwei Nachbarn auf das Geschehen aufmerksam. Einem Helfer gelang es, nach Eintreten der Wohnungseingangstür und einem Sprühstoß mit einem Feuerlöscher die vierjährige Tochter der Angeklagten , die zwischenzeitlich die Kinderzimmertür zum Flur geöffnet hatte und nicht mehr ansprechbar war, aus der Wohnung zu tragen. Währenddessen war die Angeklagte mit Hilfe des anderen Nachbarn aus dem Schlafzimmerfenster ge- klettert und zur Wohnungstür gelaufen, um die Helfer darauf aufmerksam zu machen, dass sich noch zwei weitere Kinder in der Wohnung befanden. Auch diese konnten durch das Fenster des Kinderzimmers ins Freie gebracht werden. Während die älteste Tochter eine leichte Rauchgasvergiftung erlitt, blieben die beiden anderen Kinder unverletzt. Beim Eintreffen der Feuerwehr wenige Minuten später war der Brand mangels Sauerstoffs bereits vollständig erloschen. Durch den Brand entstand ein Gebäudeschaden von ca. 31.000 € und ein geschätzter Sachschaden an der Wohnungseinrichtung in Höhe von 14.000 €.
5
Nachdem die Angeklagte bereits zwei Tage zuvor aus dem Brandschaden resultierende Ansprüche auf Versicherungsleistungen telefonisch geltend gemacht hatte, meldete der Ehemann als Versicherungsnehmer den Brandschaden mit Schreiben vom 20. August 2014 bei der Versicherung. Die Angeklagte wollte von der Versicherung eine Gesamtentschädigung für das zerstörte Inventar erhalten.

II.

6
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil enthält sowohl hinsichtlich der Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB als auch wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges durchgreifende Rechtsfehler.
7
1. Die Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter hinsichtlich des Eintritts der Todesgefahr vorsätzlich handelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - 4 StR 185/99, BGHR StGB § 306b Vorsatz 1). Die Strafkammer hat einen bedingten Vorsatz der Angeklagten bezüglich der Todesgefahr für ihre drei Kinder bei Tatbegehung bejaht und dies damit begründet, dass sie im Zeitpunkt der Brandlegung erkannt habe, weder die Intensität des Brandes noch dessen Folgen für ihre Kinder beherrschen zu können, und damit die Gefahr , dass ihre Kinder sterben könnten, in Kauf genommen habe. Diese Annahme steht in einem für das Revisionsgericht nicht auflösbaren Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, wonach die Angeklagte erst durch den Knall, der durch das hitzebedingte Zerbersten des Wohnzimmerfensters ausgelöst worden war, realisierte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und sich deshalb veranlasst sah, die Polizei zu informieren und um Hilfe zu rufen.
8
Darüber hinaus erweist sich die den Erwägungen zum Gefährdungsvorsatz zugrunde liegende Beweiswürdigung als lückenhaft, weil sich das Landgericht nicht mit der nach den festgestellten Gesamtumständen jedenfalls nicht fernliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt hat, dass die Angeklagte zunächst fälschlicherweise davon ausging, die Auswirkungen des Brandgeschehens beherrschen zu können. Die in der Beweiswürdigung für die Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes angeführten Umstände lassen sich sämtlich auch mit dieser möglichen Geschehensvariante in Einklang bringen.
9
2. Die Feststellungen ergeben ferner nicht, dass die Brandlegung im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Absicht getragen war, betrügerisch unberechtigte Versicherungsleistungen zu erlangen.
10
Nach den Feststellungen war der Ehemann der Angeklagten, der selbst nicht in das Tatgeschehen involviert war, Versicherungsnehmer der Hausratsversicherung. Da sich aus den Urteilsgründen keine Umstände ergeben, die eine Stellung der Angeklagten als Repräsentantin ihres Ehemannes im versicherungsrechtlichen Sinne belegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2007 - IV ZR 102/03, BGHZ 171, 304 f.), muss sich der Ehemann die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte nicht nach § 81 Abs. 1 VVG zurechnen lassen. Die bloße Ehegatteneigenschaft reicht ebenso wenig wie die Überlassung der Mitobhut über die gemeinsame Wohnung zur Begründung einer Repräsentantenstellung im versicherungsrechtlichen Sinne aus (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2007 - 3 StR 454/06, NStZ 2007, 640, 641; Urteile vom 4. Mai 1994 - IV ZR 298/93, NJW-RR 1994, 988; vom 8. Februar 1965 - II ZR 171/62, VersR 1965, 425, 429; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28 Rn. 128 mwN). Soweit die Angeklagte hinsichtlich in ihrem Alleinoder Miteigentum stehender Hausratsgegenstände als Versicherte im Rahmen einer Versicherung für fremde Rechnung anzusehen ist, führt die Vorschrift des § 47 Abs. 1 VVG i.V.m. § 81 Abs. 1 VVG nur insoweit zur Leistungsfreiheit des Versicherers, als das Interesse der Angeklagten betroffen ist. Die Ansprüche des Ehemanns als Versicherungsnehmer aus der Versicherung seines eigenen Interesses bleiben dagegen unberührt (vgl. OLG Hamm, VersR 1994, 1464; OLG Karlsruhe, Recht und Schaden 2013, 121, 122 f.; Muschner in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 47 Rn. 7 ff.; Rixecker in Römer/Langheid/Rixecker, VVG, 4. Aufl., § 47 Rn. 8; Brand in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 47 Rn. 31 f.). Infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte sind die Ansprüche aus der Hausratsversicherung somit nur insoweit entfallen, als sie Schäden betreffen, die an Hausratsgegenständen im Allein- oder Miteigentum der Angeklagten entstanden sind. Zu den Einzelheiten der von der Angeklagten geplanten Inanspruchnahme der Hausratsversicherung verhalten sich die Urteilsgründe nicht. So bleibt insbesondere offen, ob die Angeklagte bei der Brandlegung beabsichtigte, über ihren Ehemann gegenüber der Hausratsversicherung zumindest auch tatsächlich nicht bestehende Versicherungsansprüche für Schäden an in ihrem Eigentum stehenden Hausratsgegenständen geltend zu machen. Eine Betrugsabsicht ist daher nicht hinreichend belegt.
11
3. Aus den gleichen Gründen kann schließlich die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges nicht bestehen bleiben. Denn den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob mit der Schadensmeldung des Ehemannes vom 20. August 2014 Versicherungsleistungen für Schäden an Gegenständen der Angeklagten geltend gemacht wurden. Sost-Scheible Cierniak Franke Bender Quentin
6
1. Die Voraussetzungen einer besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) sind auch dann erfüllt, wenn die Brandlegung wie hier zum Zwecke eines Betruges zum Nachteil der Versicherung begangen wird (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; BGH NJW 2000, 3581; NStZ-RR 2000, 209; 2004, 366).
8
2. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

10
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Tatumstände erfolgen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25, 26). Dabei hat der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen mit einzubeziehen (Senat, Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35).

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.