Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2005 - I ZB 35/04

bei uns veröffentlicht am07.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 35/04
vom
7. Juli 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr.
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Schutzfristüberwachung
Zur Zulässigkeit nachgeschobenen Vorbringens nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist.
BGH, Beschl. v. 7. Juli 2005 - I ZB 35/04 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 33. Senats (Marken -Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 2. November 2004 wird auf Kosten des Markeninhabers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


I. Der Rechtsbeschwerdeführer ist Inhaber der Marke Nr. , deren Schutzdauer im Mai 2002 endete. Die Frist zur Zahlung der Gebühren für die Verlängerung der Schutzdauer mit einem Verspätungszuschlag lief am 30. November 2002 ohne Zahlungseingang ab.
Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2003 hat der Markeninhaber Wiedereinsetzung in die Frist zur zuschlagsfreien, hilfsweise zur zuschlagspflichtigen Zah-
lung der Verlängerungsgebühr beantragt. Die Gebühren für die Verlängerung sind samt Zuschlag am 30. Mai 2003 eingezahlt worden.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat der Markeninhaber u.a. ausgeführt: Er sei Gründer der P. GmbH (im folgenden: P. ). Im Jahre 1995 habe er die Geschäftsführung des Unternehmens aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt. Seit dem 1. September 1999 sei er bei dem Unternehmen angestellt. Er und die P. seien Inhaber mehrerer Schutzrechte. Die P. nutze mit seinem Einverständnis die Marken, die auf seinen Namen eingetragen seien. Vor etwa drei Jahren hätten er und die P. - u.a. im Hinblick auf seine hohe Arbeitsbelastung - einen Patentanwalt mit der Vertretung für diese Schutzrechte beauftragt. Die Marke Nr. sei dabei übersehen worden mit der Folge, daß der Patentanwalt für diese nicht die Vertretung übernommen habe. Er selbst und die für Schutzrechtsangelegenheiten zuständige Mitarbeiterin der P. seien jedoch von der Übernahme der Fristenüberwachung für diese Marke ausgegangen, so daß kein eigener Fristenkalender geführt worden sei.
Ein Schreiben des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. September 2002, das auf den Ablauf der Schutzdauer und die Möglichkeit der Verlängerung gegen Zahlung eines Verspätungszuschlags hingewiesen habe, sei bei der P. aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht beachtet und falsch abgelegt worden. Er selbst habe das Schreiben am 1. April 2003 aufgefunden.
Die zuständige Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Markeninhabers ist erfolglos geblieben.
Hiergegen wendet sich der Markeninhaber mit seiner (nicht zugelassenen ) Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.
II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr nicht gewährt werden könne. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Markeninhaber habe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht , daß er ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Gebühren für die Verlängerung der Marke Nr. rechtzeitig zu zahlen. Der maßgebliche Grund für die Fristversäumung liege darin, daß die Fristenüberwachung für die Marke versehentlich nicht auf den Vertreter der P. übertragen worden sei. Der Markeninhaber habe nicht begründet, daß ihn daran keine Schuld treffe. An erster Stelle habe es jedoch ihm als Rechtsinhaber und Lizenzgeber oblegen, sich zu vergewissern, daß die Fristenüberwachung für die Marke auf den Patentanwalt übertragen worden sei. Das falsche Ablegen des Schreibens des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. September 2002 habe seine Ursache darin, daß die Marke Nr. in dem Schutzrechtsüberwachungsvertrag mit dem Patentanwalt übersehen worden sei, nicht in einem Fehlverhalten zuverlässiger Hilfskräfte der P. , das dem Markeninhaber oder der P. etwa nicht zuzurechnen wäre.
III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde folgt daraus, daß eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) mit näherer Begründung gerügt wird (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Darauf, ob diese Rüge durchgreift, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Bundespatentgericht das Recht des Markeninhabers auf rechtliches Gehör nicht verletzt hat.

a) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe nicht auf seine Absicht hingewiesen, darauf abzustellen, ob den Markeninhaber im Zeitpunkt der Übertragung der Fristenüberwachung ein Verschulden getroffen habe. Der Markeninhaber habe deshalb keinen Anlaß gehabt anzunehmen, daß dazu weiteres Vorbringen erforderlich sein werde. Bereits in seinem Wiedereinsetzungsantrag habe der Markeninhaber vorgetragen, er habe im Jahre 1995 die Geschäftsführung der P. aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt und sie nicht wieder aufgenommen. Auf entsprechenden Hinweis hätte er dies dahingehend erläutert, daß seine Gesundheit auch noch Mitte des Jahres 2000, im Zeitpunkt der Übertragung der Fristenüberwachung, angeschlagen gewesen sei und dies kurz danach sogar einen Krankenhausaufenthalt notwendig gemacht habe. Dies hätte zu einer anderen Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags führen können.
b) Mit diesem Vorbringen kann die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben.
aa) Das Bundespatentgericht hat das Recht des Markeninhabers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Bereits die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags maßgeblich damit begründet, daß den Markeninhaber ein eigenes Verschulden an der Fristversäumung treffe. Sie hat dazu dargelegt, ein Markeninhaber verletze elementare Sorgfaltspflichten, wenn er Marken aus dem Auge verliere und ohne genaue Prüfung von einer Fristenüberwachung absehe oder eine solche einstellen lasse. Schon im Hinblick darauf hatte das Bundespatentgericht keinen Grund, den Rechtsbeschwerdeführer vor seiner Entscheidung nochmals auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen.
bb) Das Bundespatentgericht hätte zudem bei seiner Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die Tatsachen gar nicht berücksichtigen dürfen, die der Markeninhaber nach Darstellung der Rechtsbeschwerde auf gerichtlichen Hinweis vorgetragen hätte.
Nach § 91 Abs. 3 Satz 1 MarkenG muß der Wiedereinsetzungsantrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Die erforderlichen Angaben müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden. Lediglich unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden, insbesondere, wenn deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war (vgl. - zu § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO - BGH, Beschl. v. 5.10.1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366; Beschl. v. 12.6.2001 - X ZB 14/01, BGH-Rep 2001, 982; vgl. weiter Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 91 Rdn. 29; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 91 Rdn. 31).
Das tatsächliche Vorbringen, auf das der Markeninhaber - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - seinen Wiedereinsetzungsantrag nach einem gerichtlichen Hinweis zusätzlich gestützt hätte, beschränkt sich nicht auf eine Erläuterung oder Vervollständigung der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag. Aus diesen ergab sich kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, daß der Markeninhaber zu der Zeit, als ein Patentanwalt mit der Überwachung der Schutzfristen verschiedener Schutzrechte beauftragt wurde, in einem besonders schlechten Gesundheitszustand gewesen sei, der die Kontrolle über den Gegenstand und die Zahl der überlassenen Schutzrechte ausgeschlossen habe. In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist vielmehr ausgeführt, daß der Markeninhaber seit dem 1. Januar 1999 bei der P. angestellt gewesen und der Schutzrechtsüberwachungsvertrag auch im Hinblick auf seine hohe Arbeitsbelastung geschlossen worden sei.
cc) Danach kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob das neue tatsächliche Vorbringen der Rechtsbeschwerde zusammen mit dem bisherigen Vorbringen des Markeninhabers einen Wiedereinsetzungsgrund schlüssig belegen könnte.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2005 - I ZB 35/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2005 - I ZB 35/04

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2005 - I ZB 35/04 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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Markengesetz - MarkenG | § 83 Zugelassene und zulassungsfreie Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschl

Markengesetz - MarkenG | § 91 Wiedereinsetzung


(1) Wer ohne Verschulden verhindert war, dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Bundespatentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ist auf Antrag wieder in den

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2001 - X ZB 14/01

bei uns veröffentlicht am 12.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 14/01 vom 12. Juni 2001 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richte

Referenzen

(1) Wer ohne Verschulden verhindert war, dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Bundespatentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ist auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen. Dies gilt nicht für die Frist zur Erhebung des Widerspruchs und zur Zahlung der Widerspruchsgebühr (§ 6 Abs. 1 Satz 1 des Patentkostengesetzes).

(2) Die Wiedereinsetzung muß innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses beantragt werden.

(3) Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Diese Tatsachen sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.

(4) Die versäumte Handlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(5) Ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden.

(6) Über den Antrag beschließt die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat.

(7) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(8) Wird dem Inhaber einer Marke Wiedereinsetzung gewährt, so kann er Dritten gegenüber, die in dem Zeitraum zwischen dem Eintritt des Rechtsverlusts an der Eintragung der Marke und der Wiedereinsetzung unter einem mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichen gutgläubig Waren in den Verkehr gebracht oder Dienstleistungen erbracht haben, hinsichtlich dieser Handlungen keine Rechte geltend machen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer ohne Verschulden verhindert war, dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Bundespatentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, ist auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen. Dies gilt nicht für die Frist zur Erhebung des Widerspruchs und zur Zahlung der Widerspruchsgebühr (§ 6 Abs. 1 Satz 1 des Patentkostengesetzes).

(2) Die Wiedereinsetzung muß innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses beantragt werden.

(3) Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Diese Tatsachen sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.

(4) Die versäumte Handlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(5) Ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden.

(6) Über den Antrag beschließt die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat.

