Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2002 - 5 StR 342/02

bei uns veröffentlicht am21.08.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 342/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. August 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2002

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. Februar 2002 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben ; das Rechtsmittel ist deshalb unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nichterörterung des Gesamtstrafübels stellt hier keinen Rechtsfehler dar.
Der Angeklagte ist neben der gegen ihn vorliegend verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten mittlerweile, wie dem Senat aus dem entsprechenden Revisionsverfahren bekannt ist, vom Landgericht Leipzig zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Deren Einzelstrafen können indes mit den im vorliegenden Verfahren verhängten Einzelstrafen wegen der Zäsurwirkung einer dritten Verurteilung nicht in Anwendung des § 55 StGB im Verfahren nach § 460 StPO auf eine einheitliche Gesamtstrafe zurückgeführt werden. Der Senat übersieht nicht, daß der Angeklagte durch die nebeneinander bestehenden beiden Gesamtstrafen von insgesamt mehr als sieben Jahren ein nicht unbedenklich hohes Gesamtstrafübel erfährt.
Bei gleichzeitiger Aburteilung hätte der Tatrichter bei der gegebenen Sachlage nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 41, 310; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 11; BGH, Beschl. vom 8. Februar 2000 – 4 StR 488/99) durch Berücksichtigung des Gesamtstrafübels auf den Nachteil Bedacht nehmen müssen, der sich für den Angeklagten aus der Zäsurwirkung des nur mit den Strafen aus der anderen Verurteilung gesamtstrafenfähigen Urteils des Amtsgerichts Hof ergab. Mangels Rechtskraft der anderen Verurteilung war dem Tatrichter eine solche Berücksichtigung nicht möglich. Freilich ist es ein Gebot der Gerechtigkeit , daß der Angeklagte auch bei der vorliegenden Fallgestaltung eine nachträgliche Überprüfung der Angemessenheit des Gesamtstrafübels durch die hier festgesetzte und die weitere, erst nach der letzten tatgerichtlichen Überprüfung in Rechtskraft erwachsene Gesamtstrafe erlangen kann, nicht anders, als es bei Gesamtstrafenfähigkeit gemäß § 55 StGB durch das Verfahren nach § 460 StPO gewährleistet ist. Hierfür wird eine entsprechende Anwendung des von Amts wegen oder auf seinen Antrag einzuleitenden Verfahrens nach § 460 StPO geboten sein (vgl. dazu BVerfG [Kammer], Beschluß vom 11. Juni 1991 – 2 BvR 709/91; OLG Koblenz NStZ 1991, 555; OLG Zweibrücken NStZ 1996, 303; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 460 Rdn. 4), in dem die Angemessenheit des Gesamtstrafübels zu überprüfen und erforderlichenfalls durch Herabsetzung einer der Gesamtstrafen , tunlichst der zuletzt in Rechtskraft erwachsenen, wiederherzustellen sein wird.
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Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2002 - 5 StR 342/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2002 - 5 StR 342/02

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2002 - 5 StR 342/02 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2000 - 4 StR 488/99

bei uns veröffentlicht am 08.02.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 488/99 vom 8. Februar 2000 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Februar 2000 gemäß §

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 488/99
vom
8. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Februar 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 22. April 1999 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mannheim zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Vergewaltigung in vier Fällen, sexueller Nötigung und wegen mehrerer Straßenverkehrsdelikte unter Einbeziehung einer Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen ihn wegen Vergewaltigung und anderem eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Schließlich hat das Landgericht gegen den Angeklagten eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren ausgesprochen und Führungsaufsicht angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel ist, soweit es den Schuldspruch betrifft, im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Es führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.
1. Zwar gefährdet es den Bestand des Urteils nicht, daß in den Urteilsgründen - ohne daß für diesen Widerspruch eine Erklärung ersichtlich ist – abweichend von der verkündeten Urteilsformel (Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren) für die zweite Gesamtstrafe ”eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen” erachtet wird. Insoweit gilt die für den Angeklagten günstigere verkündete Urteilsformel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 1998 – 4 StR 171/98 - und vom 17. Dezember 1999 – 1 StR 630/99).
2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben, da zu besorgen ist, daß das Landgericht die Möglichkeit eines zu hohen Gesamtstrafübels nicht hinreichend bedacht hat.
Nötigt wie hier die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Verurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muß das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Es muß also darlegen, daß es sich dieser Sachlage bewußt gewesen ist und erkennen lassen, daß es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGHSt 41, 310, 313; BGHR StGB § 55 Bemessung 1; 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 11, 12 und 13). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat nämlich hierzu bei der Bemessung der Gesamtstrafen lediglich ausgeführt, ”daß sich die Bildung von zwei Gesamtstrafen angesichts der niedrigen Strafe
[von fünf Monaten Freiheitsstrafe] des die Zäsur bildenden Urteils eher nachteilig für den Angeklagten auswirkt” (UA 110). Damit hat es aber weder die Gesamthöhe des ausgesprochenen Freiheitsentzuges von immerhin acht Jahren erkennbar auf ihre Schuldangemessenheit geprüft noch das Ergebnis dieser Überprüfung für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargelegt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß die Bemessung der Gesamtstrafen auf diesen Mangel beruht, zumal die Taten des Angeklagten teilweise bereits längere Zeit zurückliegen (Tatzeit im Fall 1: August 1991; im Fall 2.1: 10. Juni 1995), zudem die das Schwergewicht der Verurteilung bildenden Straftaten nach § 177 StGB überwiegend im Rahmen bestehender sexueller Beziehungen begangen wurden und das hierbei vom Angeklagten angewandte Maß der Gewalt eher im unteren Bereich anzusiedeln ist. Er hebt auch die Einzelstrafen und die Maßregelaussprüche auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, umfassend über die Rechtsfolgen zu befinden. Dieser wird auch zu bedenken haben, daß die Anordnung von Führungsaufsicht, die die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit des Angeklagten voraussetzt (vgl. hierzu Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 68 Rdn. 6), bei der Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen in der Regel entbehrlich ist (vgl. BGHR StGB § 256 Führungsaufsicht 1; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 68 Rdn. 6).
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch.
Meyer-Goßner Kuckein Athing Ernemann

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.