Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2011 - I ZR 206/10

bei uns veröffentlicht am24.11.2011
vorgehend
Landgericht Hamburg, 312 O 482/03, 22.06.2004
Hanseatisches Oberlandesgericht, 3 U 130/04, 18.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 206/10 Verkündet am:
24. November 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stofffähnchen II
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 15 Abs. 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1
der Verordnung (EG) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke
(ABl. EG Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
Ist Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen,
1. dass eine Marke, die Teil einer zusammengesetzten Marke ist und nur
infolge der Benutzung der zusammengesetzten Marke Unterscheidungskraft
erlangt hat, rechtserhaltend benutzt sein kann, wenn nur die
zusammengesetzte Marke Verwendung findet;
2. dass eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, wenn sie nur zusammen
mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei
Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen
zusätzlich als Marke eingetragen sind?
BGH, Beschluss vom 24. November 2011 - I ZR 206/10 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EG Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen, 1. dass eine Marke, die Teil einer zusammengesetzten Marke ist und nur infolge der Benutzung der zusammengesetzten Marke Unterscheidungskraft erlangt hat, rechtserhaltend benutzt sein kann, wenn nur die zusammengesetzte Marke Verwendung findet; 2. dass eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind?

Gründe:


1
I. Die Klägerin, die Levis Strauss & Co., ist Inhaberin der am 1. September 2000 unter anderem für Bekleidungsstücke eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 112 862 (nachfolgend Klagemarke 1) und der gleich gestalteten deutschen Bildmarke Nr. 2 914 002, eingetragen am 21. Oktober 1998 für Jeans-Hosen (nachfolgend Klagemarke 2):
2
Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin der folgenden Marken: - der am 12. Januar 1977 für Hosen, Hemden, Blusen und Jacken für Herren , Damen und Kinder eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. DD 641 687, die in dem roten rechteckigen Bestandteil am linken oberen Rand den Wortbestandteil „LEVI'S“ aufweist (Klagemarke 3): - der farbigen, am 23. Juni 1965 für Bekleidungsstücke eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 805 774, die ein skizziert dargestelltes Stück Stoff mit einem „Tab“ und der Aufschrift „LEVI'S“ zeigt (Klagemarke 4): - der am 17. Dezember 1965 für Bekleidungsstücke eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 813 729, die aus einem an ein Stück Stoff angenähten „Tab“ ebenfalls mit der Aufschrift „LEVI'S“ besteht (Klagemarke 5): - der mit Priorität vom 5. Juli 2001 am 10. Februar 2005 für Hosen eingetragenen farbigen (rot, blau) Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2 292 373, die nach der Beschreibung im Register eine Positionsmarke ist und aus einem roten rechteckigen Label aus textilem Material besteht, das oben links in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht ist und aus der Naht hervorsteht. Die Eintragung enthält den Disclaimer, dass kein Ausschließlichkeitsanspruch auf Form und Farbe der Tasche per se erhoben wird (Klagemarke 6): - der am 16. März 2005 mit Priorität vom 1. April 1996 eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 65318. Diese wird im Register beschrieben als aus einem rechteckigen Etikett aus textilem Material bestehend, das abstehend oben in den linken Saum der Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht wird (Klagemarke 7): - der am 6. Februar 2008 (Priorität 5. Juli 2001) eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2 287 613, bei der es sich nach der Registereintragung um eine Bildmarke (Positionsmarke) handelt, die aus einem rechteckigen Etikett aus textilem Material besteht, das abstehend oben in den linken Saum der Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht wird. Die Eintragung enthält den Disclaimer, dass auf die Form des Rechtecks als solches kein Ausschließlichkeitsanspruch erhoben wird (Klagemarke 8):
3
Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Oberbekleidung. Sie brachte seit November 2002 Jeans der Marken „COLLOSEUM“, „S. MALIK“ und „EURGIULIO“ auf den Markt. Diese sind in der im Klageantrag wiedergegebenen Aufmachung an der rechten Gesäßtasche mit roten, rechteckigen Stofffähnchen versehen, die an der rechten Außennaht im oberen Drittel der Tasche eingenäht sind und auf denen die jeweiligen Marken beziehungsweise die Bezeichnung „SM JEANS“ wiedergegeben sind.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, das rote Stofffähnchen werde vom inländischen Verkehr aufgrund langjähriger intensiver Benutzung als Hinweis auf die Herkunft der Jeans aus ihrem Hause verstanden. An dem als „Red Tab“ bezeichneten roten Stofffähnchen habe sie zudem markenrechtlichen Schutz als Benutzungsmarke (Klagemarke 9) erlangt. Bei den von der Beklagten vertriebenen Aufmachungen werde das rote Stofffähnchen markenmäßig benutzt und verletze ihre Markenrechte.
5
Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Jeans-Hosen anzubieten , in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen, die gemäß folgenden Abbildungen mit einem roten, an der Außennaht der Gesäßtasche angebrachten rechteckigen Stofffähnchen versehen sind
a) es folgt die Abbildung einer blauen Jeans-Gesäßtasche mit rotem Stofffähnchen an der rechten Außennaht, auf dem Stofffähnchen steht „COLLOSEUM“:
b) es folgt die Abbildung einer blauen Jeans-Gesäßtasche mit rotem Stofffähnchen an der rechten Außennaht, auf dem Stofffähnchen steht „SM. JEANS“:
c) es folgt die Abbildung einer blaugrundig-längsgestreiften JeansGesäßtasche mit rotem Stofffähnchen an der rechten Außennaht, auf dem Stofffähnchen befindet sich die Aufschrift „EURGIULIO“: 2. der Beklagten für den Fall des Verstoßes gegen die in Ziffer 1 ausgesprochenen Verpflichtungen bestimmte Ordnungsmittel anzudrohen.
6
Die Beklagte hat geltend gemacht, die angegriffenen Ausführungsformen hätten nur dekorativen Charakter. Bei einer Vielzahl von Jeans-Modellen anderer Hersteller werde an der rechten Gesäßtasche ein rotes Stofffähnchen ange- bracht. Der Schutzumfang der als Positionsmarken eingetragenen Bildmarken der Klägerin sei eng bemessen. Die Beklagte hat die Einrede mangelnder Benutzung der Klagemarken erhoben.
7
Das Landgericht hat die Beklagte nach den Klageanträgen zu 1 und 2 verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 5. November 2008 - I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 = WRP 2009, 831 - Stofffähnchen I). Das Berufungsgericht hat die Berufung erneut zurückgewiesen.
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
9
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Artikels 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EG Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, S. 1 - nachfolgend GMV) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
10
1. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aufgrund der Klagemarken 2 und 3 nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG und aufgrund der Klagemarke 6 aus Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV für gegeben erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
11
Zwischen der Klagemarke 6 und den angegriffenen Ausstattungen bestehe Verwechslungsgefahr. Die Marke habe aufgrund ihrer Benutzung Unter- scheidungskraft erlangt und sei nach Art. 7 Abs. 3 GMV eingetragen. Sie verfüge über gesteigerte, jedenfalls über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Dies folge aus dem von der Klägerin vorgelegten demoskopischen Gutachten aus dem Jahre 2009. Das Zeichen der Klägerin habe sich zu einem Herkunftssignal mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt. Nach dem Gutachten verfüge die in Rede stehende Marke bei Jeansträgern und -käufern über einen Bekanntheitsgrad von 65,1%, einen Kennzeichnungsgrad von 40,3% und einen Zuordnungsgrad von 25,7%. Dies reiche für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke 6 aus.
12
Die Beklagte verwende das Fähnchen in den drei Beanstandungsformen markenmäßig. Der Verkehr sehe in dem roten Fähnchen an der linken Seitennaht der Gesäßtasche an Textilien der Klägerin einen Herkunftshinweis. Entsprechendes gelte, wenn das rote Fähnchen an der oberen Seitennaht der Gesäßtasche rechts angebracht sei, wie dies bei den angegriffenen Aufmachungen der Fall sei.
13
Bei bestehender Warenidentität und gesteigerter Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei im Hinblick auf die große Zeichenähnlichkeit zwischen der Klagemarke 6 und den angegriffenen Aufmachungen von Verwechslungsgefahr auszugehen. Der Unterschied zwischen den Kollisionszeichen bestehe nur in der unterschiedlichen Anbringung links oder rechts der Seitennaht. Würden die Jeans getragen, seien die Schriftzüge von dritten Personen nicht näher wahrnehmbar.
14
Die Klägerin habe die Klagemarke 6 rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 GMV benutzt. Die Positionsmarke werde zwar nur mit der Beschriftung „LEVI'S“ und damit in der Form der Klagemarke 3 rechtserhaltend benutzt. Dies stehe einer rechtserhaltenden Benutzung im Sinne von Art. 15 GMV aber nicht entgegen, weil die Klagemarke 6 infolge erworbener Unterscheidungskraft eingetragen sei und vom Publikum als unterscheidungskräftig angesehen werde.
15
Die Klage sei auch aus den deutschen Klagemarken 2 und 3 begründet. Deren Gesamteindruck werde durch das rote Fähnchen maßgeblich mitbestimmt. Aus den für die Klagemarke 6 geltenden Gründen bestehe auch zwischen den Klagemarken 2 und 3 einerseits und den angegriffenen Aufmachungen andererseits Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
16
2. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren in erster Linie auf einen Unterlassungsanspruch aus der Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2 292 373 (Klagemarke 6) und hilfsweise in der Reihenfolge der Nummerierung auf die weiteren Klagemarken 1 bis 5 und 7 bis 9 gestützt. Es ist deshalb zunächst abschließend über den Anspruch aus der Klagemarke 6 zu entscheiden. Nur wenn der Klägerin der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach Art. 98 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV aufgrund der Klagemarke 6 nicht zusteht, ist über das Verbot aufgrund der weiteren Marken der Klägerin zu befinden.
17
3. Der Senat möchte eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke 6 und den angegriffenen Aufmachungen bejahen (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b GMV). Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es daher auf die Frage an, ob die Klagemarke 6 rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 GMV benutzt worden ist. Nach dieser Bestimmung unterliegt die Gemeinschaftsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, wenn der Inhaber die Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt hat, es sei denn, es liegen be- rechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vor. Zu den Sanktionen zählt der Verfall der Gemeinschaftsmarke nach Art. 50 Abs. 1 Buchst. a GMV. Den Verfall der Gemeinschaftsmarke kann die Beklagte im vorliegenden Verfahren dem Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegenhalten (Art. 92 Buchst. a i.V.m. Art. 95 Abs. 3 GMV). Die Vorschriften entsprechen Art. 15 Abs. 1 Satz 1, Art. 51 Abs. 1 Buchst. a, Art. 96 Buchst. a und Art. 99 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EU Nr. L 78 vom 24. März 2009, S. 1), die an die Stelle der Verordnung (EG) 40/94 getreten ist. Im vorliegenden Rechtsstreit findet jedoch im Hinblick auf den für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Zeitraum, der vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) 207/09 am 13. April 2009 liegt, die Verordnung (EG) 40/94 Anwendung (vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2011 - C-323/09, WRP 2011, 1550 Rn. 3 - Interflora/Marks & Spencer).
18
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klagemarke am 10. Februar 2005 eingetragen worden. Die Marke ist daher verfallen, wenn sie nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Februar 2010 rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 und 2 GMV benutzt worden ist.
19
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin die Klagemarke 6 nur in der ebenfalls eingetragenen Form der deutschen Marke mit der Beschriftung „LEVI'S“ (Klagemarke 3) benutzt hat. Im Streitfall kommt es daher auf die Frage an, ob eine eingetragene Marke (Marke 1), die ein Bestandteil einer anderen Marke (Marke 2) ist und infolge der Benutzung der anderen Marke (Marke 2) Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 GMV erlangt hat, durch Verwendung der anderen Marke (Marke 2) rechtserhaltend benutzt werden kann (Vorlagefrage 1). Ob dies der Fall ist, kann nicht als geklärt angesehen werden.
20
b) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Entscheidung „Il Ponte Finanziaria/HABM (Bainbridge)“ angenommen, die Vorschriften über die rechtserhaltende Benutzung erlaubten es nicht, den einer Marke zukommenden Schutz mittels des Nachweises ihrer Benutzung auf eine andere eingetragene Marke, deren Benutzung nicht nachgewiesen ist, mit der Begründung auszuweiten , die letztgenannte Marke stelle nur eine leichte Abwandlung der erstgenannten Marke dar (Urteil vom 13. September 2007 - C-234/06, Slg. 2007, I-7333 = GRUR 2008, 343 Rn. 82-86). Der Senat hat hierzu dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung Fragen zu den Anforderungen an die rechtserhaltende Benutzung nach Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 vom 11. Februar 1989, S. 1) vorgelegt (BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - I ZR 84/09 - PROTI). Von dem jenem Vorabentscheidungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit dadurch, dass die Klagemarken 3 und 6 nicht nur in Bestandteilen voneinander abweichen, die die Unterscheidungskraft der Marken nicht beeinflussen. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Buchst. a GMV liegen daher nicht vor.
21
c) Für eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke 6 durch eine der Klagemarke 3 entsprechende Zeichenform könnte sprechen, dass eine Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 89/104/EWG durch Benutzung als Bestandteil einer eingetragenen Marke erlangen kann, ohne dass die Marke, deren Eintragung beantragt ist, eigenständig benutzt worden ist (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - C-353/03, Slg. 2005, I-6135 = GRUR 2005, 763 Rn. 27 und 30 - Nestlé/Mars [HAVE A BREAK … HAVE A KIT KAT]). Zudem kann sich eine besondere Unterscheidungskraft einer Marke, die als Teil einer zusammengesetzten Marke anzusehen ist, aufgrund von Nachweisen für die Benutzung und Bekanntheit der zusammengesetzten Marke er- geben (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - C-488/06, Slg. 2008, I-5725 = GRUR Int. 2008, 830 Rn. 51 f. - Aire Limpio/ARBRE MAGIQUE). Im Streitfall kommt in Betracht, dass die Klagemarke 6 Unterscheidungskraft durch Benutzung in einer Form erlangt hat, die der Klagemarke 3 oder den Klagemarken 1 und 2 entspricht.
22
Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht des Senats auch auf das beachtenswerte Interesse der Markeninhaberin an einem effektiven Rechtsschutz im Verletzungsverfahren abzustellen. Dieses wird beeinträchtigt, wenn die Markeninhaberin durch die Verwendung der Klagemarke 3 nicht auch die Klagemarke 6 rechtserhaltend benutzen kann. Hat der Markeninhaber, der eine aus mehreren Zeichenbestandteilen zusammengesetzte Marke verwendet, nur diese komplexe Marke eintragen lassen, läuft er wegen einer geringen oder fehlenden Zeichenähnlichkeit Gefahr, in einem Verletzungsverfahren zu unterliegen, wenn das Kollisionszeichen aus einem aus der komplexen Marke herausgelösten Zeichenbestandteil besteht und wenn dieser Zeichenbestandteil die komplexe Marke nicht prägt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1975 - I ZR 77/74, GRUR 1976, 353, 354 - COLORBOY; Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 31/09, GRUR 2011, 824 Rn. 24 = WRP 2011, 1157 - Kappa). Verfügt der Markeninhaber dagegen über einen gesonderten markenrechtlichen Schutz eines Bestandteils eines komplexen Zeichens, sind die Zeichenähnlichkeit und die Verwechslungsgefahr größer, wenn dieser Bestandteil sich in identischer oder ähnlicher Form im Kollisionszeichen wiederfindet (vgl. EuG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - T-103/03, GRUR Int. 2007, 520 Rn. 80, 92 und 96 - Mast-Jägermeister/ HABM).
23
Die Annahme, dass die Klagemarke 6 als Teil der Klagemarke 3 rechtserhaltend benutzt wird, steht auch mit Sinn und Zweck des Benutzungszwangs in Einklang. Dieser dient dazu, die Gesamtzahl der in der Gemeinschaft einge- tragenen und geschützten Marken und damit die Anzahl der zwischen ihnen möglichen Konflikte zu verringern (vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 22. Oktober 2008; vgl. auch Erwägungsgrund 9 GMV). Da die Klagemarke 6 nur als Teil der - tatsächlich verwendeten - Klagemarke 3 eingetragen ist, besteht nicht die Gefahr, dass durch die Annahme der rechtserhaltenden Benutzung in der vorliegenden Fallkonstellation und in vergleichbaren Fällen die Anzahl der eingetragenen Marken wesentlich erhöht und das Register mit ungenutzten Marken belastet wird.
24
d) Im vorliegenden Revisionsverfahren ist zudem davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der umfangreichen Verwendung des roten Fähnchens beim Vertrieb von Jeans-Hosen durch die Klägerin in diesem Gestaltungsmittel eine eigenständige von anderen Herkunftshinweisen unabhängige Kennzeichnungsfunktion sehen. Das kann die Annahme rechtfertigen, dass der Verkehr, der an das Vorhandensein von Zweitmarken gewöhnt ist, in dem der Klagemarke 6 entsprechenden roten Fähnchen und der Aufschrift „LEVI'S“ zwei Marken erblickt. In diesem Fall kommt in Betracht, dass durch die Verwendung des roten rechteckigen Stofffähnchens mit der Aufschrift „LEVI'S“ sowohl die Klagemarke 6 als auch eine Wortmarke „LEVI'S“ rechtserhaltend benutzt worden sind, obwohl beide Marken auch in ihrer zusammengesetzten Form als Klagemarke eingetragen sind (Klagemarke 3). Dem Senat stellt sich deshalb die Frage, ob eine Marke rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 GMV benutzt werden kann, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind (Vorlagefrage 2).
25
Der Senat neigt dazu, in einer entsprechenden Fallkonstellation ebenfalls von einer rechtserhaltenden Benutzung auszugehen, weil der Markeninhaber auch an der Eintragung der Kombinationsmarke ein gewichtiges Interesse hat. Lässt der Markeninhaber nur die einzelnen Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens als Marke eintragen, trägt er das Risiko, dass die Zeichenähnlichkeit zwischen jeder der als Marke eingetragenen Zeichenbestandteile einerseits und einem zusammengesetzten Kollisionszeichen andererseits geringer ist, als die Zeichenähnlichkeit zwischen einer aus den einzelnen Zeichenbestandteilen zusammengesetzten Marke und dem Kollisionszeichen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 22.06.2004 - 312 O 482/03 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 18.11.2010 - 3 U 130/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2011 - I ZR 206/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2011 - I ZR 206/10

