Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juni 2009 - 5 StR 182/09

bei uns veröffentlicht am23.06.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 182/09
(alt: 5 StR 257/08)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juni 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Dezember 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Nach Aufhebung einer ersten Verurteilung durch den Senat (NStZ-RR 2008, 341) hat das Landgericht den Angeklagten erneut wegen Heimtückemordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision greift mit der Sachrüge durch, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.
2
1. Die zunächst berufene Schwurgerichtskammer hatte ihre Feststellungen überwiegend auf eine von dem Verteidiger schriftlich fixierte, als eigene Einlassung übernommene Erklärung gestützt. Der Angeklagte hatte darin die Verursachung des Todes des ihn bedrohenden, von seinen tschetschenischen Landsleuten „General“ genannten B. durch Erdrosseln von hinten im fahrenden Pkw als nicht gewollte Folge bei der Durchführung einer geplanten Fesselung eingeräumt. Ersichtlich im Blick auf die damaligen Gutachten medizinischer Sachverständiger, die den Eintritt der Bewusstlosigkeit des B. nach wenigen, höchstens zehn Sekunden und den Todeseintritt spätestens nach zwei Minuten belegten, hatte das Landgericht aus dem Drosselvorgang kein maßgebliches Indiz für einen Tötungsvorsatz hergeleitet, vielmehr auf eine Tötungsabsicht aus einer vorherigen Alibibeschaffung geschlossen. Dies hielt der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand (Senat in NStZ-RR 2008, 341).
3
2. Das nunmehr berufene Schwurgericht hat sich der damaligen Einlassung des – jetzt schweigenden – Angeklagten versichert und folgendes Geschehen nach einer Todesdrohung des Opfers gegenüber der Mutter des Angeklagten festgestellt:
4
„Der hinter der Rückbank sich verborgen haltende Angeklagte hörte dies und geriet in Wut. Er beschloss nun, B. im Pkw zu töten. Daher nahm er das zum Fesseln vorgesehene Seil, erhob sich etwas hinter der Bank, warf es von hinten schnell um den sich keines Angriffs versehenden B. und zog ihn kraftvoll nach hinten. Es kann sein, dass das Seil zunächst um den Oberkörper des B. geworfen wurde und dann – durch das Zuziehen – um den Hals des B. gelangte. Sichere Feststellungen hierzu ließen sich nicht treffen, da B. – der Witterung angepasst – mehrere dicke Bekleidungsstücke trug, so dass etwaige Spuren des Seils am Oberkörper nach der Tat nicht mehr feststellbar waren. Jedenfalls aber zog der Angeklagte das Seil, als es um den Hals des B. lag, schnell und äußerst kraftvoll zu, um B. zu töten. Durch die dabei erfolgte vollständige Kompression sowohl des arteriellen Zustroms als auch des venösen Abstroms wurde B. sofort bewusstlos und konnte sich dem Angriff nicht mehr entgegensetzen. Der Angeklagte erkannte dies. Den Überraschungseffekt hatte er bewusst für die spontan geplante Tötung ausgenutzt. Dessen ungeachtet ließ er das Seil nicht locker, sondern hielt es weiterhin fest um den Hals des B. gespannt, so dass dieser innerhalb kürzester Zeit verstarb. Mitursächlich für den Tod des B. war auch dessen weit fortgeschrittene TBC-Erkrankung. (…) Der Körper des B. wurde bis zum Eintreten des Todes mehrfach im Innern des Fahrzeugs bewegt, etwa durch die fahrzeugeigenen Bewegungen beim Fahren oder durch nicht näher aufklärbare Fremdeinwirkung. Dadurch wurden einzelne oberflächliche Hautabschürfungen an der linken Brust- und Kopfseite, insbesondere im linksseitigen Stirn- und Jochbein und Wangenbereich verursacht, die jedoch für den Todeseintritt nicht ursächlich und jedenfalls nicht postmortal, allenfalls: agonal , entstanden waren“ (UA S. 9 f.).
5
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält erneut der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Sie erweist sich hinsichtlich des Tathergangs als lückenhaft (vgl. BGHSt 14, 162, 164 f.; 29, 18, 20; BGH NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt) und trägt die Annahme eines Tötungsvorsatzes nicht (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 370, 371).
6
a) Das Landgericht hat es unterlassen, die bei dem Opfer erstmals festgestellten Schürfwunden daraufhin zu prüfen, ob sie mit dem angenommenen Tatablauf vereinbar sind oder diesem gar widersprechen. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als die angenommenen Tatumstände ausschließlich auf einer früheren, nicht zum Zweck der Sachaufklärung, sondern zur Verteidigung ausgearbeiteten Sachverhaltsschilderung des Angeklagten beruhen, deren Beweiswert besonders kritisch zu hinterfragen ist (vgl. BGH NJW 2003, 2692, 2694; BGH, Urteil vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09).
7
aa) Soweit das Landgericht die Entstehung der Verletzungen als durch fahrzeugeigene Bewegungen – also Anstoßen des Körpers an harten Fahrzeugteilen – für möglich hält, sind solche für die Zeit vor dem Angriff des Angeklagten ersichtlich ausgeschlossen. Ein bei Bewusstsein und im Besitz seiner Körperkräfte befindlicher Mitfahrer in einem Pkw verletzt sich während normaler Fahrt nicht selbst.
8
Einer Annahme der Entstehung der Verletzungen in der Zeit zwischen dem Eintritt der Bewusstlosigkeit und des Todes widerstreiten indes die festgestellten Tatumstände. Der Angeklagte zog das um den Hals des Opfers liegende Seil schnell und äußerst kraftvoll zu. Das auf dem Fahrzeugsitz in normaler Haltung befindliche Opfer wurde sofort bewusstlos und verstarb unter fortdauerndem Spannen des Seils „innerhalb kürzester Zeit“ (UA S. 9). Während dieser Tatausführung ist ein Entstehen der Verletzungen durch fahrzeugeigene Bewegungen wegen der mit der Drosselung verbundenen Fixierung des Opfers und des äußerst geringen Zeitraums, in der die Verletzungen entstanden sein konnten, außerordentlich unwahrscheinlich.
9
Hinsichtlich der Verletzungen des Opfers an der Brust tritt hinzu, dass diese im Blick auf einen weiteren festgestellten Umstand durch ein Anstoßen an harten Fahrzeugteilen schwerlich verursacht werden konnten. B. trug nämlich mehrere dicke Bekleidungsstücke, die es sogar verhinderten, dass ein kraftvolles Zuziehen des Seils über dem Oberkörper Spuren hinterlassen konnte. Solches widerspricht aber genauso auch einer Verursachung der Verletzungen durch ein Anstoßen.
