Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Aug. 2019 - 5 StR 228/19

bei uns veröffentlicht am14.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 228/19
vom
14. August 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Schleusung mit Todesfolge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:140819B5STR228.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 20. Dezember 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er bezüglich der Einziehungsentscheidung als Gesamtschuldner haftet.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Schleusung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter banden- und gewerbsmäßiger Schleusung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der seit Ende 2015 in Deutschland lebende Angeklagte, ein irakischer Staatsbürger, seit August 2015 in der Türkei auf. Dort schloss er sich einer Gruppierung an, die mit der Schleusung von Staatsangehörigen aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten) von der Türkei nach Griechenland Geld verdiente. Diese Gruppe bestand aus O. A. und G. als „Akquisiteuren“ und den bis zur eigentlichen Schleusung zur Verfügung stehenden Ansprechpartnern der Schleusungswilli- gen, dem vornehmlich im Hintergrund agierenden „Chef“ F. , dem vorrangig in der Türkei als Wohnungsvermittler und Zahlstellenverwalter tätigen Ange- klagten sowie „M. dem Syrer“ als Zubringer und Verbindungsmann zu den am Strand die eigentlichen Seeschleusungen organisierenden Gruppierungen und weiteren, unbekannt gebliebenen Personen. Alle arbeiteten arbeitsteilig daran mit, gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge (ca. 10.000 Euro pro Familie ) vornehmlich irakische Staatsangehörige nach Griechenland zu schleusen. Verfahrensgegenständlich sind Taten zum Nachteil der irakischen Familien Y. , T. , J. , A. , Me. /Al. und As. .
3
Den Geschleusten wurde dabei wahrheitswidrig vorgespiegelt, die Überfahrt nach Griechenland werde mit komfortablen und sicheren Jachten durchgeführt. Tatsächlich wurden sie am 28. Oktober 2015 an den Strand gefahren, wo sie auf andere Schleusungswillige und bewaffnete Schleuser trafen und auf ein völlig überfülltes Holzschiff getrieben wurden. Schwimmwesten konnten am Strand für 50 Euro erworben werden, den Kindern waren sie allerdings zu groß. Mit mindestens 256 Passagieren war das kleine Holzschiff völlig überladen. Bei noch schönem Wetter stach das Schiff in Richtung der sichtbaren griechischen Küste in See. Der mit einer Schusswaffe bewaffnete Kapitän verließ nach einigen Minuten das Schiff und setzte sich in ein Beiboot ab. Er übergab das Ruder einem mit der Führung eines solchen Schiffes völlig unerfahrenen Geschleusten , der dadurch seinen Schleuserlohn sparte. Deshalb aufkommender Unruhe unter den Passagieren begegnete der Kapitän mit mehreren Schüssen in die Luft.

4
Fünfzehn bis fünfundzwanzig Minuten später kam es bei zunehmendem Wind und Seegang zur Havarie des Schiffes, das schließlich in mehrere Teile zerbrach und an einer nicht genau feststellbaren Position zwischen der türkischen Küste und der Insel Lesbos sank. Die Schiffbrüchigen trieben daraufhin zwischen zwei und fünf Stunden im Wasser. Zahlreiche von ihnen, insbesondere Kinder, kamen zu Tode, darunter eine Tochter des Zeugen T. , eine Tochter des Zeugen J. , Mann und Sohn der Zeugin Me. . Zwei weitere Kinder der Familien As. und Me. werden seitdem vermisst. Ein Großteil der Überlebenden , auch aus den geschleusten Familien, wurde von der griechischen Küstenwache geborgen und nach Griechenland gebracht.

II.