(7) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(8) Wird dem Inhaber einer Marke Wiedereinsetzung gewährt, so kann er Dritten gegenüber, die in dem Zeitraum zwischen dem Eintritt des Rechtsverlusts an der Eintragung der Marke und der Wiedereinsetzung unter einem mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichen gutgläubig Waren in den Verkehr gebracht oder Dienstleistungen erbracht haben, hinsichtlich dieser Handlungen keine Rechte geltend machen.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 14/01
vom
12. Juni 2001
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. März 2001 aufgehoben.
Die Beklagte wird in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2000 wiedereingesetzt.
Beschwerdewert: 23.800,86 DM.

Gründe:


I.


Die Beklagte legte am (Montag, dem) 29. Januar 2001 gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2000, zugestellt am 27. Dezember 2000, bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf Berufung ein, die das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 12. März 2001 wegen
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen hat. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 20. März 2001 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat durch den angefochtenen Beschluß den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.

II.


Die gemäß §§ 567 Abs. 4 Satz 2, 577 Abs. 2, 519b Abs. 2, 547, 238 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Beklagten ist gemäß § 233 ZPO die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, da sie glaubhaft gemacht hat, ohne ihr Verschulden an der Einhaltung dieser Frist verhindert gewesen zu sein.
Die Beklagte hat mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch eidesstattliche Versicherung ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten glaubhaft gemacht, daß dieser am 23. Februar 2001 einen schriftsätzlichen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist selbst gefertigt und unterschrieben, der Anwaltssekretärin B. übergeben und kontrolliert habe, daß die Sekretärin den Antrag zum Briefkasten mitgenommen habe. Insoweit hat der Prozeßbevollmächtigte die erforderliche Sorgfalt walten lassen, um die Berufungsbegründungsfrist zu wahren.
Das Oberlandesgericht hat ein der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten darin gesehen, daß
der Fristverlängerungsantrag unvollständig adressiert gewesen sei, weil der Schriftsatz, wie sich aus der vorgelegten Abschrift ergebe, im Sichtfenster des Briefumschlags lediglich die Angaben "Oberlandesgericht" und (in neuer Zeile) "Düsseldorf" enthalten habe.
Es kann dahinstehen, ob das Oberlandesgericht diese Adressierung zu Recht als nicht ausreichend angesehen hat, um bei dem vorliegenden Sachverhalt einen rechtzeitigen Eingang des Antrags bei Gericht sicherzustellen, was gegebenenfalls noch weiterer Aufklärung bedürfte (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1566). Denn die Beklagte hat mit der sofortigen Beschwerde vorgetragen und durch weitere eidesstattliche Versicherungen ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und der Anwaltssekretärin B. glaubhaft gemacht, daß es der ständigen und von dem Prozeßbevollmächtigten kontrollierten Praxis in seiner Kanzlei entspreche, Schriftsätze an Gerichte, die keine vollständige Adressierung tragen, mit Sammelpost zu versenden, bei der entweder ein Schriftsatz mit vollständiger Adresse als erster des Schriftsatzstapels im Sichtfenster erscheine oder für die ein Umschlag ohne Sichtfenster verwendet werde , auf dem das Gericht, an das die Sendung adressiert sei, von Hand mit vollständiger Adresse bezeichnet werde; in einer dieser beiden Weisen müsse auch bei dem Schriftsatz vom 23. Februar 2001 an das Oberlandesgericht Düsseldorf verfahren worden sein. Nach diesem geschilderten und glaubhaft gemachten Sachverhalt, dem keine sonstigen Anhaltspunkte entgegenstehen, hat sich die unvollständige Adressierung des Antrags nicht ausgewirkt, da er in einer der genannten Varianten mit ausreichender Adressierung dem Oberlandesgericht übersandt worden ist. Ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist somit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ursächlich geworden.

Die Angaben in der sofortigen Beschwerde und den dieser beigegebenen eidesstattlichen Versicherungen sind auch nicht deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil sie nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 2 ZPO erfolgt sind. Zwar müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Indessen dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben , deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366; Beschl. v. 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284; Beschl. v. 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, NJW 1998, 1870). Hier hat die Beklagte sich zunächst zur Adressierung des Schriftsatzes vom 23. Februar 2001 nicht näher geäußert und ihren Vortrag hierzu ergänzt, nachdem das Oberlandesgericht aus dem vorgelegten Ausdruck die Schlußfolgerung gezogen hat, die Adressatenangabe "Oberlandesgericht Düsseldorf" im Schriftsatz selbst sei über das Sichtfenster eines Briefumschlages auch als postalische Adresse verwendet worden. Bei dieser Sachlage liegt kein unzulässiges Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen vor.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck