Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 321/19

bei uns veröffentlicht am31.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 321/19
vom
31. Juli 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:310719B5STR321.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 31. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14. März 2019 mit den der Unterbringungsanordnung zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Geschehen der Taten II.1 bis 3 der Urteilsgründe bleiben aufrechterhalten.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen leidet die – bislang lediglich im Jahr 2015 wegen Erschleichens von Leistungen in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilte – Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Im Jahr 2018 beging die Beschuldigte folgende Taten, wobei ihr infolge floriden Krankheitszustandes die Unrechtseinsicht fehlte:
3
a) Am 10. März stieß sie eine in ihrer sozialtherapeutischen Wohngruppe tätige Mitarbeiterin unvermittelt mit beiden Händen wuchtig gegen die Schulter, so dass diese mit dem Hinterkopf gegen eine Wand prallte und Schulter- und Kopfschmerzen erlitt.
4
b) Am 6. April versuchte sie vergeblich, den sie seines Lokals verweisenden Inhaber mit Schlägen und Tritten zu verletzen.
5
c) Am 22. April schlug sie einer im Hauptbahnhof an ihr vorbeigehenden uniformierten Polizistin für diese schmerzhaft mit der Hand auf einen Unterarm.
6
d) Nachdem sie in der Nacht zum 29. April von der Mitarbeiterin einer Tankstelle keinen Kaffee „auf Kredit“ bekommen hatte, warf die Beschuldigte zunächst auf dem Gelände befindliche Waren auf den Boden, die hierdurch teilweise zu Bruch gingen. Anschließend nahm sie eine Zapfpistole in die eine und ein entflammtes Feuerzeug in die andere Hand, bis ein Taxi eintraf, zu dem sie sich sodann begab.
7
2. Das Landgericht hat die zu 1. a), c) und d) festgestellten Anlasstaten – sowie zwei weitere Geschehnisse, hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO verfahren war (die Beschuldigte hatte am 29. August zwei Verkäuferinnen getreten und zwei Tage später einen Betonblumenkübel durch eine gläserne Terrassentür eines Wohnhauses geworfen) – nicht als „noch hinzunehmende bloße Belästigungen oder Bagatellen“ angesehen, sondern als massive Beeinträchtigungen des persönlichen Sicherheitsempfin- dens der unmittelbar Betroffenen oder auch unbeteiligter Dritter. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei mit weiteren Taten der Beschuldigten zu rechnen, die den ihr vorgeworfenen entsprächen, aber „wegen der ständigen Verfügbarkeit von Feuerzeugen“ auch mit Brandstiftungen.
8
3. Die Unterbringung der Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Urteil lässt schon nicht erkennen, auf welche Alternative des § 63 StGB das Landgericht seine Anordnung hat stützen wollen. Jedenfalls hat es seine Gefährlichkeitsprognose an einem falschen Maßstab ausgerichtet. Denn es hat selbst die soeben unter 2. bezeichneten Taten lediglich als massive Beeinträchtigungen des persönlichen Sicherheitsempfindens der unmittelbar Betroffenen oder unbeteiligter Dritter eingestuft. § 63 StGB verlangt hingegen in seinem Satz 1 Anlasstaten, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet“ worden sind, oder aber in seinem Satz 2 die durch besondere Umstände getragene Erwartung, der Täter werde gerade solche Taten begehen.
9
Soweit das Landgericht sich im Rahmen seiner Prognose der sachver- ständigen Einschätzung angeschlossen hat, die Beschuldigte sei „in der Vergangenheit durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen“, wird dies durch die Feststellungen nicht belegt; als strafrechtlich relevant wird lediglich das – zudem bereits 2015 abgeurteilte – Erschleichen von Leistungen in fünf Fällen angeführt.
10
4. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch die der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zugrunde gelegten Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO), mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Geschehen der Taten II.1 bis 3. Hiervon sind zudem diejenigen zu einer am 8. Mai 2017 verübten Brandstiftung nicht erfasst; insofern hat sich das Landgericht von einer Täterschaft der Beschuldigten nicht überzeugen können.
11
5. Sollten in der neuen Hauptverhandlung zum Geschehen auf der Tankstelle (1.d) den bisherigen vergleichbare Feststellungen getroffen werden, so wird das neue Tatgericht die Frage näher in den Blick zu nehmen haben, ob die Beschuldigte hierdurch bereits eine Brandgefahr im Sinne des § 306f Abs. 1 Nr. 1 StGB verursacht hat.
12
6. Mit der Aufhebung des Urteils hat sich die erhobene Kostenbeschwerde erledigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 5 StR 581/12).
Mutzbauer Sander Schneider
König RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 321/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 321/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 306f Herbeiführen einer Brandgefahr


(1) Wer fremde 1. feuergefährdete Betriebe oder Anlagen,2. Anlagen oder Betriebe der Land- oder Ernährungswirtschaft, in denen sich deren Erzeugnisse befinden,3. Wälder, Heiden oder Moore oder4. bestellte Felder oder leicht entzündliche Erzeugnisse d
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 306f Herbeiführen einer Brandgefahr


(1) Wer fremde 1. feuergefährdete Betriebe oder Anlagen,2. Anlagen oder Betriebe der Land- oder Ernährungswirtschaft, in denen sich deren Erzeugnisse befinden,3. Wälder, Heiden oder Moore oder4. bestellte Felder oder leicht entzündliche Erzeugnisse d

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2013 - 5 StR 581/12

bei uns veröffentlicht am 12.06.2013

5 StR 581/12 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 12. Juni 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2013 beschlossen: Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des L

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Wer fremde

1.
feuergefährdete Betriebe oder Anlagen,
2.
Anlagen oder Betriebe der Land- oder Ernährungswirtschaft, in denen sich deren Erzeugnisse befinden,
3.
Wälder, Heiden oder Moore oder
4.
bestellte Felder oder leicht entzündliche Erzeugnisse der Landwirtschaft, die auf Feldern lagern,
durch Rauchen, durch offenes Feuer oder Licht, durch Wegwerfen brennender oder glimmender Gegenstände oder in sonstiger Weise in Brandgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 bezeichnete Sache in Brandgefahr bringt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt oder in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

5 StR 581/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2013

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 6. Juni 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, den Angeklagten H. zudem noch wegen versuchter Erpressung verurteilt und gegen beide Angeklagten Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die hiergegen gerichteten Revisionen der beiden Angeklagten haben in vollem Umfang Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat die Verurteilungen wegen Betruges nicht rechtsfehlerfrei begründet.
3
a) Es sieht einen (mittäterschaftlichen) Betrug darin, dass die Angeklagten als für die A. in S. tätige Beratungsapotheker bei der Versorgung von Krebspatienten durch ermächtigte Krankenhausärzte der Abrechnung von Medikamenten zu Klinikpreisen zustimmten. Ebenso hätten die Angeklagten betrügerisch gehandelt, indem sie im Zusammenwirken mit der beliefernden Apotheke bei aus Fertigarzneimitteln zusammengestellten Medikamenten die Abrechnung eines hierfür nicht vorgesehenen Hersteller- rabatts veranlassten. Beides hat das Landgericht als jeweils selbständige Betrugshandlung (Verkaufs- und Rabattschaden) gewertet, welche die Angeklagten jeweils in Mittäterschaft mit den leistenden und abrechnenden Apothekern begangen hätten.
4
b) Dies hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil die Wirtschaftsstrafkammer nicht hinreichend konkret dargelegt hat, wie die beiden Angeklagten in das System der Arzneimittelbeschaffung eingebunden waren. Dies war erforderlich, weil sowohl der Bezug auf die Verschreibung der ermächtigten Ärzte als auch deren Abrechnung durch die leistenden Apotheker ohne unmittelbare Beteiligung der Angeklagten erfolgt ist. Die Formu- lierung: „Die Angeklagten wirkten mit“, ist zu floskelhaft, um dem Revisions- gericht eine Überprüfung der Verurteilung der Angeklagten als Mittäter zu ermöglichen. Ebenso wenig erlauben die insoweit wenig aussagekräftigen Urteilsgründe eine Einordnung des Handelns der Angeklagten als Tun. Es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der soziale Handlungsschwerpunkt auf einem Unterlassen liegt, etwa in Form einer – dann nicht einmal zwingend gegen eine Garantenpflicht verstoßenden – Nichtbeanstandung namens der A. gegenüber den bei dieser geltend gemachten Abrechnungen. Schließlich genügen auch die Ausführungen zur Schadenshöhe den rechtlichen Anforderungen nicht, weil sich das Landgericht insoweit allein auf die Ergebnisse der sachverständigen Zeugin K. stützt, ohne konkret den Rechenweg wenigstens in seinen grundlegenden Zügen mitzuteilen. Die Schadensberechnung war hier kein lediglich einfacher Rechenschritt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546), bei dem die bloße Ergebnismitteilung ausreichen könnte.
5
c) Durchgreifenden Bedenken begegnet aber jedenfalls die Feststellung des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel preisgebunden sind. Für diese werden nach § 78 AMG i.V.m. der Arzneimittelpreisverordnung Preise und Spannen durch Rechtsverordnung fest- gelegt (vgl. zur Entstehungsgeschichte Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 78 Rn. 2 ff.). Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 dieser Verordnung (AMPreisV) gelten die durch die Verordnung vorgegebenen Spannen nicht für die Abgabe an Krankenhäuser (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2012 – 5 StR 1/12, NStZ 2012, 628).
6
Das Landgericht beschränkt sich jedoch darauf, die Preise für Fertigarzneimittel aus dem Krankenhaus- und dem Offizinbereich (gegebenenfalls unter Berücksichtigung zusätzlicher zulässiger Rabatte) gegenüberzustellen. Dies begegnet hier durchgreifenden Bedenken. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, begründet die täuschungsbedingte Erzielung niedrigerer Preise nicht ohne weiteres einen Vermögensschaden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erzielten Preise zumindest kostendeckend sind. Da der Betrug nicht die Vermögensmehrung schützt, sondern nur den Vermögensbestand , kommt eine Verurteilung wegen Betruges nur dann in Betracht , wenn die Möglichkeit des Absatzes für das liefernde Unternehmen auch zu dem höheren Preis gesichert erscheint. Nur in diesem Fall läge nämlich ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB vor (BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2004 – 5 StR 136/04, NJW 2004,2603, und vom 14. Juni 1991 – 3 StR 155/91, NJW 1991, 2573).
7
Mit dieser Frage setzt sich die Wirtschaftsstrafkammer hier nicht auseinander , weil sie mögliche andere Bezugsquellen nicht berücksichtigt. Es hätte nämlich der Erörterung bedurft, ob sich die Arzneimittel auf dem Generika -Markt oder dem Markt für Parallelimporte dann zu ähnlichen, jedenfalls günstigeren Bedingungen hätten beschaffen lassen. Die Differenz zum Offizinpreis stellt deshalb nicht zwangsläufig den Schaden dar, wenn das Arzneimittel anderweitig hätte günstiger beschafft werden können. Dies gilt im Übrigen auch für die Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln. Insoweit muss geprüft werden, ob ohne den Ansatz des Herstellerrabatts (§ 130a SGB V) vergleichbar günstig Produktalternativen zur Verfügung gestanden hätten.
8
Die Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte (Beschluss vom 22. August 2012 – GemS-OBG 1/10, BGHZ 194, 354) schließt ein solches vergleichendes Vorgehen nicht aus. Dort ist zwar ausgeführt , dass die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimitteln gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben. In der Entscheidung wird aber auch darauf hingewiesen, dass der (Preis-)Wettbewerb auf der Ebene der pharmazeutischen Unternehmer (§ 4 Abs. 18 AMG) zulässig bleibt. Nur um diesen Beschaffungsvorgang von dem pharmazeutischen Unternehmer geht es hier. Daneben gilt, dass der Herstellerrabatt ebenso wenig wie das deutsche Preisrecht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für eingeführte Arzneimittel gelten würde (BSGE 101, 161). Jedenfalls bis zur Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte ist von dieser Rechtsprechung auszugehen (vgl. dazu Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann , AMG, 2012, § 78 Rn. 79 ff.).
9
d) Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand reichen hier ebenfalls nicht aus. Das Landgericht schließt aus dem Gespräch der Angeklagten mit dem Apotheker B. wie auch aus der Höhe der abgerechneten Preise, dass die beiden Angeklagten den Einsatz von Klinikware kannten. Gleichfalls folgert es aus den Bekundungen des Zeugen B. auch ihr Wissen um die unberechtigte Inanspruchnahme des Herstellerrabatts. Die Wirtschaftsstrafkammer verhält sich jedoch nicht zu der Frage, ob die Angeklagten auch die vorgelagerte rechtliche Bewertung in ihrer (als Nichtjuristen) jedenfalls partiell laienhaften Sphäre zutreffend gewürdigt haben.
10
Die Regelung des § 14 Abs. 4 ApoG lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass die Belieferung der ermächtigten Krankenhausärzte zwingend zu Offizinpreisen zu erfolgen hätte. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Rechtsfolge aus § 1 Abs. 3 AMPreisV. Insoweit hat das Landgericht diesen Normbefehl, auf den sich die Betrugsstrafbarkeit bezog, nicht deutlich herausgearbeitet (vgl. BVerfG [Kammer] NJW 2002, 3693). Insbesondere hätte sich das Landgericht mit der Frage befassen müssen, welche Vorstellung die Angeklagten hatten. Der bloße Bezug auf ein Schreiben, in dem diese Auffassung vertreten wird, vermag isoliert keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Belieferung mit Krankenhausware begründen. Auch insoweit kommt es auf den – vom Landgericht nicht näher beleuchteten – Gesamtkontext der Bestellungen an. Hielten die Angeklagten nämlich eine Versorgung der von ermächtigten Krankenhausärzten in den Räumen des Krankenhauses ambulant behandelten Patienten für rechtlich möglich, dann könnte ihnen gegenüber den beliefernden pharmazeutischen Unternehmen der Täuschungsvorsatz im Sinne des § 263 StGB fehlen.
11
Zudem arbeitet das Landgericht in diesem Teil der Urteilsgründe mit Verweisungen auf im Selbstleseverfahren eingeführte Urkunden. Dies ist nicht zulässig (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO – vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – KRB 20/12 Rn. 41, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt

).


12
2. Soweit der Angeklagte H. wegen versuchter Erpressung verurteilt wurde, hat schon der Generalbundesanwalt gemäß § 349 Abs. 4 StPO die Aufhebung beantragt. Er hat zutreffend ausgeführt, dass eine Drohung im Sinne der §§ 240, 253 StGB nicht hinreichend belegt ist, zudem die Ausführungen im Urteil zum Vermögensnachteil unzureichend sind.
13
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche zieht auch die umfassende Aufhebung der Feststellungen nach sich, weil die bislang getroffenen Feststellungen lückenhaft sind. Das Verfahren gibt Anlass zu dem Hinweis, dass gegen nicht geständige Angeklagte eine Verständigung nach § 257c StPO allenfalls in – hier nicht in Betracht kommenden – Ausnahmekonstellationen möglich sein kann (§ 257c Abs. 2 Satz 3 StPO), weil in solchen Fällen eine nicht hinnehmbare Beschränkung der unbedingten Pflicht zur umfassenden Wahrheitsermittlung zu besorgen sein könnte (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, NJW 2013, 1058, 1068 f.). Im Hinblick auf die Vielzahl der Strafmilderungsgründe und die lange zurückliegenden Tatzeiten wird eine Sachbehandlung nach § 153 StPO, allenfalls nach § 153a StPO naheliegen. Gänzlich fernliegend erscheint es allerdings, bei den Angeklagten im Verurteilungsfalle erneut den Regelstrafrahmen des besonders schweren Falles nach § 263 Abs. 3 StGB zugrunde zu legen.
14
Mit der Urteilsaufhebung erledigt sich die Kostenbeschwerde des He. .
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