Referenzen - Gesetze

Markengesetz - MarkenG | § 14 Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch


(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht. (2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen 1. ein mi
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2011 - I ZR 206/10 zitiert 1 §§.

Markengesetz - MarkenG | § 14 Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch


(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht. (2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen 1. ein mi

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2011 - I ZR 206/10 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2011 - I ZR 206/10 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2011 - I ZR 84/09

bei uns veröffentlicht am 17.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 84/09 Verkündet am: 17. August 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja P

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Jan. 2011 - I ZR 31/09

bei uns veröffentlicht am 20.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DESVOLKES URTEIL I ZR 31/09 Verkündet am: 20. Januar 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2008 - I ZR 39/06

bei uns veröffentlicht am 05.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 39/06 Verkündet am: 5. November 2008 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGH

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 39/06 Verkündet am:
5. November 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Stofffähnchen
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b;

a) Ein markenrechtliches Verbot der Verwendung eines Bestandteils einer Gesamtaufmachung
(hier: rotes Stofffähnchen an der Tasche einer JeansHose
), setzt voraus, dass dieser Bestandteil isoliert markenmäßig benutzt
wird und sich diese Funktion nicht erst durch ein weiteres Kennzeichen ergibt
(hier: rotes Stofffähnchen mit der Aufschrift LEVI'S).

b) Für die Beurteilung des Gesamteindrucks der eingetragenen Marke ist die
Registereintragung maßgeblich und nicht der konkrete Eindruck aufgrund
der Anbringung der Klagemarke auf Produkten.

c) Soll durch eine Verkehrsbefragung die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft
eines Bestandteils eines zusammengesetzten Zeichens
nachgewiesen werden, ist den Befragten der Zeichenbestandteil isoliert und
nicht zusammen mit weiteren Bestandteilen des zusammengesetzten Zeichens
vorzulegen.
BGH, Urt. v. 5. November 2008 - I ZR 39/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 2. Februar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Klageanträge zu 1 bis 4 sowie hinsichtlich der landgerichtlichen Kostenentscheidung zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, die Levi Strauss & Co., ist die älteste Jeans-Herstellerin der Welt. Sie ist Inhaberin der am 1. September 2000 unter anderem für Beklei- dungsstücke eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 112 862 (nachfolgend als Klagemarke 1 bezeichnet) und der gleich gestalteten deutschen Bildmarke Nr. 2 914 002, eingetragen am 21. Oktober 1998 für Jeans-Hosen (nachfolgend Klagemarke 2):
2
Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin der folgenden Marken: - der am 12. Januar 1977 für Hosen, Hemden, Blusen und Jacken für Herren , Damen und Kinder eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. DD 641 687, die in dem roten rechteckigen Bestandteil am linken oberen Rand den Wortbestandteil „LEVI’S“ aufweist (Klagemarke 3): - der farbigen, am 23. Juni 1965 für Bekleidungsstücke eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 805 774, die ein skizziert dargestelltes Stück Stoff mit einem „Tab“ und der Aufschrift „LEVI'S“ zeigt (Klagemarke 4): - der am 17. Dezember 1965 für Bekleidungsstücke eingetragenen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 813 729, die aus einem an ein Stück Stoff angenähten „Tab“ ebenfalls mit der Aufschrift „LEVI'S“ besteht (Klagemarke 5): - und der mit Priorität vom 5. Juli 2001 für Hosen eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2 292 373, die nach der Beschreibung im Register eine Positionsmarke ist und aus einem roten rechteckigen Label aus textilem Material besteht, das oben links in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht ist und aus der Naht hervorsteht (Klagemarke 6):
3
Die Beklagte zu 1 betreibt einen Einzelhandel mit Oberbekleidung. Sie brachte seit November 2002 Jeans der Marken „COLLOSEUM“, „S. MALIK“ und „EURGIULIO“ auf den Markt. Diese sind in der im Klageantrag wiedergegebenen Aufmachung an der rechten Gesäßtasche mit roten, rechteckigen Stofffähnchen versehen, die an der rechten Außennaht im oberen Drittel der Tasche angenäht sind und auf denen die jeweiligen Marken beziehungsweise die Bezeichnung „SM JEANS“ wiedergegeben wird. Die Beklagte zu 2 ist als Einkäuferin der Beklagten zu 1 tätig. Der Beklagte zu 3 ist Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und zu 3.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, das rote Stofffähnchen werde vom inländischen Verkehr aufgrund der langjährigen intensiven Benutzung als Hinweis auf die Herkunft der Jeans aus ihrem Hause verstanden. An dem als „Red Tab“ bezeichneten roten Stofffähnchen habe sie zudem markenrechtlichen Schutz als Benutzungsmarke erlangt. Bei den von der Beklagten vertriebenen Aufmachungen werde das rote Stofffähnchen markenmäßig benutzt und verletze ihre Markenrechte.
5
Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt, 1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Jeans-Hosen anzubieten , in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen , die gemäß folgenden Abbildungen mit einem roten, an der Außennaht der Gesäßtasche angebrachten rechteckigen Stofffähnchen versehen sind: a) b) c) 2. den Beklagten wegen der in Ziffer 1 ausgesprochenen Verpflichtungen bestimmte Ordnungsmittel anzudrohen; 3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen , wer ihre Lieferanten und gewerblichen Abnehmer von JeansHosen gemäß Ziffer 1 gewesen sind und der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu le- gen, in welchem Zeitraum und in welcher Stückzahl sie unter Erzielung welcher Umsätze und welchen Gewinns Jeans-Hosen gemäß Ziffer 1 in den Verkehr gebracht hat; 4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziffer 1 beschriebenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
6
Die Beklagten haben geltend gemacht, die angegriffenen Ausführungsformen hätten nur dekorativen Charakter. Bei einer Vielzahl von Jeans-Modellen anderer Hersteller werde an der rechten Gesäßtasche ein rotes Stofffähnchen angebracht. Die Klägerin habe die Klagemarke 3 zudem nicht rechtserhaltend benutzt.
7
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden, soweit es sich gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 richtet. Auf die Berufung der Beklagten (nachfolgend Beklagte) hat das Berufungsgericht die Verurteilung nach den Klageanträgen zu 3 und 4 zeitlich beschränkt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Hamburg OLG-Rep 2007, 372).
8
Dagegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Beklagten , mit der sie weiterhin eine Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin beantragt , die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch aufgrund der Klagemarken 2 bis 5 und einer Benutzungsmarke nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG und wegen der Klagemarken 1 und 6 aus Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV für gegeben erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
10
Zwischen der Klagemarke 3 und der angegriffenen Ausstattung der „COLLOSEUM“-Jeans der Beklagten bestehe Verwechslungsgefahr (Klageantrag zu 1 a). Die Klagemarke 3 verfüge von Haus aus über normale Kennzeichnungskraft. Diese ergebe sich auch aus dem roten Stofffähnchen, bei dem es sich um eine besonders markante Kennzeichnung und nicht nur um ein dekoratives Element handele. Die gegen diese Klagemarke erhobene Einrede der Nichtbenutzung greife nicht durch. Die Klägerin habe das rote Stofffähnchen mit der Aufschrift „LEVI'S“ vielfach benutzt. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich , dass die Klägerin vielfach auch die sogenannte „Arcuate (Doppelschwinge )“ auf der Gesäßtasche anbringe. Die Klagemarke 3 verfüge infolge ihrer umfangreichen Benutzung und Verwendung in der Werbung vor allem durch das „Red Tab“ über gesteigerte Kennzeichnungskraft. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch Drittzeichen sei nicht eingetreten.
11
Es bestehe zwischen den Waren, für die die Klagemarke 3 eingetragen sei, und den Waren, für die die angegriffene Ausstattung benutzt werde, Warenidentität. Die Zeichen seien hinreichend ähnlich. Der prägende Bestandteil der Klagemarke 3 sei das rote Stofffähnchen. Die Stofffähnchen der Klagemarke und der angegriffenen Aufmachung seien rot und rechteckig und in etwa gleicher Höhe an der Außennaht der Gesäßtasche angebracht. Der Schriftzug „LEVI'S“ sei wegen der geringen Größe schlecht lesbar. Entsprechendes gelte für den Schriftzug „COLLOSEUM“ auf dem roten Stofffähnchen an der Tasche der Jeans der Beklagten. Würden die Jeans getragen, würden die Schriftzüge, etwa von Passanten, ohnehin nicht mehr wahrgenommen.
12
Die Beklagte verwende das beanstandete Stofffähnchen kennzeichenmäßig und nicht als bloße Dekoration.
13
Zwischen den Klagemarken 1 und 2 und der angegriffenen Aufmachung der „COLLOSEUM“-Jeans bestehe ebenfalls Verwechslungsgefahr i.S. von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Klagemarken mit dem roten Stofffähnchen und der sogenannten Doppelschwinge verfügten von Haus aus über normale Kennzeichnungskraft. Diese sei durch umfangreiche Benutzung vor allem des „Red Tab“ gesteigert. Die von der Beklagten geltend gemachte Einrede der Nichtbenutzung sei unbegründet. Die Klägerin habe Jeans mit der den Klagemarken entsprechenden Aufmachung mit und ohne den Schriftzug „LEVI'S“ vertrieben.
14
Zwischen den Waren, für die die Klagemarken 1 und 2 eingetragen seien , und den Waren, für die das rote Stofffähnchen mit der Aufschrift „COLLOSEUM“ verwandt werde, bestehe ebenfalls Warenidentität. Die Kennzeichen seien sich auch hinreichend ähnlich, was bei bestehender Warenidentität und gesteigerter Kennzeichnungskraft der Klagemarken eine Verwechslungsgefahr begründe. Prägender Bestandteil der Klagemarken sei das „Red Tab“. Es habe innerhalb des Bildzeichens eine selbständig kennzeichnende Wirkung. In dem prägenden Bestandteil stimmten die Kollisionszeichen überein.
15
Eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe auch zwischen den Klagemarken 4, 5 und 6 und der kollidierenden Aufmachung der Jeans „COLLOSEUM“. Die Marken verfügten über normale Kennzeichnungskraft ; es sei von Warenidentität auszugehen. Im Übrigen würden die Ausführungen zu den Klagemarken 1 bis 3 entsprechend gelten.
16
Der Unterlassungsanspruch sei ebenfalls aus einer Benutzungsmarke der Klägerin nach § 4 Nr. 2 i.V. mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG begründet. Aufgrund der vorgelegten Meinungsumfragen sei davon auszugehen, dass die Klägerin mit dem „Red Tab“ Verkehrsgeltung im Zusammenhang mit Jeans-Hosen erlangt habe. Danach ordneten beachtliche Teile des Publikums ein rotes Stofffähnchen an der Gesäßtasche der Klägerin zu. Zwischen der Benutzungsmarke und der angegriffenen Aufmachung bestehe ebenfalls Verwechslungsgefahr.
17
Zwischen den Klagemarken 1 bis 6 sowie der Benutzungsmarke der Klägerin und der angegriffenen Verletzungsform der „S. MALIK“-Jeans (Klageantrag 1 b) bestehe ebenfalls Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV. Gleiches gelte für die angegriffene Aufmachung der „EURGIULIO“-Jeans (Klageantrag zu 1 c).
18
Die mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung ergäben sich aus § 19 MarkenG, § 242 BGB und Art. 9 GMV, §§ 19, 125b MarkenG. Die Beklagte habe die Marken der Klägerin schuldhaft verletzt und sei nach § 14 Abs. 6 MarkenG und Art. 9 GMV, § 14 Abs. 6, § 125b MarkenG zum Schadensersatz verpflichtet. Die Klageanträge zu 3 und 4 seien aber erst ab der ersten Verletzungshandlung gerechtfertigt.
19
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit im Hinblick auf die Klageanträge zu 1 bis 4 zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
20
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Klageantrag zu 1 (Unterlassungsantrag) hinreichend bestimmt ist.
21
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungsund Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BGHZ 144, 255, 263 - Abgasemissionen).
22
b) Nach dem Unterlassungsantrag soll der Beklagten untersagt werden, Jeans-Hosen entsprechend den Abbildungen mit einem roten, an der Außennaht der Gesäßtasche angebrachten rechteckigen Stofffähnchen zu versehen, in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen. Das beantragte Verbot richtet sich nach dem Wortlaut allgemein gegen die Verwendung roter rechteckiger Stofffähnchen, die den Abbildungen entsprechend an der Außennaht der Gesäßtasche von Jeans-Hosen angebracht sind. Dies folgt ebenfalls aus der Klagebegründung, die zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehen ist. Danach sieht die Klägerin das Charakteristische der Verletzungshandlung in der Verwendung eines roten rechteckigen Stofffähnchens an der Außennaht der Gesäßtasche unabhängig von dem jeweiligen dort angebrachten Schriftzug. Damit ist das Unterlassungsbegehren hinreichend bestimmt umschrieben.
23
2. Unterlassungsanspruch aus der Klagemarke 3
24
Die Annahme des Berufungsgerichts, ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG wegen Verletzung der Klagemarke 3, die das Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Begründung gestellt hat, sei gegeben, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann weder davon ausgegangen werden, dass zwischen der Klagemarke 3 und den mit den Klageanträgen zu 1 a bis c angegriffenen Aufmachungen eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht (dazu II 2 a und b), noch kann angenommen werden, dass die Voraussetzungen einer markenmäßigen Verwendung der angegriffenen Aufmachungen vorliegen (dazu II 2 c). Zudem tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Einrede mangelnder Benutzung der Klagemarke 3 sei unbegründet (dazu II 2 d).
25
a) Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwischen der Klagemarke 3 und der mit dem Klageantrag zu 1a angegriffenen Aufmachung bejaht hat.
26
aa) Die Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH, Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Tz. 20 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH, Urt. v. 12.6.2007 - C-334/05, GRUR 2007, 700 Tz. 35 - Limoncello; BGH, Urt. v. 3.4.2008 - I ZR 49/05, GRUR 2008, 1002 Tz. 23 = WRP 2008, 1434 - Schuhpark). Das hat das Berufungsgericht im Ansatz auch seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
27
bb) Das Berufungsgericht ist bei seiner Prüfung von Warenidentität ausgegangen. Das lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
28
cc) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Klagemarke 3 angenommen hat, die die äußere Form einer Jeans-Tasche mit rotem Rechteck und der Beschriftung „LEVI'S“ zeigt. Das Berufungsgericht ist zwar bei seiner Prüfung von einer unzutreffenden Grundlage ausgegangen. Im Ergebnis ist die Annahme, die Klagemarke 3 sei überdurchschnittlich kennzeichnungskräftig, aber zutreffend.
29
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klagemarke 3 verfüge von Haus aus über normale Kennzeichnungskraft. Dies beruhe nicht nur auf dem Wortbestandteil „LEVI'S“, sondern gerade auch auf dem roten rechteckigen Stofffähnchen, das so angenäht sei, dass es sich wie eine kleine Fahne von der Gesäßtasche räumlich und durch die Farbe Rot auch farblich abhebe. Es sei nicht nur eine dekorative, sondern eine markante Kennzeichnung, die beim Tragen dauerhaft mit der Hose verbunden bleibe. Dem entsprächen auch die historische Entwicklung in den USA und ausweislich der vorgelegten Meinungsumfragen die Auffassung des Verkehrs im Inland. Die Kennzeichnungskraft des roten Stofffähnchens ergebe sich auch aus der neuen Produktlinie „LEVIS RED“ der Klägerin, in der das unbeschriftete „Red Tab“ mit einem „R im Kreis“ verwendet worden sei, und aus der vielfachen auffälligen Herausstellung des Fähnchens in der Werbung. Die von Haus aus bestehende normale Kennzeichnungskraft sei durch Benutzung gesteigert, und zwar gerade durch das „Red Tab“, das die Klägerin umfänglich und vor allem mit der Beschriftung „LEVI'S“ seit Jahrzehnten in Deutschland nutze. Dies werde durch mehrere von der Klägerin vorgelegte Umfragen belegt. Eine Schwächung der Klagemarke 3 durch Drittkennzeichen sei nicht aufgetreten.
30
(2) Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für eine Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise gehören, die die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (EuGH, Urt. v. 22.6.1999 - C-342/97, Slg. 1999, I-3819 = GRUR Int. 1999, 734 Tz. 23 = WRP 1999, 806 - Lloyd; Urt. v. 7.7.2005 - C-353/03, Slg. 2005, I-6135 = GRUR 2005, 763 Tz. 31 = WRP 2005, 1159 - Nestlé/Mars; BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 27 = WRP 2007, 1461 - Kinder II).
31
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die aus den Umrissen der Taschen mit einem roten Rechteck und der Aufschrift „LEVI'S“ bestehende Klagemarke 3 verfüge von Haus aus über normale Kennzeichnungskraft. Die Prüfung der Kennzeichnungskraft von Haus aus ist unabhängig von einer möglichen weiteren Stärkung oder Schwächung durch die Benutzungslage vorzunehmen (BGHZ 139, 340, 346 - Lions). Für die Bestimmung der originären Kennzeichnungskraft der Klagemarke 3 kommt es deshalb weder auf die vom Berufungsgericht herangezogene historische Entwicklung der Klagemarke in den USA noch auf die vorgelegten Verkehrsumfragen in Deutschland an. Auch die Präsentation des sogenannten „Red Tab“ in der Werbung der Klägerin ist für die originäre Kennzeichnungskraft nicht maßgeblich. Die Klagemarke 3 erlangt ihre normale originäre Kennzeichnungskraft vielmehr aus dem durch die Taschenform, das rote Rechteck und den Wortbestandteil „LEVI'S“ hervorgerufenen Gesamteindruck.
32
Die Steigerung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke 3 infolge der Benutzungslage ergibt sich aus der Verwendung des Wortbestandteils „LEVI'S“, der deutlich sichtbar abgebildet ist. Er ist für den Verkehr erkennbar abgeleitet aus dem weithin bekannten Unternehmenskennzeichen „Levi Strauss“ der Klägerin und der Marke „LEVI'S“. Auf die vom Berufungsgericht angenommene Steigerung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke durch umfängliche Benutzung des roten Stofffähnchens kommt es daher im Ergebnis für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Klagemarke 3 in diesem Zusammenhang nicht an. Aus diesem Grund kann auch offenbleiben, ob dem roten Rechteck der Klagemarke 3 ähnliche rote Fähnchen oder Aufnäher in nennenswertem Umfang auf den Taschen von Jeans-Hosen anderer Hersteller benutzt worden sind. Zwar kann durch Drittkennzeichen im Ähnlichkeitsbereich eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke eintreten. Eine solche Schwächung stellt aber einen Ausnahmetatbestand dar. Sie setzt voraus, dass die Drittkennzeichen im Bereich der gleichen oder eng benachbarter Branchen, Waren oder Dienstleistungen in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten , der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Zeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH, Urt. v.
8.11.2001 - I ZR 139/99, GRUR 2002, 626, 628 = WRP 2002, 705 - IMS). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil die Klagemarke 3 allein schon durch den Wortbestandteil über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt.
33
dd) Die Ähnlichkeit zwischen der Klagemarke 3 und der mit dem Klageantrag zu 1a angegriffenen Aufmachung hat das Berufungsgericht allerdings nicht rechtsfehlerfrei bestimmt. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht das rote Stofffähnchen der Klagemarke als für das gesamte Zeichen prägend angesehen hat.
34
(1) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH, Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Tz. 28 f. = WRP 2005, 1505 - THOMSON LIFE; BGH, Beschl. v. 22.9.2005 - I ZB 40/03, GRUR 2006, 60 Tz. 19 = WRP 2006, 92 - coccodrillo). Weiter ist nicht ausgeschlossen , dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung erhält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 30 - THOMSON LIFE; BGH, Urt. v. 22.7.2004 - I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = WRP 2004, 1281 - Mustang). Bei der Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 31 - THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Tz. 18 - Malteserkreuz).
35
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das rote Rechteck die Klagemarke 3 prägt und auch die angegriffene Aufmachung durch das rote Stofffähnchen dominiert wird. Es hat dies daraus gefolgert, dass die Schriftzüge „LEVI'S“ und „COLLOSEUM“ in der Kaufsituation nur schlecht lesbar seien und später beim Tragen der Kleidung aufgrund der üblichen Entfernung von anderen Personen bei diesen der übereinstimmende Eindruck eines roten rechteckigen Stofffähnchens entstehe. Dem kann nicht zugestimmt werden.
36
Für die Beurteilung des Gesamteindrucks der Klagemarke ist die Registereintragung maßgeblich (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 - ATTACHÉ/TISSERAND). In der Form, in der die Klagemarke 3 im Register wiedergegeben ist, ist der Wortbestandteil „LEVI'S“ deutlich sichtbar. Er tritt deshalb entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bei der Beurteilung des visuellen Eindrucks der Klagemarke nicht derart weit in den Hintergrund, dass er den Gesamteindruck des Zeichens von Haus aus nicht mitbestimmt. Die konkrete Art der Anbringung der Klagemarke auf den Jeans der Klägerin ist dagegen nicht von Bedeutung. Auf außerhalb der Kennzeichnung liegende Begleitumstände kommt es bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.2004 - I ZR 289/01, GRUR 2004, 598, 599 = WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling; BGHZ 171, 89 Tz. 38 - Pralinenform

