Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 5 StR 264/12
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten L. und die Revision des Angeklagten T. werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer T. Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen; er hat jedoch die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in vier Fällen (B.I.1, 2, 4 und 5 der Urteilsgründe) und wegen schweren Bandendiebstahls (B.I.3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren (L. ) bzw. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten (T. ) verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und mate- riellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten L. erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel ebenso wie die Revision des Angeklagten T. unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die gegen den Angeklagten L. wegen der Raubtaten verhängten Einzelfreiheitsstrafen von sieben Jahren (B.I.2 der Urteilsgründe) und jeweils sechs Jahren (B.I.1, 4 und 5 der Urteilsgründe) halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Tatgericht bei der Strafzumessung die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Außergewöhnlich hohe Strafen bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich machen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5 mwN). Diesem Maßstab genügen die Darlegungen des Landgerichts nicht. In Fällen, in denen ein minder schwerer Fall trotz gewichtiger mildernder Umstände , namentlich die Unbestraftheit des Angeklagten, seine Teilgeständigkeit und sein jeweils untergeordneter Tatbeitrag, letztlich rechtsfehlerfrei verneint worden ist, bedarf es jedenfalls dann einer eingehenderen Begründung, wenn die verhängten Einzelstrafen deutlich über dem erhöhten Mindestmaß liegen. Daran fehlt es hier.
- 4
- 2. Die Aufhebung der Einzelstrafen hinsichtlich der begangenen Raubtaten zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Die für den schweren Bandendiebstahl verhängte Freiheitsstrafe ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie kann daher bestehen bleiben. Die Feststellungen zu den Raubtaten können ebenfalls bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitergehende Feststellungen können getroffen werden, wenn sie den bisherigen nicht widersprechen.
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- 3. Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück, weil sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch geändert und wie folgt neu gefasst: Der Angeklagte ist schuldig der Geldfälschung in fünf Fällen und der Beschaffung von falschen amtlichen Ausweisen.
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 5 der Urteilsgründe (Beschaffung von Falschgeld im Nennwert von 110.000 Euro) sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in sechs Fällen und wegen Beschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Nach Verfahrensbeschränkung im Fall II. 7 der Urteilsgründe (Falschgeldnote im Nennwert von 100 Euro nach Festnahme des Angeklagten ) hat das Rechtsmittel den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.
II.
- 3
- 1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat nach der Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO zum Schuldspruch einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht ergeben.
- 4
- 2. Soweit die vom Landgericht in den Fällen II. 1, 2, 3, 4 und 6 verhängten Einzelstrafen betroffen sind, ist auch der Strafausspruch frei von Rechtsfehlern. Jedoch hält die Bemessung der im Fall II. 5 verhängten Einsatzstrafe von sechs Jahren und neun Monaten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 5
- a) Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat diese Abwägung umso sorgfältiger zu erfolgen, je mehr sich die für angemessen gehaltene Strafe der unteren oder der oberen Grenze des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nähert. Außergewöhnlich hohe Strafen bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (BGH, Beschluss vom 19. März 1982 - 2 StR 30/82, StV 1983, 102; Beschluss vom 11. Oktober 1985 - 2 StR 518/85, StV 1986, 57; Beschluss vom 6. Oktober 1993 - 3 StR 270/93, BGHR StGB § 222 Strafzumessung 1).
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- b) Gemessen daran hat das Landgericht die beträchtliche Höhe der verhängten Einsatzstrafe hier nicht rechtsfehlerfrei begründet. Zwar wird die Erwägung der Strafkammer, zu Lasten des Angeklagten spreche insbesondere seine Nähe zu Strukturen der organisierten Kriminalität, die es ihm ermöglicht habe, kurzfristig eine Falschgeldmenge in beachtlicher Qualität zu beschaffen, von den zum Tathergang getroffenen Feststellungen getragen. Den Urteilsausführungen ist jedoch zu entnehmen, dass dieser Gesichtspunkt für die Festsetzung der übrigen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe gleichermaßen bestimmend war. Auch wenn die weiteren Fälle Falschgeldmengen zu geringeren NennwertBeträgen betrafen, zeigt die genannte Erwägung daher nicht solche Besonderheiten des im Fall II. 5 der Urteilsgründe festgestellten Sachverhalts auf, die in nachvollziehbarer Weise erklären könnten, weshalb die Verhängung einer derart hohen Strafe gerade in diesem Einzelfall erforderlich gewesen sein soll. Die Strafzumessung des Landgerichts lässt ferner besorgen, dass die Strafkammer dem - ausdrücklich erwogenen - Umstand, das Falschgeld im Fall II. 5 sei durch den Abnehmer Z. an einen verdeckten Ermittler übergeben worden und daher nicht in den Zahlungsverkehr gelangt, in diesem Zusammenhang ein zu geringes Gewicht beigemessen hat (vgl. dazu schon Senatsbeschluss vom 6. Mai 2010 - 4 StR 98/10, den gesondert verfolgten Z. betreffend).
- 7
- Über die betreffende Einzelstrafe ist deshalb neu zu befinden. Dies entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die der Strafbemessung zu Grunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt; sie können daher bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.