5
Die Revision ist unbegründet. Über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift hinaus bedarf Folgendes der Erörterung:
6
1. Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Der Angeklagte hat zwar als Ausländer im Ausland gehandelt, wobei auch die Voraussetzungen der §§ 5 bis 7 StGB nicht vorliegen. Die Strafbarkeit nach deutschem Recht bestimmt aber § 96 Abs. 4 AufenthG.
7
a) Danach sind die Schleuserstraftatbestände in § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 und Abs. 3 AufenthG auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 AufenthG bezeichneten Handlungen entsprechen und der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
8
Mit dieser Regelung ist der deutsche Gesetzgeber seiner früher in Art. 27 SDÜ geregelten Verpflichtung aus der Richtlinie 2002/90/EG (in Verbindung mit dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI vom 28. November 2002) nachgekommen, wonach die Mitgliedstaaten der EU gehalten sind, nicht nur die unerlaubte Einbzw. Durchreise sowie den unerlaubten Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet, sondern auch betreffend das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten zu sanktionieren (BT-Drucks. 16/5065, S. 200). Durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts - und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970) wurde deshalb § 96 Abs. 4 AufenthG entsprechend angepasst, der bis dahin in Umsetzung von Art. 27 SDÜ bereits die Einbeziehung von Auslandstaten im europäischen Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten des SDÜ anordnete. Der Gesetzgeber wollte damit – wie bei der Umsetzung des früheren Art. 27 SDÜ – die genannten Auslandstaten insgesamt der Strafbarkeit nach deutschem Recht unterstellen. Denn er hat § 96 Abs. 4 AufenthG gerade die Funktion zugewiesen, bestimmte für inländische Taten geltende Re- gelungen „auch auf Auslandstaten zu beziehen“ (vgl. BT-Drucks. 16/5065, S. 200). Mit der Gesetzesformulierung hat er deutlich gemacht, dass die Anwendung deutschen Strafrechts auf derartige Auslandstaten nicht von den Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB, sondern nur von denjenigen in § 96 Abs. 4 AufenthG abhängen soll. Mit Wirkung zum 26. November 2011 wurde die Versuchsstrafbarkeit nach § 96 Abs. 3 AufenthG in § 96 Abs. 4 AufenthG einbezogen (Gesetz vom 22. November 2011, BGBl. I S. 2258); § 96 Abs. 4 AufenthG wird auch in § 97 Abs. 1 und 2 AufenthG (Einschleusen mit Todesfolge, gewerbs - und bandenmäßiges Einschleusen) in Bezug genommen.
9
b) Der Bundesgerichtshof hat bereits in einem Fall wie dem vorliegenden (Schleusung von Drittstaatsangehörigen per Boot von der Türkei nach Griechenland durch einen syrischen Staatsangehörigen) bei einer Auslandstat durch einen Ausländer aufgrund § 96 Abs. 4 AufenthG eine Strafbarkeit nach deutschem Recht angenommen, ohne die §§ 3 ff. StGB heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2018 – 1 StR 255/18, NStZ 2019, 287 = JR 2019, 252 m. Anm. Kretschmer). Auch in der Literatur ist anerkannt, dass sich die Anwendung deutschen Strafrechts auf Auslandstaten wie die vorliegende aus § 96 Abs. 4 AufenthG unmittelbar ergibt (vgl. BeckOK-AuslR/Hohoff, Stand 1. Mai 2019, § 96 Rn. 23 f.; Erbs/Kohlhaas/Senge, Stand Juli 2014, § 96 Rn. 31; Kretschmer , JR 2019, 254, 255; Bergmann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl., § 96 Rn. 69; Mosbacher in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 21; noch auf Art. 27 SDÜ i.V.m. § 6 Nr. 9 StGB abstellend : MüKo-StGB/Gericke, 3. Aufl., § 96 Rn. 40 f.; BayObLGSt 1999, 113; Winkelmann in Bergman/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 96 Rn. 19 ff.; abweichend auch Fahlbusch in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., § 96 Rn. 82: Art. 1 RL 2002/90/EG i.V.m. § 6 Nr. 9 StGB).
10
Soweit für die Anwendung deutscher Strafgewalt zusätzlich ein legitimierender inländischer Anknüpfungspunkt gefordert wird, der sich daraus ergeben könne, dass der Angeklagte seinen Wohnsitz im Inland habe, hier festgenommen werde oder die Gefahr bestehe, dass die Geschleusten illegal nach Deutschland einreisten (vgl. Hohoff aaO Rn. 24; Gericke aaO Rn. 41; Senge aaO Rn. 31; Fahlbusch aaO Rn. 82; aA Winkelmann aaO Rn. 21), wäre all dies vorliegend gegeben.
11
c) Die Voraussetzungen der Anwendung deutschen Strafrechts nach § 96 Abs. 4 AufenthG liegen vor. Der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts gegen Entgelt und gewerbsmäßig handelnd als Bandenmitglied die nach griechischem Recht unerlaubte Einreise von irakischen Staatsangehörigen (Drittstaatsangehörigen) in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Griechenland) unterstützt. Dass diese Einreise ohne hierzu berechtigenden Aufenthaltstitel im Tatzeitpunkt nach Maßgabe der griechischen Rechtsvorschriften unerlaubt war, was für die Anwendung von § 96 Abs. 4 AufenthG ausreicht, ergibt sich aus den vom Landgericht zutreffend genannten griechischen Regelungen (Art. 3 bis 5 Gesetz Nr. 4251), zudem aus der damals geltenden Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rats vom 15. März 2001 (ABl. L 81, S. 1; vgl. zur unerlaubten Schleusung von der Türkei nach Griechenland im gleichen Tatzeitraum ebenso BGH, Urteil vom 4. Dezember 2018 – 1 StR 255/18 Rn. 28 mwN). Die Zuwiderhandlungen entsprechen den in § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG genannten Handlungen.
12
2. Soweit der Angeklagte die Unverwertbarkeit seiner Angaben in einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung mangels Mitwirkung eines Verteidigers rügt, ist die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet.
13
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt der Rüge zugrunde:
14
Gegen den Angeklagten wurde wegen des verfahrensgegenständlichen Vorwurfs am 23. Oktober 2017 Haftbefehl erlassen. Auf Grund dessen wurde er am 25. Oktober 2017 ergriffen und der Ermittlungsrichterin vorgeführt. Schon gegenüber der Polizei hatte er nachhaltig und vehement abgelehnt, sich von einem Rechtsanwalt begleiten zu lassen. Die Ermittlungsrichterin versuchte vor der Vorführung mehrfach vergeblich telefonisch, einen Verteidiger für den Angeklagten zu finden. Teils waren die angerufenen Rechtsanwälte nicht erreich- bar, teils lehnten sie eine Übernahme des Mandats ab. Nach Verkündung des Haftbefehls wurde der Angeklagte nach § 136 Abs. 1 StPO belehrt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich der Unterstützung eines Verteidigers bedienen könne. Der Angeklagte erklärte daraufhin, er werde einen Anwalt kontaktieren , wenn er das für nötig befinde. Dann machte er ganz überwiegend bestreitende Angaben zur Sache. Am Ende des Termins wurde die Aufrechterhaltung des Haftbefehls beschlossen. Anschließend erklärte der Angeklagte, das Gericht möge ihm einen Anwalt aussuchen. Im Anschluss daran wurde der Angeklagte von der Bundespolizei erneut über seine Rechte, insbesondere das Recht auf Zuziehung und Befragung eines Verteidigers belehrt, und weiter vernommen , ebenso am nächsten Tag. Am 26. Oktober 2017 erreichte die Ermittlungsrichterin einen zur Übernahme des Mandats bereiten Rechtsanwalt und ordnete diesen dem Angeklagten als Pflichtverteidiger bei. Der Verteidiger hat der Verwertung der Angaben aus den Vernehmungen in der Hauptverhandlung widersprochen. Das Landgericht hat diese Angaben im Rahmen seiner Beweiswürdigung jedenfalls teilweise zu Lasten des Angeklagten verwertet.
15
b) Es ist bereits fraglich, ob die Neuregelung des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO gebietet, vor jeder richterlichen Vernehmung eines aufgrund Haftbefehls Ergriffenen nach § 115 Abs. 2 StPO (bzw. § 115a Abs. 2 und in Fällen des § 128 Abs. 1 Satz 2 StPO) die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorzunehmen (so LG Halle, StraFo 2018, 351; LG Magdeburg, StraFo 2018, 314; AG Stuttgart , StraFo 2018, 114; Schlothauer, StV 2017, 557; Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Aufl., § 141 Rn. 5a; SSW-StPO/Beulke, 3. Aufl., § 141 Rn. 19; BeckOKStPO /Krawczyk, 31. Edition, § 141 Rn. 8; Burhoff, StraFo 2018, 405; ders. ZAP 2017, 1079, 1086; Schiemann, KriPoZ 2017, 338, 344; vgl. auch die bis 5. Mai 2019 in nationales Recht umzusetzende Richtlinie [EU] 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskosten- hilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls , ABl. L 297 vom 4. November 2016, S. 1 und L 91 vom 5. April 2017, S. 40, sogenannte PKH-Richtlinie, dazu den Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, BRDrucks. 364/19).
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Denn einer solchen Auslegung stehen gewichtige historische und systematische Argumente entgegen (zutreffend Tully/Wenske, NStZ 2019, 183 mwN). Hätte der Gesetzgeber den bisherigen Rechtszustand (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38) derart grundlegend dahingehend ändern wollen, dass vor jeder richterlichen Beschuldigtenvernehmung in Zusammenhang mit der Haftfrage nach § 115 Abs. 2, § 115a Abs. 2 oder § 128 Abs. 1 Satz 2 StPO in den dort regelmäßig vorliegenden Fällen notwendiger Verteidigung gemäß § 140 StPO zwingend ein Pflichtverteidiger nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO bestellt werden soll, wären zum einen Ausführungen zu einem solchen Systemwechsel in den Gesetzesmaterialen zu erwarten gewesen (vgl. demgegenüber BT-Drucks. 18/11277, S. 28 f.). Zum anderen wäre das Beibehalten der Regelung in § 141 Abs. 3 Satz 5 StPO unverständlich , wonach im Fall des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO (Untersuchungshaft, einstweilige Unterbringung) der Verteidiger erst unverzüglich nach der Vollstreckung bestellt werden soll. Demgemäß ist in den Gesetzesmaterialien als wesentlicher Grund für die Neuregelung der Fall angeführt, dass der Beschuldigte von einer wichtigen richterlichen Zeugenvernehmung nach § 168c Abs. 3 StPO ausgeschlossen wird (BT-Drucks. 18/11277, S. 28) und in dieser Situation – anders als bei seiner Vernehmung, bei der er auch schweigen kann – zur Wahrung seiner Rechte die Zuziehung eines Verteidigers geboten ist.
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Jedenfalls würde aus einer Verletzung von § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht ohne Weiteres ein Beweisverwertungsverbot folgen. Ein solches liegt gerade dann fern, wenn sich die Ermittlungsrichterin – wie hier – erfolglos um das Erreichen eines zur Mandatsübernahme bereiten Verteidigers bemüht und der Beschuldigte nach Belehrung ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Verteidigers verzichtet hat. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des aufgrund Haftbefehls festgenommenen Beschuldigten auf unverzügliche Vorführung und Vernehmung zwecks Prüfung der Haftfrage (vgl. BGH aaO) und dem Gebot, ihm gegebenenfalls zuvor noch einen Verteidiger zu bestellen, kam der Ermittlungsrichterin ein nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungsspielraum zu, welcher Rechtsposition sie im hier vorliegenden Konfliktfall den Vorrang gibt. Dass sie davon in unvertretbarer Weise Gebrauch gemacht haben könnte, liegt fern. Weil seine Angaben aus der ermittlungsrichterlichen Vernehmung verwertbar waren, bedurfte es bei den nachfolgenden Vernehmungen auch keiner qualifizierten Belehrung des Angeklagten.
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3. Unbegründet ist die Rüge, die Strafkammer habe zu Unrecht die Angaben des Beschuldigten gegenüber einer Vertrauensperson zu seinem Nachteil verwertet. Zu Recht hat das Landgericht insoweit kein Beweisverwertungsverbot angenommen.
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Dem liegt zugrunde, dass die Bundespolizei im August 2017 eine Vertrauensperson (VP) zur Aufklärung des Tatgeschehens im Oktober 2015 und zur Identifizierung der daran Beteiligten eingesetzt hatte. Die VP trat im September 2017 mit dem bis dahin nicht beschuldigten Angeklagten in Kontakt und gab sich als „Handy-Händler“ aus, der ein Geschäft eröffnen wolle und dafür Mitarbeiter suche. Der Angeklagte erzählte ihr darauf, er habe sieben Jahre in der Türkei gearbeitet und Menschen nach Griechenland geschleust. Die VP täuschte vor, sie benötige Hilfe dabei, ihre Schwester nach Deutschland zu schleusen. Bei einem weiteren Treffen im September 2017 berichtete der Angeklagte weiter von seiner Einbindung in Schleusungstaten. Etwa einen Monat später erläuterte der Angeklagte der VP in Zusammenhang mit deren Frage nach einer Schleusung ihrer Schwester, dass er im September 2017 in ein Bootsunglück mit Flüchtlingen involviert gewesen sei. Später machte er noch weitere Angaben und bot seine Mitwirkung bei der Schleusung der Schwester der VP an.
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Ein Verwertungsverbot folgt aus diesem Vorgehen nicht. Weder wurde damit eine zuvor erklärte Berufung auf das Schweigerecht missachtet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 296/08, NStZ 2009, 343; Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07, BGHSt 52, 11), noch wurde der Angeklagte von der Vertrauensperson unzulässig unter Druck gesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 5 StR 51/10, BGHSt 55, 138). Ein Verstoß gegen § 136a Abs. 1, § 136 Abs. 1 i.V.m. § 163a Abs. 4 StPO ist mit solchen Befragungen durch Informanten der Polizei regelmäßig nicht verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2011 – 3 StR 400/10, NStZ 2011, 596). Schutz vor Irrtum gewährt der nemo-tenetur-Grundsatz nicht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 104/07, aaO, S. 15).
21
4. Keinen Erfolg hat auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 247a Abs. 1 StPO. Zwar hat die Strafkammer den entsprechenden Beschluss erst nach der Vernehmung verkündet. Hierdurch wurde aber der zunächst begangene Rechtsfehler geheilt. Mit diesem nachträglichen Beschluss hat der gesamte Spruchkörper die Verantwortung für diese besondere Form der Beweiserhebung übernommen. Zugleich wurde jedenfalls kurz der Grund für die Videovernehmung der beiden Zeugen genannt, die nicht nach Deutschland einreisen konnten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 3 StR 388/17, NStZ-RR 2018, 118). Rechtliches Gehör wurde dem Angeklagten dadurch ausreichend gewährt, dass die Frage der Videovernehmung in der Hauptverhandlung schon längere Zeit diskutiert worden war.
22
5. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei; die Feststellungen tragen den Schuldspruch (vgl. zur versuchten Schleusung mit Todesfolge auch GK-AufenthG/Mosbacher, Stand Juli 2008, § 97 Rn. 5). Es beschwert den Angeklagten nicht, dass er nicht wegen vollendeter banden- und gewerbsmäßiger Schleusung in Tateinheit mit versuchter Schleusung mit Todesfolge verurteilt wurde. Dies hätte sich aufgedrängt, da einige der mit seiner Hilfe geschleusten Personen Griechenland erreicht haben und ihre – vom Angeklagten naheliegend billigend in Kauf genommene – Rettung durch griechische Schiffe nur darauf beruhte, dass sie zuvor auf einem überfüllten Schiff ohne erfahrenen Schiffsführer die Hoheitsgewässer Griechenlands ansteuerten und dabei Schiffbruch erlitten.
23
6. Lediglich die Einziehungsentscheidung bedarf der Ergänzung dahingehend , dass der Angeklagte dafür als Gesamtschuldner haftet (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 – 5 StR 545/18). Der geringfügige Teilerfolg lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sander Schneider König
Berger Mosbacher

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bei uns veröffentlicht am 12.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 388/17 vom 12. Dezember 2017 in der Strafsache gegen 1. alias: 2. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:121217B3STR388.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2014 - 5 StR 176/14

bei uns veröffentlicht am 20.10.2014

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StPO § 115, § 140 Abs. 1 Nr. 4, § 141 Abs. 3 Satz 2 Regelmäßig keine notwendige Verteidigung im Ermittlungsverfahren schon vor einer verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten nach dessen Erg

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

28
V. Im Übrigen ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet. Zudem liegen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten J. , die gemäß § 301 StPO eine Urteilsaufhebung auch zugunsten des Angeklagten J. nach sich ziehen würden, nicht vor. Insbesondere erfolgte die Einreise der Geschleusten unter Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften Griechenlands über die Einreise und den Aufenthalt im Sinne von § 96 Abs. 4 AufenthG. Hierfür reicht – entsprechend dem Gesetzeswortlaut – aus, dass die Einreise nach Maßgabe der griechischen Rechtsordnung unerlaubt war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2000 – 1 StR 447/00, NStZ 2001, 157, 158 und vom 13. Januar 2015 – 4 StR 378/14, NStZ 2015, 399, 401; enger Gericke in Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl., AufenthG, § 96 Rn. 41 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 3 StR 174/01, NStZ 2002, 33, 34). Dies war hier der Fall, da die von dem Angeklagten J. an die Schleuserorgansiation des E. vermittelten Personen kein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl. L 81 vom 21. März 2001, S. 1) für die Einreise nach Griechenland erforderliches Visum besaßen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

Das deutsche Strafrecht gilt weiter, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden:

1.
(weggefallen)
2.
Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den Fällen der §§ 307 und 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 2 und des § 310;
3.
Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c);
4.
Menschenhandel (§ 232);
5.
unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln;
6.
Verbreitung pornographischer Inhalte in den Fällen der §§ 184a, 184b Absatz 1 und 2 und § 184c Absatz 1 und 2;
7.
Geld- und Wertpapierfälschung (§§ 146, 151 und 152), Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion (§ 152b Abs. 1 bis 4) sowie deren Vorbereitung (§§ 149, 151, 152 und 152b Abs. 5);
8.
Subventionsbetrug (§ 264);
9.
Taten, die auf Grund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

28
V. Im Übrigen ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet. Zudem liegen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten J. , die gemäß § 301 StPO eine Urteilsaufhebung auch zugunsten des Angeklagten J. nach sich ziehen würden, nicht vor. Insbesondere erfolgte die Einreise der Geschleusten unter Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften Griechenlands über die Einreise und den Aufenthalt im Sinne von § 96 Abs. 4 AufenthG. Hierfür reicht – entsprechend dem Gesetzeswortlaut – aus, dass die Einreise nach Maßgabe der griechischen Rechtsordnung unerlaubt war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2000 – 1 StR 447/00, NStZ 2001, 157, 158 und vom 13. Januar 2015 – 4 StR 378/14, NStZ 2015, 399, 401; enger Gericke in Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl., AufenthG, § 96 Rn. 41 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 3 StR 174/01, NStZ 2002, 33, 34). Dies war hier der Fall, da die von dem Angeklagten J. an die Schleuserorgansiation des E. vermittelten Personen kein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl. L 81 vom 21. März 2001, S. 1) für die Einreise nach Griechenland erforderliches Visum besaßen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.

(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.

(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, § 118 Abs. 1, 2, § 119 Abs. 5, § 119a Abs. 1) zu belehren. § 304 Abs. 4 und 5 bleibt unberührt.

(1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3.

(2) Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist, von Amts wegen einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl. § 115 Abs. 4 gilt entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Regelmäßig keine notwendige Verteidigung im Ermittlungsverfahren
schon vor einer verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten
nach dessen Ergreifung aufgrund eines Haftbefehls
wegen Mordverdachts.
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14
LG Berlin –
BESCHLUSS
5 StR 176/14
vom
20. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2014 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 25. Oktober 2013 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger durch ihre Revision entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel vermag aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen nicht durchzudringen. Der ergänzenden Erörterung bedarf Folgendes:
2
1. Die Revision beanstandet, dass die Angeklagte unter „Verletzung der § 163a Abs. 3 Satz 2, § 136 Abs. 2, § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO, Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK“ ohne Beiordnung eines Verteidigers zweimal polizeilich und einmal durch den Haftrichter vernommen worden sei. Trotz eines daraus resultierenden Beweisverwertungsverbots seien die Vernehmungsbeamten und der Ermittlungsrichter gegen den Widerspruch der Verteidigung in der Hauptverhandlung über den Inhalt der Vernehmungen vernommen und ein Teil der Feststellungen auf deren Aussagen gestützt worden.
3
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
4
Am 12. September 2001 wurde die 63 Jahre alte D. gewaltsam getötet in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Ermittlungen verliefen zunächst ergebnislos. Nach deren Wiederaufnahme im Dezember 2012 ergab ein DNSAbgleich einer Speichelprobe der Angeklagten Übereinstimmung unter anderem mit in der Hand der Getöteten gefundenen Haaren. Gegen die Angeklagte wurde am 27. Februar 2013 Haftbefehl erlassen. Am 5. März 2013 wurde sie festgenommen und zur Berliner Mordkommission verbracht. Noch am selben Tag und am Vormittag des folgenden Tages wurde sie jeweils nach ordnungsgemäßer Belehrung auch über ihr Recht auf Verteidigerkonsultation vernommen. Anschließend wurde sie dem Haftrichter vorgeführt. Nach weiterer korrekter Belehrung war sie aussagebereit, erklärte, keinen Anwalt zu benötigen und noch nie einen benötigt zu haben. Zur Sache bekundet sie, sie habe schon bei der Polizei ausgesagt. Was sie dort gesagt habe, sei zutreffend. Auf Vorhalt einer Passage aus einem Vernehmungsprotokoll bekundete sie, dass sie es ja gewesen sein müsse. Sie sei da gewesen und habe die Frau angegriffen. Weiter wolle sie jetzt nichts sagen. Der Ermittlungsrichter ordnete den Vollzug des Haftbefehls an und bestellte der Angeklagten einen Pflichtverteidiger.
5
Am zweiten Hauptverhandlungstag (18. September 2013) widersprach der Verteidiger vorab der Verwertung der polizeilichen und richterlichen Vernehmungen. Nach Herbeiführung von Gerichtsbeschlüssen (§ 238 Abs. 2 StPO) wurden die Polizeibeamten und der Ermittlungsrichter vernommen. Ein weiterer Verwertungswiderspruch erfolgte nicht.
6
b) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bedurfte es keines gesonderten (zweiten) Verwertungswiderspruchs im Anschluss an die Vernehmung der ge- nannten Beweispersonen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Widerspruch nämlich grundsätzlich auch umfassend vorab erklärt werden; in diesem Fall muss ihn der Verteidiger nach Abschluss der Zeugenvernehmung nicht noch einmal ausdrücklich wiederholen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2003 – 5 StR 307/03, NStZ 2004, 389; Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, NJW 2013, 2769, 2771 f., insoweit in BGHSt 58, 301 nicht abgedruckt; KK/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28). Der durch die Verteidigung erhobene Widerspruch wird auch ansonsten den Anforderungen gerecht.
7
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob anderes zu gelten hätte, wenn sich bei freibeweislicher Klärung von der Verteidigung erhobener Beanstandungen etwa gewichtige Anhaltspunkte für deren Haltlosigkeit ergeben haben würden. Dies könnte im vorliegenden Fall für den nach rechtsfehlerfreier Würdigung der Schwurgerichtskammer durch die Beweisaufnahme widerlegten und von der Verteidigung mit der Revision nicht weiterverfolgten Vortrag gelten, die Vernehmungsbeamten hätten die irrige Annahme der Angeklagten ausgenutzt, nicht den Rat eines Verteidigers in Anspruch nehmen zu können, weil sie sich einen solchen nicht zu leisten vermöge. Indessen stützt sich die Revision auf die Erwägung, die Staatsanwaltschaft hätte vor einer Vernehmung zwingend auf die Beiordnung eines Verteidigers hinwirken müssen (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO). Dieser Gesichtspunkt wurde durch die Vernehmungen aber nicht berührt.
8
c) Die Rüge ist unbegründet.
9
aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass nach geltendem Recht (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO) auch mit Bedacht auf Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK keine Pflicht besteht, dem Beschuldigten stets bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren, etwa beginnend mit dem dringenden Verdacht eines (auch schweren) Verbrechens, einen Verteidiger zu bestellen (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, BGHSt 47, 233, 236 f.; vom 17. Dezember 2003 – 5 StR 501/03, BGHR StPO § 141 Bestellung 8; vom 19. Oktober 2005 – 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182; vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1010). Das gilt auch dann, wenn ein Haftbefehl besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 5 StR 501/03, aaO).
10
Von dieser Rechtsprechung abzurücken, besteht kein Anlass. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274) den Zeitpunkt der rechtlich zwingenden Bestellung eines Pflichtverteidigers in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO in Kenntnis der bestehenden Rechtsprechung bewusst auf den Beginn der Vollstreckung der Untersuchungshaft festgelegt hat. Nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO hat die Verteidigerbestellung „unverzüglich“ zuerfolgen, sofern der Haftbefehl nach seiner Verkündung nicht außer Vollzug gesetzt wird (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13097, S. 19). Erst mit der Aufrechterhaltung der Haft nach § 115 Abs. 4 Satz 1 StPO liegt eine Vollstreckung der Untersuchungshaft im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vor. Forderungen, frühere Ereignisse, wofür beispielsweise der Erlass eines Haftbefehls oder die Ergreifung des Beschuldigten in Betracht gekommen wären, haben sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht, aaO, S. 16 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, aaO, S. 237; Jahn in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 275, 277 f. mwN).
11
bb) Diesen gesetzlichen Vorgaben wurde hier mit der sofortigen Verteidigerbestellung nach Anordnung des Vollzugs der Untersuchungshaft entsprochen. Besonderheiten, etwa die Durchführung einer beweissichernden ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines wesentlichen Belastungszeugen in Abwesenheit des Beschuldigten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00, BGHSt 46, 93, 99 f.), waren nicht gegeben. Der Umstand allein, dass die bislang unbestrafte Angeklagte über keine Erfahrungen mit der Strafjustiz verfügte und mit einem Mordvorwurf konfrontiert wurde, genügt für die Annahme einer von der Verteidigung geltend gemachten Ermessensreduktion auf Null auf Seiten der Staatsanwaltschaft in Richtung auf sofortige Verteidigerbestellung nicht.
12
cc) Allerdings haben die Polizeibeamten gegen § 115 Abs. 1 StPO verstoßen , indem sie die Angeklagte nach ihrer Ergreifung nicht unverzüglich dem zuständigen Gericht vorgeführt, die Vorführung vielmehr zum Zweck der Durchführung polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen aufgeschoben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 5 StR 547/94, BGHR StPO § 128 Abs. 1 Vorführungsfrist 2; Urteil vom 17. November 1989 – 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188). Dieser Verfahrensfehler verengt jedoch nicht den der Staatsanwaltschaft in § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO übertragenen Beurteilungsspielraum betreffend das Hinwirken auf sofortige Verteidigerbestellung. Vielmehr wäre es – sofern eingebunden – deren Pflicht gewesen, nachhaltig für die Wahrung des Unverzüglichkeitsgebots nach § 115 Abs. 1 StPO Sorge zu tragen. Infolge der in erster Linie auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG zielenden Schutzrichtung des § 115 Abs. 1 StPO (vgl. BVerfG [Kammer], NStZ 1994, 551, 552; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 115 Rn. 1), die das Interesse an frühzeitiger Verteidigerbestellung (vgl. auch KK/Graf, StPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 1a) gleichsam als Reflex mit umfasst, ver- mag die Verletzung dieser Vorschrift den Zeitpunkt rechtlich zwingender Verteidigerbestellung aber nicht vorzuverlagern.
13
Ein Verwertungsverbot wäre freilich anzunehmen, wenn die Polizeibeamten die gebotene Vorführung bewusst unterlassen hätten, um die Verteidigerbestellung durch den Haftrichter zu umgehen. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte vorhanden. Hiergegen spricht vielmehr, dass der Haftrichter nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers die aussagebereite Beschuldigte – wie geschehen – in dem in § 115 Abs. 2 StPO bezeichneten Zeitrahmen vor Vollstreckung der Untersuchungshaft ohne vorherige Verteidigerbestellung hat vernehmen dürfen. Es liegt die Annahme nahe, dass die Beamten hier in bloßer Verkennung des § 115 Abs. 1 StPO bestrebt waren, dem zuständigen Gericht eine tragfähige Grundlage für seine Entscheidung über den Vollzug der Untersuchungshaft zu vermitteln.
14
2. Die Verletzung des in § 115 Abs. 1 StPO normierten Unverzüglichkeitsgebots hat die Revision, was sie in ihrer Erwiderung auf die diesen Gesichtspunkt hervorhebende Zuschrift des Generalbundesanwalts auch nicht in Abrede gestellt hat, nicht in einer Verfahrensrüge beanstandet, sich vielmehr ausdrücklich auf die Rüge unterlassener Verteidigerbestellung beschränkt. Damit ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob dieser Verfahrensfehler etwa zur Unverwertbarkeit der von der Angeklagten vor der Polizei, unter Umständen auch vor dem Haftrichter gemachten Angaben hätte führen müssen; hiergegen sprächen die Einhaltung immerhin der in Art. 104 Abs. 3 GG bestimmten Frist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 5 StR 547/94, aaO), die nach Vorführung vor den Haftrichter und korrekter Belehrung gleichwohl erfolgte Aussage der Angeklagten, die den Beistand eines Verteidigers ausdrücklich nicht begehrte , sowie die Schwere des Tatvorwurfs. Die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts; einem Revisionsführer steht es wegen seiner Dispositionsbefugnis zu, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen Verfahrensverstoß aber hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 29. November 2013 – 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, jeweils mwN).
15
Darüber hinaus wäre die Revision mit einer etwa erhobenen diesbezüglichen Verfahrensrüge auch ausgeschlossen. Denn die Verteidigung hat schon den in der Hauptverhandlung erhobenen Verwertungswiderspruch nicht (auch) auf die Verletzung des Unverzüglichkeitsgebots gestützt, was insoweit eine Rügepräklusion nach sich ziehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 ff.; Mosbacher in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 357, 375 f.).
16
3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der durch die Angeklagte erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Der Senat kann angesichts mangelnden Beruhens dahingestellt lassen , ob angesichts der konkreten Gegebenheiten (glaubhaftes Geständnis der Angeklagten, weitere belastende Indizien) die Mitteilung nur des Ergebnisses des DNA-Gutachtens (Übereinstimmung mit der DNA der Angeklagten) hier ausnahmsweise genügen würde (vgl. zu den Anforderungen BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212).
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(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.