).


37
(2) Allerdings kann dem Verkehr ein einzelnes Gestaltungsmerkmal eines zusammengesetzten Zeichens als Folge der Präsentation und Bewerbung der Marke als besonders herkunftshinweisend erscheinen (vgl. BGHZ 153, 131, 140 f. - Abschlussstück; 169, 295 Tz. 24 - Goldhase). Davon ist vorliegend das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, dass sich die Steigerung der Kennzeichnungskraft aus der umfangreichen Werbung für das sogenannte „Red Tab“ und aus den von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen ergibt.
38
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedoch nicht stand.
39
Die vom Berufungsgericht zu einer Verwendung als Werbeartikel in Bezug genommenen Anlagen K 13 bis K 16 zeigen das rote Stofffähnchen gerade nicht in Alleinstellung, sondern nur zusammen mit der Aufschrift „LEVI'S“. Aus ihnen lässt sich daher für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft des isolierten Stofffähnchens nichts ableiten. Zur Marktpräsenz der Produktlinie „LEVIS RED“, bei der ein unbeschriftetes rotes Stofffähnchen Verwendung gefunden hat, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Gleiches gilt für Kennzeichnungen des „Red Tab“ in isolierter Form in den „LEVIS“-Abteilungen von Geschäften.
40
Der Verweis des Berufungsgerichts auf die von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen von Mai und Juli 1994 sowie April/Mai 2000 der Anlagen K 18 bis K 20 vermag die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft des roten Stofffähnchens in der Klagemarke 3 ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Die Gutachten aus Mai und Juli 1994 lassen einen sicheren Rückschluss auf den grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.10.2007 - I ZR 18/05, GRUR 2008, 505 Tz. 27 = WRP 2008, 797 - TUC-Salzcracker) im Oktober 2005 - und damit mehr als zehn Jahre nach ihrer Erstellung - nicht zu. Dem Gutachten von Mai 1994 liegt zudem eine Befragung zugrunde, bei der den befragten Personen nicht die Abbildung des „Red Tab“ isoliert, sondern nur zusammen mit der teilweisen Abbildung einer Hosentasche mit der typischen Doppelschwinge vorgelegt worden ist. Aus dem Gutachten von Juli 1994 geht nicht hervor, was den Befragten konkret in der Interviewsituation zur Beurteilung gezeigt worden ist. Auf der Ablichtung des Fotos im Gutachten lassen sich nur eine Frau und ein Mann erkennen, die von hinten abgebildet sind und offensichtlich Jeans tragen. Was die Befragten veranlasst hat, aufgrund der Ausstattung der Jeans auf einen bestimmten Hersteller zu schließen, wird bei der nur schemenhaften Abbildung nicht deutlich.
41
Bei der Verkehrsbefragung aus dem Jahre 2000 ist den Befragten die Abbildung einer Jeans-Tasche, wie sie Gegenstand der Klagemarke 3 ist, mit dem „Red Tab“ ohne Beschriftung vorgelegt worden. Die Interviewten sind sodann gefragt worden (Frage 2): „Wenn Sie einmal davon absehen, dass die Beschriftung entfernt wurde: Kommen solche Jeans von einem bestimmten Hersteller , oder gibt es solche Jeans von verschiedenen Herstellern?“. Den Antworten lässt sich danach nicht entnehmen, in welchem Umfang die Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller ausschließlich auf dem roten Stofffähnchen und nicht zumindest auch auf der Ausführung der ebenfalls abgebildeten Tasche (Form, Naht) beruht. Zudem begegnet die Fragestellung wegen ihres suggestiven Charakters durchgreifenden Bedenken. Es fehlen alternative Fragen danach , ob die abgebildete Jeans-Tasche nicht als Hinweis auf irgendein Unternehmen aufgefasst wird oder ob der Befragte hierzu nichts sagen kann.
42
Das Berufungsgericht hat folglich den Gesamteindruck der Klagemarke 3 nicht rechtsfehlerfrei bestimmt. Entsprechendes gilt für den Gesamteindruck der Aufmachung der „COLLOSEUM“-Jeans. Kann nach den bisherigen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass das von der Klägerin verwandte rote Stofffähnchen über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, ist auch der Annahme des Berufungsgerichts, die angegriffene Aufmachung werde ebenfalls von dem roten Stofffähnchen geprägt, die Grundlage entzogen.
43
b) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die vom Berufungsgericht angenommene Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwischen der Klagemarke 3 und den mit den Klageanträgen zu 1 b und c angegriffenen Aufmachungen der Jeans-Hosen der Marken „S. MALIK“ und „EURGIULIO“. Die fehlerhafte Ermittlung der prägenden Bestandteile der Klagemarke 3 wirkt sich auch auf die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit zwischen dieser Klagemarke und den mit den Klageanträgen zu 1 b und c angegriffenen Gestaltungsformen aus.
44
c) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte die mit den Klageanträgen zu 1 a bis c angegriffenen Aufmachungen markenmäßig verwendet. Dem kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zugestimmt werden.
45
aa) Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 MarkenG kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die angegriffene Bezeichnung oder Gestaltungsform markenmäßig verwendet wird, also im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Ware oder Dienstleistung eines Unternehmens von denen anderer dient. Dies hat seinen Grund im Zweck der Rechte des Markeninhabers, die sicherstellen sollen, dass die Marke ihre Funktion erfüllen kann. Diese Rechte sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt , in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Funktion der Marke und insbesondere deren Hauptfunktion, also die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (EuGH, Urt. v. 12.11.2002 - C-206/01, Slg. 2002, I-10273 = GRUR 2003, 55 Tz. 50 f. = WRP 2002, 1415 - Arsenal Football Club; Urt. v. 25.1.2007 - C-48/05, Slg. 2007, I-1017 = GRUR Int. 2007, 404 Tz. 21 = WRP 2007, 299 - Opel/Autec; BGHZ 171, 89 Tz. 22 - Pralinenform).
46
bb) Die Beurteilung, ob die angegriffenen Aufmachungen vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden und somit markenmäßig verwendet werden, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. In der Revisionsinstanz ist sie nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der markenmäßigen Verwendung zutreffend erfasst, den Prozessstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft , seine Beurteilung frei von Widersprüchen mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung vorgenommen hat und das gewonnene Ergebnis von den Feststellungen getragen wird.
47
Dem Berufungsgericht ist jedoch bei seiner Beurteilung ein Rechtsfehler unterlaufen. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte die Stofffähnchen nicht anders verwendet als die Klägerin und dass deren Aufmachung eine auffällige Kennzeichnung darstellt. Zwar kann die Kennzeichnungskraft des roten Stofffähnchens der Klägerin Auswirkungen darauf haben, ob der Verkehr einer entsprechenden oder ähnlichen Aufmachung einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn er ihr begegnet (vgl. BGH, Urt. v. 7.10.2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 f. = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade). Die Beklagte verwendet die roten Stofffähnchen jedoch nicht isoliert, sondern zusammen mit den Markennamen ihrer Jeans. Von einer markenmäßigen Verwendung allein der roten Stofffähnchen ohne die jeweiligen Markenwörter kann danach nur ausgegangen werden, wenn diesen Gestaltungsmitteln eine eigenständige, von den anderen Herkunftshinweisen unabhängige Kennzeichnungsfunktion zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 5.4.2001 - I ZR 168/98, GRUR 2002, 171, 174 = WRP 2001, 1315 - Marlboro-Dach; BGH GRUR 2005, 427, 429 - Lila-Schokolade). Diese eigenständige Kennzeichnungsfunktion der roten Stofffähnchen hat das Berufungsgericht aufgrund der Signalwirkung des als „Red Tab“ bezeichneten roten Stofffähnchens der Klägerin und damit aufgrund der Kennzeichnungskraft dieses Gestaltungsmittels bejaht. Die Kennzeichnungskraft des roten Stofffähnchens isoliert ohne weitere Bestandteile hat das Berufungsgericht jedoch nicht rechtsfehlerfrei bestimmt (dazu II 2 a dd). Demgegenüber kommt es nicht darauf an, dass die jeweiligen roten Stofffähnchen mit den von der Beklagten angebrachten Markenwörtern eine markenmäßige Verwendung darstellen, weil die Klägerin ein Verbot der Verwendung in bestimmter Weise angebrachter roter Stofffähnchen unabhängig von weiteren Wortbestandteilen erstrebt.
48
d) Mit Recht wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht die Einrede mangelnder Benutzung der Klagemarke 3 nach § 25 Abs. 1, § 26 MarkenG als unbegründet erachtet hat. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts vermögen diese Annahme nicht zu rechtfertigen.
49
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klagemarke 3 werde rechtserhaltend benutzt, wenn die Gesäßtaschen der von der Klägerin produzierten Jeans-Hosen neben dem mit der Aufschrift „LEVI'S“ versehenen „Red Tab“ und der äußeren Taschenform auch die sogenannte „Arcuate (Doppelschwinge )“ aufwiesen. Dem kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beigetreten werden.
50
bb) Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG erfordert, dass die Marke in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist (BGH, Urt. v. 21.7.2005 - I ZR 293/02, GRUR 2005, 1047, 1049 = WRP 2005, 1527 - OTTO). Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur vor, wenn die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (BGH, Beschl. v. 20.1.2005 - I ZB 31/03, GRUR 2005, 515 = WRP 2005, 620 - FERROSIL).
51
Werden zur Kennzeichnung einer Ware zwei Zeichen verwendet, liegt es in der Regel nahe, dass der Verkehr darin ein aus zwei Teilen bestehendes zusammengesetztes Zeichen erblickt. Denkbar ist aber auch, dass der Verkehr in der Kennzeichnung keinen einheitlichen Herkunftshinweis, sondern zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sieht (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2007 - I ZR 71/04, GRUR 2007, 592 Tz. 13 = WRP 2007, 958 - bodo Blue Night).
52
Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die sogenannte „Arcuate (Doppelschwinge)“ und die Klagemarke 3 ungeachtet ihrer räumlichen Zusammenführung vom Verkehr als eigenständige Zeichen aufgefasst werden. Ist dies der Fall, so ist von einer rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke 3 auszugehen. Sieht der Verkehr die aus der Klagemarke 3 und der sogenannten „Arcuate (Doppelschwinge)“ zusammengesetzte Kennzeichnung dagegen als einheitliches Zeichen an, wird durch die Hinzufügung des zusätzlichen Zeichenbestandteils der kennzeichnende Charakter der Klagemarke 3 verändert.
53
3. Unterlassungsanspruch aus den Klagemarken 1 und 2
54
Die Angriffe der Revision haben auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 aufgrund der Klagemarken 1 und 2 richten. Die Marken zeigen eine Jeans-Tasche in der Farbe Blau mit der durch eine parallele Nahtführung gebildeten sogenannten „Arcuate (Doppelschwinge)“ und einem roten rechteckigen Stofffähnchen an der linken Außennaht, das nicht beschriftet ist.
55
a) Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen den Klagemarken 1 und 2 und den mit den Klageanträgen zu 1 a bis c angegriffenen Aufmachungen nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV ist nicht frei von Rechtsfehlern.
56
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das rote Stofffähnchen der Klagemarken eine selbständig kennzeichnende Wirkung innerhalb des Bildzeichens hat und auch nicht so in den Hintergrund tritt, dass es die Eignung verliert, die Erinnerung an die jeweilige Klagemarke wachzurufen. Soweit das Berufungsgericht, das in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen zur Klagemarke 3 verwiesen hat, damit hat zum Ausdruck bringen wollen, auch in den Klagemarken 1 und 2 sei das rote Stofffähnchen prägend, kann diese Annahme keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass das rote Stofffähnchen die aus mehreren Bildbestandteilen zusammengesetzten Klagemarken 1 und 2 von Haus aus dominiert oder prägt. Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft des roten Stofffähnchens durch intensive Benutzung, von der das Berufungsgericht auch bei diesen Marken ausgegangen ist, ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt (vgl. II 2 a dd).
57
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klagemarken 1 und 2 würden rechtserhaltend dadurch benutzt, dass die Klägerin Jeans-Hosen vertreibe , die Gesäßtaschen mit der sogenannten „Arcuate (Doppelschwinge)“ und mit dem „Red Tab“ mit und ohne die Aufschrift „LEVI'S“ aufwiesen. Dagegen wendet sich die Revision ebenfalls mit Erfolg.
58
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin die Klagemarken 1 und 2 ernsthaft dadurch benutzt hat, dass sie Jeans-Hosen vertrieben hat, die eine Gesäßtasche mit der sogenannten „Arcuate (Doppelschwinge)“ und einem „Red Tab“ ohne Aufschrift aufwiesen. Zu Art, Umfang und Dauer eines entsprechenden Vertriebs derart gestalteter Jeans-Hosen ist nichts festgestellt. Eine Benutzungshandlung ist aber nur dann als ernsthaft anzusehen, wenn sie nach Art, Umfang und Dauer dem Zweck des Benutzungszwangs entspricht, die Geltendmachung bloß formaler Markenrechte zu verhindern (BGH, Urt. v. 28.8.2003 - I ZR 293/00, GRUR 2003, 1047, 1048 = WRP 2003, 1439 - Kellogg's/Kelly's).
59
Soweit das Berufungsgericht für eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarken 1 und 2 auch einen Vertrieb von Jeans-Hosen herangezogen hat, die Gesäßtaschen mit der sogenannten „Arcuate (Doppelschwinge)“ und dem „Red Tab“ mit der Aufschrift „LEVI'S“ aufweisen, hat es keine Feststellungen dazu getroffen, ob durch die zusätzliche Anbringung der Aufschrift „LEVI'S“ auf den Stofffähnchen der Jeans-Taschen der kennzeichnende Charakter der Marke unverändert bleibt (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG).
60
Die zur rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarken 1 und 2 erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht - soweit es die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwischen den Klagemarken 1 und 2 und den mit den Klageanträgen zu 1 a bis c angegriffenen Aufmachungen im wiedereröffneten Berufungsrechtszug bejaht - ebenfalls nachzuholen haben.
61
4. Unterlassungsanspruch aus den Klagemarken 4, 5 und 6
62
Das Berufungsgericht hat ebenfalls rechtsfehlerhaft markenrechtliche Unterlassungsansprüche aufgrund der Klagemarken 4, 5 und 6 bejaht (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b, Art. 98 GMV).
63
Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Klagemarken 4, 5 und 6 und den in den Klagenanträgen zu 1 a bis c angeführten Aufmachungen bestehe eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV. Es hat hierzu auf seine Ausführungen zur Klagemarke 3 verwiesen, die revisionsrechtlich keinen Bestand haben. Die Verurteilung aufgrund der Klagemarken 4, 5 und 6 kann daher ebenfalls nicht aufrechterhalten bleiben.
64
5. Unterlassungsanspruch aus der Benutzungsmarke eines „Red Tab“
65
Das Berufungsgericht hat schließlich einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG auch aufgrund einer Benutzungsmarke i.S. von § 4 Nr. 2 MarkenG bejaht. Es hat angenommen, dass sich aus den Umfragen von Mai und Juli 1994 sowie April/Mai 2000 ergibt, dass ein beachtlicher Teil des Publikums das rote Stofffähnchen ohne jedes andere Gestaltungselement an der Gesäßtasche als Kennzeichen der Klägerin erkennt.
66
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Die Meinungsumfragen sind aus denselben Gründen, die gegen ihre Eignung sprechen, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft des „Red Tab“ in den eingetragenen Klagemarken zu belegen, auch ungeeignet, eine Verkehrsgeltung einer entsprechenden Benutzungsmarke zum maßgeblichen Zeitpunkt - Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz im Oktober 2005 - zu beweisen.
67
6. Da die Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 keinen Bestand hat, ist auch die Verurteilung nach den Annexanträgen zu 3 und 4 aufzuheben.
68
III. Das Berufungsurteil kann danach, soweit die Revision zugelassen worden ist, nicht aufrechterhalten werden (§ 562 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).
69
Für die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:
70
Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen, dass das „Red Tab“ aufgrund gesteigerter Kennzeichnungskraft dieses Zeichenbestandteils eine der Klagemarken prägt, wird in Anbetracht der bestehenden Warenidentität eine Verwechslungsgefahr und eine markenmäßige Verwendung der roten Stofffähnchen in den angegriffenen Aufmachungen zu bejahen sein. Die Prägung des Gesamteindrucks der Klagemarken durch das isolierte „Red Tab“ wird eher bei der Klagemarke 6 anzunehmen sein, die diesen Bestandteil - anders als die Klagemarken 3 bis 5 - ohne Schriftzug und - anders als die Klagemarken 1 und 2 - ohne die sogenannte „Arcuate (Doppelschwinge)“ aufweist.
71
Die Beurteilung des Gesamteindrucks der Klagemarken wird das Berufungsgericht , soweit es für die Beurteilung des Rechtsstreits auf sämtliche Klagemarken ankommt, im Hinblick auf die unterschiedliche Gestaltung der eingetragenen Klagemarken 1 und 2, 3, 4 und 5, 6 sowie die in Anspruch genommene Benutzungsmarke jeweils gesondert vorzunehmen haben.
72
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass keine der Klagemarken durch das isolierte „Red Tab“ allein geprägt wird, sind dadurch nicht zwangsläufig eine Zeichenähnlichkeit und eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene Prüfung im Hinblick auf die verschiedenen Kollisionszeichen vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 205/98, GRUR 2001, 1054, 1056 ff. = WRP 2001, 1193 - Tagesreport; Urt. v. 25.10.2007 - I ZR 18/05, GRUR 2008, 505 Tz. 32 f. und 35 = WRP 2008, 797 - TUC-Salzcracker; Fezer, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rdn. 201; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht , § 14 MarkenG Rdn. 366). Allerdings kann eine Übereinstimmung allein in schutzunfähigen Bestandteilen keine Verwechslungsgefahr begründen (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Tz. 41-43 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 221).
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Kirchhoff

