Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2019 - 5 StR 451/19

bei uns veröffentlicht am12.11.2019
vorgehend
Landgericht Braunschweig, 115 , s 62328/17

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 451/19
vom
12. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2019:121119B5STR451.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 12. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. Februar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Nebenklägers gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das ebenfalls auf die Verletzung materiel- len Rechts gestützte Rechtsmittel des Nebenklägers ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Beweiswürdigung weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3
Das Landgericht, das angesichts des unmittelbar tatbezogenen, die Angaben des Nebenklägers bestätigenden rechtsmedizinischen Gutachtens irrig von einer „Aussage-gegen-Aussage“-Konstellationausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 379/03, NStZ 2004, 635, 636; KK-StPO/Ott, StPO, 8. Aufl., § 261 Rn. 100), hat die auf eine Notwehrlage abzielende Einlassung des Angeklagten unter anderem deshalb als unglaubhaft bewertet, weil er sich trotz monatelanger Untersuchungshaft, „erstmals in der Hauptverhandlung“ geäußert habe. Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666,

667).


4
2. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht gewichtige Umstände aufgeführt, die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen. Es hat aber das anfängliche Schweigen an die erste Stelle seiner Würdigung der Angaben des Angeklagten gestellt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung bezüglich der vom Angeklagten behaupteten Notwehrlage gelangt wäre, wenn es dessen Einlassung rechtsfehlerfrei gewürdigt hätte. Hinzu kommt, dass in der rechtlichen Würdigung ausgeführt ist, die Einlassung zur Notwehrlage sei lediglich „nicht vollständig hinreichend glaubhaft“.
5
3. Das Urteil gibt dem Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:
6
a) Das Urteil genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung des Ergebnisses eines DNA-Gutachtens zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 zu eindeutigen Einzelspuren; vom 31. Mai 2017 – 5 StR 149/17, NStZ 2017, 723 zu Mischspuren).
7
b) Die Angaben eines Angeklagten brauchen auch nicht mit Blick auf den – für die tatsächlichen Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen gelten- den – Zweifelsgrundsatz als „unwiderlegt“ den Feststellungen zugrunde gelegt werden, wenn es für ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit keine Beweise gibt. Vielmehr sind sie – nicht anders als andere Beweismittel – insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2006 – 3 StR 284/05, NStZ 2006, 652, 653; LR-StPO/Sander, § 261 Rn. 112a).
8
c) Der Maßstab der Anrechnung einer wegen der abgeurteilten Tat im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung ist gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteilstenor wiederzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2003 – 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3).
Mutzbauer Sander Schneider
König Köhler
Vorinstanz:
Braunschweig, LG, 15.02.2019 – 115 Js 62328/17 9 Ks 9/18

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2019 - 5 StR 451/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2019 - 5 StR 451/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2019 - 5 StR 451/19 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 379/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Januar 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Bundesanwalt ,
Staatsanwältin
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
richts Landshut vom 9. Mai 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (II 1 der Urteilsgründe);
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
c) soweit der Angeklagte von den ihm unter Nrn. 1, 3 und 5 der Anklage und den beiden ersten der ihm unter Nr. 6 der Anklage zur Last gelegten Vorwürfen freigesprochen worden ist. 2. Die Revision wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen
a) die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung (II 2 der Urteilsgründe);
b) den Freispruch von dem dem Angeklagten unter Nr. 4 der Anklage zur Last gelegten Vorwurf richtet. Insoweit hat die Beschwerdeführerin die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Dem Angeklagten liegen zahlreiche, zum Teil schwerwiegende Delikte zur Last, die er sämtlich zum Nachteil der Nebenklägerin, seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau begangen haben soll.
Die Strafkammer hat die entsprechenden Aussagen der Nebenklägerin für sich genommen jedoch nicht als hinreichend sichere Verurteilungsgrundlage angesehen und ist ihnen nur insoweit gefolgt, als sie sich auch anderweitig bestätigt haben.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenklägerin greift die Beweiswürdigung an und hält es für rechtsfehlerhaft, daß die Strafkammer über die abgeurteilten Taten hinaus "die weiteren Taten" nicht festgestellt hat. Bezug genommen ist damit erkennbar auf die (unverändert zugelassene) Anklage und die dort vorgenommene rechtliche Bewertung der Taten. Beantragt ist, das Urteil in vollem Umfang aufzuheben.
Die Revision ist zwar nicht in vollem Umfang, wohl aber überwiegend zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie auch begründet.

I.


1. Verurteilt wurde der Angeklagte wegen

a) gefährlicher Körperverletzung (Mißhandlung der Nebenklägerin mit einem Stock und einem Gürtel) zu einem Jahr Freiheitsstrafe (II 1 der Urteilsgründe , entspricht Nr. 2 der Anklage);


b) vorsätzlicher Körperverletzung (Mißhandlung der Nebenklägerin mit den Fäusten) zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (II 2 der Urteilsgründe, entspricht dem dritten Vorwurf von Nr. 6 der Anklage).
Hieraus wurde eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gebildet.
Soweit dem Angeklagten tateinheitlich neben der gefährlichen Körperverletzung auch noch Vergewaltigung und Freiheitsberaubung und tateinheitlich neben der vorsätzlichen Körperverletzung auch noch Freiheitsberaubung und Bedrohung vorgeworfen wurde, konnte sich die Strafkammer nicht überzeugen. Von einem Freispruch hat sie insoweit aber abgesehen. Dies ist auf der Grundlage des Standpunkts der Strafkammer zutreffend (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 12 m.w. Nachw.).
2. Freigesprochen wurde der Angeklagte von insgesamt vier, teilweise in Tateinheit mit weiteren Delikten stehenden Vorwürfen der Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung (Nr. 1 und Nr. 5 der Anklage, 2. Fall von Nr. 3 und 2. Fall von Nr. 6 der Anklage), von zwei, ebenfalls in Tateinheit mit weiteren Delikten stehenden Vorwürfen der (vorsätzlichen) Körperverletzung (jeweils der erste Fall von Nrn. 3 und 6 der Anklage) und dem Vorwurf einer räuberischen Erpressung (Nr. 4 der Anklage).
3. Ein Nebenkläger kann nur im Zusammenhang mit Nebenklagedelikten Revision einlegen, also insbesondere mit der Behauptung, der Angeklagte sei zu Unrecht vom Vorwurf eines Nebenklagedelikts freigesprochen worden, oder es sei bei einer Verurteilung nicht auch die Verurteilung wegen eines tateinheitlich erfüllten (gegebenenfalls weiteren) Nebenklagedelikts erfolgt (vgl. im einzelnen Meyer-Goßner aaO § 400 Rdn. 4 m.w. Nachw.).


a) Dementsprechend ist die Revision nicht zulässig im Fall II 2 der Urteilsgründe (vgl. oben I 1 b), in dem zusätzlich noch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung und Bedrohung in Betracht gekommen wäre und hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der räuberischen Erpressung im Fall Nr. 4 der Anklage (vgl. oben I 2 am Ende), da insoweit allein nicht nebenklagefähige Delikte im Raum stehen.

b) Im übrigen ist die Revision zulässig, da es in sämtlichen verbleibenden Fällen allein oder jedenfalls auch um die unterbliebene Verurteilung wegen eines Sexual- oder eines vorsätzlich begangenen Körperverletzungsdelikts, also jeweils eines Nebenklagedelikts (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 a oder Nr. 1 c StPO) geht.

II.


Im aufgezeigten Umfang ist die Revision begründet.
Während der Angeklagte jedes Fehlverhalten abgestritten hat, hat die Nebenklägerin die Vorgänge unter Angabe zahlreicher Details so geschildert, wie dies auch in der Anklage geschehen ist.
Ihr könne jedoch, so die Strafkammer, nur in sehr beschränktem Umfang geglaubt werden. Sie habe, wie im einzelnen dargelegt wird, schon öfter die Unwahrheit gesagt, auch gegenüber Gerichten und Behörden, und damit dem Angeklagten jeweils helfen wollen. Dies begründe Zweifel an ihrer generellen Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus bestünden aber auch näher ausgeführte Bedenken gegen ihre auf die Anklagevorwürfe bezogenen Aussagen, so daß ihre Angaben nur dann Grundlage einer Verurteilung sein könnten, wenn sie durch andere Beweismittel bestätigt würden, wie dies bei den abgeurteilten Taten
- hier lagen ärztliche Atteste oder die Angaben unbeteiligter Zeugen vor - hin- sichtlich der Körperverletzungen der Fall sei. All dies liegt zwar im Ansatz im Rahmen einer vom Revisionsgericht hinzunehmenden tatrichterlichen Beweiswürdigung, konkret ist die Beweiswürdigung aber lückenhaft und eine Reihe einzelner Erwägungen erscheinen so fernliegend, daß sie mangels näherer Begründung nicht mehr als tragfähig angesehen werden können. 1. Schon gegen die Ausführungen zur „generellen“ Glaubwürdigkeit der Person der Nebenklägerin – die ohnehin allenfalls begrenzte Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit der konkreten fallbezogenen Aussage zuläßt (vgl. BGH StV 1994, 64 m.w. Nachw.; vgl. hierzu auch Boetticher in NJW-Sonderheft für G. Schäfer 2002, 8, 12 f.) – bestehen Bedenken:
a) Die Nebenklägerin hat den Angeklagten, ihren damaligen Ehemann, nach den Feststellungen der Strafkammer mit unwahren Angaben gegenüber amtlichen Stellen insbesondere vor ihm nachteiligen ausländerrechtlichen Konsequenzen schützen wollen. Es liegt nicht ohne weiteres nahe, daß dies ein gewichtiges Indiz für die Annahme sein könnte, vorliegend belaste sie ihn zu Unrecht. Die gegenläufige Zielrichtung der von der Strafkammer festgestellten früheren Unwahrheiten und der vorliegenden Angaben wäre jedenfalls erkennbar zu erwägen gewesen.
b) Ebensowenig ist in diesem Zusammenhang ein weiterer sich aufdrängender Gesichtspunkt erörtert: Die Strafkammer hat festgestellt, daß der (einschlägig vorbestrafte) Angeklagte gegen die Nebenklägerin "öfters gewalttätig" wurde und es dabei - ersichtlich über die abgeurteilten Fälle hinaus - "zu massiven Körperverletzungen" gekommen ist. Eine Reihe von Zeugen haben insoweit Details bekundet , z. B. Verletzungsspuren gesehen oder beobachtet zu haben, wie der An-
geklagte die Nebenklägerin die Treppe hinuntergeworfen und für den Fall der Benachrichtigung der Polizei weitere Gewalt angedroht hat. Ein möglicher Zusammenhang zwischen den festgestellten Tendenzen zu falschen, den Angeklagten begünstigenden Angaben und der vom Angeklagten offenbar immer wieder ausgeübten massiven Gewalt wäre bei der Gewichtung der festgestellten Falschaussagen ebenfalls in die Erwägungen einzubeziehen gewesen.
c) Demgegenüber erwägt die Strafkammer in diesem Zusammenhang auch folgendes: Die Nebenklägerin hat das dargelegte Verhalten zu Gunsten des Angeklagten unter anderem damit erklärt, daß der Angeklagte sie bedroht habe und dies dahin erläutert, daß er zu ihr "nicht nett" gewesen sei. Eine in dieser Weise gekennzeichnete Drohung, so folgert die Strafkammer, könne "dem Wortsinn nach ... nicht besonders gravierend" gewesen sein und deswegen das Verhalten der Nebenklägerin nicht erklären. Dies ist jedoch für die genannte Bewertung von Bedrohungen der Nebenklägerin durch den Angeklagten deshalb keine tragfähige Erwägung, weil die Strafkammer auch in diesem Zusammenhang die von ihr festgestellten massiven Körperverletzungen, die der Angeklagte der Nebenklägerin zugefügt hat, nicht erkennbar bedacht hat. 2. Von alledem abgesehen, hat die Strafkammer aber auch bei der Bewertung der tatbezogenen Angaben der Nebenklägerin einen rechtlich nicht unbedenklichen Maßstab angelegt:
a) Bei einem Widerspruch zwischen mehreren Erkenntnisquellen hat das Gericht ohne Rücksicht auf deren Art und Zahl darüber zu befinden, in welchen von ihnen die Wahrheit ihren Ausdruck gefunden hat. Stehen sich Bekundungen eines - insbesondere einzigen - Zeugen und des Angeklagten unvereinbar gegenüber ("Aussage gegen Aussage"), darf das Gericht allerdings den Bekundungen dieses Zeugen nicht deshalb, weil er Anzeigeerstatter und
(gegebenenfalls) Geschädigter ist, ein schon im Ansatz ausschlaggebend höheres Gewicht beimessen als den Angaben des Angeklagten (vgl. zusammenfassend Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 71 m. zahlr. Nachw.). Maßgebend ist nicht allein die formale Stellung des Aussagenden im Prozeß, sondern der innere Wert einer Aussage, also deren Glaubhaftigkeit. Es ist in einer Gesamtwürdigung (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f. m.w. Nachw.) zu entscheiden, ob einer solchen Zeugenaussage gefolgt werden kann (zu den im Rahmen einer kriterienorientierten Aussageanalyse vielfach bedeutsamen, gleichwohl einer schematischen Bewertung aber nicht zugänglichen aussageimmanenten Qualitätsmerkmalen vgl. eingehend BGHSt 45, 164, 170 ff. m.w. Nachw.).
b) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Strafkammer nicht in vollem Umfang gerecht. Sie hat nämlich nicht erkennbar gewürdigt, daß in den abgeurteilten Fällen die Angaben der Nebenklägerin durch andere, von der Strafkammer als zuverlässig angesehene Beweismittel bestätigt wurden. Insoweit hat also die Nebenklägerin die Wahrheit gesagt, während der Angeklagte demgegenüber gelogen hat. Hinsichtlich der übrigen Teile der Aussage besteht unter diesen Umständen gerade nicht die durch das Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete "Aussage gegen Aussage"-Situation. Zwar ist der Tatrichter im Ergebnis nicht gehindert, einem Zeugen nur teilweise zu glauben, dies bedarf jedoch einer eingehenden Gesamtwürdigung aller bei der Prüfung einer Aussage insgesamt angefallener Erkenntnisse und nicht einer lediglich isolierten Prüfung jedes einzelnen Teils einer Aussage. 3. Hinzu kommt hier, daß auch gegen mehrere auf die Angaben zum Tatgeschehen bezogene Erwägungen der Strafkammer rechtliche Bedenken bestehen:

a) Die Strafkammer hat festgestellt, daß die Nebenklägerin auf dem Scheidungsantrag den Namen des Angeklagten "mit einem großen Herz" eingerahmt hat. Dies, so die Nebenklägerin, sei ironisch gemeint gewesen, man gebrauche in Bayern den Ausdruck "des is a Herzerl". Die Strafkammer hält diese Ausführungen für psychologisch nicht nachvollziehbar, da "Herzerl" Ausdruck für eine "harmlose Person" sei. Eine Zeugin, so heißt es dann ohne nähere Erläuterung, habe bekundet, die Nebenklägerin habe den Angeklagten als "Herzerl" bezeichnet, wenn sie sich ihm überlegen gefühlt habe. All dies, so die Strafkammer dann zusammenfassend, könne dafür sprechen, daß sich die Nebenklägerin rächen wolle. Diese Ausführungen können nicht ohne weiteres nachvollziehbar verdeutlichen , warum das auf den Scheidungsantrag gemalte Herz für eine Falschaussage sprechen könnte. Im übrigen bemerkt der Senat, daß selbst dann, wenn die Nebenklägerin ihre Angaben gemacht hätte, um sich am Angeklagten zu rächen, dies nicht ohne weiteres die Unrichtigkeit ihrer Angaben belegen würde (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206, 208 m.w. Nachw.). Es ist nicht erkennbar , daß sich die Strafkammer dessen bewußt gewesen wäre.
b) Die Strafkammer erwägt, daß die Nebenklägerin "niemandem etwas von den Vergewaltigungen" berichtet habe. Sie führt aber auch aus, daß die Nebenklägerin einer Freundin gesagt habe, sie habe zwar mit dem Angeklagten geschlafen, aber nicht freiwillig. Hierzu erwägt die Strafkammer, es bestünden Zweifel, ob die Nebenklägerin ihre "fehlende Bereitschaft (zum Geschlechtsverkehr ) nach außen signalisiert" habe. Die Annahme, die Nebenklägerin habe Vergewaltigungen (z. B. aus Rache) nur erfunden, wofür auch spreche , daß sie früher niemandem etwas davon erzählt habe und die Annahme, die Nebenklägerin habe zwar gegenüber Zeugen von unfreiwilligem Geschlechtsverkehr berichtet, möglicherweise habe der Angeklagte aber nicht bemerkt, daß Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin stattfand , sind miteinander nicht vereinbar und können daher auch nicht, wie hier in
unklarer Weise geschehen, miteinander vermengt werden. Einmal fehlte es schon am objektiven Tatbestand, einmal nur am subjektiven Tatbestand. Wäre - obwohl eine konkrete Grundlage für eine solche Annahme nicht zu erkennen ist - davon auszugehen, daß der Angeklagte etwaigen Widerstand der Nebenklägerin lediglich nicht bemerkt hat, wäre gegebenenfalls auch auf die im Urteil zwar wiedergegebenen, aber nicht näher behandelten Tatumstände einzugehen gewesen. Danach soll der Angeklagte der Nebenklägerin z. B. nach (gewaltsamem ) Geschlechtsverkehr "eine Knoblauchwurst, ein Holzstück und Flaschen" in die Scheide eingeführt haben. Die Annahme, daß er etwa irrtümlich geglaubt habe, die Nebenklägerin sei mit solchem Vorgehen einverstanden, erscheint sehr fernliegend und hätte jedenfalls eingehender Begründung bedurft.
c) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist auch die Würdigung der Aussage der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zehn Jahre alten Tochter der Nebenklägerin. Diese hat bekundet, sie habe am Kommunionstag ihrer Cousine durch die Tür gesehen, wie ihre Mutter ans Bett gefesselt und dabei ganz nackt gewesen sei. Der Angeklagte habe auf der Mutter gelegen und vergeblich versucht , die Tür mit seinem Fuß zu schließen, als er sie bemerkt habe. Die Strafkammer hält dies nicht für glaubhaft. Die Zeugin sei von ihrer Mutter beeinflußt. So habe sie etwa auf die Frage, warum die Mutter den Angeklagten (1995) geheiratet hat, keine anderen Gründe angegeben als diese und auch deren Worte gebraucht (Der Angeklagte habe "genervt"). Grundsätzlich kann allerdings gerade bei der Würdigung von Kinderaussagen eine Rolle spielen, daß Kinder in erhöhtem Maße (bewußten oder unbewußten) Beeinflussungen unterliegen und darüber hinaus auf Grund eines Autoritätsgefälles besonders bestrebt sein können, sich entsprechend dem Wunsch eines Erwachsenen, zumal der Mutter, zu verhalten. Steht eine solche Möglichkeit im Raum, bedarf es vor allem näherer Erwägungen zur Persönlich-
keit des Kindes und hierzu angefallener Erkenntnisse. Je nach den Umständen des Falles kann dabei auch sachverständige Beratung zweckmäßig sein (vgl. zu alledem näher Eisenberg, Beweisrecht der StPO 4. Aufl. Rdn. 1861 m.w. Nachw.). Ohne derartige Erwägungen ist jedenfalls die Annahme nicht tragfähig , die detaillierte Schilderung eines von ihr angeblich beobachteten konkreten Vorganges durch die Tochter der Nebenklägerin sei hier nicht zuletzt deshalb nicht glaubhaft, weil sie keine eigenständige Äußerung dazu abgegeben hat, warum ihre Mutter den Angeklagten geheiratet hat. Dies gilt um so mehr, als die Zeugin zum Zeitpunkt dieser Eheschließung höchstens drei Jahre alt war. 4. Nach alledem ist das Urteil in dem Umfang aufzuheben, in dem es auf Grund der Revision der Nebenklägerin einer Überprüfung durch den Senat zugänglich ist. Soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe nur wegen gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist, kann auch der für sich genommene rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung nicht bestehen bleiben, da die Vergewaltigung hierzu gegebenenfalls in Tateinheit stünde (st. Rspr., vgl. d. Nachw. b. Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 12). Damit entfällt zugleich die Gesamtstrafe. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 9 6 / 1 4
vom
28. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers und am 28. Mai 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft erweist.
2
Bei der Würdigung der Einlassung des für die Tatzeit am 1. März 2012 ein Alibi geltend machenden Angeklagten war für die Kammer "von entscheidender Bedeutung", dass er dieses erst zu einem sehr späten Zeitpunkt im Verfahren vorbrachte, was nicht nachvollziehbar sei. Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für die- sen nachteilige Schlüsse gezogen. Diesem steht es frei, ob er sich zur Sache einlässt (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 - 5 StR 515/65, BGHSt 20, 281, 282 ff.; Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 3 StR 484/83, StV 1984, 143).
3
Da dem Urteil entnommen werden kann, dass der Angeklagte erstmals in der Hauptverhandlung überhaupt Angaben machte, liegt auch kein Fall eines - der Würdigung grundsätzlich zugänglichen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148) - teilweisen Schweigens vor, so dass der dargelegte Rechtsfehler auf die Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 1996 - 3 StR 248/96, NStZ 1997, 147). Auf diesem beruht das Urteil auch. Da die Kammer dem prozessualen Verhaltendes Angeklagten ausdrücklich entscheidende Bedeutung beigemessen hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Überzeugung bezüglich der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn es dessen Einlassung rechtsfehlerfrei gewürdigt hätte.
Becker Pfister Hubert
Mayer Gericke

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in Bezug
auf DNA-Einzelspuren standardisiert, so dass es einer Darstellung
der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der
Anzahl der diesbezüglichen Übereinstimmungen nicht mehr
bedarf. Das Tatgericht genügt den Darlegungsanforderungen,
wenn es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen
Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitteilt, da
diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17
LG Potsdam –
ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
BESCHLUSS 5 StR 50/17 vom 28. August 2018 in der Strafsache gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29. Juli 2016 zu Tat 5 der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den revidierenden Angeklagten wegen „besonders schweren Raubes, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Tat 5 der Urteilsgründe) und wegen schweren Raubes in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jah- ren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Soweit es den Angeklagten betraf, hat der Senat das angegriffene Urteil auf die Sachrüge hin mit Beschluss vom 5. April 2017 hinsichtlich Tat 2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und die Sache insofern zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen; das Verfah- ren betreffend die zur Tat 5 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung hat er abgetrennt und die weitergehende Revision des Angeklagten verworfen. Zum abgetrennten Verfahrensteil hat das Rechtsmittel den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Tat 5 forderte der Ange- klagte in einer „Lotto-Modellbau-Post-Agentur“ unter Vorhalt einer mit Knallkar- tuschen geladenen Schreckschusspistole die Herausgabe von Bargeld. Nachdem die Angestellte ihm den Kasseninhalt – insgesamt 840 Euro – übergeben hatte, wandte sich der Angeklagte zur Flucht. Dabei schoss er aus kurzer Entfernung in Richtung des Kopfes eines Kunden, der den Überfall bemerkt und den Angeklagten durch Zuhalten der Eingangstür an der Flucht zu hindern versucht hatte. Der durch die Schusswirkung der Knallkartusche benommene Zeuge konnte den Angeklagten in der Folge nicht weiter aufhalten. Der Angeklagte flüchtete mit einem Fahrrad, an dessen Lenkergriffen DNA-Material gesichert werden konnte.
3
Das Landgericht ist „aufgrund des Ergebnisses der biologischen Unter- suchungen der am (Flucht-)Fahrrad gesicherten Spuren der Überzeugung, dass der Angeklagte (…) der Täter des Überfalls ist“. Die molekularbiologische Sachverständige habe ausgeführt, dass die am Lenkergriff festgestellte DNAMerkmalskombination mit jener im Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimme und diese Merkmalskombination in der deutschen Population (bei Nichtverwandten) einmal unter ca. 150 Trilliarden Personen vorkomme. Deshalb könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegan- gen werden, dass es sich bei dem Angeklagten um den Verursacher der DNASpur handele.

II.


4
Der Schuldspruch betreffend die Tat 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand , da die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht belegt sind.
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck aus dem Lauf nach vorn austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist bei Schreckschusswaffen nicht selbstverständlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201; vom 10. Mai 2017 – 4 StR 167/17, jeweils mwN).
6
Entsprechende Feststellungen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole enthält das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht prüfen , ob der Angeklagte den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand oder lediglich denjenigen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB verwirklicht hat. Nur insoweit bedarf es neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO).
7
2. Im Übrigen hält das Urteil rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten als rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf allein die vom Tatgericht vorgenommene Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens. Insofern ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf die Mitteilung beschränkt hat, dass die an der Tatortspur nachgewiesene DNAMerkmalskombination mit jener beim Angeklagten übereinstimmt und der diesbezügliche Wahrscheinlichkeitsquotient 1:150 Trilliarden beträgt.
8
a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10 Rn. 9 mwN).
9
b) Nach diesen Grundsätzen wurde zwar bereits das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren zur Feststellung von Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als derart standardisiert eingestuft, dass es im Urteil nicht näher erläutert werden muss. Anderes galt allerdings für die sich anschließende Berechnung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit, da diese als von wertenden Entscheidungen des Sachverständigen abhängig angesehen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Insoweit wurde – den allgemeinen Darlegungsanforderungen folgend – von den Tatgerichten verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme un- tersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuch- ten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490; vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15 Rn. 35; vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16 Rn. 25; Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 10; vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 397/15 Rn. 4; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 Rn. 11; vom 18. Januar 2018 – 4 StR 377/17).
10
c) An den beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen hält der Senat für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen , die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, nicht fest. Denn nach dem erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik ist die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung in Fällen eindeutiger Einzelspuren soweit vereinheitlicht, dass es einer Darstellung der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der Anzahl der Übereinstimmungen in den untersuchten Merkmalssystemen nicht mehr bedarf. Vielmehr genügt die Mitteilung des Gutachtenergebnisses in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form, da diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
11
Der Senat hat insbesondere zu der Frage, ob die molekulargenetische Begutachtung von eindeutigen Einzelspuren in Deutschland in der Weise standardisiert ist, dass unterschiedliche Sachverständige (gegebenenfalls auch un- ter Anwendung verschiedener Methoden) in „Normalfällen“ – in denen als Spu- renleger nicht mehrere miteinander verwandte Personen in Betracht kommen – bei der biostatistischen Bewertung zu gleichwertigen Ergebnissen gelangen, eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen S. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln eingeholt. Danach kann nunmehr auch die biostatistische Wahrscheinlichkeitsbewertung im Rahmen von molekulargenetischen Sachverständigengutachten als weithin standardisiert gelten.
12
aa) Die biostatistische Bewertung von DNA-Spuren beruht auf der Häufigkeitsschätzung des festgestellten DNA-Profils in der entsprechenden Referenzbevölkerung. Es können dabei zwei für die Ergebnisaussage gleichwertige Ansätze verfolgt werden: Zum einen ist die Benennung der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit üblich, bei der angegeben wird, unter wie vielen beliebigen Personen die beobachtete Merkmalskombination einmal vorgefunden werden kann. Zum anderen kann ein Wahrscheinlichkeitsquotient (Likelihood-Ratio) bezeichnet werden, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, wie viel wahrscheinlicher es ist, dass das Spurenmaterial von der Vergleichsperson stammt, als dass es von einer unbekannten, mit der Vergleichsperson nicht verwandten Person herrührt. Bei – wie im vorliegenden Fall – eindeutigen Einzelspuren entspricht der Zahlenwert des Wahrscheinlichkeitsquotienten jenem der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit.
13
Maßgeblich für die Häufigkeitseinschätzung in Bezug auf das jeweilige DNA-Profil ist unabhängig von dem gewählten Ansatz einerseits die Anzahl der im (anerkannt standardisierten) PCR-Verfahren ermittelten Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial. Andererseits hängt die biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage davon ab, mit welcher Häufigkeit die einzelnen STR-Systeme (und in der Folge die Merkmalskombination) in der Referenzbevölkerung vorkommen. Maßgebliche Grundlage der Häufigkeitsaussa- gen zu den einzelnen Merkmalen sind in populationsgenetischen Studien veröffentlichte Daten.
14
bb) Für die stets auf diesen Grundlagen fußende Bewertung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit bestehen in der molekulargenetischen Wissenschaft nach der Einschätzung des Sachverständigen, denen der Senat folgt, anerkannte Standards, die zu zuverlässigen und gleichwertigen Ergebnissen führen. Jedenfalls seit der Veröffentlichung der „GemeinsamenEmpfehlungen der Projektgruppe ‚biostatistische DNA-Berechnungen‘ und der Spurenkommis- sion zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden“ (Ulbrich et al. NStZ 2017, 135) sind Standards für die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung formuliert, die von Gutachtern lege artis zu beachten sind. Diese betreffen ausdrücklich (auch) die Bewertung von Einzelspuren und insbesondere die Verwendung bestimmter populationsgenetischer Daten und damit die maßgeblichen Grundlagen der gutachterlichen Häufigkeitseinschätzung. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass von allen Sachverständigen dieselbe , auf dem sogenannten Hardy-Weinberg-Gesetz beruhende und umfassend wissenschaftlich begründete Berechnungsweise angewandt wird, handelt es sich bei der biostatistischen Bewertung von DNA-Einzelspuren – die aus molekulargenetischer Sicht unstrittig ist und klare und belastbare Aussagen zur Spurenlegereigenschaft ermöglicht – um ein wissenschaftlich anerkanntes und verbindlich eingeführtes Berechnungsverfahren, dessen Anwendung stets zu gleichwertigen Ergebnissen führt.
15
cc) Für die Ersetzung einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage durch eine bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form gibt es derzeit noch keine einheitliche Skala. Der Sachverständige hat zusammenfassend darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf eindeutige Einzelspuren ei- nen Konsens gibt, auf eine zahlenmäßige Aufschlüsselung und Dokumentation bei LR-Werten von mehr als 30 Milliarden zu verzichten und dies mit der Beur- teilung „es besteht kein begründeter Zweifel, dass die Merkmale der Spur von Person A stammen“ zu verbinden.
16
d) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – insbesondere die genannte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177) – steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Es liegt keine eine Rechtsfrage betreffende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG vor. Der Senat hat auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstäbe zur Darstellung von Sachverständigengutachten in tatgerichtlichen Urteilen lediglich eine im Tatsächlichen abweichende Bewertung des fortgeschrittenen wissenschaftlichen Stands der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung im Rahmen molekulargenetischer Sachverständigengutachten vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2456).
17
3. Anlass für eine Kompensationsentscheidung wegen sogenannter rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung besteht nicht, zumal die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes in drei Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen von vier Jahren, fünf Jahren sowie fünf Jahren und sechs Monaten rechtskräftig ist. Die überdurchschnittliche Länge des Revisionsverfahrens hat ihre Ursache neben mehreren Beratungen des Senats vor allem in dem Erfordernis , das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2018 – 2 StR 334/15 Rn. 28 ff.).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 149/17
vom
31. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:310517B5STR149.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der einschlägig vorbestrafte Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 5. Dezember 2015 mit einer U-Bahn, die auch die auf ihrem Heimweg befindliche Nebenklägerin bestieg. Der Angeklagte entschloss sich, sie zu verfolgen, um an geeigneter Stelle an ihr sexuelle Handlungen auch gewaltsam zu vollziehen. Als die Nebenklägerin die U-Bahn verließ, folgte er ihr auf ihrem weiteren Nachhauseweg. Er sprach sie mit der Frage an, ob sie ihn mitnehme, und ließ sich auch durch ihre ablehnende Antwort nicht von seinem Vorhaben abbringen. Um den weiter hinter ihr herlaufenden Angeklagten zur Aufgabe seiner Verfolgung zu bewegen, drehte sich die Nebenklägerin, als er sich direkt hinter ihr befand, zu ihm um, schrie ihn an und schlug mit ihrer Handtasche in seine Richtung, ohne ihn zu treffen.
3
In Umsetzung seines Tatplans drängte der Angeklagte die Nebenklägerin nunmehr gegen eine Mauer, griff ihr in das Gesicht und erklärte, er wolle sie „ficken“. Er fasste ihr unter dem Rock zwischen die Beine und versuchte, mit der Hand unter ihrer Strumpfhose in den Scheidenbereich zu gelangen. Durch ihre Hilfeschreie auf die Tat aufmerksam geworden öffnete ein Anwohner ein Fenster und veranlasste mit seinem Ausruf „Polizei“ den Angeklagten zur Flucht.
4
2. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich dahin eingelassen hat, keine Erinnerung an einen solchen Vorfall zu haben , aufgrund einer Gesamtschau folgender Umstände überzeugt:
5
Als „gewichtiges Indiz“ sieht es das Landgericht vor allem an, dass an bestimmten Stellen der Strumpfhose der Nebenklägerin Mischspuren mit Merkmalen gefunden worden seien, für deren Verursachung der Angeklagte in Betracht komme. Nach Erläuterung des Sachverständigen sei die Übereinstimmung des DNA-Identifizierungsmusters der Spuren mit dem des Angeklagten so groß, dass weltweit – wenn überhaupt – diese Spuren nur wenigen Personen zugeordnet werden könnten. Die mögliche Zuordnung der Spuren zu anderen Personen sei eher theoretischer Natur.
6
Das Landgericht hält weiter den in Augenschein genommenen Angeklagten für identisch mit der Person, die von den Videoaufzeichnungen in der U-Bahn erfasst und darauf von der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren als Täter identifiziert worden sei. Die äußere Erscheinungsform (Größe), Kopfform und Gesicht stimmten überein. Das auf den Videoaufnahmen erkennbare Gesicht entspreche auch dem auf den Fotos aus der letzten erkennungsdienstlichen Behandlung des Angeklagten. Demgegenüber habe dessen Wiedererkennung durch die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung nur geringes Gewicht.
7
Als weiteres Indiz wertet das Landgericht, dass eine bei Festnahme des Angeklagten am 30. Dezember 2015 sichergestellte schwarze wollene Schirm- mütze und eine schwarze Jacke „vom Erscheinungsbild her“ identisch seien mit der Mütze und der Jacke, die von der auf den Videoaufzeichnungen abgebildeten Person getragen worden seien; auch habe der Täter nach den Angaben der Nebenklägerin und der beiden seine Flucht beobachtenden Anwohner eine schwarze Mütze getragen. Schließlich decke sich das Tatbild mit jenem mehrerer nächtlicher Überfälle auf ihm unbekannte Frauen in den Jahren 2006 und 2007, die den Gegenstand einer Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe bildeten.

II.


8
1. Diese Beweiswürdigung enthält – trotz des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs – sachlich-rechtlich beachtliche Fehler, da sie lückenhaft ist.
9
a) Dies gilt zunächst für die Heranziehung der DNA-Spuren auf der Strumpfhose der Nebenklägerin.
10
Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel zumindest erforderlich, dass das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 mwN).
11
Hier hat das Landgericht mit seiner pauschalen Verweisung auf ein DNA-Gutachten des Landeskriminalamts und mit der Wiedergabe allgemein gehaltener Ausführungen des Sachverständigen nicht nur davon abgesehen, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens im Urteil anzugeben, sondern nicht einmal als Ergebnis der Analyse den Seltenheitswert der Spuren mitgeteilt, aus denen sich ableiten ließe, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger anzusehen ist.
12
b) Auch beschränkt sich das Landgericht darauf, zu seiner Überzeugung von der Identität des Angeklagten mit der Person, die von den Videoaufzeichnungen in der U-Bahn erfasst wurde, das Ergebnis seiner vergleichenden Betrachtung pauschal mitzuteilen, ohne dies anhand von Einzelmerkmalen des äußeren Erscheinungsbildes wie etwa der konkreten Körpergröße oder Kopfform zu belegen. In diesem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es hier für eine wirksame Verweisung auf Abbildungen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (vgl. zu den Anforderungen BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – 3 StR 425/15, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 267 Rn. 8 mwN), die ohnehin nur „wegen der Einzelheiten“ erlaubt ist, schon genügt, dass zu einem Standbild aus der Videoaufzeichnung lediglich zwei Fundstellen in der Akte angegeben werden verbunden mit dem Hinweis auf eine Inaugenscheinnahme durch die Strafkammer (UA S. 33). Jedenfalls hat sich das Landgericht nicht mit der Ergiebigkeit des Bildes und seiner Eignung als Grundlage einer Identifizierung auseinandergesetzt, an deren Begründung umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je schlechter die Bildqualität ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376,

384).


13
Ebenso wenig wird für den Umstand, dass die Nebenklägerin tatzeitnah auf dem betreffenden Standbild aus der Videoaufzeichnung eine bestimmte Person als Täter wiedererkannt hat (UA S. 30 f.), mitgeteilt, ob und gegebenenfalls an welche bestimmten individuellen Identifizierungsmerkmale sie ihr Wiedererkennen geknüpft hat. Insofern könnte zudem von Bedeutung sein, ob die Zeugin zuvor schon eine auf diese Person und damit den Angeklagten zutreffende Täterbeschreibung abgegeben hatte.
14
2. Der Senat kann – trotz der den Angeklagten erheblich belastenden Beweislage – nicht ausschließen, dass das Urteil auf den erörterten Lücken in der Beweiswürdigung beruht. Das Landgericht hat den weiteren von ihm ange- gebenen Indizien für die Täterschaft des Angeklagten, die zudem eher einen geringen Beweiswert besitzen, ersichtlich nur eine ergänzende Bedeutung beigemessen.
Mutzbauer Sander Dölp
König Berger

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

5 StR 124/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2003

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 2002 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, daß die in Spanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Besetzungsrüge im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO hat neben den vom Generalbundesanwalt zutreffend aufgeführten Gründen auch deswegen keinen Erfolg, weil der Revisionsführer die Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 192 Abs. 2 GVG vom 3. Mai 2002 (Sachakten Bd. IV, Bl. 835) nicht mitgeteilt hat.
Indes war die Urteilsformel um die Entscheidung über die Anrechnung der in Spanien erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen. Entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat das Landgericht im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem diese Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muß in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGHSt 27, 287, 288). Der Senat holt den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Anrech- nung und die Festsetzung des Maßstabes nach. Im Hinblick darauf, daß in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmt.
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(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.