(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.

(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, § 118 Abs. 1, 2, § 119 Abs. 5, § 119a Abs. 1) zu belehren. § 304 Abs. 4 und 5 bleibt unberührt.

(1) Kann der Beschuldigte nicht spätestens am Tag nach der Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden, so ist er unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten Amtsgericht vorzuführen.

(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, zu vernehmen. Bei der Vernehmung wird, soweit möglich, § 115 Abs. 3 angewandt. Ergibt sich bei der Vernehmung, dass der Haftbefehl aufgehoben, seine Aufhebung durch die Staatsanwaltschaft beantragt (§ 120 Abs. 3) oder der Ergriffene nicht die in dem Haftbefehl bezeichnete Person ist, so ist der Ergriffene freizulassen. Erhebt dieser sonst gegen den Haftbefehl oder dessen Vollzug Einwendungen, die nicht offensichtlich unbegründet sind, oder hat das Gericht Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der Haft, so teilt es diese dem zuständigen Gericht und der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich und auf dem nach den Umständen angezeigten schnellsten Wege mit; das zuständige Gericht prüft unverzüglich, ob der Haftbefehl aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen ist.

(3) Wird der Beschuldigte nicht freigelassen, so ist er auf sein Verlangen dem zuständigen Gericht zur Vernehmung nach § 115 vorzuführen. Der Beschuldigte ist auf dieses Recht hinzuweisen und gemäß § 115 Abs. 4 zu belehren.

(1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3.

(2) Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist, von Amts wegen einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl. § 115 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden.

(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a gilt entsprechend.

(3) Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.

(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.

(5) Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt die Benachrichtigung, soweit sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Verwertungsverbot für verdecktes Verhör eines inhaftierten
Beschuldigten durch einen als Besucher getarnten nicht offen
ermittelnden Polizeibeamten unter Zwangseinwirkung.
BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 5 StR 51/10
LandgerichtBerlin-

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Versuchs der Beteiligung am Mord
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2010

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Februar 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen der Annahme des Erbietens zur Begehung eines Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten greift mit der erhobenen Verfahrensrüge durch.
2
1. Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 1950 geborene verheiratete Angeklagte verließ 1988 die DDR und ging in Westberlin eine Beziehung zu einer anderen Frau ein. Nachdem seine Ehefrau mit den Kindern über die Deutsche Botschaft in Prag zu dem Angeklagten ausgereist war, versuchten die Eheleute einen Neuanfang ihrer Beziehung, die sich wirtschaftlich erfolgreich gestaltete. Sie erwarben ein von ihnen betriebenes Männerwohnheim. Über die Jahre entwickelte sich zwischen den Eheleuten eine tiefe gegenseitige Abneigung. Der Angeklagte konnte sich zu einer Trennung auch deshalb nicht entschließen, weil er fürchtete, bei einer Scheidung finanziell übervorteilt zu werden und alles an seine Ehefrau zu verlieren.
4
b) Aus Hass gegenüber seiner Ehefrau bot der Angeklagte in den Jahren 1998 bis 2005 mehreren Personen Geld, um sie dazu zu bewegen, seine Frau zu töten. Dieserhalb wurde der Angeklagte am 1. März 2006 vom Landgericht Berlin wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
5
c) Zu Beginn der Verbüßung dieser Strafe in der Langstrafenstation der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel traf der Angeklagte auf den zuletzt wegen Anstiftung zum Mord und anderer Verbrechen im Jahr 1993 zu lebenslanger Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilten S. . Dieser berühmte sich wahrheitswidrig seiner Jahre als Fremdenlegionär, seiner Mitgliedschaft in der Rockerbande „Bandidos“ und seines aus Tatbeute gespeisten Reichtums. Der Angeklagte glaubte S. und ließ sich beeindrucken. Er berichtete ihm offen von seiner Tat und seinen Vermögensverhältnissen. S. war am Kauf des Wohnheims des Angeklagten interessiert und einigte sich mit diesem auf einen Preis von 450.000 €. „S. unterbreitete dem Angeklagten in dem Zeitraum von Anfang März 2007 bis zum 20. März 2007 das Angebot, durch ‚seine Leute’ außerhalb der Haftanstalt die Tötung von Frau R. W. durch einen fingierten Autounfall durchführen zu lassen, wenn ihm der Angeklagte dafür 150.000 € von dem vereinbarten Kaufpreis für das Wohnheim erlasse. Der Angeklagte nahm den Vorschlag ernst und ging darauf ein. Er ging davon aus, dass S. die Tat begehen würde. Er benannte S. das Kennzeichen des von seiner Frau gefahrenen Autos, wobei er sich nicht sicher war, ob es B-EN oder B-ET war“ (UA S. 11 f.). Auf Wunsch des Angeklagten überwies dessen Bruder am 20. März 2007 2.500 € auf das Konto der Ehefrau des Gefangenen S. .
6
d) Am gleichen Tag meldete S. dem für ihn zuständigen Gruppenleiter der JVA, er hätte angeblich einen anderen Gefangenen geschlagen , weil dieser ihn um die Vermittlung eines Auftragsmordes gebeten hätte. Am 22. März 2007 erklärte sich S. zur Zusammenarbeit mit der Polizei bereit; er benannte den Angeklagten als den Auftraggeber des Mordes.
7
Am Tag vor einer Verlegung des Angeklagten in die JVA Charlottenburg wurde S. am 17. April 2007 für einen gemeinsamen Hofgang mit dem Angeklagten mit einem Aufzeichnungsgerät ausgestattet. „In diesem Gespräch war S. bemüht, von dem Angeklagten den erteilten Tötungsauftrag ausdrücklich bestätigt zu bekommen. Der Angeklagte wunderte sich darüber, weil die Absprache bereits getroffen worden war, und reagierte misstrauisch, weil in dem früheren Strafverfahren von der Polizei mehrere Gespräche aufgezeichnet worden waren, die er mit dem in Aussicht genommenen Täter geführt hatte. Er antwortete S. , dass man darüber nicht weiter zu sprechen brauche, weil es ‚geklärt’ sei und es dabei bliebe, wie sie es besprochen hätten“ (UA S. 13).
8
e) Das Schwurgericht hat dem aufgezeichneten Gespräch die Wertung entnommen, dass die Tötung der Ehefrau vereinbart war. Ausgehend von der Einlassung des Angeklagten, S. habe ihm die Tötung seiner Ehefrau angeboten, hat sich das Schwurgericht beweiswürdigend von einer Annahme dieses Angebots durch den Angeklagten überzeugt. Bekundungen des S. hat das Schwurgericht seiner Beweiswürdigung nur zu Grunde gelegt, soweit dessen Angaben durch andere Beweismittel bestätigt worden sind. Den Beweis dafür, dass die Tötung ernsthaft vereinbart worden war, hat die Schwurgerichtskammer auch in der Zeugenaussage des POK H. über dessen verdecktes Verhör des Angeklagten am 24. Mai 2007 in der JVA Charlottenburg gefunden (UA S. 22, 28 bis 30).
9
2. Deren Verwertung hat die Verteidigung in der Hauptverhandlung widersprochen. Die Nichtverwertbarkeit des Inhalts der Zeugenvernehmung macht die Revision mit ihrer Verfahrensrüge geltend und trägt im Wesentlichen folgende Umstände vor:
10
Gegen den Angeklagten als Beschuldigten erging am 29. März 2007 auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin gemäß § 100f Abs. 2 StPO zur Aufzeichnung des gesprochenen Wortes zwischen dem Zeugen S. und dem Angeklagten. Die ermittelnden Polizeibeamten bewerteten das umfangreiche Gespräch am 27. April 2007 dahingehend, dass der Beschuldigte eine eindeutige Aussage vermeide. Sie schlugen als weitere Ermittlungshandlungen die Durchsuchung der Zelle des S. und die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs für den Anschluss des Bruders des Angeklagten vor. Diese von der Staatsanwaltschaft aufgegriffenen Maßnahmen blieben ohne Erfolg. Für das polizeiliche Vorgehen wurde darüber hinaus Folgendes festgelegt: „Zur Verbesserung der bisherigen Beweislage ist von hier aus vorgesehen, dass ein nicht offen ermittelnder Polizeibeamter den Beschuldigten in der JVA Charlottenburg besucht (Besucherraum) und diesem unter der Vorgabe einer Legende zwei Bilder (eines mit der Ehefrau des Beschuldigten in ihrem Pkw sitzend und eines mit einer Frau vergleichbaren Alters, in bauähnlichem Pkw sitzend) vorlegt, um von diesem zu erfahren, welche der beiden Frauen die zu tötende sei“ (RB S. 62). Zwei Kriminalbeamte versicherten sich am 22. Mai 2007 der Unterstützung und der Verschwiegenheit der maßgeblichen Beamten der JVA Charlottenburg.
11
vor Kurz 15.00 Uhr des übernächsten Tages teilte ein JVASozialarbeiter dem Angeklagten mit, dass dieser um 15.00 Uhr einen Besucher habe, der dringende Gründe für den Besuch geltend gemacht hätte. Im Besucherraum der JVA wartete bereits POK H. , „der zuvor in die Ermittlungen nicht eingebunden war, aber aufgrund seiner langen Haare und Tätowierungen dem äußeren Erscheinungsbild nach glaubhaft als Rocker auftreten konnte“ (UA S. 14). Gegen 15.00 Uhr traf der Angeklagte auf den ihm nicht bekannten POK H. . Dieser „stellte sich als ‚Micha’ vor und erklärte, dass S. ihn schicke, weil es da offenbar ein Problem mit der Frau des [Angeklagten] W. gebe“ (UA S. 14). Der Angeklagte erklärte, er würde mit ihm nicht über dieses Thema reden. „Der Beamte gab vor, dass es wegen der Autokennzeichen Probleme mit der Identifizierung der Ehefrau gebe, und legte dem Angeklagten die beiden Fotos vor. Der Angeklagte ging darauf nicht ein und gab wahrheitswidrig vor, auf den Fotos nichts erkennen zu können, weil er seine Brille nicht dabei habe. Er fügte hinzu, er habe S. doch gesagt, es sei ein grünes Auto. Auf Nachfrage weigerte er sich, seine Brille zu holen. H. erklärte, dass vor den Häusern der beiden abgebildeten Frauen seine Männer stünden, und fragte, ob der Angeklagte seine Frau anhand körperlicher Merkmale beschreiben könne, beispielsweise die Haarlänge. Der Angeklagte zeigte daraufhin mit seiner Hand in Schulterhöhe. H. erklärte, dass ‚notfalls’ auch beide Frauen ‚weggemacht ’ werden könnten. Der Angeklagte reagierte aufgebracht und sagte, dass das Ganze ‚abgebrochen’ würde, wenn Unschuldige ‚reingezogen’ würden. Schließlich fragte ihn H. , ob es denn richtig sei, dass sie seine Frau wegmachen sollten. Darauf nickte der Angeklagte“ (UA S. 15).
12
Der Angeklagte berief sich während seiner unmittelbar anschließenden förmlichen Beschuldigtenvernehmung auf sein Schweigerecht.
13
Bei 3. der vom Schwurgericht verwerteten Zeugenaussage des POK H. handelt es sich um den Inhalt eines verdeckten Verhörs eines Beschuldigten durch einen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (vgl. Nack in KK StPO 6. Aufl. § 110a Rdn. 6 und § 110c Rdn. 18 ff.) mit dem Ziel, eine selbstbelastende Äußerung des noch nicht förmlich vernommenen Beschuldigten herbeizuführen. Diese Ermittlungsmaßnahme war in ihrer konkreten Ausgestaltung rechtswidrig. Das Schwurgericht hat die von dem Zeugen POK H. bekundeten selbstbelastenden Äußerungen des Angeklagten zu Unrecht verwertet.
14
a) Die Rechtswidrigkeit folgt noch nicht aus den Umständen zur Verschaffung der Gelegenheit zur Durchführung des verdeckten Verhörs.
15
Auch wenn der Ermittlungsbeamte über kein Zugangsrecht zu dem Angeklagten verfügte (vgl. Schwind in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 5. Aufl. § 24 Rdn. 3; Joester/Wagner in Feest, StVollzG 5. Aufl. § 24 Rdn. 2; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 11. Aufl. § 24 Rdn. 3), stellte der von den Vollzugsbeamten verschwiegene Umstand, dass kein Privatmann, sondern ein (nicht offen ermittelnder) Polizeibeamter Besucher sei, im Rahmen einer kriminalistischen List noch keinen relevanten Eingriff in Rechte des Angeklagten dar (vgl. BGHSt 53, 294, 308 Tz. 46). In das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung des Angeklagten wurde nicht eingegriffen; der Besucherraum der JVA unterfällt nicht dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG (BGHSt 44, 138; 53, 294, 300 Tz. 17). Auch die geschützte Privatsphäre des Angeklagten (vgl. BGHSt 50, 234, 240) wurde noch nicht tangiert.
16
Ein b) Rechtsverstoß und ein daraus folgendes Verwertungsverbot ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass eine Belehrung des Angeklagten als Beschuldigter gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO unterblieben ist (BGHSt 42, 139, 145 ff. – GS). Diese Vorschrift ist nur auf „offene“ Vernehmungen anwendbar und will (lediglich) sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht bewahrt wird, zu der er möglicherweise eben durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunftsverlangen veranlasst werden könnte. Deshalb scheidet auch eine entsprechende Anwendung und die Annahme einer Umgehung der Vorschrift aus.
17
c) Inwieweit das verdeckte Verhör schon im Ansatz ohne Rechtsgrundlage erfolgte und ob allein hieraus ein Beweisverwertungsverbot erwüchse , bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
18
aa) Es ist allerdings zweifelhaft, ob als Rechtsgrundlage die Generalklausel aus § 161 Abs. 1, § 163 Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. dazu BT-Drucks. 14/1484 S. 17, 23 f.; Wohlers in SK-StPO 57. Lfg. § 163 Rdn. 1) ausreichte, die eine Ermächtigungsgrundlage für Ermittlungshandlungen – auch mit „weniger intensiven“ Grundrechtseingriffen – bietet (vgl. BGHSt 51, 211, 218 Tz. 21; BVerfG – Kammer – NJW 2009, 1405, 1407; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 161 Rdn. 1; vgl. für nicht offen ermittelnde Polizeibeamten als Scheinaufkäufer im Rahmen eines illegalen Rauschgiftankaufs BGHSt 41, 64, 66; BGHR StPO § 110a Ermittler 4; BGHR StPO § 110b Abs. 2 Wohnung 1). Ein verdecktes Verhör mit dem Ziel, eine selbstbelastende Äußerung eines noch nicht förmlich vernommenen Beschuldigten herbeizuführen, erscheint als Ermittlungshandlung von nicht unerheblicher Eingriffsintensität. Sie wird auch nicht zu den eigentlichen Aufgaben eines nicht offen ermittelnden Polizeibeamten gerechnet (vgl. Nack in KK 6. Aufl. § 110a Rdn. 6).
19
bb) Das verdeckte Verhör durch POK H. wurde nicht etwa zur Gefahrenabwehr eingesetzt und hatte zudem kaum gefahrabwehrende Funktion , da tatsächlich gar keine Gefahr für das Leben der Ehefrau des Angeklagten mangels – von vornherein fehlender – Tatbereitschaft zu dem von dem Mitgefangenen S. initiierten vorgetäuschten Tatplan bestanden hatte. Das Vorgehen war allein auf Ermittlung gegen den Angeklagten als bestimmten Beschuldigten gerichtet.
20
d) Auch unter der Voraussetzung fehlender Rechtsgrundlage wäre indes zweifelhaft, ob das verdeckte Verhör verwertbar gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 1997, 294, 295; allgemein BGHSt 51, 285, 295 f. Tz. 29 m.w.N.). Da selbst einem Verdeckten Ermittler ein verdecktes Verhör, wie es hier von POK H. vorgenommen und vom Schwurgericht verwertet worden ist, nicht gestattet gewesen wäre, liegt der Fall hier jedenfalls eindeutig anders.
21
Das Vorgehen verstieß nämlich gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 MRK) unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes, dass niemand verpflichtet ist, zu seiner eigenen Überführung beizutragen, insbesondere sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare). Dabei schließt sich der Senat – wie bereits der Sache nach der 4. Strafsenat in StV 2009, 225 – den Darlegungen des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in BGHSt 52, 11, 17 Tz. 20 zur Genese, Verankerung und Bedeutung dieses Grundsatzes an (vgl. auch BGHSt 53, 294, 309 Tz. 49). Da der Beamte sogar eindeutig die Kompetenzen überschritten hat, die einem Verdeckten Ermittler zugestanden hätten, stünden einem noch nicht formal als unzulässig bewerteten entsprechenden Vorgehen als nicht offen ermittelnder Polizeibeamter identische durchgreifende Bedenken – erst recht – entgegen (vgl. Roxin StV 1998, 43, 44; Meyer-Goßner aaO § 110a Rdn. 4; BT-Drucks 14/1484 S. 24).
22
aa) Die Aushorchung des Angeklagten unter Ausnutzung der besonderen Situation seiner Inhaftierung begründet von vornherein Bedenken gegen die Zulässigkeit der heimlichen Ermittlungsmaßnahme. Nicht weniger als in anderen von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beanstandeten Fällen heimlicher Informationsgewinnung unter Ausnutzung begleitender belastender Haftsituationen (vgl. BGHSt 34, 362; 44, 129; 52, 11; 53, 294) liegen auch hier Umstände vor, die zur Bewertung des Vorgehens als unfaire Vernachlässigung der zu achtenden Selbstbelastungsfreiheit führt.
23
Im Einklang mit der Auffassung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 42, 139, 152; vgl. auch BGHSt 49, 56, 58) und in Übereinstimmung mit der die Selbstbelastungsfreiheit auf Art. 6 Abs. 1 MRK stützenden Rechtsprechung des EGMR (StV 2003, 257; NJW 2008, 3549; 2010, 213) sieht der Senat durch die Anwendung von Zwang den Kernbereich der Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten als verletzt an. Zwar sind Verdeckte Ermittler berechtigt, unter Nutzung einer Legende selbstbelastende Äußerungen eines Beschuldigten entgegenzunehmen und an die Ermittlungsbehörden weiterzuleiten. Sie sind aber nicht befugt, in diesem Rahmen den Beschuldigten zu selbstbelastenden Äußerungen zu drängen (BGHSt 52, 11, 15 Tz. 14; vgl. auch BGH StV 2009, 225, 226).
24
bb) Dem Angeklagten wurde ein Bild seiner Ehefrau beim Einsteigen in deren Pkw und ein Bild, eine ähnliche Frau in gleicher Position an einem ähnlichen Pkw zeigend, vorgelegt, um ihn eine Auswahl der zu tötenden Frau mittels der durch die beiden Bilder aufgebauten Alternative vornehmen zu lassen. Aufgrund des nachfolgenden Hinweises, falls der Angeklagte diese Auswahl nicht treffen wolle, würden „notfalls“ beide Frauen, vor deren Häusern zur Tötung bereite Täter stünden, getötet, ist der Angeklagte in einen Aussagezwang hinsichtlich der Benennung der zu tötenden Frau versetzt worden. Dies ist mittels eines als Nötigung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB zu qualifizierenden Eingriffs in die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung geschehen.
25
Solches setzt voraus, dass der Täter dem Opfer ein bestimmtes Verhalten aufzwingt, ihn also gegen seinen Willen dazu veranlasst (Fischer, StGB 57. Aufl. § 240 Rdn. 4). Der Angeklagte war entgegenstehenden Willens ; er hatte in dem Gespräch sofort erklärt, über das Thema nicht sprechen zu wollen, nach Ausflüchten gesucht und sich in seinen Äußerungen nicht festgelegt. Der Hinweis, eine unbeteiligte Dritte könnte zu Tode kommen, stellte eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (vgl. BGHR StGB § 240 Abs. 1 Übel 1; Fischer aaO Rdn. 37) gegenüber dem Angeklagten mit einem empfindlichen Übel dar (vgl. BGH NStZ 1987, 222, 223). Auf dessen Verwirklichung für den Fall des Bedingungseintritts, der Nichtäußerung, schrieb POK H. sich den erforderlichen Einfluss zu (vgl. BGHSt 16, 386, 387; Fischer aaO § 240 Rdn. 31). Es liegt auf der Hand, dass – bei fortgesetzter Weigerung der Identifizierung des „Tatopfers“ – eine dem Angeklagten bevorstehende Verantwortlichkeit für ein zweites, nicht gewolltes Tötungsverbrechen diesem als ein gewichtiger Nachteil erscheinen musste.
26
cc) Ein gewisses Indiz für eigene polizeiinterne Bedenken gegen das hier zu beanstandende Vorgehen liegt im Übrigen im Unterlassen des Einholens einer richterlichen Anordnung der beweissichernden akustischen Überwachung des Besuchsgesprächs nach § 100f StPO. Es ist schwer nachvollziehbar , dass eine solche – im Gegensatz zu dem Gespräch des gleichsam selbsternannten „agent provocateur“ S. mit dem Angeklagten auf dem Gefangenenhofgang, dessen Verwertung der Beschwerdeführer nicht widersprochen hat – nicht erfolgt ist. Entsprechend kam es auch vorhersehbar zum Dissens über den Inhalt des nicht aufgezeichneten verdeckten Verhörs (vgl. UA S. 29 f.).
27
e) Die Beeinträchtigungen der Rechte des Angeklagten gebieten die Annahme eines Beweisverwertungsverbots.
28
In Fällen von Aussagezwang wird in den Kernbereich der grundrechtlich und konventionsrechtlich geschützten Selbstbelastungsfreiheit eines Beschuldigten ohne Rechtsgrundlage eingegriffen (vgl. BGHSt 52, 11, 17 f. Tz. 20 und 22 m.w.N.; EGMR StV 2003, 257, 259). Der gravierende Rechtsverstoß kann nicht anders als durch Nichtverwertung des hierdurch gewonnenen Beweismittels geheilt werden (vgl. auch BGHSt 51, 285, 291 Tz. 23; 52, 11, 23 f. Tz. 36; 53, 294, 304 ff. Tz. 32 ff., Amelung in FS für Claus Roxin [2001] S. 1259, 1262, 1265 ff.).
29
Der hier vorliegende Zwang zur Abgabe selbstbelastender Äußerungen im Rahmen eines verdeckten Verhörs wiegt nicht leichter als das Entlocken solcher Äußerungen unter Ausnutzung einer Vertrauensstellung nach angekündigter Inanspruchnahme des Schweigerechts (vgl. BGHSt 52, 11, 18 f. Tz. 26; 21 Tz. 33; 23 Tz. 36; BGH StV 2009, 225, 226) oder die Verlegung eines Aushorchers in die Zelle eines Untersuchungsgefangenen (BGHSt 34, 362). Sie übertrifft sogar die Eingriffsintensität im Vergleich mit zielgerichtet für erwartete Selbstbelastungen geschaffene – von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit einem Beweisverwertungsverbot be- legte – andere Ermittlungssituationen (BGHSt 53, 294, 304 ff.; vgl. auch BGHSt 40, 66, 72).
30
4. Nachdem das Schwurgericht seine Beweisführung tragend auf die Bekundungen des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten gestützt hat, kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler nicht ausschließen. Die Sache bedarf neuer Aufklärung und Bewertung. Ein Durchentscheiden auf Freispruch – entsprechend dem Antrag der Verteidigung – scheidet aus. Eine die Verurteilung tragende Beweiswürdigung auch ohne die Aussage des Zeugen POK H. erscheint unter den gegebenen Begleitumständen ungeachtet der begründeten massiven Vorbehalte gegen den Zeugen S. nicht von vornherein ausgeschlossen.
31
Das neu berufene Tatgericht wird die Frage, ob der Angeklagte nachweislich eine zur Erfüllung des § 30 Abs. 2 StGB ausreichende hinreichend konkrete Annahme eines ihm vorgetäuschten Morderbietens durch S. erklärt hat, auf der Grundlage des verbleibenden Beweisstoffs zu klären haben. Dabei wird es maßgeblich auch zu bedenken haben, inwiefern der Angeklagte unter den Begleitumständen gemeinsamer Haft an ein realisierbares Geschäft mit S. über die entgeltliche Übernahme des Wohnheims geglaubt haben kann, und wird in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der vom Angeklagten veranlassten Zahlung an S. zu würdigen haben.
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(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/10
vom
31. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 31. März 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, ist unbegründet im Sinne des §349 Abs. 2 StPO. Das Urteil weist weder in verfahrensrechtlicher noch in sachlich-rechtlicher Hinsicht Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Ergänzender Erörterung bedürfen lediglich die erhobenen Verfahrensrügen:
2
1. Die Beanstandung, die auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung nach § 100f StPO aufgezeichneten Angaben des Angeklagten gegenüber der Zeugin E. seien unter Verstoß gegen § 136, § 136a Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO sowie unter Verletzung des Gebots des fairen Verfahrens gewonnen worden und hätten deshalb in dem Strafverfahren gegen den Ange- klagten nicht verwertet werden dürfen, ist unbegründet. Der Rüge liegt Folgendes zu Grunde:
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen der Ehemann der Zeugin E. , der rechtskräftig wegen der verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteltat verurteilte H. , und der Angeklagte mit dem gesondert Verfolgten S. überein, diesem für unbekannte Hintermänner 2.500 kg Haschisch für 530 € pro Kilogramm zu liefern. Während H. die persönlichen und telefonischen Verhandlungen mit dem Abnehmer S. führte, hielt sich der Angeklagte, der sich gegenüber H. bereit erklärt hatte, die Betäubungsmittel über spanische Drogenkreise zu beschaffen, im Hintergrund. Zur Ausführung des Geschäfts kam es letztendlich nicht, weil S. die Kontakte zu seinen Hinterleuten verlor.
4
Im Februar/März 2009 belastete H. während der gegen ihn geführten Hauptverhandlung erstmals den Angeklagten, an dem Betäubungsmittelgeschäft beteiligt gewesen zu sein. Seine Ehefrau, die Zeugin E. , erklärte sich daraufhin - aus eigenem Antrieb - gegenüber der Polizei bereit, an der Überführung des ihr vom Sehen her bekannten Angeklagten mitzuwirken, diesen zur Rede zu stellen und das Gespräch heimlich aufzuzeichnen, um ihrem Ehemann die Vergünstigungen des § 31 BtMG zu sichern. Mit Beschluss vom 14. April 2009 ordnete das Amtsgericht Düsseldorf in dem gegen den Angeklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren gemäß § 100f StPO das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes für zwischen dem Angeklagten und der Zeugin außerhalb von Wohnungen geführte Gespräche an. Noch am selben Tag suchte die Zeugin den nicht inhaftierten Angeklagten auf und befragte ihn u.a. zu der verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteltat. Im Verlauf des Gesprächs belastete sich der Angeklagte selbst im Sinne der vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Die Zeugin, die dieses Gespräch mittels von der Polizei ausgehändigter technischer Geräte heimlich aufzeichnete , spiegelte dem Angeklagten wahrheitswidrig vor, ihr Ehemann habe ihr im Rahmen einer unbewachten Unterhaltung in der Justizvollzugsanstalt die Tat und die Tatbeteiligung des Angeklagten geschildert und sie wolle nun vom Angeklagten wissen, ob ihr Ehemann die Wahrheit gesagt oder sie wieder belogen habe. Zudem sicherte sie - ebenfalls wahrheitswidrig - dem Angeklagten zu, das Gespräch vertraulich zu behandeln.
5
Die Überzeugung von der Mittäterschaft des eine Tatbeteiligung bestreitenden Angeklagten hat das Landgericht neben den den Angeklagten belastenden Angaben des Zeugen H. , denen es keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, maßgeblich auf die von der Zeugin gefertigte Gesprächsaufzeichnung gestützt. Der Verwertung dieser Aufzeichnung hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung widersprochen.
6
b) Das Landgericht hat das gemäß § 100f StPO heimlich aufgezeichnete Gespräch zwischen der Zeugin und dem Angeklagten mit Recht seiner Überzeugungsbildung zu Grunde gelegt. Die Erkenntnisse aus dem Gespräch unterlagen keinem Verwertungsverbot. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers , die auf der Annahme beruht, die Angaben des Angeklagten seien rechtswidrig erlangt worden, trifft nicht zu. Auf die Erwägungen des Generalbundesanwalts zu dem in der Hauptverhandlung gegen die Verwertung der Aufzeichnung erhobenen Widerspruch kommt es daher nicht an.
7
aa) Die Angaben des Angeklagten gegenüber der Zeugin E. sind nicht unter Verstoß gegen die Belehrungspflichten des § 163a Abs. 4, § 136 Abs. 1 StPO zu Stande gekommen.
8
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind diese Vorschriften auf Befragungen eines Beschuldigten durch Privatpersonen nicht anwendbar. Zum Begriff der Vernehmung im Sinne der StPO gehört vielmehr, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr eine Auskunft verlangt. Da die Regelungen nach ihrem Sinn und Zweck den Beschuldigten vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht im Rahmen einer Kraft staatlicher Autorität vorgenommenen Befragung bewahren sollen, sind sie auch dann nicht entsprechend anwendbar, wenn eine "vernehmungsähnliche" Situation durch eine Privatperson , die - wie hier - als Informantin der Polizei tätig wird, hergestellt wird. Aus den gleichen Gründen stellt sich das hier in Rede stehende Vorgehen auch nicht als unzulässige Umgehung des § 163a Abs. 4, § 136 Abs. 1 StPO dar (BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 - GSSt 1/96, BGHSt 42, 139, 145; BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 3 StR 104/07, BGHSt 52, 11, 15 f.).
9
bb) Veranlasst eine Privatperson unter Verheimlichung ihres Ermittlungsinteresses einen Tatverdächtigen, mit ihr ein Gespräch über die Tat zu führen, so begründet dies entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch keinen Verstoß gegen die unmittelbar oder entsprechend heranzuziehende Regelung der § 163a Abs. 3, § 136a Abs. 1 StGB.
10
Das vorliegend allein in Betracht kommende Verbot der Täuschung ist bei systematischer Betrachtung der anderen in § 136a Abs. 1 StPO aufgeführten verbotenen Vernehmungsmethoden einschränkend auszulegen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 - GSSt 1/96 aaO). Mit der Beeinträchtigung der Willensentschließung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei oder Hypnose lässt sich die unter wahr- heitswidriger Zusicherung der Vertraulichkeit vorgenommene verdeckte Befragung des Angeklagten durch die Zeugin jedoch nicht vergleichen.
11
cc) Schließlich verstößt nach dem Revisionsvorbringen das von den Ermittlungsbehörden gebilligte Vorgehen der Zeugin auch nicht gegen den Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten ("nemo tenetur se ipsum accusare").
12
Die Selbstbelastungsfreiheit gehört zum Kernbereich des in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten Rechts auf ein faires Strafverfahren (EGMR, Urteil vom 5. November 2002 - 48539/99 - Fall Allen v. Großbritannien, StV 2003, 257, 259). Zwar dient das Recht zu schweigen und der Schutz vor Selbstbelastung ohne Rücksicht auf die Art der Straftat (EGMR, Urteil vom 10. März 2009 - 4378/02 - Bykov v. Russland, NJW 2010, 2013) nach der Rechtsprechung des EGMR in erster Linie dazu, den Beschuldigten vor unzulässigem Zwang der Behörde und vor Erlangung von Beweisen durch Methoden des Drucks zu schützen. Der EGMR hat jedoch anerkannt, dass die Freiheit einer verdächtigen Person zu entscheiden, ob sie in Polizeibefragungen aussagen oder schweigen will, auch dann unterlaufen wird, wenn die Behörden in einem Fall, in dem der Beschuldigte, der sich für das Schweigen entschieden hat, eine Täuschung anwenden, um ihm belastende Äußerungen zu entlocken, die sie in der Vernehmung nicht erlangen konnten, damit diese sodann im Prozess als Beweis eingeführt werden können (EGMR, Urteil vom 5. November 2002 - 48539/99 aaO). Ob bei Anwendung einer Täuschung das Schweigerecht in einem solchen Maß beeinträchtigt wurde, dass eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliegt, hängt indes von den Umständen des Einzelfalles ab (EGMR, Urteil vom 5. November 2002 - 48539/99 aaO).
13
So hat der EGMR die Verletzung des Rechts auf Selbstbelastungsfreiheit in einem Fall bejaht, in dem ein inhaftierter Beschuldigter, der sich durchgängig auf sein Schweigerecht berufen hatte, von einem in derselben Zelle einsitzenden , eigens von der Polizei instruierten und vorbereiteten Informanten unter Ausnutzung des entstandenen Vertrauensverhältnisses beharrlich zu dem ihm vorgeworfenen Tötungsdelikt befragt wurde und schließlich der vermeintlichen Vertrauensperson gegenüber selbstbelastende Angaben machte. Der EGMR hat unter diesen Umständen das Vorgehen der Polizei als funktionales Äquivalent einer Vernehmung angesehen, ohne dass die Sicherungen einer formalen Polizeibefragung, wie etwa die übliche Belehrung, gewährleistet waren (EGMR, Urteil vom 5. November 2002 - 48539/99 aaO, S. 260).
14
Bei einer ähnlichen Sachverhaltsgestaltung hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 3 StR 104/07, BGHSt 52, 11) ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Erkenntnisse eines Verdeckten Ermittlers wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit angenommen. Auch in diesem Fall wurde der Beschuldigte, obwohl er sich zuvor gegenüber den Ermittlungsbehörden auf sein Schweigerecht berufen hatte, von dem Verdeckten Ermittler unter Hinweis auf ein vorgetäuschtes Vertrauensverhältnis und unter Ausnutzung der den Beschuldigten belastenden Haft in einer vernehmungsähnlichen Situation intensiv zu selbstbelastenden Aussagen zu der ihm vorgeworfenen Tat gedrängt.
15
Demgegenüber hat der EGMR eine Verletzung des Rechts auf Selbstbelastungsfreiheit in einem Fall verneint, in welchem es dem Beschuldigten, der sich weder in Haft befand noch bis dahin polizeilich vernommen worden war, freistand, sich mit dem Informanten der Polizei, der das verdeckt geführte Ge- spräch heimlich aufzeichnete, zu unterhalten (EGMR, Urteil vom 10. März 2009 - 4378/02 - Bykov v. Russland, NJW 2010, 2013, 2015).
16
So liegt der Fall auch hier. Die von der Zeugin aufgezeichneten, den Angeklagten belastenden Angaben sind nach dem Revisionsvorbringen weder durch Zwang noch durch eine psychologischem Druck gleichkommende Täuschung , die eine Verletzung des Rechts des Angeklagten zu schweigen begründen könnte, zu Stande gekommen.
17
Die Revision behauptet schon nicht, dass der Angeklagte vor dem Gespräch mit der Zeugin gegenüber den Ermittlungsbehörden von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Anhaltspunkte dafür, dass das vom Angeklagten ausdrücklich ausgeübte Recht zu schweigen durch den Einsatz der Zeugin als Informantin der Polizei gezielt unterlaufen wurde, bestehen daher nicht. Hinzu kommt, dass sich der Angeklagte im Zeitpunkt des Gesprächs mit der Zeugin in Freiheit befand. Selbst unter Berücksichtigung ihrer wahrheitswidrigen Angaben ergibt das Revisionsvorbringen deshalb nicht, dass sich der Angeklagte den drängenden Fragen der Zeugin, mit der ihn keine engere Beziehung verband, nicht hätte entziehen können. Unter diesen Umständen liegt es fern, dass eine psychologischem Druck gleichkommende Situation den Angeklagten zu den sich selbst belastenden Angaben veranlasst hat.
18
Zudem wiegt das Vorgehen der Ermittlungsbehörden hier deshalb weniger schwer, weil sich die Zeugin von sich aus der Polizei als Informantin zur Verfügung gestellt hat, von dieser weder instruiert noch angeleitet, sondern nur mit technischen Mitteln zur Aufzeichnung des Gesprächs ausgestattet worden ist. Mit Blick auf die Anforderungen, die an ein faires Verfahren zu stellen sind, ist ferner zu berücksichtigen, dass die Gesprächsaufzeichnung zwar das maß- gebliche, aber nicht das einzige Beweismittel gewesen ist, auf das das Landgericht seine Überzeugung für die Mittäterschaft des Angeklagten gestützt hat. Schließlich hatte der Angeklagte in der Hauptverhandlung auch Gelegenheit, der Verwertung dieses Beweismittels zu widersprechen und nahm diese Möglichkeit auch in Anspruch.
19
2. Die Rüge, das Gericht habe seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen (§ 338 Nr. 4 i.V.m. §§ 7 ff. StPO), greift im Ergebnis ebenfalls nicht durch.
20
a) Allerdings geht die vom Landgericht in dem den Zuständigkeitseinwand zurückweisenden Beschluss geäußerte und vom Generalbundesanwalt geteilte Auffassung fehl, der Erfolg der tatbestandlichen Handlung des Zeugen H. sei in Düsseldorf eingetreten, weil sich der potentielle Abnehmer der Betäubungsmittel in Düsseldorf aufgehalten habe, als H. mit ihm telefonisch das Betäubungsmittelgeschäft verabredet habe.
21
Die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts ergibt sich im vorliegenden Fall nicht aus § 7 Abs. 1 StPO, § 9 Abs. 1 3. Var. StGB, da in Düsseldorf kein zum Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gehörender Erfolg eingetreten ist. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein Tätigkeits- und kein Erfolgsdelikt. Für die Frage, ob der Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 7 Abs. 1 StPO i.V.m. § 9 Abs. 1 StGB begründet ist, ist hier deshalb allein auf den Handlungsort abzustellen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2002 - 2 ARs 77/02, NJW 2002, 3486).
22
b) Zwar ist im Falle der Mittäterschaft die Tat an jedem Ort begangen, an dem auch einer der Mittäter gehandelt hat (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt sich aber das Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber von Betäubungsmitteln nicht als Mittäterschaft, sondern jeweils als selbständige Täterschaft dar, weil sich beide als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegensätzliche Interessen verfolgen, so dass ihr Zusammenwirken allein durch die Art der Deliktsverwirklichung vorgegeben ist (BGH, Urteil vom 30. September 2008 - 5 StR 215/08, NStZ 2009, 221). Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf kann deshalb für den gemeinschaftlich mit dem Zeugen H. auf Veräußererseite handelnden Angeklagten auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Erwerber der Betäubungsmittel in Düsseldorf eine auf die Verwirklichung der Tat gerichtete Handlung vorgenommen hat.
23
c) Das Landgericht Düsseldorf war aber gemäß § 7 Abs. 1 StPO, § 9 Abs. 1 1. Var. StGB örtlich zuständig, weil auch ein Handlungsort des Mittäters des Angeklagten im Bezirk des erkennenden Gerichts lag.
24
In dem für die Beurteilung der Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 338 Rn. 31) bestanden - worauf das Landgericht in zweiter Linie abgestellt hat - hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der Zeuge H. mit dem potentiellen Abnehmer des Rauschgifts zumindest einmal in Düsseldorf getroffen und dort auch Gespräche über das Betäubungsmittelgeschäft geführt hatte (SA Bl. 146 ff. und Bl. 168 ff.). Damit lagen bei Eröffnung des Hauptverfahrens zumindest hinreichend sichere Tatsachen dafür vor, dass der Mittäter des Angeklagten jedenfalls im Versuchsstadium des Delikts - was für die Zuständigkeitsbegründung ausreichend ist (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88) - im Bezirk des erkennenden Gerichts eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat. Damit war auch für den Angeklagten die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf begründet.
25
3. Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 i.V.m. § 24 StPO ist unzulässig , weil die Revision den Inhalt der dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter nicht mitteilt (Meyer-Goßner aaO, § 338 Rn. 29 mwN).
26
4. Der Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 76 Abs. 2 GVG bleibt der Erfolg schon deshalb versagt, weil in der Hauptverhandlung ein auf die Verletzung des § 76 Abs. 2 GVG gestützter Besetzungseinwand nach § 222b StPO nicht erhoben worden ist (Meyer-Goßner aaO, § 222b Rn. 3a und

7).


Becker Sost-Scheible RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 388/17
vom
12. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
1.
alias:
2.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:121217B3STR388.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 12. Dezember 2017 einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 16. März 2017 werden als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge des Angeklagten O. , § 247a Abs. 1 StPO sei verletzt, weil die audiovisuelle Vernehmung der Zeugen C. und K. nicht durch Gerichtsbeschluss angeordnet gewesen sei, deckt einen Rechtsfehler auf, der indes nicht zur Aufhebung des Urteils führt, weil dieses nicht auf dem Verfahrensfehler beruht.
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Nachdem die genannten , in den Niederlanden lebenden Zeugen nicht zur Hauptverhandlung erschienen waren, hat der Vorsitzende außerhalb der Hauptverhandlung deren Videovernehmung im Wege der Rechtshilfe verfügt, die daraufhin durchgeführt worden ist.
Dieses Vorgehen erweist sich als rechtsfehlerhaft. § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt für die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen einen Gerichtsbeschluss. Dieser Beschluss bedarf zwar, da er nicht anfechtbar ist (§ 247a Abs. 1 Satz 2 StPO), grundsätzlich keiner Begründung (§ 34 StPO); erforderlich ist jedoch, dass das Gericht kenntlich macht, auf welchen Ausnahmetatbestand des § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO es die Anordnung stützt (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 15). Fehlt ein solcher Beschluss, begründet dies in der Regel die Revision, weil das Revisionsgericht nicht überprüfen kann, ob die Voraussetzungen des § 247a StPO vorgelegen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 5 StR 597/07, NStZ 2008, 421).
Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil aber - allein - deshalb nicht, weil der Senat ausschließen kann, dass die Feststellungen auf den Angaben der Zeugen gründen. Beide Zeugen haben sich bei ihrer audiovisuellen Vernehmung lediglich zur Person des Angeklagten geäußert und sich im Übrigen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Die Zeugin C. hat dabei den Angeklagten in der audiovisuellen Vernehmung nicht einmal mehr identifizieren können. Der Zeuge K. hat ihn zwar wiedererkannt , doch hat er damit nicht weiter zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen. Vielmehr belegt das Landgericht seine Feststellung, dass es sich bei dem Angeklagten O. um den "M. " gehandelt hat, der die Zeugen als Rauschgiftkuriere einsetzte, rechtsfehlerfrei mit den früheren Aussagen der Zeugen sowie den Angaben des Zeugen D. , der in der Hauptverhandlung erschienen ist und den Angeklagten als "M. " identifiziert hat.
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 545/18
vom
5. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Urkundenfälschung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:050219B5STR545.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 5. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, analog § 354 Abs. 1, § 354 Abs. 1b, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten O. A. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. April 2018 – soweit es ihn betrifft –
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 51, 53, 55, 56, 67 bis 86, 88, 115, 116, 118, 119, 121, 123 und 124 aufgehoben; diese Strafen entfallen;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, zu treffen ist.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass gegen den Angeklagten Y. A. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.211,49 Euro angeordnet wird und er hinsichtlich des Teilbetrages von 4.906,72 Euro, in dessen Höhe gegen den Angeklagten O. A. die Einziehung angeordnet ist, mit diesem Angeklagten sowie hinsichtlich des Teilbetrages von 850,93 Euro, in dessen Höhe gegen den Mitangeklagten E. die Einziehung angeordnet ist, mit dem Mitangeklagten E. als Gesamtschuldner haftet.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Der Angeklagte Y. A. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Y. A. wegen Urkundenfälschung in 50 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Betrug sowie in fünf Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug, unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Weiterhin hat es diesen Angeklagten wegen Urkundenfälschung in 73 Fällen, davon in 60 Fällen in Tateinheit mit Betrug sowie in neun Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug, zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten O. A. hat es wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 38 Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daneben hat es gegen beide Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die Angeklagten wenden sich gegen dieses Urteil mit ihren jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen; der Angeklagte O. A. hat sein Rechtsmittel wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Revisionen haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich der den nicht revidierenden Mitangeklagten E. betreffenden Einziehungsentscheidung; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. In Bezug auf den Angeklagten O. A. hält der Strafausspruch zu den 32 in der Entscheidungsformel aufgeführten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten O. A. wegen der 32 in den genannten Fällen zugrunde liegenden Taten nicht schuldig gesprochen, da er an ihnen nach den Feststellungen nicht unmittelbar beteiligt war und sie ihm auch nicht mittäterschaftlich zugerechnet wurden. Gleichwohl hat es – im selben Umfang wie bei dem wegen dieser Taten verurteilten Angeklagten Y. A. – auch gegen ihn auf Freiheitsstrafen von sechsmal je elf Monaten und von 26-mal je einem Jahr erkannt. Diese Strafen müssen entfallen, da sie von dem durch die Rechtsmittelbeschränkung in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch nicht umfasst sind. In Anbetracht der Vielzahl der Strafen, die vom Landgericht danach rechtsfehlerhaft bei seiner Gesamtstrafenbildung gemäß § 54 Abs. 1 StGB berücksichtigt worden sind, ist auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs geboten.
4
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht. Die Kosten- und Auslagenentscheidung bezüglich des Angeklagten O. A. war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
5
2. Die Einziehungsentscheidungen des Landgerichts bedürfen teilweiser Abänderung und Ergänzung.

6
a) Hinsichtlich des Umfangs der gegen den Angeklagten Y. A. angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen war in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO der Einziehungsbetrag wegen des vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführten Rechenfehlers bezüglich des im Fall 116 nur zur Hälfte eingelösten gefälschten Rezepts zu berichtigen.
7
b) Bei der Anordnung einer Einziehung nach §§ 73, 73c StGB bei mehreren Beteiligten, die an demselben Vermögenswert unmittelbar aus der Tat (Mit-) Verfügungsmacht gewonnen haben, ist von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen und diese in die Entscheidungsformel aufzunehmen (BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17). Auch insoweit ordnet der Senat selbst in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in Höhe des Einziehungsbetrages von 4.906,72 Euro die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Angeklagten untereinander an.
8
Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Abänderung des Rechtsfolgenausspruchs im Hinblick auf die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung auf den Mitangeklagten E. zu erstrecken, soweit auch gegen ihn hinsichtlich eines Teilbetrages der insgesamt vom Angeklagten Y. A. erlangten Taterträge der Wertersatz in Höhe von 850,93 Euro angeordnet ist. Die Einziehungsentscheidung beruht auch bei ihm auf dem aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangel (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17; Beschlüsse vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vom 10.April 2018 – 5 StR 101/18).
Sander Schneider Berger
Eschelbach Köhler

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.