Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 345/19

bei uns veröffentlicht am31.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 345/19
vom
31. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:310719B5STR345.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 31. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. April 2019 werden verworfen, die Revision des Angeklagten E. jedoch mit der Maßgabe, dass er der Beihilfe zum besonders schweren Raub schuldig ist.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Die Revision des Angeklagten E. führt lediglich zu einer Schuldspruchänderung ; im Übrigen ist sie ebenso wie das Rechtsmittel des Angeklagten G. offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Beihilfe zum besonders schweren räuberischen Diebstahl verurteilt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen begann der durch das Vorgehen des Haupttäters Ed. überrumpelte Geschädigte, der aus Angst um sein Leben gegen die Wegnahme seines Handys keinen Widerstand geleistet hatte, „aufzubegehren“ und rief um Hilfe. Daraufhin griff der Angeklagte E. zugunsten des Ed. in das Geschehen ein und hielt dem Geschädigten den Mund zu, um weitere Hilferufe zu unterbinden. Hiermit sollte eine Alarmierung hilfsbereiter Dritter verhindert werden, die zum Verlust des Handys hätte führen können. Ed. reagierte auf das Aufbegehren des Geschädigten, indem er sein mitgeführtes Messer zog und ihm auf kurze Distanz vor das Gesicht hielt. Er wollte ihn hiermit zum Schweigen bringen und zugleich von einem Versuch abhalten, das Handy wiederzuerlangen. Der Angeklagte E. , der den von Ed. mit dem Messereinsatz verfolgten Zweck erkannte, blieb bei seinem Entschluss, ihn zu unterstützen. Er hielt dem Geschädigten weiterhin den Mund zu und erneuerte auch seinen Griff.
4
b) Der Haupttäter Ed. hatte mithin sein bei sich geführtes Messer noch vor Beendigung des schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB) in der Absicht verwendet, seine Beute zu sichern. Dies genügt nach herrschender Auffassung zur Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377 f.; vom 8. Juli 2008 – 3 StR 229/08, NStZ-RR 2008, 342, 343, und vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 299/13, StV 2014, 282, 283; vgl. zum Streitstand MüKoStGB-Sander, 3. Aufl., § 250 Rn. 34, 59). Bei seiner Förderung der Beutesicherung hatte der Angeklagte E. nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Einsatz des Nötigungsmittels durch Ed. erkannt und in seinen Gehilfenvorsatz aufgenommen.
5
c) Der Senat ändert den Schuldspruch ab. § 265 StPO steht nicht entgegen; es ist ausgeschlossen, dass der Angeklagte E. sich anders als geschehen hätte verteidigen können.
6
Der Strafausspruch bleibt davon unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Tatgericht bei gleichbleibendem Strafrahmen eine noch niedrigere als die erkannte Bewährungsstrafe gegen den Angeklagten E. verhängt hätte.
7
2. Der Angeklagte G. ist durch den Schuldspruch lediglich wegen Beihilfe zum Diebstahl nicht benachteiligt.

Mutzbauer Sander Schneider RiBGH Prof. Dr. Mosbacher Berger ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 345/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 345/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 345/19 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2013 - 3 StR 299/13

bei uns veröffentlicht am 01.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 299/13 vom 1. Oktober 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. hier: Revision des Angeklagten S. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdefü

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2008 - 3 StR 229/08

bei uns veröffentlicht am 08.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 229/08 vom 8. Juli 2008 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung de

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 229/08
vom
8. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 8. Juli 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Januar 2008 werden verworfen; jedoch werden die Schuldsprüche dahin neu gefasst, dass im Fall A. II. 1. der Urteilsgründe
a) der Angeklagte R. des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe und
b) der Angeklagte D. des schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
2
Der näheren Erörterung bedarf nur der Schuldspruch gegen die Angeklagten im Fall A. II. 1. der Urteilsgründe. Die Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte R. bereits bei der Wegnahme der Geldbörse des Zeugen H. durch den Angeklagten D. die von ihm mitgeführte Schusswaffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet habe, obwohl sie zu Gunsten beider Angeklagter unterstellt hat, dass der Angeklagte R. erst danach eine Patrone in die Waffe einlegte. Die Drohung mit einer ungeladenen Schusswaffe erfüllt indes die an das Verwenden einer Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu stellenden Voraussetzungen auch dann nicht, wenn der Täter sie in wenigen Sekunden mit zwei oder drei schnellen Handgriffen hätte laden können (BGHSt 45, 249, 251 f.; Sander in MünchKomm-StGB § 250 Rdn. 63 m. w. N.).
3
Dies berührt den Bestand des Schuldspruchs gegen den Angeklagten R. jedoch nicht. Denn nach den Feststellungen lud dieser Angeklagte die Waffe spätestens im Anschluss an die Wegnahme und bedrohte den Zeugen H. damit, der sich seine Geldbörse von dem Angeklagten D. zurückholen wollte. Er setzte die geladene Waffe damit zur Beutesicherung - zwar nach der Vollendung des Raubs, aber noch vor dessen Beendigung - ein, was für ein Verwenden "bei der Tat" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausreichend ist (Fischer, StGB 55. Aufl. § 250 Rdn. 18 m. w. N.).
4
Dem Angeklagten D. hat das Landgericht - weil er erst durch die Abgabe des Schusses Kenntnis von der Schussbereitschaft der Waffe erhalten habe - das Verwenden der Schusswaffe für diese Tat nicht zugerechnet und insoweit zutreffend den Tatbestand des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB als erfüllt angesehen. Hinsichtlich der sich anschließenden räuberischen Erpressung zum Nachteil des Zeugen He. hat es hinge- gen im Ergebnis zutreffend auch bei dem Angeklagten D. die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen, die er im Wege der sukzessiven Mittäterschaft am Qualifikationstatbestand (vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 21 a) verwirklichte, indem er die durch den Schuss für den Zeugen He. entstandene Zwangswirkung erkannte und billigte und sich in Kenntnis des abgegebenen Schusses bis zum Verlassen des Tatorts am weiteren Tatgeschehen beteiligte.
5
Der Senat hat den Schuldspruch hinsichtlich beider Angeklagter zur Klarstellung neu gefasst, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der Qualifikation erfordert (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4). Soweit jeweils zurechenbar , war wegen der Verwirklichung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB durch die Verwendung der Schusswaffe deshalb auf "besonders schwerer Raub" bzw.
"besonders schwere räuberische Erpressung" zu erkennen. Die Angabe mittäterschaftlicher Begehung ("gemeinschaftlich") ist bei der Fassung der Urteilsformel dagegen entbehrlich und hat aus Gründen der Übersichtlichkeit zu unterbleiben (Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 260 Rdn. 24).
Becker Miebach Pfister von Lienen Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 299/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Revision des Angeklagten S.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und 4. auf dessen Antrag -
am 1. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 23. Mai 2013 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit er und der Angeklagten R. in den Fällen I. 2. a) und c) der Urteilsgründe verurteilt worden sind,
b) soweit es den Angeklagten S. betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit es den Angeklagten R. betrifft, im Ausspruch über die Jugendstrafe und im Maßregelausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Der verbleibende Schuldspruch wird dahin neu gefasst, dass die Angeklagten im Falle I. 2. b) der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Führen einer Schusswaffe schuldig sind.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
5. Der Teilfreispruch beider Angeklagter im vorbezeichneten Urteil entfällt. Die Nachtragsanklage der Staatsanwaltschaft vom 6. Mai 2013 ist gegenstandslos.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten schuldig gesprochen - der (besonders) schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit (besonders) schwerem Raub, mit gefährlicher Körperverletzung und mit einem "Verstoß gegen das Waffengesetz" [Fall I. 2. a) der Urteilsgründe], - der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit einem "Verstoß gegen das Waffengesetz" [Fall I. 2. b) der Urteilsgründe] sowie - der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem "Verstoß gegen das Waffengesetz" [Fall I. 2. c) der Urteilsgründe].
2
Den Angeklagten S. hat es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt; gegen den Angeklagten R. hat es unter Einbeziehung einer Vorverurteilung eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ausgesprochen und dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. "Im Übrigen" hat das Landgericht beide Angeklagte freigesprochen.
3
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Soweit die Revision Erfolg hat, ist die Entscheidung nach § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten R. zu erstrecken. Weiter führt das Rechtsmittel zur Klarstellung des verbleibenden Schuldspruchs sowie zum Wegfall des Teilfreispruchs.
4
1. Die Verurteilung der Angeklagten in den Fällen I. 2. a) und c) der Urteilsgründe hat keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung des Urteils auch in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe (Angeklagter S. ), die Jugendstrafe , sowie - im Hinblick auf § 5 Abs. 3 JGG - die Maßregelanordnung (Angeklagter R. ).
5
a) Im Falle I. 2. a) begegnet zunächst die zwar nicht in der Formel zum Ausdruck gebrachte, sich aber aus den Gründen ergebende rechtliche Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub (§§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
aa) Die Angeklagten bestiegen ein von ihnen angefordertes Taxi, um absprachegemäß den Fahrer zu überfallen. Der Angeklagte S. nahm auf dem Beifahrersitz Platz, der Angeklagte R. begab sich auf die Rückbank. Unmittelbar darauf hielt jeder der Angeklagten dem Fahrer eine Gaspistole an den Kopf. Unter der Drohung, ihm ansonsten eine Kugel in den Kopf zu schießen , forderte der Angeklagte S. von ihm die Herausgabe von Portemonnaie und Handy. Der Geschädigte übergab dem Angeklagten S. die TaxiGeldbörse mit 250 Euro Inhalt, die dieser ebenso an sich nahm wie einen im Fahrzeug vorgefundenen Kleinrechner. Auf die Aufforderung des Angeklagten S. "gib ihm eine" versetzte der Angeklagte R. dem Geschädigten beim anschließenden Aussteigen noch einen Schlag mit der Waffe auf den Kopf, wodurch dieser eine Schädelprellung erlitt.
7
bb) Davon, dass die Schreckschusswaffen geladen waren, hat sich das Landgericht - ungeachtet des im Falle I. 2. c) der Urteilsgründe festgestellten Waffengebrauchs durch beide Angeklagte - nicht überzeugen können. Es wertet vielmehr den Schlag des Angeklagten R. mit der Waffe als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Dies hält rechtlicher Überprüfung indes nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Der Einsatz des gefährlichen Werkzeugs erfolgte aus Sicht der Jugendkammer nach Vollendung, aber vor Beendigung der Tat. Zwar kann die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch noch in diesem Tatstadium verwirklicht werden (BGHSt 52, 376 ff.; 53, 234 ff.). Dabei muss aber das gefährliche Tatmittel zur weiteren Verwirklichung der Zueignungsabsicht - oder im Falle der §§ 253, 255, 250 Abs. 2 StGB der Bereicherungsabsicht - verwendet werden; der Einsatz des gefährlichen Werkzeugs muss mit Blick auf die erhöhte Strafandrohung des § 250 Abs. 2 StGB im Vergleich zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), b) StGB daher zumindest als Mittel zur Sicherung des Besitzes an dem erlangten Gut, mithin in Beutesicherungsabsicht erfolgt sein (BGHSt 52, 377; 53, 236 ff.). Ein Verwenden 'bei der Tat' nach Vollendung liegt ferner vor, wenn das gefährliche Werkzeug vor Beendigung der Tat mit dem Ziel einer weiteren Wegnahme eingesetzt wurde, diese aber nicht mehr zur Vollendung gelangte (BGH NJW 2010, 1385). Zweifelhaft ist hier schon, ob die Tat zum Zeitpunkt des Einsatzes des gefährlichen Werkzeugs nicht bereits beendet war. ... Dies kann aber dahin stehen. Selbst wenn die Tat noch nicht vollendet war, fehlt es hier jedenfalls an einer Beutesicherungsabsicht. Eine solche ergibt sich weder aus den Feststellungen noch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Vielmehr hatten der Angeklagte und sein Mittäter die Beute an sich genommen. Anhaltspunkte dafür, dass das Opfer oder ein hinzugetretener Dritter ihnen diese wieder streitig machen wollten, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen."
8
Dem schließt sich der Senat an. Von einer Bestätigung der formalen Schuldsprüche in der Urteilsformel wegen lediglich schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub (§§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) sieht der Senat indes ab, da in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen möglich erscheinen, welche die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB tragen.
9
b) Hinsichtlich des Angeklagten S. , kommt eine solche eigene Sachentscheidung des Senats im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil die insoweit lückenhaften Feststellungen auch seine Verurteilung wegen tateinheitlich hinzutretender gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) nicht tragen.
