Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2013 - 5 StR 602/12

bei uns veröffentlicht am23.01.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 602/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2013

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. August 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Zur Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags (Tat 21) bemerkt der Senat ergänzend: 1. Die Schwurgerichtskammer hat sich die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf der Grundlage von Zeugenaussagen gebildet, die sie – trotz nicht verkannter und namentlich auf die abschnittsweise Beobachtung sowie die eigene Alkoholisierung einiger Zeugen zurückzuführender Widersprüche – hinsichtlich des Kerns des Geschehens als glaubhaft gewürdigt hat. Mangels jeglicher tragfähiger Anhaltspunkte für einen Alternativtäter hat sie die Frage der Anwesenheit weiterer Personen vor dem Lokal erkennbar als letztlich irrelevant angesehen. Dies lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.
2. Dass die Schwurgerichtskammer von einem gezielten Stich in den Bauch des Opfers ausgegangen ist, unterliegt keinem Zweifel. Schon im Hinblick auf die Wucht des Stichs ist diese Annahme rechtlich genauso wenig zu beanstanden wie der aus dessen Gefährlichkeit abgeleitete Schluss auf einen Tötungsvorsatz des Angeklagten. Wenn das angefochtene Urteil angesichts eines mit Tötungsvorsatz geführten lebensgefährlichen Messerstichs keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Vorstellungsbildes des sogleich fliehenden Angeklagten sieht, nach dem das Opfer gleichwohl überleben werde, so entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – 5 StR 528/11, NStZ 2012, 688 Rn. 30 f. mwN). Ob der Angeklagte die unmittelbaren Folgen seiner Tat noch wahrgenommen hat, spielt deshalb für die Frage der Beendigung des Versuchs in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Schwurgerichtskammer (UA S. 39) keine Rolle.
3. Entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts boten die vagen Bekundungen des Angeklagten in seiner schriftlichen, durch die Schwurgerichtskammer hinsichtlich ihres Gewichts für die Beweiswürdigung zutreffend gewürdigten Einlassung (UA S. 34 f.) auch in Verbindung mit den durch die Verteidigung angesprochenen Umständen keinen hinreichenden Anlass für die Erörterung einer Notwehrlage.
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Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2013 - 5 StR 602/12

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2013 - 5 StR 602/12 zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2012 - 5 StR 528/11

bei uns veröffentlicht am 08.05.2012

5 StR 528/11 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 8. Mai 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Erpressung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2012, an der teilgenommen haben: Vorsitzender

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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a) Mit Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die Einschätzung des Landgerichts, der Angeklagte habe im Zeitpunkt seines Weglaufens den Eintritt des Tötungserfolgs nicht für möglich gehalten oder sich insoweit zumindest keine Gedanken gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224, 225 f.; BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1991 – 3 StR 321/91, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 25), in den Feststellungen keine Stütze findet. Der Angeklagte hatte dem Geschädigten zwei wuchtige Stiche in die linke Brustkorbseite versetzt, die unmittelbar unterhalb des Herzens trafen und lebensgefährliche Verletzungen hervorriefen. Infolgedessen hat sich die Jugendkammer rechtsfehlerfrei vom Vorliegen eines zumindest bedingten Tötungsvorsatzes überzeugt. Als der Angeklagte nach Gegenwehr des Geschädigten weglief, war dieser zu Boden gefallen. Unter solchen Vorzeichen liegt der Schluss nicht nahe, der Angeklagte sei davon ausgegangen, sein Opfer werde nicht an den Folgen der Stiche versterben. Die verlesene schriftliche Erklärung des Angeklagten , in der er sich vorrangig auf eine Notwehrsituation berief und zu der er ausweislich der Urteilsgründe keine Nachfragen beantwortete, bietet hierfür schon deswegen keine hinreichende Grundlage, weil sie von der Jugendkammer – insoweit ohne Rechtsfehler – als weitgehend unglaubhaft gewertet wurde.