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 22.06.2004 - 312 O 482/03 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 02.02.2006 - 3 U 130/04 -

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,
2.
ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder
3.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse gemäß dem in der Nizza-Klassifikation festgelegten Klassifikationssystem erscheinen. Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als unähnlich angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so ist es insbesondere untersagt,

1.
das Zeichen auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen,
2.
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
3.
unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,
4.
unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen,
5.
das Zeichen als Handelsnamen oder geschäftliche Bezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer geschäftlichen Bezeichnung zu benutzen,
6.
das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen,
7.
das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21) zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.

(4) Dritten ist es ferner untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder auf Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anzubringen,
2.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder
3.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, einzuführen oder auszuführen,
wenn die Gefahr besteht, daß die Aufmachungen oder Verpackungen zur Aufmachung oder Verpackung oder die Kennzeichnungsmittel zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, hinsichtlich deren Dritten die Benutzung des Zeichens nach den Absätzen 2 und 3 untersagt wäre.

(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(6) Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.

(7) Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 84/09 Verkündet am:
17. August 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PROTI
Erste Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 vom
11. Februar 1989, S. 1) Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a; MarkenG § 26 Abs. 3 Satz 1
und 2
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 10 Abs. 1
und 2 Buchst. a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG
Nr. L 40 vom 11. Februar 1989, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt
:
1. Ist Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG dahin auszulegen,
dass diese Vorschrift generell und allgemein einer nationalen Regelung entgegensteht
, nach der von der Benutzung einer Marke (Marke 1) auch dann auszugehen
ist, wenn die Benutzung der Marke (Marke 1) in einer von der Eintragung abweichenden
Form erfolgt, ohne dass die Abweichungen die Unterscheidungskraft der
Marke (Marke 1) beeinflussen, und wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt
wird, ebenfalls eingetragen ist (Marke 2)?
2. Falls die Frage 1 verneint wird:
Ist die vorstehend unter 1 bezeichnete nationale Vorschrift mit der Richtlinie
89/104/EWG vereinbar, wenn die nationale Vorschrift einschränkend dahin ausgelegt
wird, dass sie nicht auf eine Marke (Marke 1) angewandt wird, die nur dazu eingetragen
ist, um den Schutzbereich einer anderen eingetragenen Marke (Marke 2), die in
der Form, in der sie benutzt wird, eingetragen ist, abzusichern oder auszuweiten?
3. Falls die Frage 1 bejaht oder die Frage 2 verneint wird:

a) Ist eine Benutzung einer eingetragenen Marke (Marke 1) im Sinne von Art. 10
Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG nicht gegeben,
aa) wenn der Markeninhaber die Form eines Zeichens benutzt, die von der Eintragung
der Marke (Marke 1) und einer weiteren Marke (Marke 2) des Markeninhabers
nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass durch die Abweichungen die
Unterscheidungskraft der Marken (Marke 1 und Marke 2) beeinflusst wird;
bb) wenn der Markeninhaber zwei Formen von Zeichen benutzt, von denen keine
der eingetragenen Marke (Marke 1) entspricht, von denen aber eine benutzte
Zeichenform (Form 1) mit einer anderen eingetragenen Marke (Marke 2) des
Markeninhabers übereinstimmt und die zweite vom Markeninhaber verwandte
Zeichenform (Form 2) in Bestandteilen von beiden eingetragenen Marken
(Marke 1 und Marke 2) abweicht, ohne dass durch die Abweichungen die Unterscheidungskraft
der Marken beeinflusst wird, und wenn diese Zeichenform
(Form 2) die größere Ähnlichkeit mit der anderen Marke (Marke 2) des Markeninhabers
aufweist?

b) Darf ein Gericht eines Mitgliedstaates eine einer Richtlinienbestimmung (hier
Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG) entgegenstehende nationale
Vorschrift (hier § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG) in Fällen anwenden, deren
Sachverhalt vor einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union,
aus der sich erstmalig Anhaltspunkte für die Unvereinbarkeit der Vorschrift des
Mitgliedstaats mit der Bestimmung der Richtlinie ergeben (vorliegend EuGH, Urteil
vom 13. September 2007 C234/06, Slg. 2007, I7333 Il Ponte Finanziaria/HABM
[BAINBRIDGE]), bereits abgeschlossen war, wenn das nationale Gericht das Vertrauen
eines der an dem gerichtlichen Verfahren Beteiligten in die Rechtsbeständigkeit
seiner verfassungsrechtlich gesicherten Position höher bewertet als das Interesse
an einer Umsetzung einer Vorschrift der Richtlinie?
BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - I ZR 84/09 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 vom 11. Februar 1989, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG dahin auszulegen, dass diese Vorschrift generell und allgemein einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der von der Benutzung einer Marke (Marke 1) auch dann auszugehen ist, wenn die Benutzung der Marke (Marke 1) in einer von der Eintragung abweichenden Form erfolgt, ohne dass die Abweichungen die Unterscheidungskraft der Marke (Marke 1) beeinflussen, und wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt wird, ebenfalls eingetragen ist (Marke 2)? 2. Falls die Frage 1 verneint wird: Ist die vorstehend unter 1 bezeichnete nationale Vorschrift mit der Richtlinie 89/104/EWG vereinbar, wenn die nationale Vorschrift einschränkend dahin ausgelegt wird, dass sie nicht auf eine Marke (Marke 1) angewandt wird, die nur dazu eingetragen ist, um den Schutzbereich einer anderen eingetragenen Marke (Marke 2) abzusichern oder auszuweiten, die in der Form, in der sie benutzt wird, eingetragen ist? 3. Falls die Frage 1 bejaht oder die Frage 2 verneint wird:
a) Ist eine Benutzung einer eingetragenen Marke (Marke 1) im Sinne von Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/ EWG nicht gegeben, aa) wenn der Markeninhaber die Form eines Zeichens benutzt, die von der Eintragung der Marke (Marke 1) und einer weiteren Marke (Marke 2) des Markeninhabers nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass durch die Abweichungen die Unterscheidungskraft der Marken (Marke 1 und Marke 2) beeinflusst wird; bb) wenn der Markeninhaber zwei Formen von Zeichen benutzt , von denen keine der eingetragenen Marke (Marke 1) entspricht, von denen aber eine benutzte Zeichenform (Form 1) mit einer anderen eingetragenen Marke (Marke 2) des Markeninhabers übereinstimmt und die zweite vom Markeninhaber verwandte Zeichenform (Form 2) in Bestandteilen von beiden eingetragenen Marken (Marke 1 und Marke 2) abweicht, ohne dass durch die Abweichungen die Unterscheidungskraft der Marken beeinflusst wird, und wenn diese Zeichenform (Form 2) die größere Ähnlichkeit mit der anderen Marke (Marke 2) des Markeninhabers aufweist ?
b) Darf ein Gericht eines Mitgliedstaates eine einer Richtlinienbestimmung (hier Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG) entgegenstehende nationale Vorschrift (hier § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG) in Fällen anwenden, deren Sachverhalt vor einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, aus der sich erstmalig Anhaltspunkte für die Unvereinbarkeit der Vorschrift des Mitgliedstaats mit der Bestimmung der Richtlinie ergeben (vorliegend EuGH, Urteil vom 13. September 2007 - C-234/06, Slg. 2007, I-7333 - Il Ponte Finanziaria /HABM [BAINBRIDGE]), bereits abgeschlossen war, wenn das nationale Gericht das Vertrauen eines der an dem gerichtlichen Verfahren Beteiligten in die Rechtsbeständigkeit seiner verfassungsrechtlich gesicherten Position höher bewertet als das Interesse an einer Umsetzung einer Vorschrift der Richtlinie?

Gründe:


1
I. Der Kläger ist Inhaber der Wortmarken Nr. 397 02 429 "PROTI" (eingetragen am 3. März 1997) und Nr. 395 49 559.8 "PROTIPLUS" (eingetragen am 20. Mai 1996) sowie der nachfolgend wiedergegebenen Wort-/Bildmarke Nr. 396 08 644.6 (eingetragen am 5. März 1997):
2
Die Marken sind unter anderem für Eiweiß eingetragen. Die Marke Nr. 397 02 429 "PROTI" ist auch für Eiweiß mit dem Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie Kohlenhydraten und für Lebensmittelzubereitungen mit hohen Eiweißanteilen zur Anreicherung für Lebensmittel registriert.
3
Der Kläger vertrieb zunächst über die P. R. & M. Gesellschaft bürgerlichen Rechts und anschließend über die P. GmbH Nahrungsergänzungsprodukte unter den Bezeichnungen "Proti Power", "PROTIPLUS", "PROTIPLEX" und "PROTI 4-K" in verschiedenen Aufmachungen und mit weiteren Zusätzen ("Plus 80", "XXL", "Power 75, 80 oder 90").
4
Der Beklagte bietet unter der am 11. Februar 2003 für näher beschriebene Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate und diätetische Lebensmittel eingetragenen und am 14. März 2003 veröffentlichten Wortmarke Nr. 302 47 818 "Protifit" ein Milchproteingemisch an.
5
Nachdem der Beklagte die Einrede mangelnder Benutzung der Marke "PROTI" erhoben hatte, hat der Kläger geltend gemacht, diese Marke durch die Bezeichnungen "Proti Power" und "PROTIPLUS" in Preislisten und grafisch gestalteten , nachfolgend wiedergegebenen Aufmachungen verwandt zu haben:
6
Der Kläger begehrt unter Berufung auf seine prioritätsälteren Marken vom Beklagten die Einwilligung in die Löschung der Marke "Protifit" sowie das Verbot, dieses Zeichen zu verwenden. Der Kläger verfolgt weiter einen Auskunftsanspruch und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten.
7
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen (vgl. OLG Köln, GRUR 2009, 958 = WRP 2009, 1286).
8
Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
9
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 (ABl. Nr. L 40 vom 11. Februar 1989, S. 1) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
10
1. Das Berufungsgericht hat die auf die Wortmarke "PROTI" gestützten Ansprüche nach § 22 Abs. 1 Nr. 2, § 49 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG verneint. Es hat angenommen, der Kläger habe eine rechtserhaltende Benutzung seiner Marke in den fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke im Sinne von § 26 MarkenG nicht dargelegt. Die Benutzung der Bezeichnungen "PROTIPLUS" und "Proti Power" sei keine rechtserhaltende Benutzung der Marke "PROTI", weil diese Zeichen für den Kläger als Marken eingetragen seien und der Markeninhaber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine eingetragene Marke nicht durch die Verwendung eines abgewandelten, ebenfalls als Marke registrierten Zeichens rechtserhaltend benutzen könne.
11
Eine rechtserhaltende Benutzung der Marke "PROTI" durch die Bezeichnungen "PROTI Power 90", "Proti XXL" oder "Proti 85" sei nicht gegeben. Mit diesen Zeichen habe der Kläger vor der Veröffentlichung der Eintragung der Marke des Beklagten keine Umsätze erzielt. Die Verwendung der Zeichen "PROTI 4-K" und "Protiplex" sei keine rechtserhaltende Benutzung der Marke "PROTI", weil deren kennzeichnender Charakter durch die Zusätze "4-K" und "PLEX" verändert werde.
12
Ansprüche aus den Marken "PROTIPLUS" und "Proti Power" gegen die angegriffene Marke "Protifit" des Beklagten hat das Berufungsgericht mangels Verwechslungsgefahr verneint.
13
2. Der Kläger hat sein Klagebegehren in erster Linie auf Ansprüche aus der Marke Nr. 397 02 429 "PROTI" und nur hilfsweise auf die weiteren Marken Nr. 395 49 559.8 "PROTIPLUS" und Nr. 396 08 644.6 "Proti Power" gestützt. Es ist deshalb zunächst abschließend über die Ansprüche aus der Klagemarke "PROTI" zu entscheiden; nur wenn dem Kläger die gegen den Beklagten geltend gemachten Ansprüche aufgrund dieser Marke nicht zustehen, ist auch über die Ansprüche aus den weiteren Marken "PROTIPLUS" und "Proti Power" zu befinden.
14
Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Bezeichnungen "PROTIPLUS" und "Proti Power" trotz ihrer Abweichungen von der Marke "PROTI" den kennzeichnenden Charakter dieser Marke nicht verändern (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG = § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG). Die Ausführungen des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit den Zeichen "Proti®4-K" und "PROTIPLEX" können auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Marken "PROTIPLUS" und "Proti Power" die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nicht erfüllen. Das Berufungsgericht hat in die Begründung zu der Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke "PROTI" durch die Zeichen "Proti®4-K" und "PROTIPLEX" zwar auch Ausführungen zur rechtserhaltenden Benutzung durch die Marken "PROTIPLUS" und "Proti Power" eingestreut. Anders als die Revisionserwiderung meint, können diese Darlegungen dem Revi- sionsverfahren aber nicht zugrunde gelegt werden. Es handelt sich um keine das Berufungsurteil tragenden Ausführungen, weil das Berufungsgericht sie in Klammern gesetzt, zum Teil im Konjunktiv gehalten und nicht weiter begründet hat. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist daher im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Bezeichnungen "PROTIPLUS" und "Proti Power" trotz ihrer Abweichungen von der Marke "PROTI" den kennzeichnenden Charakter dieser Marke nicht verändern und der Kläger die Marken "PROTIPLUS" und "Proti Power" vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke "Protifit" ernsthaft benutzt hat (Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG, § 26 Abs. 1 und 3 Satz 1 MarkenG). Der Senat geht ferner im Hinblick darauf, dass das Berufungsgericht zur Frage der Verwechslungsgefahr nicht Stellung genommen hat, zugunsten des Klägers davon aus, dass zwischen den kollidierenden Marken "PROTI" und "Protifit" Verwechslungsgefahr (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104/EWG = § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) besteht. In diesem Fall wäre die Marke "PROTI" nicht verfallen; der Kläger könnte sein Klagebegehren mit Erfolg auf die Marke "PROTI" stützen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 1 Buchst. b, Art. 11 Abs. 1 und 3, Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 89/104/EWG, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 und 6, § 22 Abs. 1 Nr. 2, § 49 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG).
15
Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es daher auf die Frage an, ob eine eingetragene Marke nicht in einer Form rechtserhaltend benutzt werden kann, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, die die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflussen, wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt worden ist, ebenfalls eingetragen ist (Vorlagefrage 1). Ist diese Frage zu verneinen, muss das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Dasselbe gilt, wenn die Vorlagefrage 2 bejaht, die Vorlagefrage 3 a verneint oder die Vorlagefrage 3 b bejaht wird. Andernfalls hat das Berufungsgericht die Ansprüche aus der Marke "PROTI" zu Recht für unbegründet erachtet. Die gegen sein Urteil gerichtete Revision hätte in diesem Fall keinen Erfolg, weil die Marke "PROTI" des Klägers zu dem nach § 51 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke "Protifit" wegen Verfalls löschungsreif gewesen wäre.
16
3. Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 89/104/EWG unterliegt eine Marke den in dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen, wenn der Inhaber der Marke diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren nach dem Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens nicht ernsthaft in dem betreffenden Mitgliedstaat benutzt oder eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt hat, es sei denn, es liegen berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vor. Als Benutzung im vorbezeichneten Sinn gilt nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104/EWG auch eine Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird. Die Vorschriften entsprechen Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 22. Oktober 2008 (ABl. Nr. L 299, S. 25), die an die Stelle der Richtlinie 89/104/EWG getreten ist. Im vorliegenden Rechtsstreit findet jedoch im Hinblick auf den für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Zeitraum, der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2008/95/EG am 28. November 2008 liegt, die Richtlinie 89/104/EWG - nachfolgend MarkenRL - Anwendung (vgl. EuGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - C-449/09, GRUR Int. 2011, 135 Rn. 7 - Canon/IPN Bulgaria).
17
Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL wird im deutschen Markengesetz durch § 26 Abs. 3 MarkenG umgesetzt. Dieser hat folgenden Wortlaut: Als Benutzung einer eingetragenen Marke gilt auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Satz 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt worden ist, ebenfalls eingetragen ist. Da es sich um vollständig harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 26 Abs. 3 MarkenG richtlinienkonform auszulegen.
18
a) Nicht als geklärt angesehen werden kann, ob die Vorschrift des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG mit Art. 10 MarkenRL in Einklang steht. Während die Vorschrift des § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL umsetzt, hat § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG keine unmittelbare Grundlage in der Markenrechtsrichtlinie. Mit dieser Bestimmung bezweckte der deutsche Gesetzgeber eine Klarstellung des Geltungsbereichs des in § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG verankerten Grundsatzes (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Markenrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 12/6581, S. 83).
19
b) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Entscheidung "Il Ponte Finanziaria/HABM (Bainbridge)" angenommen, die Vorschriften über die rechtserhaltende Benutzung erlaubten es nicht, den einer Marke zukommenden Schutz mittels des Nachweises ihrer Benutzung auf eine andere eingetragene Marke, deren Benutzung nicht nachgewiesen ist, mit der Begründung auszuweiten , die letztgenannte Marke stelle nur eine leichte Abwandlung der erstgenannten Marke dar (Urteil vom 13. September 2007 - C-234/06, Slg. 2007, I-7333 = GRUR 2008, 343 Rn. 82 bis 86). Die Entscheidung ist zwar zu Art. 15 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke ergangen. Diese Vorschriften der Gemein- schaftsmarkenverordnung (nachfolgend GMV) entsprechen aber inhaltlich - wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der Entscheidung hervorhebt - Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL. In der deutschen Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche Auswirkungen die Entscheidung für die Anwendung und Auslegung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG hat.
20
aa) Teilweise wird angenommen, § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG stehe in Widerspruch zur Auslegung des Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG sei nicht möglich, die Bestimmung sei deshalb nicht mehr anwendbar (vgl. OLG Köln, GRUR 2009, 958; Lange, WRP 2008, 693, 696 ff.). Ob § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG generell und allgemein mit Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL nicht in Einklang steht, ist Gegenstand der Vorlagefrage 1.
21
bb) Nach der Gegenansicht sollen Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL der Anwendung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG im Grundsatz nicht entgegenstehen (vgl. OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2011, 134, 135 f. - Superillu; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 26 Rn. 179 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz , 9. Aufl., § 26 Rn. 138; Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen , 2. Aufl., § 8 Rn. 30; Bergmann, MarkenR 2009, 1, 6; Eichelberger, WRP 2009, 1490, 1494). Zum Teil wird angenommen, die rechtserhaltende Benutzung einer eingetragenen Marke durch ein abweichendes ebenfalls registriertes Zeichen sei nur dann in den Grenzen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL (= § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG) ausgeschlossen, wenn das nicht identische benutzte Zeichen ein sogenanntes Defensivzeichen sei. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union habe in der Markenrechtsrichtlinie keine Grundlage (v. Mühlendahl, WRP 2009, 1, 9).
22
cc) Nach Ansicht des Senats ist § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG grundsätzlich mit der Markenrechtsrichtlinie und insbesondere mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL vereinbar. Ein Ausschluss der Anwendung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG ist vielmehr nur in Betracht zu ziehen, wenn nur eine Marke benutzt wird und die Eintragung weiterer, nicht benutzter Marken dazu bestimmt und geeignet ist, den Schutzbereich der allein verwendeten Marke durch die unbenutzten Zeichen auszuweiten.
23
Der Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG liegt der Gedanke zugrunde , dass durch die Benutzung eines Zeichens als Marke mehr als eine eingetragene Marke rechtserhaltend benutzt werden kann. Dieser Grundsatz steht sowohl mit dem Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Vorschriften der Markenrechtsrichtlinie über den Benutzungszwang in Einklang.
24
(1) Nach dem 12. Erwägungsgrund der Markenrechtsrichtlinie müssen sich ihre Vorschriften in vollständiger Übereinstimmung mit der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) befinden. Nach Art. 5 C Abs. 2 PVÜ soll der Gebrauch einer Fabrik- oder Handelsmarke durch den Inhaber in einer Form, die von der Eintragung in einem der Verbandsländer nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, die Ungültigkeit der Eintragung nicht nach sich ziehen und den der Marke gewährten Schutz nicht schmälern. Auf die Frage, ob das benutzte Zeichen ebenfalls eingetragen ist, stellt die Vorschrift nicht ab. In der Rechtsprechung des Senats ist deshalb die rechtserhaltende Benutzung eines Zeichens in abgewandelter Form unter der Geltung des Warenzeichengesetzes nicht deshalb verneint worden, weil für den Markeninhaber weitere, der benutzten Form entsprechende oder ihr ähnliche Marken eingetragen worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 - I ZR 2/82, GRUR 1985, 46 - IDEE-Kaffee). Eine Ausnahme hiervon hat der Senat in Fällen gemacht, in denen der Warenzeicheninhaber ein neues Zeichen eintragen ließ und dieses den Charakter eines Defensivzeichens hatte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 - I ZR 209/83, GRUR 1986, 315 - COMBURTEST).
25
Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL stellt ebenso wie Art. 5 C Abs. 2 PVÜ für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der registrierten Marke durch eine abweichende Verwendungsform nicht darauf ab, ob das benutzte Zeichen registriert ist. Der Wortlaut dieser Vorschriften spricht daher nicht dafür, die Annahme einer Benutzung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen abhängig zu machen.
26
(2) Für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung der eingetragenen Marke durch eine abgewandelte ebenfalls als Marke eingetragene Form, wie sie § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG vorsieht, sprechen ebenfalls Sinn und Zweck des Benutzungszwangs. Dieser dient dazu, die Gesamtzahl der in der Gemeinschaft eingetragenen und geschützten Marken und damit die Anzahl der zwischen ihnen möglichen Konflikte zu verringern (Erwägungsgrund 8 Satz 1 MarkenRL). Mit diesem Ziel des Benutzungszwangs steht der Ausschluss sogenannter Defensivmarken in Einklang. Eine gesetzliche Regelung von Defensivmarken enthält das deutsche Markengesetz nicht. Mit Defensivmarken werden von Rechtsprechung und Literatur in Deutschland Marken bezeichnet, die der Markeninhaber eintragen lässt, um den Schutzbereich einer eingetragenen und benutzten Marke abzusichern oder auszuweiten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 1984 - I ZB 9/83, GRUR 1985, 383, 384 - BMW-Niere; OLG München, Urteil vom 17. Juni 2010 - 29 U 3867/09, juris Rn. 39; Fezer aaO § 3 Rn. 37). Die Aufrechterhaltung derartiger Defensivzeichen entspricht nicht Sinn und Zweck des Benutzungszwangs.
27
Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der eingetragenen, in abgewandelter Form benutzten Marke dieser Defensivcharakter fehlt. Dies ist etwa in einer Konstellation der Fall, in der der Markeninhaber über eine eingetragene und in der Vergangenheit benutzte Marke verfügt, die er innerhalb der Grenzen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL (= § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG ) fortentwickeln möchte (zur Anpassung jahrzehntelang benutzter Marken an den jeweiligen Zeitgeschmack Beispiele bei Esch, Strategie und Technik der Markenführung, 6. Aufl., S. 235 zur Veränderung der Shell-Muschel im Zeitraum von 1900 bis 1999; