Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2009 - 5 StR 448/09

bei uns veröffentlicht am24.11.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 448/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. April 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (II.2.2. der Urteilsgründe ) verurteilt worden ist,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren räuberischen Diebstahls und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB hat das Landgericht abgelehnt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der vielfach vorbestrafte 31 Jahre alte Angeklagte wohnte seit seinem 19. Lebensjahr in Männerwohnheimen für Obdachlose oder Drogenabhängige in mehreren westdeutschen Großstädten. Am 29. September 2005 und am 6. November 2008 wurde er jeweils wegen Diebstahls zum Nachteil eines Mitbewohners zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
4
b) Der Angeklagte besuchte am 3. November 2007 in einer Hamburger Männerunterkunft den dortigen Mitbewohner M. , der dem Angeklagten 25 Euro schuldete. M. konnte nicht zahlen. Aus Verärgerung darüber nahm der Angeklagte den Personalausweis des M. und einen diesem zustehenden Verrechnungsscheck über 300 Euro an sich. Der Angeklagte verteidigte den Besitz dieser Gegenstände gegenüber M. unter drohendem Einsatz eines mitgeführten Messers.
5
Die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten gründet sich auf übereinstimmende Angaben des M. gegenüber einer Wohnheimmitarbeiterin und der sofort verständigten Polizei, den Inhalt der für M. ausgegebenen Lohnsteuerbescheinigung und das in einem Brief des Angeklagten enthaltene Bekenntnis, M. besucht und dessen Scheck gesehen zu haben. Das Landgericht hat den Angeklagten danach wegen (besonders) schweren räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
6
c) Der Angeklagte bewohnte vorübergehend mit Ho. ein Zimmer in einer anderen Hamburger Männerunterkunft. Ho. zeigte um Mitternacht des 14. Mai 2008 in alkoholisiertem Zustand einen Diebstahls- versuch durch Aufbrechen des an seinem Schrank befindlichen Vorhängeschlosses bei der Polizei an und wies darauf hin, dass – außer der Einrichtungsleitung – lediglich der Angeklagte über einen weiteren Zimmerschlüssel verfüge. Der gegen den Angeklagten hierdurch begründete Tatverdacht bestätigte sich indes nicht. Der Angeklagte befand sich seit 13. Mai 2008 in einer Entzugsklinik weit außerhalb Hamburgs.
7
Ho. zeigte am 25. Mai 2008 gegen 8.30 Uhr einen mittels Gewalt – Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht und ein nur oberflächlich treffender Fußtritt ins Gesicht – von drei Männern und einer Frau um 1.00 Uhr nachts in dem Männerwohnheim ausgeführten Raubüberfall an. Die Frau und zwei männliche Täter konnte Ho. nicht beschreiben. Der dritte Mann sei der Angeklagte gewesen, der mit einem Schlüssel in das Zimmer eingedrungen sei, ihn körperlich durchsucht und dabei aus seinen Hosentaschen und einer Hemdtasche Gegenstände entnommen habe. Die von Ho. gegenüber der Polizei abgegebene Tatschilderung hat das Landgericht zur Grundlage seiner Verurteilung wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung genommen und auf eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt.
8
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält hinsichtlich des ausgeurteilten Verbrechens vom 25. Mai 2008 der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
9
a) Zwar standen dem Landgericht für beide ausgeurteilte Taten die Geschädigten als die einzigen unmittelbaren Zeugen nicht zur Verfügung. Die hinsichtlich der ersten Tat wegen der – wenn auch von der Justiz keineswegs verschuldeten – nicht möglich gewesenen konfrontativen Befragung des einzigen Belastungszeugen gebotene besonders sorgfältige und kritische Beweiswürdigung (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2007, 204, 206; BGHSt 51, 150, 157 Tz. 26; 47, 220, 223 f.; 45, 203, 208) hat das Landgericht zwar nicht ausdrücklich mit Blick auf das fehlende Konfrontationsrecht vorgenommen. Indes sind die Voraussetzungen für dessen Kompensation (vgl. BVerfG aaO) namentlich angesichts der von dem Angeklagten bekundeten selbstbelastenden Umstände inhaltlich ohne weiteres erfüllt, so dass der Senat eine unzureichende Beweiswürdigung insoweit ausschließen kann.
10
b) Anders liegt es bei der vom Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung für die zweite Tat. Insoweit hat das Landgericht – jenseits der nicht möglichen konfrontativen Befragung des einzigen Belastungszeugen – bereits nicht alle festgestellten Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in seine Erwägungen einbezogen (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.; BGH StV 2009, 176, 177; BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 – 5 StR 84/09).
11
aa) Das Landgericht hat es unterlassen, den den Angaben des Anzeigeerstatters innewohnenden Mangel zu bedenken, dass Ho. nicht in der Lage war, drei Täter näher zu beschreiben, obwohl er ihren – indes nicht etwa mit Waffen geführten (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 212; 2008, 148, 150) – körperlichen Angriffen ausgesetzt war und zusätzlich Möglichkeiten zur Beobachtung bestanden, als die Täter die Schranktür aufgebrochen und aus dem Schrank und von dem Kühlschrank Diebesgut an sich genommen hatten. Gleiches gilt für die lediglich im Ergebnis beschriebenen Verletzungshandlungen selbst. So bleibt offen, in welcher Situation des Tatgeschehens Ho. den bedrohlichsten Angriff, den Tritt ins Gesicht, hat hinnehmen müssen.
12
Schließlich hätte das Landgericht die weitere Ungenauigkeit der Tatschilderung hinsichtlich des bekundeten Aufbrechens der Schranktür bedenken müssen. Die Aussage des Anzeigeerstatters hatte sich insoweit nicht bestätigt. Polizeibeamte hatten gerade keine Aufbruchspuren an der Schranktür festgestellt (UA S. 25). Die Wertung des Landgerichts, der Anzeigeerstatter habe ersichtlich ein Aufbrechen des Vorhängeschlosses gemeint, hätte indes zum Bedenken einer weiteren Schwäche der Tatbeschreibung Anlass gegeben, weil eine genaue Schilderung des – naheliegend nur unter Zuhilfenahme eines Werkzeugs möglichen – Aufbrechens des Schlosses unterblieben ist.
13
bb) Das Landgericht hat maßgeblich zugrunde gelegt, dass nur der Angeklagte – abgesehen von der Einrichtungsleitung – über einen weiteren Schlüssel für das Zimmer von Ho. verfügt habe. Dabei hat es jedoch nicht erkennbar bedacht, dass bei dem elf Tage zuvor erfolgten ersten Aufbrechen des Vorhängeschlosses des Anzeigeerstatters – ohne dass Aufbruchspuren an der verschlossenen Zimmertür festgestellt worden waren – der Angeklagte wegen Ortsabwesenheit als Täter ausgeschlossen worden ist. Dieser Umstand entwertet das Indiz des Schlüsselbesitzes entscheidend. Nach dem Gebot der vollständigen Beweiswürdigung hätte das Landgericht danach die Möglichkeit mitbedenken müssen, dass auch ein unbekannter Dritter über einen Zimmerschlüssel oder eine Zutrittsmöglichkeit zu dem Zimmer des Geschädigten verfügt haben könnte.
14
Zudem offenbart der allein belastend bewertete Umstand, dass der Angeklagte einen Tag nach der Tat in einer Anzeige angegeben hatte, in dem Männerwohnheim zu wohnen (UA S. 27), eine bedenklich unvollständige Auswertung der getroffenen Feststellungen (vgl. BGHSt 29, 18, 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung unzureichende 20). Das Landgericht unterlässt die Würdigung dessen, dass der Angeklagte als Mittäter des Raubes vom Vortage allen Anlass gehabt hätte, eine solche Verbindung zum Tatort nicht zu offenbaren (vgl. BGHR aaO).
15
3. Die angelastete zweite Tat bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Dabei wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass bei einer Häufung von – wenn auch jeweils für sich erklärbaren – Fragwürdigkeiten in der gebotenen Gesamtschau Zweifel an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs entstehen können (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1 und 7).
16
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der Einsatzstrafe von der Ausurteilung der zweiten Tat beeinflusst worden ist. Deshalb war auch diese Strafe aufzuheben.
17
5. Der Senat weist darauf hin, dass – wie es die Revision vorgetragen hat – der Bewertung der Voraussetzungen möglicher eingeschränkter Schuldfähigkeit nicht allein der durch vom Angeklagten naheliegenderweise bagatellisierte Drogenkonsum zugrunde zu legen sein wird. Vielmehr werden auch der Bedeutungsgehalt der Verurteilungen wegen Drogendelikten vom 7. Oktober 2007, 19. Dezember 2007 und 19. Februar 2008 und ferner die Therapiebemühungen des Angeklagten zu erwägen sein (BGH NStZ-RR 2009, 184 f.).
18
Dies gilt auch hinsichtlich der vom Landgericht verneinten Voraussetzungen des § 64 StGB (vgl. BGH aaO). Die Nichtanwendung dieser Maßregel ist hierdurch unzureichend begründet. Über ihre Verhängung ist neben der erneuten Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB ebenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neu zu entscheiden.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2009 - 5 StR 448/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2009 - 5 StR 448/09

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2009 - 5 StR 448/09 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2009 - 5 StR 84/09

bei uns veröffentlicht am 16.07.2009

5 StR 84/09 (alt: 5 StR 597/07) BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 16. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2009 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wir

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 84/09
(alt: 5 StR 597/07)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 25. September 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
1. Die Strafkammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven hatte am 20. Juni 2007 den Nichtrevidenten T. und den Angeklagten G. wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsentziehung“ schuldig gesprochen und zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten (T. ) und vier Jahren und sechs Monaten (G. ) verurteilt. Den weiteren Angeklagten M. Y. hatte es freigesprochen.
2
Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Februar 2008 – 5 StR 597/07 auf eine Verfahrensrüge des Angeklagten G. dessen Verurteilung aufgehoben (NStZ 2008, 421) und Hinweise zur Bewältigung der durch die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ geprägten anspruchsvollen Beweislage gegeben (insoweit in NStZ aaO nicht abgedruckt).
3
Gegenstand des Verfahrens ist ein am 4. Dezember 2006 von drei Tätern in einer Spielothek in Bremerhaven begangener schwerer Raub. Der damals stark rauschgiftabhängige Angeklagte T. hatte am 14. Februar 2008 auf Initiative eines Bekannten, der den Hauptanteil einer vom Betreiber der Spielothek ausgesetzten Belohnung erlangen wollte, die Tat gegenüber einem Vertreter des Betreibers und auch bei der Polizei eingestanden und den Angeklagten G. und den von diesem als „M. “ Angesprochenen als Mittäter benannt.
4
2. Die neu berufene Strafkammer hat den Angeklagten G. erneut wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung schuldig gesprochen und auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Auch diese Verurteilung hat keinen Bestand. Die erhobene Sachrüge greift – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – durch.
5
3. Die Würdigung des Landgerichts, mit der es die Zeugenaussage des ehemaligen Angeklagten T. als glaubhaft und die Einlassung des Angeklagten G. als unglaubhaft erachtet hat, hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Sie erfüllt nicht die besonderen Anforderungen, die in der gegebenen Konstellation „Aussage gegen Aussage“ zu stellen sind (vgl. BGHSt 44, 153, 159; 256, 257) und die es gebieten, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegung einzubeziehen und in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien vorzunehmen hat (vgl. BGH StV 2009, 176, 177 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
6
a) Schon der Ausgangspunkt, von dem aus sich das Landgericht seine Überzeugung von der Mittäterschaft des Angeklagten G. verschafft hat, begegnet Bedenken. Bei der abwägenden Betrachtung, welche der beiden Darstellungen der Wahrheit entspricht, misst das Landgericht der Schilderung des ehemaligen Mitangeklagten T. in mehrfacher Hinsicht eine höhere Plausibilität zu, anstatt auch diese im Ansatz zunächst als gleich wahrscheinlich wie diejenige des Angeklagten zu betrachten.
7
So sieht das Landgericht in den Aussagen der Zeugen D. , B. und Th. , die sich nicht erinnern konnten, ob der Angeklagte durchgängig in der Spielothek anwesend gewesen war, Bestätigungen der Aussage des Zeugen T. , G. habe die Spielothek verlassen, um ihn zu Hause zur Tatausführung abzuholen. Richtigerweise wäre zu bedenken gewesen , dass auch die Einlassung des Angeklagten durch die Aussagen dieser Zeugen nicht widerlegt worden ist.
8
b) Das Landgericht hat – indes ohne kritische Prüfung – dem Zeugen T. zugebilligt, durch seine vor Vollstreckung der Freiheitsstrafe in Russland absolvierte Drogentherapie sein früher abhanden gekommenes Zeitgefühl wiedererlangt zu haben (UA S. 29 f.), sodass er nunmehr nach Überdenken des Tatgeschehens zutreffende Angaben zu dem Zeitpunkt habe machen können, wann G. ihn zu Hause abgeholt hatte (20.00 Uhr: UA S. 29). Dies steht in einem Spannungsverhältnis dazu, dass das Landgericht diesem Zeugen in anderem Zusammenhang wegen „der inzwischen vergangenen langen Zeit“ bloße Irrtümer zugebilligt hat (UA S. 30 f.).
9
c) In der Übereinstimmung der Tatschilderung des Zeugen T. mit der des Tatopfers sieht das Landgericht einen Umstand, der die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen stützt (UA S. 31). Dies stößt, wie der Senat bereits im Beschluss vom 6. Februar 2008 – 5 StR 597/07 (insoweit in NStZ 2008, 421 nicht abgedruckt) ausgeführt hat, auf Bedenken, weil ein Mittäter selbst Erlebtes leicht schildern kann, ohne dass sich aus den mitgeteilten Handlungen des anderen Mittäters Umstände ergeben müssen, die für die Identität dieses Mittäters Wesentliches belegen (vgl. BGH StV 2006, 683; StraFo 2007, 202; 294).
10
d) Soweit das Landgericht einen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen T. bestärkenden Umstand darin sieht, dass T. im Fall einer fälschlichen Belastung des Angeklagten mit Verhaftung und längerer Gefängnisstrafe hätte rechnen müssen (UA S. 34), begegnet auch diese Wertung durchgreifenden Bedenken. Der stark drogenabhängige und vorbestrafte Zeuge T. hätte nämlich schon wegen seiner eigenen eingestandenen Täterschaft mit – damals indes unterbliebener – Verhaftung rechnen müssen.
11
e) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass das Landgericht ein mögliches Falschbelastungsmotiv des ehemaligen Angeklagten T. , den Erhalt der Belohnung, im Wesentlichen ignoriert hat (UA S. 34). T. konnte im Zeitpunkt der ersten Belastung des Angeklagten G. noch nicht wissen, dass er von dem Zeugen K. übervorteilt werden würde.
12
4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat verkennt nicht, dass aufgrund der bisher jedenfalls als bewiesen anzusehenden Anwesenheit des Angeklagten am Tatort bis unmittelbar vor der Tat – bei ersichtlichem Fehlen weiterer Verdächtiger – ein ganz erheblicher Tatverdacht vorliegt.
13
Das neue Tatgericht wird naheliegend auch die Beziehung des Angeklagten zum Zeugen T. vor der Tat, das Bestehen der notwendigen technischen Kenntnisse des Angeklagten zur Tatbegehung, das mögliche indizielle Gewicht der ausgeurteilten Vortaten des Angeklagten und die gemeinsam mit dem rechtskräftig Freigesprochenen verbrachte Zeit vor der Tat in die Betrachtung einzubeziehen haben.
Basdorf Raum Brause Schneider Dölp

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.