Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13

bei uns veröffentlicht am24.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 492/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Oktober 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 20. Juni 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) in beiden Gesamtstrafaussprüchen,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Maßregelausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Zu neuer Verhandlung und Festsetzung einer Einzelstrafe im Fall 4 der Urteilsgründe (gefährliche Körperverletzung ), neuer Gesamtstrafbildung und Entscheidung über eine Maßregel nach § 64 StGB sowie über die Kosten der Revision wird die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes und versuchten Raubes unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus zwei rechtskräftigen Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Einzelstrafe aus einem rechtskräftigen Urteil zu einer (zweiten) Ge- samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt; es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von insgesamt einem Jahr Freiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt: Im Fall II 4 fehlt es an der notwendigen Festsetzung einer Einzelfreiheitsstrafe (vgl. UA S. 29/30). Sie muss nachgeholt werden. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 1 m. w. N.). Die Nachholung der Festsetzung durch das Revisionsgericht ist hier nicht möglich. Die Verhängung der Mindeststrafe von sechs Monaten für die gegenständliche gefährliche Körperverletzung ist nicht vertretbar. Neben der fehlenden Einzelstrafenfestsetzung, die bereits für sich genommen zur Aufhebung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe führen muss, weist die Gesamtstrafenbildung insgesamt wegen der Auflösung und Einbeziehung der Strafen aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Leipzig vom 4. Februar 2013 durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Beide Gesamtfreiheitsstrafen können deshalb keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat übersehen, dass die Verurteilung vom 15. Februar 2011 [deren Einzelstrafen in dem Berufungsurteil rechtsfehlerfrei einbezogen worden waren] Zäsurwirkung entfaltet. Eine Auflösung der mit Urteil vom 4. Februar 2013 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe war deshalb unzulässig. Die Einbeziehung der für die am 28. Oktober 2010 und 7. November 2010 [begangenen Taten] verhängten Geldstrafen war mithin rechtsfehlerhaft. Die erste Gesamtfreiheitsstrafe hätte lediglich aus den Einzelstrafen [für die] jeweils am 26. Juni 2011 [einbezogenes Urteil vom 19. Oktober 2012] und 12. April 2012 [Fälle II 1 und 2] begangenen Straftaten gebildet werden dürfen. Die zweite (wegen der Zäsur des Urteils vom 19. Oktober 2012) erforderliche Gesamtfreiheitsstrafe darf sich nur aus den Strafen für die Taten vom 18. und 24. November 2012 [Fälle II 3 und 4] zusammensetzen. Die Maßregelanordnung und der angeordnete Vorwegvollzug können ebenfalls keinen Bestand haben. Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt nach der seit dem 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzesfassung die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg voraus. Das Landgericht hat den Erfolg der Entziehungskur jedoch lediglich als „nicht von vornherein aussichtslos“ bezeichnet und damit einen Maß- stab angelegt, der durch das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1994 (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.) für verfassungswidrig erklärt worden ist (vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 – 3 StR 169/10; vom 10. Oktober 2007 – 2 StR 420/07; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rdnr. 18 m. w. N.). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, ob der Tatrichter trotz seiner gewählten Formulierung von der notwendigen hinreichend konkreten Erfolgsaussicht ausgegangen ist (vgl. hierzu BGH, 3. Strafsenat, a. a. O.). Denn der Angeklagte zeigt nicht nur keine Krankheitseinsicht, sondern lehnt darüber hinaus die Behandlung im Maßregelvollzug ab (UA S. 31). Gründe und Wurzeln dieses Motivationsmangels sind nicht festgestellt (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 3. Juli 2012 – 5 StR 313/12, NStZ-RR 2012, 307 f.). Ob die erforderliche Erfolgsaussicht tatsächlich besteht, wird deshalb neu zu entscheiden sein. Deshalb muss auch der angeordnete Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe entfallen. [Er wird mit Aufhebung des Maßregelausspruchs gegenstandslos.]
3
Der Senat weist darauf hin, dass über die Voraussetzungen des § 64 StGB erneut unter Zuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu verhandeln ist und dass wegen der rechtskräftigen, nicht einzubeziehenden anderweitigen Verurteilung des Angeklagten zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat aus dem Verschlechterungsverbot eine Obergrenze von vier Jahren und elf Monaten für die Summe der beiden neu zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafen folgt.
Basdorf Dölp König Berger Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2013 - 5 StR 492/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2007 - 2 StR 420/07

bei uns veröffentlicht am 10.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 420/07 vom 10. Oktober 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2007 gemäß § 349 Ab

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2010 - 3 StR 169/10

bei uns veröffentlicht am 22.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 169/10 vom 22. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 169/10
vom
22. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 23. Dezember 2009 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt zuerst zu vollstrecken ist. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
3
2. Die Maßregelanordnung nach § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat die Unterbringung als "nicht von vorneherein aussichtslos" bezeichnet und damit einen Maßstab angelegt, der vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 (BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 - 2 BvL 3/90 (u. a.), BVerfGE 91, 1 ff.) für verfassungswidrig erklärt worden ist. Seither war § 64 Abs. 2 aF StGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass er die Feststellung einer konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel voraussetzt. Hierauf hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen hingewiesen. Durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) ist § 64 StGB entsprechend geändert worden und trägt dem Erfordernis einer konkreten Erfolgsaussicht nun auch im Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich Rechnung (§ 64 Satz 2 StGB).
5
Es lässt sich den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit nicht sicher entnehmen , dass der Tatrichter gleichwohl von der notwendigen hinreichend konkreten Erfolgsaussicht ausgegangen ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2007 - 2 StR 393/07). Zwar hat der Angeklagte seine Suchterkrankung eingestanden und sich zur Mitarbeit bei der Therapie bereiterklärt. Dem stehen indes die zahlreichen Vorverurteilungen, bei denen der Angeklagte die ihm eingeräumten Bewährungschancen jeweils nicht genutzt hat, sowie dessen ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung gegenüber. Über die Erfolgsaussicht der Maßregel muss deshalb erneut vom Tatrichter befunden werden.
6
b) Die Darlegungen zur Gefährlichkeit des Angeklagten begegnen ebenfalls rechtlichen Bedenken. Das Landgericht führt unter Bezugnahme auf den gehörten Sachverständigen aus, bei der Anlasstat - der Angeklagte verletzte gemeinschaftlich mit einem Mittäter im Alkoholiker- und Obdachlosenmilieu während eines mehrstündigen Geschehens das Opfer durch Schläge und Tritte erheblich - handele es sich "um ein Delikt mit einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit. Diese liege in sieben Jahren bei 76% und in 10 Jahren bei 82%" (UA S. 34). Herkunft und Bedeutung dieser Angaben sind unklar und erlauben deshalb eine revisionsgerichtliche Nachprüfung der Gefährlichkeitsprognose nicht. Sofern es sich um Erkenntnisse aus standardisierten, auf statistischen Erfahrungen beruhenden Prognoseinstrumenten handeln sollte, gilt Folgendes: Diese Instrumente listen Umstände auf, die einen Zusammenhang mit Rückfälligkeit aufweisen. Sie sind jeweils das Ergebnis der Untersuchung von unterschiedlich zusammengesetzten Stichproben verurteilter Straftäter. Ob ein bestimmtes Prognoseinstrument für die Beurteilung des beim Angeklagten bestehenden individuellen Rückfallrisikos generell tauglich ist, hängt zuerst einmal davon ab, ob die in die Stichprobe einbezogenen Täter bezüglich ihrer persönlichen Umstände (z. B. Anlassdelikt, psychische Erkrankung, Alter) mit dem Angeklagten vergleichbar sind. Entsprechendes gilt hinsichtlich des für den Angeklagten zukünftig zu erwartenden Umfelds und der für die Prognose als entscheidend erachteten Zeitspanne. Gibt es keine oder eine geringe Vergleichbarkeit zwischen der Stichprobe des angewendeten Prognoseinstruments und dem zu beurteilenden Einzelfall, ist die Bestimmung eines individuellen Risikogrades aus methodischer Sicht nicht zu rechtfertigen (vgl. König, R&P 2010, 67, 71 f. mwN). Stützt der Tatrichter seine Gefährlichkeitsprognose auf ein von einem Sachverständigen verwendetes standardisiertes Prognoseinstrument, hat er deshalb darauf zu achten, dass es im jeweiligen Einzelfall tauglich ist (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - 3 StR 350/08, StV 2009, 118). Selbst dann bedarf es zur individuellen Prognose über die Anwendung derartiger Instrumente hinaus einer differenzierten Einzelfallanalyse durch den Sachverständigen (BGH, Beschluss vom 30. März 2010 - 3 StR 69/10 mwN).
7
3. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) wird vorliegend von der Aufhebung miterfasst.
8
Wegen der Rechtsbedenken gegen die Darlegungen des Landgerichts zur Gefährlichkeit bei § 64 StGB sowie wegen des Zusammenhangs beider Maßregeln hebt der Senat auch die Unterbringung nach § 63 StGB auf.
9
Über die Verhängung beider Maßregeln muss deshalb erneut entschieden werden. Der neue Tatrichter sollte erwägen, einen anderen Sachverständigen heranzuziehen. VRiBGH Becker ist wegen Urlaubs Pfister RiBGH von Lienen ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Pfister Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 420/07
vom
10. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 25. April 2007 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass "vor Beginn der Maßregel jedoch zunächst vier Jahre der Strafe zu vollstrecken sind."
2
Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Maßregelausspruch (§§ 64, 67 StGB) hat keinen Bestand.
4
Das Landgericht hat hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an die vom Gesetz verlangte Erfolgsaussicht dieser Maßregel (§ 64 Abs. 2 StGB) einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Der Tatrichter hat hierzu lediglich ausgeführt (UA S. 29):
5
"Eine Untherapierbarkeit des Angeklagten, die der Anordnung entgegenstehen würde, konnte nicht festgestellt werden. Der Angeklagte hat zwar bisher keine Therapieeinsicht gezeigt und keine Therapie absolviert. Eine Aussichtslosigkeit eines therapeutischen Settings lässt sich damit aber nicht begründen. Ebenso stellen mögliche Sprachprobleme beim Angeklagten, der die deutsche Sprache jedenfalls nicht sehr gut spricht, keinen Hinderungsgrund für seine Einweisung in den Maßregelvollzug dar".
6
Damit hat das Landgericht im Kern nur darauf abgestellt, ob eine Entziehungskur von vornherein aussichtslos ist.
7
Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt aber die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg voraus (vgl. BVerfGE 91, 1). Eine solche hat der Tatrichter nicht ausdrücklich geprüft und lässt sich hier auch nicht hinreichend dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen.
8
Ob eine derartige Erfolgssaussicht besteht, wird der neue Tatrichter zu beurteilen haben. Schon aus diesem Grunde muss auch der angeordnete Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe entfallen.
9
Der Senat weist insoweit auch auf die Neufassung der §§ 64 und 67 Abs. 2 StGB durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) hin. Bode Rothfuß Fischer Roggenbuck Appl

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.