10
bb) Soweit das Landgericht eine nicht näher aufklärbare Fremdeinwirkung für ursächlich hält, könnte es sich für die Zeit der Tatausführung, die den Angeklagten infolge des kräftigen Ziehens an dem Seil voll in Anspruch genommen hatte, nur um ein mögliches Eingreifen eines Dritten handeln. Ein solcher stand indes nach den Feststellungen des Landgerichts für die angenommene Tatzeit nicht zur Verfügung. Der Tatgehilfe S. war noch nicht in das Fahrzeug eingestiegen. Bu. lenkte den Pkw und war dieserhalb an Einwirkungen auf den hinter ihm sitzenden B. gehindert. Für die Zeit vor der Tat im Pkw kommt nach den Feststellungen des Landgerichts nur der Angeklagte als Verursacher in Betracht. Ein Zusteigen des B. in das Fahrzeug in bereits verletztem Zustand ist nach dem Zusammenhang der Feststellungen ersichtlich ausgeschlossen. Eine vom Landgericht somit zu betrachtende Verursachung der nicht tödlichen Verletzungen durch den Angeklagten vor der Tatausführung hätte indes eine völlig Neubestimmung des allein auf die Einlassung des Angeklagten beruhenden Tatablaufs – etwa durch Annahme körperlicher Übergriffe vor der Fesselung oder möglicher- weise gar durch Annahme einer Tatausführung außerhalb des Pkw – eröffnet. Dies entzieht der Verurteilung wegen heimtückisch begangenen Mordes die Grundlage.
11
b) Soweit das Landgericht in seinen Feststellungen (UA S. 9) die Fassung einer Tötungsabsicht für den Zeitpunkt unmittelbar nach der gegen die Mutter des Angeklagten gerichteten Todesdrohung des B. annimmt, beruht dies auf einer unklaren Beweisgrundlage (vgl. BGH NJW 2007 aaO; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 5 StR 392/07).
12
Das Landgericht stellt zur Begründung des Tötungsvorsatzes und zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten, er habe nur die Widerstandslosigkeit des Opfers erreichen wollen, fest, dass der Angeklagte trotz sofort eingetretener und von ihm erkannter Bewusstlosigkeit den Drosselungsvorgang fortgesetzt hat. Indes beruht die Annahme solcher Kenntnis des Angeklagten nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 370, 371; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 – 5 StR 348/08). Bei der festgestellten Tatausführung – schnelles und äußerst kraftvolles Zuziehen des um den Hals liegenden Seils aus etwas erhobener Position von hinter der Sitzbank des Opfers aus während der Fahrt in städtischer Nacht – bleibt offen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände der Angeklagte die „sofort“ eingetretene Bewusstlosigkeit erkannt haben soll. In diesem Zusammenhang lassen sich auch aus der Dauer des Drosselungsvorgangs keine den Tötungsvorsatz begründenden Umstände entnehmen (vgl. BGHR StGB § 212 Vorsatz, bedingter 57). Diese hat das Landgericht nicht ausdrücklich festgestellt; sie betrug jedenfalls nur „kürzeste Zeit“.
13
4. Die Sache bedarf demnach insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Dabei wird sich die neu berufene Schwurgerichtskammer des in der Regel von Verteidigungsinteressen geprägten Charakters der Einlassung des Angeklagten bewusst zu machen haben (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09), die Aufklärung nahe liegend auf die von der Revision zum Todeszeitpunkt in einer Verfahrensrüge vorgetragenen Umstände zu erstrecken und auch die im ersten tatrichterlichen Urteil noch problematisierte Todesursache des Erhängens zu prüfen haben.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juni 2009 - 5 StR 182/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juni 2009 - 5 StR 182/09

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juni 2009 - 5 StR 182/09 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juni 2009 - 5 StR 182/09 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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bei uns veröffentlicht am 09.11.2011

5 StR 328/11 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 9. November 2011 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November 2011, an der teilgenomm

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 65/09

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 8. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. April
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt V.
alsVertreterderNebenkläger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2008 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und den Schmerzensgeldanspruch der Eltern des Getöteten, die sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen haben, als dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Nebenkläger erstrebt eine Verurteilung wegen Mordes. Das Rechtsmittel hat – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Der 1975 geborene Angeklagte stammt von den Kiribati-Inseln und übte im Jahr 2007 seinen Beruf als Vollmatrose auf dem unter deutscher Flagge fahrenden Motorschiff „H. I. “ aus.
4
Mit der als Stewardess an Bord beschäftigten A. vereinbarte er entsprechend den Gebräuchen ihrer gemeinsamen Heimat ein formelles Verwandtschaftsverhältnis als seine Schwester. Dies umfasste seine Berechtigung, der Frau Anweisungen zu erteilen und sie zu züchtigen.
5
Der als Auszubildender zum Schiffsmechaniker an Bord beschäftigte Sohn der Nebenkläger K. ging mit A. ein intimes Verhältnis ein. Damit war der Angeklagte einverstanden. Es entwickelte sich sogar eine Freundschaft zwischen dem Angeklagten und K. , der in seiner Freizeit den Kampfsport Taek Wan Do betrieb. Während eines gemeinsamen Landgangs am 2. November 2007 kam es zum Streit zwischen dem Angeklagten und A. , in den sich K. auf Seiten seiner Freundin einmischte. Der Angeklagte untersagte A. den Umgang mit dem K. und lehnte dessen mehrfach geäußerten Wunsch nach einem klärenden Gespräch ab. K. traf sich fortan heimlich mit seiner Freundin, was der Angeklagte vermutete. Er drohte A. unter Vorhalt eines Taschenmessers (des späteren Tatmessers) und sagte ihr, wenn sie so weitermache, würde ihr oder ihrem Freund etwas passieren. Dies verstand die Zeugin als Todesdrohung.
6
b) A. erzählte hiervon ihrem Freund. K. nahm die Drohung ernst und bekam Angst. Er berichtete darüber seinem Vorgesetzten, einem deutschen Chefingenieur, der seinerseits den deutschen Kapitän informierte. Auf dessen Weisung forderte der erste Offizier am 6. November 2007 gegen 10.00 Uhr vom Angeklagten die Herausgabe von dessen Pass. Der Angeklagte befragte mehrere Besatzungsmitglieder, deren Pässe indes nicht herausverlangt worden waren. Hieraus schloss der Angeklagte auf die Absicht des Kapitäns, das Seemannsverhältnis zu kündigen, weil der Angeklagte den K. bedroht hatte.
7
c) Der Angeklagte suchte anschließend nach K. . Er wollte mit ihm reden und erhoffte sich, dass dieser bei dem Kapitän die Dinge aus seiner Sicht richtig stellen würde. Er sah K. im Maschinenkontrollraum. „Er klopfte. K. ging seiner Arbeit nach, las die Instrumente ab und zeichnete Daten auf. Er hatte deshalb einen Kugelschreiber in der Hand. (…) (Der Angeklagte) fragte K. , ob er dem Kapitän Bericht erstattet habe. K. antwortete ihm, es treffe zu; er habe mit dem Chefingenieur gesprochen und dieser mit dem Kapitän. T. war schlagartig klar, dass er keine Chance mehr hatte und es keinen Sinn mehr machte, mit K. über die Kündigung zu reden. Er drehte sich deshalb um, um zu gehen. In diesem Moment hörte er K. kurz lachen und sinngemäß sagen: ‚T. , Du bist fertig, Du bist fertig. Siehst Du T. , von Deutsch zu Deutsch ist alles einfach.’ T. fühlte sich von dieser Äußerung tief getroffen, so dass sich seine unterdrückte Wut schlagartig entlud. Innerhalb kürzester Zeit geschah Folgendes: T. drehte sich um, trat an K. heran und drückte wutentbrannt sein Gesicht an das Gesicht von K. . Er wollte K. als entlarvten Urheber der Kündigung, der ihn dazu noch herabwürdigte , jetzt töten. K. schubste T. von sich weg und rief ,Raus’. Es kam zu einer kurzen Rangelei. (…) Der Angeklagte zog das Taschenmesser (…) und öffnete es per Druckknopf. T. stach sofort mehrfach zu. Dabei hielt er K. fest, der infolge der Stiche zu Boden ging. Insgesamt fügte T. dem Opfer in kürzester Zeit 19 Stiche und Schnittverletzungen zu. Zweimal stach er in den Brustkorb, fünfmal in den linken Arm des Opfers, dreimal in dessen Gesäß und sechsmal in seinen Rücken. Die genaue Reihenfolge der Stiche steht nicht fest, jedoch führte T. die Stiche in Brustkorb und Gesäß unwiderlegt zuerst aus. Bei allen Stichen stand T. vor dem Opfer und hielt es fest. Dabei ist unwiderlegt, dass T. die Stiche in den Rücken des Opfers ebenfalls ausführte, als er vor ihm stand. Die beiden Stiche in den Brustkorb eröffneten die linke Brustkorbhöhle; einer der Stiche verletzte auch den Herzbeutel. (…) Bei den Stichen in den Rücken bewegte er zum Teil mehrfach das Messer in einer Wunde. Drei der Stiche in den Rücken waren oberflächlich, drei Stiche tiefergehend. Einer dieser Stiche war ca. 12 cm tief, eröffnete den Brustkorb, verletzte die Lunge, die Brustschlagader (…) und endete im Brustwirbel. Diese Stichverletzung führte zum Verbluten des Opfers und nach kurzer Zeit zu dessen Tod.“ (UA S. 10 bis 12)
8
2. Das Schwurgericht stützt die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen in allen wesentlichen Punkten auf die als unwiderlegt erachteten Angaben des Angeklagten. Es hat indes das weitergehende Verteidigungsvorbringen des Angeklagten, dass er in stark alkoholisiertem Zustand einen Angriff des K. abgewehrt hätte, als unzutreffend beweiswürdigend widerlegt. Die Bekundungen des Angeklagten, A. habe ihm von der Kündigung und deren Grund berichtet, hat das Landgericht ebenfalls nicht geglaubt. Die Schwurgerichtskammer nimmt an, dass die vom Angeklagten angegebene Reihenfolge der Stiche mit dem Verletzungsbild übereinstimme. Zwar habe der rechtsmedizinische Sachverständige hierzu nichts sagen können; er habe es aber für möglich gehalten, dass die vom Angeklagten geschilderte Version – Einstechen auf das durch Umklammern fixierte Opfer im Stehen von vorne – möglich sei.
9
Soweit der Angeklagte unmittelbar nach der Tat der Zeugin Ke. einen anderen Tatablauf – drei bis vier Stiche in den Rücken, Drehen des Opfers und Stiche in den Bauch und das Bein – geschildert hatte, könne auf die insoweit verlesene richterliche Aussage dieser Zeugin nichts gestützt werden. Es handele sich um eine Zeugin vom Hörensagen. Die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung angegebene Version stimme mit dem Verletzungsbild überein. Daher hat es das Landgericht für möglich gehalten, dass die Zeugin eine falsche Erinnerung gehabt haben könnte.
10
Das Landgericht hat es als naheliegend bewertet, dass der neben dem von K. normalerweise benutzten Stuhl des Maschinenkontrollraums aufgefundene „kaputte Gehörschutz“ (UA S. 26) derjenige des Getöteten gewesen war. Davon, dass K. diesen Gehörschutz auch getragen hatte und deshalb nicht bemerkt haben könnte, wie sich der Angeklagte ihm genähert hatte, hat sich das Landgericht beweiswürdigend nicht überzeugt.
11
3. Auf der Grundlage der auf diese Weise getroffenen Feststellungen hat das Landgericht eine heimtückische Tötung verneint. Der Angeklagte habe nach einem Streitgespräch und nach einem kurzen Gerangel auf das um die zuvor erfolgte Drohung wissende, ängstliche Opfer von vorne eingestochen. Das Landgericht hat unter Anwendung des Zweifelssatzes ohne Anhörung eines Sachverständigen eine affektbedingte tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Umfang des § 21 StGB nicht ausgeschlossen.
12
4. Die mit der Sachrüge geführte Revision der Nebenkläger dringt durch. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts zum Tatablauf, der ganz wesentlich für die Beurteilung der Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke ist, hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
13
a) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht oder – wie hier – sich beweiswürdigend nicht vom Vorliegen eines Mordmerkmals zu überzeugen vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Fehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
14
Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass der Tatrichter einer Einlassung kritiklos gefolgt ist (vgl. BGHSt 50, 80, 85) oder dass entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, mit anderen Beweismitteln in Bezug gesetzt worden sind, deren Beweiswert indes nach unzutreffenden Maßstäben (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492) oder lückenhafter oder wer- tungsfehlerhafter Würdigung bestimmt worden ist (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08 Rdn. 12 ff., teilweise abgedruckt in BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 20). So liegt es hier.
15
b) Die Würdigung der Einlassung des Angeklagten durch das Landgericht lässt nicht erkennen, dass sich das Schwurgericht in jeder Beziehung des schuldmindernden Charakters der Angaben des Angeklagten bewusst war. Das Landgericht hat wesentliche Angaben des Angeklagten zutreffend als widerlegt angesehen, nämlich dass er erheblich alkoholisiert gewesen sei und sich nur verteidigt habe. Die so vollzogene Bewertung zentralen Verteidigungsvorbringens als Schutzbehauptung hätte es indes erfordert, auch bei der Würdigung weiterer vom Angeklagten vorgetragener Umstände deren Charakter als kritisch zu betrachtendes Verteidigungsvorbringen zu beachten. Erst danach hätte von dessen partieller Glaubhaftigkeit – wie es das Landgericht indes durchgehend wie selbstverständlich getan hat – ausgegangen werden dürfen (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492).
16
c) Dabei offenbaren Beweiserwägungen des Landgerichts, mit denen es Angaben des Angeklagten als mit fehlerfrei festgestellten Umständen in Einklang stehend angesehen hat, Lücken und Wertungsfehler.
17
aa) Das Landgericht hat aus der vom rechtsmedizinischen Sachverständigen übernommenen Wertung, die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung geschilderte Tatversion – ein Angriff von vorn – sei möglich, eine Wahrscheinlichkeit eines solchen Tatablaufs entnommen und diese Version seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Diese Würdigung wäre indes nur fehlerfrei, wenn die gegenteilige Tatversion – Angriff von hinten – auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts als nicht genauso wahrscheinlich zu erachten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08 Rdn. 13 m.w.N.). Letzteres ist indes vorliegend der Fall. Dass ein Beginn des Angriffs von hinten medizinisch nicht weniger plau- sibel erscheint als ein solcher von vorn, versteht sich angesichts des festgestellten Verletzungsbildes von selbst.
18
Die Vereinbarkeit der jetzigen Tatversion des Angeklagten mit dem Verletzungsbild konnte daher die von der Zeugin Ke. wiedergegebene Bekundung des Angeklagten nach der Tat, er habe K. drei- oder viermal in den Rücken gestochen, dann gedreht und noch oft in den Bauch sowie ins Bein gestochen, nicht in Zweifel ziehen. Soweit das Landgericht der Zeugin, deren richterliche Vernehmung insofern verlesen worden ist, wegen möglicher falscher Erinnerung nicht gefolgt ist, offenbart auch dies durchgreifende Wertungsfehler. Das Landgericht hat die verlesene Aussage der Zeugin Ke. in anderen Zusammenhängen als uneingeschränkt glaubhaft angesehen. Danach fehlt es für die Annahme einer möglichen unzutreffenden Erinnerung an einer genügenden Tatsachengrundlage (vgl. BGHSt 51, 324, 325 m.w.N.). Allein der Hinweis, es habe sich um eine Zeugin vom Hörensagen gehandelt, macht die Möglichkeit einer falschen Erinnerung an eine von ihr gehörte, zumal durchaus markante Tatschilderung nicht wahrscheinlich.
19
Bei Bewertung der Glaubhaftigkeit von Bekundungen des Angeklagten , zum einen seiner in der Hauptverhandlung behaupteten Version – Angriff von vorn –, zum anderen der nach Angabe der Zeugin ihr gegenüber vom Angeklagten unmittelbar nach der Tat bekundete Tatablauf – Beginn des Angriffs von hinten – wäre bei abweichender Würdigung der Zeugenaussage zu bedenken gewesen, dass Äußerungen eines Täters unmittelbar nach der Tat – zumal wie hier in aufgewühltem Gemütszustand – weniger von Verteidigungsinteressen geprägt gewesen sein mögen und ihnen deshalb eine höhere Wahrscheinlichkeit innewohnt, mit der Wirklichkeit übereinzustimmen , als dies für eine viele Monate später erfolgte Einlassung in der Hauptverhandlung anzunehmen ist (vgl. auch BGH NJW 2003, 2692, 2694). Diesem Ansatz ist das Landgericht selbst gefolgt, soweit es aufgrund von Bekundungen des Angeklagten nach der Tat gegenüber dem Bordpersonal ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte in (Putativ-)Notwehr gehandelt haben könnte.
20
bb) Die Wertung des Landgerichts, der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung geschilderte Tatablauf – Angriff von vorn – sei nicht zu widerlegen, beruht hinsichtlich weiterer Umstände auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
21
Das Landgericht hat bei dem angenommenen offenen Kampf für die Bewertung der Kampfeslage nicht alle festgestellten Umstände in die Betrachtung einbezogen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 18 und 20). Für die der Tatausführung als vorausgegangen angenommene Rangelei und die Fähigkeit des Angeklagten, K. festzuhalten, fehlt eine Betrachtung des Umstandes, dass das Opfer Kampfsportler war und sich naheliegend gegen einen offenen Angriff durch Einsatz von durch Kampftechniken geleiteten Körperkräften hätte verteidigen können. Ferner bleibt unerörtert, in welchem Zusammenhang des Kampfgeschehens der Gehörschutz des Opfers zerstört worden sein konnte.
22
cc) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei durch die Provokation des Opfers zur Tat gedrängt worden, stößt auf Bedenken, weil sie ausschließlich auf der ersichtlich nicht kritisch hinterfragten Einlassung des Angeklagten beruht (vgl. BGHSt 50, 80, 85). Darüber hinaus fußt sie ebenfalls auf einer lückenhaften Würdigung festgestellter Umstände.
23
Das Landgericht ist der in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten gefolgt, die Äußerung des Opfers habe ihn maßlos geärgert und er habe sich tief getroffen gefühlt. Dieser Umstand wäre aus Sicht des Angeklagten naheliegend als genauso wichtig zu bewerten gewesen wie ein vorhergegangener Angriff des Opfers. Der Angeklagte hat ihn indes bei seinen Äußerungen zum Tatgeschehen gegenüber den Besatzungsmitgliedern ausweislich des Urteils genauso wenig erwähnt wie den in der Hauptverhandlung behaupteten Angriff. Das Landgericht hätte deshalb zur Prüfung der Glaubhaftigkeit der Provokation – aus den gleichen zutreffenden Erwägungen, wie es dies bei dem Angriff getan hat – kritisch erwägen müssen, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tatbegehung sich hierüber ebenfalls nicht geäußert hatte. Hinzu tritt, dass – auch wenn sich ein Angriff durch das Opfer und eine Provokation durch dieses nicht zwingend gegenseitig ausschließen müssen – die Grundlagen dieser Verteidigungsvarianten eher selten zusammentreffen werden und wenigstens nach Widerlegung einer Variante die Plausibilität der Einlassung insgesamt zu prüfen gewesen wäre (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 6).
24
dd) Soweit das Landgericht aus vom Angeklagten geschilderten Erwägungen zum Zweck der von ihm gesuchten Aussprache mit K. in der Sache auch eine Plausibilität des vom Angeklagten geschilderten Tatablaufs unmittelbar vor der Provokation angenommen hat, beruht dies ebenfalls auf einer lückenhaften Würdigung festgestellter Umstände.
25
Der Angeklagte will das Gespräch mit K. gesucht haben , damit dieser ihm durch eine spätere Vorsprache beim Kapitän helfen könne. Zu diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten aber der Kündigungsgrund , die Bedrohung K. s, bereits bekannt; er wusste auch, dass A. den Kapitän hierüber nicht informiert hatte. Damit kam für den Angeklagten das Opfer als nächstliegender, wenn nicht einziger Informant der Schiffsleitung in Frage. Die vom Landgericht dem Angeklagten auf die Mitteilung K. s, er habe über den Chefingenieur den Kapitän informiert, zugebilligte überraschende Erkenntnis, K. könne ihm nicht mehr helfen, und das daraus abgeleitete Motiv des Angeklagten , den Maschinenkontrollraum nun wieder zu verlassen, beruhen demnach insoweit auf einer unvollständigen Auswertung der die Kenntnis des Angeklagten begründenden Umstände.
26
ee) Schließlich wäre zu problematisieren gewesen, ob die angenommene Provokation des Angeklagten durch K. nicht auch deshalb eher unwahrscheinlich war, weil K. gewisse Angst vor dem Angeklagten empfand (UA S. 8, 9, 26, 39).
27
5. Die Sache bedarf insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Die für die Annahme des Mordmerkmals Heimtücke maßgeblichen Umstände werden ganz wesentlich von der Art der Tatausführung bestimmt. Deshalb war der Senat genötigt, die Feststellungen insgesamt aufzuheben. Nach den auch hier geltenden Grundsätzen von BGHSt 52, 96 ist die Adhäsionsentscheidung von der Aufhebung auszunehmen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 406a Rdn. 8).
28
6. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
29
Das aufgrund der bisherigen Feststellungen belegte Motiv des Angeklagten , Rache für die als unberechtigt empfundene, von K. durch Information eines Vorgesetzten geförderte Kündigung zu üben, wäre nicht geeignet, das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu begründen. Unter Berücksichtigung der Heimlichkeit der zudem als ungerecht empfundenen Kündigungsvorbereitungen und seiner tief empfundenen Kränkung über das Verhalten der A. entbehrte das Rachemotiv noch nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 147, 149 m.w.N.).
30
Der Versuch einer liquiden psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten sollte bei der Schwere des Tatvorwurfs trotz der vom Schwurgericht benannten Schwierigkeiten in Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung beschritten werden. In jedem Fall sollte das neue Tatgericht seine Sachkunde zumindest durch einen Sachverständigen verbreitern, der die in der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen bewertet.
Basdorf Brause Schaal Dölp König
5 StR 392/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt J.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt D.
alsVertreterdesNebenklägers,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Februar 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , den Nebenkläger A. durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt und zu töten versucht zu haben. Die dagegen gerichtete Revision des Nebenklägers hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Unter Heranziehung des Grundsatzes in dubio pro reo hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Nebenkläger fühlte sich – ob zu Recht konnte nicht geklärt werden – durch Äußerungen der Töchter des Angeklagten beleidigt. Hierüber kam es zu Vorhaltungen des Nebenklägers, die in Beleidigungen und Drohungen gegenüber dem Angeklagten ausarteten.
4
Am 8. Juli 2006 traf der Angeklagte beim Einkauf auf den Nebenkläger. Dieser äußerte sich erneut verleumderisch gegenüber der Ehefrau und den Töchtern des Angeklagten, zog ein Messer mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern und führte gegen den Hals des Angeklagten eine Stichbewegung aus. Der Angeklagte konnte sich aber wegdrehen und seine linke Hand hochreißen. Dabei zog er sich an der linken Handkante eine oberflächliche drei bis vier Zentimeter lange Schnittwunde zu.
5
Der Angeklagte ging nach Hause und wusch die Wunde aus. Er erhielt von seiner Ehefrau den Auftrag, im nahe gelegenen Gemüsegarten Minze zu schneiden. Auf den Weg dorthin traf der Angeklagte erneut auf den Nebenkläger , der ihn mit dem Tode bedrohte. Der Angeklagte forderte den Nebenkläger auf, ihn in Ruhe zu lassen. Er äußerte, er würde die Polizei holen, und wies darauf hin, dass er jetzt auch bewaffnet sei. Der Angeklagte zog ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 cm. Der Nebenkläger kam gleichwohl aggressiv schreiend auf den Angeklagten zu und führte zunehmend gezielte Stichbewegungen in Richtung des jetzt zurückweichenden Angeklagten aus. Dieser versuchte, Stiche des Nebenklägers abzuwehren und traf mit seinem Messer möglicherweise zweimal in den Oberbauch des Nebenklägers. Diese Stiche eröffneten zwar die Bauchhöhle. Der Nebenkläger war hierdurch aber nicht in seiner Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt.
6
Die beiden Männer kreisten – die Messer wie beim Degenkampf führend – um eine Bank. Möglicherweise führte der Angeklagte auch erst jetzt die von seinem Abwehrwillen getragenen Stiche in den Oberbauch des Nebenklägers.
7
Nunmehr griff der Zeuge M. , ein Schulfreund des Sohnes T. des Angeklagten, der Hunde spazieren führte, ein; er zog den Angeklagten an dessen Arm aus dem Zweikampf. Der Nebenkläger setzte dem Angeklagten und M. nach und schrie weiter auf den Angeklagten ein. T. S. eilte aus der Wohnung herbei und schlug dem Nebenkläger mit einem Gürtel zunächst von hinten und danach von vorn gegen dessen Kopf. Der darüber erboste Nebenkläger wandte sich T. zu, der indes flüchtete. Dabei fiel er rücklings auf den Boden. Der Nebenkläger beugte sich über T. , stach mit seinem Messer zweimal auf den jungen Mann ein, der dadurch eine geringfügige Verletzung am Brustkorb und eine blutende Schnittverletzung am linken Oberarm erlitt.
8
Der Angeklagte und M. rannten herbei, um T. zu helfen. „M. und dem Angeklagten gelang es, A. von T. S. wegzudrücken, wobei der Angeklagte A. einen Stich in das Gesäß versetzte, um seinen Sohn vor weiteren Stichen zu schützen.“ Der Nebenkläger, „nunmehr rasend vor Wut, stach erneut mit seinem Messer in Richtung des Angeklagten, der sich durch Stichbewegungen mit seinem eigenen Messer zur Wehr setzte. Hierbei traf er A. ein letztes Mal in die linke Brusthöhle, wodurch der linke Herzbeutel eröffnet, das linke Herzrohr und die Lunge verletzt wurden. Diese lebensbedrohliche Verletzung begann kurz darauf stark, sowohl nach innen als auch nach außen zu bluten“ (UA S. 8). Der Nebenkläger setzte dem Angeklagten weiter nach. Schließlich ließ sich der Verletzte auf dem Rasen nieder, sackte zusammen und verlor das Bewusstsein.
9
2. Das Landgericht hat die vom Angeklagten ausgeführten Messerstiche durchgängig wegen Notwehr, den Messerstich in das Gesäß durch Nothilfe als gerechtfertigt angesehen. Dazu hat das Landgericht ausgeführt (UA S. 32 f.): „Auch unter Berücksichtigung dessen, dass nicht nur I. S. , sondern auch der Zeuge M. T. S. in dieser Situation zu Hilfe eilte, blieb dennoch der Stich auf A. erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB, da der Zeuge M. nicht bewaffnet war und es galt, die unmittelbar bevorstehende Gefahr eines lebensgefährlichen Angriffs auf T. S. wirksam auszuschalten.“
10
3. Diese Wertung beruht auf einer nicht eindeutigen Tatsachengrundlage , weil die dahingehende Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft lückenhaft ist (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 ff. nicht abgedruckt).
11
Die Schwurgerichtskammer betrachtet es auf UA S. 7 als festgestellt, dass es dem Zeugen M. und dem Angeklagten gelungen ist, den Nebenkläger von T. wegzudrücken, wobei der Angeklagte dem Nebenkläger einen Stich ins Gesäß versetzte. Bei dieser Darlegung bleibt offen, ob die Unterbindung eines weiteren Angriffs des Nebenklägers durch den Einsatz bloßer Körperkräfte (Wegdrücken) ermöglicht wurde und inwieweit der Messerstich hierfür – beim gegebenen Einsatz der Körperkräfte von zwei Männern – überhaupt erforderlich gewesen war.
12
Hinzu kommt, dass die getroffene Feststellung mit den dargestellten Beweisgrundlagen nicht in Einklang steht. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Nebenkläger von T. herunter gedrückt hätte und dass er inzwischen wisse, dass hieran M. beteiligt gewesen sei. Ob er ein Messer in der Hand gehabt habe, wisse er nicht mehr. Im Widerspruch hierzu hat der Zeuge M. den Vorgang wie folgt beschrieben (UA S. 20): „I. S. sei ihm nachgekommen und er habe den anderen Mann von T. weggedrückt. Es sei möglich, dass ihm hierbei I. S. geholfen habe.“ Gerade diese Aussage, die eine alleinige Beendigung des Angriffs des Nebenklägers durch den Zeugen nahelegt, hätte näherer Würdigung bedurft, weil das Landgericht – anders als der Einlassung des Angeklagten – den Angaben dieses Zeugen insgesamt ohne Einschränkung Glauben geschenkt hat (UA S. 21).
13
4. Ein anderes Beweisergebnis hinsichtlich der Voraussetzungen der Nothilfe hätte weitgehende Auswirkungen auf die rechtliche Wertung gezeitigt :
14
a) Hätte für den Angeklagten objektiv keine Nothilfelage bestanden, wäre die Rechtfertigung für den Stich ins Gesäß und ferner möglicherweise auch für den nachfolgenden Herzstich – hier unter dem Gesichtspunkt einer Vorsatzprovokation (vgl. BGH StraFo 2006, 79, 80 m.w.N.) – entfallen.
15
b) Bei irriger Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts durch den Angeklagten wäre der Vorsatz wegen eines Irrtums nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB analog entfallen (vgl. BGHSt 45, 378, 384), indes eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung in den Blick zu nehmen gewesen (vgl. BGH aaO). Hinsichtlich des Herzstichs hätte eine Einschränkung eines dem Angeklagten zustehenden Notwehrrechts nach einer Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalles nach den von BGH NStZ 2002, 425, 426 f.; BGH StraFo 2006 aaO S. 81 (jeweils m.w.N.) dargelegten Maßstäben erwogen werden müssen.
16
c) Bei der Annahme einer (objektiven) Nothilfelage für den bloßen Einsatz von Körperkräften hätte der Messereinsatz auch unter den Voraussetzungen des § 33 StGB schuldlos bleiben können (vgl. BGHR StGB § 33 Furcht 4 und 5), was wiederum die Annahme von Notwehr hinsichtlich des Herzstichs grundsätzlich nicht gehindert hätte (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 32 Rdn. 25 m.w.N.).
17
5. Die Sache bedarf demnach insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Für die neu vorzunehmende Beweiswürdigung weist der Senat auf Folgendes hin:
18
In Erfüllung der Aufklärungspflicht wird es – wie von der Revision mit der Aufklärungsrüge in der Sache zutreffend geltend gemacht – naheliegen, sämtliche neutralen Tatzeugen zu hören und deren Bekundungen zu bewerten.
19
Das im Blick auf die Aussage des nicht vorvernommenen Zeugen H. vom Landgericht bisher angenommene Glaubhaftigkeitsdefizit wegen der fehlenden Möglichkeit, eine glaubhaftigkeitssteigernde Konstanz- prüfung vornehmen zu können (vgl. BGHSt 45, 164, 172), erscheint bedenklich , weil das Landgericht bei den übrigen Zeugen eine solche Prüfung nicht erkennbar vorgenommen hat.
20
Die bisherige Annahme des Landgerichts, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Nebenklägers begegne Bedenken, weil er die Anzahl und die Art der Angriffe gegen sich teilweise objektiv nachgewiesenermaßen unrichtig geschildert habe, lässt außer Acht, dass der lange Zeit bewusstlos gewesene schwerstverletzte Nebenkläger auch in seiner Erinnerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein kann.
21
Schließlich werden die einzelnen Tathandlungen aus einer Gesamtschau der hierfür maßgeblichen Beweismittel zu bewerten sein. Die Revision hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass bisher die T. S. zugefügte Armverletzung in der konkreten Tatsituation allein von diesem Zeugen bekundet worden und es nicht in die Betrachtung miteinbezogen worden ist, dass der Tatzeuge M. solches gerade nicht wahrgenommen hat.
22
Die nach dem angefochtenen Urteil plausible tatrichterliche Sichtweise , rechtswidriges massives Provokationsverhalten des Nebenklägers in der Anfangsphase sei maßgebliche Ursache für die Eskalation des Geschehens gewesen, ist für sich noch nicht tragfähig, die Rechtswidrigkeit jeglicher Verletzungshandlungen des Angeklagten auszuschließen.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

5 StR 65/09

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 8. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. April
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt V.
alsVertreterderNebenkläger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2008 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und den Schmerzensgeldanspruch der Eltern des Getöteten, die sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen haben, als dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Nebenkläger erstrebt eine Verurteilung wegen Mordes. Das Rechtsmittel hat – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Der 1975 geborene Angeklagte stammt von den Kiribati-Inseln und übte im Jahr 2007 seinen Beruf als Vollmatrose auf dem unter deutscher Flagge fahrenden Motorschiff „H. I. “ aus.
4
Mit der als Stewardess an Bord beschäftigten A. vereinbarte er entsprechend den Gebräuchen ihrer gemeinsamen Heimat ein formelles Verwandtschaftsverhältnis als seine Schwester. Dies umfasste seine Berechtigung, der Frau Anweisungen zu erteilen und sie zu züchtigen.
5
Der als Auszubildender zum Schiffsmechaniker an Bord beschäftigte Sohn der Nebenkläger K. ging mit A. ein intimes Verhältnis ein. Damit war der Angeklagte einverstanden. Es entwickelte sich sogar eine Freundschaft zwischen dem Angeklagten und K. , der in seiner Freizeit den Kampfsport Taek Wan Do betrieb. Während eines gemeinsamen Landgangs am 2. November 2007 kam es zum Streit zwischen dem Angeklagten und A. , in den sich K. auf Seiten seiner Freundin einmischte. Der Angeklagte untersagte A. den Umgang mit dem K. und lehnte dessen mehrfach geäußerten Wunsch nach einem klärenden Gespräch ab. K. traf sich fortan heimlich mit seiner Freundin, was der Angeklagte vermutete. Er drohte A. unter Vorhalt eines Taschenmessers (des späteren Tatmessers) und sagte ihr, wenn sie so weitermache, würde ihr oder ihrem Freund etwas passieren. Dies verstand die Zeugin als Todesdrohung.
6
b) A. erzählte hiervon ihrem Freund. K. nahm die Drohung ernst und bekam Angst. Er berichtete darüber seinem Vorgesetzten, einem deutschen Chefingenieur, der seinerseits den deutschen Kapitän informierte. Auf dessen Weisung forderte der erste Offizier am 6. November 2007 gegen 10.00 Uhr vom Angeklagten die Herausgabe von dessen Pass. Der Angeklagte befragte mehrere Besatzungsmitglieder, deren Pässe indes nicht herausverlangt worden waren. Hieraus schloss der Angeklagte auf die Absicht des Kapitäns, das Seemannsverhältnis zu kündigen, weil der Angeklagte den K. bedroht hatte.
7
c) Der Angeklagte suchte anschließend nach K. . Er wollte mit ihm reden und erhoffte sich, dass dieser bei dem Kapitän die Dinge aus seiner Sicht richtig stellen würde. Er sah K. im Maschinenkontrollraum. „Er klopfte. K. ging seiner Arbeit nach, las die Instrumente ab und zeichnete Daten auf. Er hatte deshalb einen Kugelschreiber in der Hand. (…) (Der Angeklagte) fragte K. , ob er dem Kapitän Bericht erstattet habe. K. antwortete ihm, es treffe zu; er habe mit dem Chefingenieur gesprochen und dieser mit dem Kapitän. T. war schlagartig klar, dass er keine Chance mehr hatte und es keinen Sinn mehr machte, mit K. über die Kündigung zu reden. Er drehte sich deshalb um, um zu gehen. In diesem Moment hörte er K. kurz lachen und sinngemäß sagen: ‚T. , Du bist fertig, Du bist fertig. Siehst Du T. , von Deutsch zu Deutsch ist alles einfach.’ T. fühlte sich von dieser Äußerung tief getroffen, so dass sich seine unterdrückte Wut schlagartig entlud. Innerhalb kürzester Zeit geschah Folgendes: T. drehte sich um, trat an K. heran und drückte wutentbrannt sein Gesicht an das Gesicht von K. . Er wollte K. als entlarvten Urheber der Kündigung, der ihn dazu noch herabwürdigte , jetzt töten. K. schubste T. von sich weg und rief ,Raus’. Es kam zu einer kurzen Rangelei. (…) Der Angeklagte zog das Taschenmesser (…) und öffnete es per Druckknopf. T. stach sofort mehrfach zu. Dabei hielt er K. fest, der infolge der Stiche zu Boden ging. Insgesamt fügte T. dem Opfer in kürzester Zeit 19 Stiche und Schnittverletzungen zu. Zweimal stach er in den Brustkorb, fünfmal in den linken Arm des Opfers, dreimal in dessen Gesäß und sechsmal in seinen Rücken. Die genaue Reihenfolge der Stiche steht nicht fest, jedoch führte T. die Stiche in Brustkorb und Gesäß unwiderlegt zuerst aus. Bei allen Stichen stand T. vor dem Opfer und hielt es fest. Dabei ist unwiderlegt, dass T. die Stiche in den Rücken des Opfers ebenfalls ausführte, als er vor ihm stand. Die beiden Stiche in den Brustkorb eröffneten die linke Brustkorbhöhle; einer der Stiche verletzte auch den Herzbeutel. (…) Bei den Stichen in den Rücken bewegte er zum Teil mehrfach das Messer in einer Wunde. Drei der Stiche in den Rücken waren oberflächlich, drei Stiche tiefergehend. Einer dieser Stiche war ca. 12 cm tief, eröffnete den Brustkorb, verletzte die Lunge, die Brustschlagader (…) und endete im Brustwirbel. Diese Stichverletzung führte zum Verbluten des Opfers und nach kurzer Zeit zu dessen Tod.“ (UA S. 10 bis 12)
8
2. Das Schwurgericht stützt die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen in allen wesentlichen Punkten auf die als unwiderlegt erachteten Angaben des Angeklagten. Es hat indes das weitergehende Verteidigungsvorbringen des Angeklagten, dass er in stark alkoholisiertem Zustand einen Angriff des K. abgewehrt hätte, als unzutreffend beweiswürdigend widerlegt. Die Bekundungen des Angeklagten, A. habe ihm von der Kündigung und deren Grund berichtet, hat das Landgericht ebenfalls nicht geglaubt. Die Schwurgerichtskammer nimmt an, dass die vom Angeklagten angegebene Reihenfolge der Stiche mit dem Verletzungsbild übereinstimme. Zwar habe der rechtsmedizinische Sachverständige hierzu nichts sagen können; er habe es aber für möglich gehalten, dass die vom Angeklagten geschilderte Version – Einstechen auf das durch Umklammern fixierte Opfer im Stehen von vorne – möglich sei.
9
Soweit der Angeklagte unmittelbar nach der Tat der Zeugin Ke. einen anderen Tatablauf – drei bis vier Stiche in den Rücken, Drehen des Opfers und Stiche in den Bauch und das Bein – geschildert hatte, könne auf die insoweit verlesene richterliche Aussage dieser Zeugin nichts gestützt werden. Es handele sich um eine Zeugin vom Hörensagen. Die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung angegebene Version stimme mit dem Verletzungsbild überein. Daher hat es das Landgericht für möglich gehalten, dass die Zeugin eine falsche Erinnerung gehabt haben könnte.
10
Das Landgericht hat es als naheliegend bewertet, dass der neben dem von K. normalerweise benutzten Stuhl des Maschinenkontrollraums aufgefundene „kaputte Gehörschutz“ (UA S. 26) derjenige des Getöteten gewesen war. Davon, dass K. diesen Gehörschutz auch getragen hatte und deshalb nicht bemerkt haben könnte, wie sich der Angeklagte ihm genähert hatte, hat sich das Landgericht beweiswürdigend nicht überzeugt.
11
3. Auf der Grundlage der auf diese Weise getroffenen Feststellungen hat das Landgericht eine heimtückische Tötung verneint. Der Angeklagte habe nach einem Streitgespräch und nach einem kurzen Gerangel auf das um die zuvor erfolgte Drohung wissende, ängstliche Opfer von vorne eingestochen. Das Landgericht hat unter Anwendung des Zweifelssatzes ohne Anhörung eines Sachverständigen eine affektbedingte tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Umfang des § 21 StGB nicht ausgeschlossen.
12
4. Die mit der Sachrüge geführte Revision der Nebenkläger dringt durch. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts zum Tatablauf, der ganz wesentlich für die Beurteilung der Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke ist, hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
13
a) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht oder – wie hier – sich beweiswürdigend nicht vom Vorliegen eines Mordmerkmals zu überzeugen vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Fehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
14
Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass der Tatrichter einer Einlassung kritiklos gefolgt ist (vgl. BGHSt 50, 80, 85) oder dass entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, mit anderen Beweismitteln in Bezug gesetzt worden sind, deren Beweiswert indes nach unzutreffenden Maßstäben (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492) oder lückenhafter oder wer- tungsfehlerhafter Würdigung bestimmt worden ist (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08 Rdn. 12 ff., teilweise abgedruckt in BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 20). So liegt es hier.
15
b) Die Würdigung der Einlassung des Angeklagten durch das Landgericht lässt nicht erkennen, dass sich das Schwurgericht in jeder Beziehung des schuldmindernden Charakters der Angaben des Angeklagten bewusst war. Das Landgericht hat wesentliche Angaben des Angeklagten zutreffend als widerlegt angesehen, nämlich dass er erheblich alkoholisiert gewesen sei und sich nur verteidigt habe. Die so vollzogene Bewertung zentralen Verteidigungsvorbringens als Schutzbehauptung hätte es indes erfordert, auch bei der Würdigung weiterer vom Angeklagten vorgetragener Umstände deren Charakter als kritisch zu betrachtendes Verteidigungsvorbringen zu beachten. Erst danach hätte von dessen partieller Glaubhaftigkeit – wie es das Landgericht indes durchgehend wie selbstverständlich getan hat – ausgegangen werden dürfen (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492).
16
c) Dabei offenbaren Beweiserwägungen des Landgerichts, mit denen es Angaben des Angeklagten als mit fehlerfrei festgestellten Umständen in Einklang stehend angesehen hat, Lücken und Wertungsfehler.
17
aa) Das Landgericht hat aus der vom rechtsmedizinischen Sachverständigen übernommenen Wertung, die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung geschilderte Tatversion – ein Angriff von vorn – sei möglich, eine Wahrscheinlichkeit eines solchen Tatablaufs entnommen und diese Version seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Diese Würdigung wäre indes nur fehlerfrei, wenn die gegenteilige Tatversion – Angriff von hinten – auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts als nicht genauso wahrscheinlich zu erachten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08 Rdn. 13 m.w.N.). Letzteres ist indes vorliegend der Fall. Dass ein Beginn des Angriffs von hinten medizinisch nicht weniger plau- sibel erscheint als ein solcher von vorn, versteht sich angesichts des festgestellten Verletzungsbildes von selbst.
18
Die Vereinbarkeit der jetzigen Tatversion des Angeklagten mit dem Verletzungsbild konnte daher die von der Zeugin Ke. wiedergegebene Bekundung des Angeklagten nach der Tat, er habe K. drei- oder viermal in den Rücken gestochen, dann gedreht und noch oft in den Bauch sowie ins Bein gestochen, nicht in Zweifel ziehen. Soweit das Landgericht der Zeugin, deren richterliche Vernehmung insofern verlesen worden ist, wegen möglicher falscher Erinnerung nicht gefolgt ist, offenbart auch dies durchgreifende Wertungsfehler. Das Landgericht hat die verlesene Aussage der Zeugin Ke. in anderen Zusammenhängen als uneingeschränkt glaubhaft angesehen. Danach fehlt es für die Annahme einer möglichen unzutreffenden Erinnerung an einer genügenden Tatsachengrundlage (vgl. BGHSt 51, 324, 325 m.w.N.). Allein der Hinweis, es habe sich um eine Zeugin vom Hörensagen gehandelt, macht die Möglichkeit einer falschen Erinnerung an eine von ihr gehörte, zumal durchaus markante Tatschilderung nicht wahrscheinlich.
19
Bei Bewertung der Glaubhaftigkeit von Bekundungen des Angeklagten , zum einen seiner in der Hauptverhandlung behaupteten Version – Angriff von vorn –, zum anderen der nach Angabe der Zeugin ihr gegenüber vom Angeklagten unmittelbar nach der Tat bekundete Tatablauf – Beginn des Angriffs von hinten – wäre bei abweichender Würdigung der Zeugenaussage zu bedenken gewesen, dass Äußerungen eines Täters unmittelbar nach der Tat – zumal wie hier in aufgewühltem Gemütszustand – weniger von Verteidigungsinteressen geprägt gewesen sein mögen und ihnen deshalb eine höhere Wahrscheinlichkeit innewohnt, mit der Wirklichkeit übereinzustimmen , als dies für eine viele Monate später erfolgte Einlassung in der Hauptverhandlung anzunehmen ist (vgl. auch BGH NJW 2003, 2692, 2694). Diesem Ansatz ist das Landgericht selbst gefolgt, soweit es aufgrund von Bekundungen des Angeklagten nach der Tat gegenüber dem Bordpersonal ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte in (Putativ-)Notwehr gehandelt haben könnte.
20
bb) Die Wertung des Landgerichts, der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung geschilderte Tatablauf – Angriff von vorn – sei nicht zu widerlegen, beruht hinsichtlich weiterer Umstände auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
21
Das Landgericht hat bei dem angenommenen offenen Kampf für die Bewertung der Kampfeslage nicht alle festgestellten Umstände in die Betrachtung einbezogen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 18 und 20). Für die der Tatausführung als vorausgegangen angenommene Rangelei und die Fähigkeit des Angeklagten, K. festzuhalten, fehlt eine Betrachtung des Umstandes, dass das Opfer Kampfsportler war und sich naheliegend gegen einen offenen Angriff durch Einsatz von durch Kampftechniken geleiteten Körperkräften hätte verteidigen können. Ferner bleibt unerörtert, in welchem Zusammenhang des Kampfgeschehens der Gehörschutz des Opfers zerstört worden sein konnte.
22
cc) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei durch die Provokation des Opfers zur Tat gedrängt worden, stößt auf Bedenken, weil sie ausschließlich auf der ersichtlich nicht kritisch hinterfragten Einlassung des Angeklagten beruht (vgl. BGHSt 50, 80, 85). Darüber hinaus fußt sie ebenfalls auf einer lückenhaften Würdigung festgestellter Umstände.
23
Das Landgericht ist der in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten gefolgt, die Äußerung des Opfers habe ihn maßlos geärgert und er habe sich tief getroffen gefühlt. Dieser Umstand wäre aus Sicht des Angeklagten naheliegend als genauso wichtig zu bewerten gewesen wie ein vorhergegangener Angriff des Opfers. Der Angeklagte hat ihn indes bei seinen Äußerungen zum Tatgeschehen gegenüber den Besatzungsmitgliedern ausweislich des Urteils genauso wenig erwähnt wie den in der Hauptverhandlung behaupteten Angriff. Das Landgericht hätte deshalb zur Prüfung der Glaubhaftigkeit der Provokation – aus den gleichen zutreffenden Erwägungen, wie es dies bei dem Angriff getan hat – kritisch erwägen müssen, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tatbegehung sich hierüber ebenfalls nicht geäußert hatte. Hinzu tritt, dass – auch wenn sich ein Angriff durch das Opfer und eine Provokation durch dieses nicht zwingend gegenseitig ausschließen müssen – die Grundlagen dieser Verteidigungsvarianten eher selten zusammentreffen werden und wenigstens nach Widerlegung einer Variante die Plausibilität der Einlassung insgesamt zu prüfen gewesen wäre (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 6).
24
dd) Soweit das Landgericht aus vom Angeklagten geschilderten Erwägungen zum Zweck der von ihm gesuchten Aussprache mit K. in der Sache auch eine Plausibilität des vom Angeklagten geschilderten Tatablaufs unmittelbar vor der Provokation angenommen hat, beruht dies ebenfalls auf einer lückenhaften Würdigung festgestellter Umstände.
25
Der Angeklagte will das Gespräch mit K. gesucht haben , damit dieser ihm durch eine spätere Vorsprache beim Kapitän helfen könne. Zu diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten aber der Kündigungsgrund , die Bedrohung K. s, bereits bekannt; er wusste auch, dass A. den Kapitän hierüber nicht informiert hatte. Damit kam für den Angeklagten das Opfer als nächstliegender, wenn nicht einziger Informant der Schiffsleitung in Frage. Die vom Landgericht dem Angeklagten auf die Mitteilung K. s, er habe über den Chefingenieur den Kapitän informiert, zugebilligte überraschende Erkenntnis, K. könne ihm nicht mehr helfen, und das daraus abgeleitete Motiv des Angeklagten , den Maschinenkontrollraum nun wieder zu verlassen, beruhen demnach insoweit auf einer unvollständigen Auswertung der die Kenntnis des Angeklagten begründenden Umstände.
26
ee) Schließlich wäre zu problematisieren gewesen, ob die angenommene Provokation des Angeklagten durch K. nicht auch deshalb eher unwahrscheinlich war, weil K. gewisse Angst vor dem Angeklagten empfand (UA S. 8, 9, 26, 39).
27
5. Die Sache bedarf insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Die für die Annahme des Mordmerkmals Heimtücke maßgeblichen Umstände werden ganz wesentlich von der Art der Tatausführung bestimmt. Deshalb war der Senat genötigt, die Feststellungen insgesamt aufzuheben. Nach den auch hier geltenden Grundsätzen von BGHSt 52, 96 ist die Adhäsionsentscheidung von der Aufhebung auszunehmen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 406a Rdn. 8).
28
6. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
29
Das aufgrund der bisherigen Feststellungen belegte Motiv des Angeklagten , Rache für die als unberechtigt empfundene, von K. durch Information eines Vorgesetzten geförderte Kündigung zu üben, wäre nicht geeignet, das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu begründen. Unter Berücksichtigung der Heimlichkeit der zudem als ungerecht empfundenen Kündigungsvorbereitungen und seiner tief empfundenen Kränkung über das Verhalten der A. entbehrte das Rachemotiv noch nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 147, 149 m.w.N.).
30
Der Versuch einer liquiden psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten sollte bei der Schwere des Tatvorwurfs trotz der vom Schwurgericht benannten Schwierigkeiten in Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung beschritten werden. In jedem Fall sollte das neue Tatgericht seine Sachkunde zumindest durch einen Sachverständigen verbreitern, der die in der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen bewertet.
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