10
Was die subjektive Tatseite einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anbelangt, bleibt bereits offen, ob der Angeklagte S. bei seiner Aufforderung an den Angeklagten R. damit rechnete, dieser werde gerade mit der Schreckschusswaffe und nicht etwa nur mit der bloßen Hand oder Faust zuschlagen. Sollte die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs vom Vorsatz des Angeklagten S. nicht umfasst gewesen sein, könnte ihm zwar gleichwohl eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zur Last fallen. Auch dies entzieht sich indes abschließender Beurteilung durch den Senat, denn den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte S. bei seiner Aufforderung, den Geschädigten körperlich anzugreifen, überhaupt als Täter und nicht lediglich als Anstifter (§ 26 StGB) handelte. Wäre der Angeklagte S. insoweit Anstifter, so unterfiele sein Handeln nur dann der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, wenn er darüber hinaus noch einen fördernden Beitrag zu der Verletzungshandlung des Angeklagten R. selbst geleistet hätte (vgl. MüKoStGB/Hardtung, 2. Aufl., § 224 Rn. 34). Auch dies ist nicht festgestellt.
11
c) Bei beiden Angeklagten wird schließlich im Falle I. 2. c) die Verurteilung wegen - in Tateinheit mit dem Waffendelikt begangener - gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) von den Feststellungen nicht getragen.
12
Die Angeklagten verfolgten den Geschädigten während einer Auseinandersetzung in ein Treppenhaus. Dort zog der Angeklagte S. eine Schreckschusswaffe hervor und feuerte damit in stillschweigender Übereinkunft mit dem Angeklagten R. aus etwa drei Metern Entfernung dreimal in Richtung des Geschädigten. Die Knallgeräusche verursachten beim Geschädigten ein unangenehmes Pfeifen im Ohr, das über mehrere Stunden anhielt. Kurz danach feuerten beide von der Straße aus mit Schreckschusswaffen in Richtung des im Obergeschoss auf dem Balkon stehenden Geschädigten.
13
Danach ist zwar die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten durch ihr Handeln den objektiven Tatbestand der gemeinschaftlich und jedenfalls mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangenen Körperverletzung erfüllt , von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Zur subjektiven Tatseite verhält sich das Urteil indes nicht. Dass die Angeklagten zumindest damit rechneten und sich damit abfanden, die Schüsse würden beim Geschädigten zu Beeinträchtigungen des Gehörs führen, versteht sich nach den Gesamtumständen auch nicht von selbst. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, insgesamt neue Feststellungen zu treffen.
14
2. Soweit die Angeklagten im verbleibenden Falle I. 2. b) der Urteilsgründe auch wegen eines "Verstoßes gegen das Waffengesetz" verurteilt worden sind, machen die Urteilsgründe noch hinreichend deutlich, dass sie bei der Tat jeweils eine Schusswaffe (Schreckschusswaffe) führten, ohne dass die Voraussetzungen eines erlaubnisfreien Umgangs damit vorlagen (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 und Unterabschnitt 2). Zur gebotenen genauen Bezeichnung des verwirklichten Straftatbestandes auch in der Entscheidungsformel stellt der Senat den Schuldspruch insoweit klar.
15
3. Der Teilfreispruch hat zu entfallen. Er entbehrt der Sachurteilsvoraussetzung , denn weitere Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO über die abgeurteilten Fälle I. 2. a) bis c) der Urteilsgründe hinaus waren zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Verfahrens. Das Landgericht hat den Freispruch damit begründet , dass die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf das unter I. 2. a) abgeurteilte Geschehen den 28. November 2012 als Tatzeit genannt hatte, obwohl es sich schon am 28. Oktober 2012 zugetragen hatte. Allein der offenkundige Schreibfehler in der Anklageschrift - die Angeklagten wurden in dieser Sache bereits am 24. November 2012 in Untersuchungshaft genommen - ändert indes nichts an der Identität der so angeklagten und der vom Landgericht unter I. 2. a) der Urteilsgründe abgeurteilten Tat.
16
Danach bezieht sich auch die insoweit in der Hauptverhandlung - nun unter Angabe der Tatzeit 28. Oktober 2012 - erhobene Nachtragsanklage der Staatsanwaltschaft auf eine bereits angeklagte Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Der Senat stellt deshalb deren Gegenstandslosigkeit fest (vgl. MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 266 Rn. 19).
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.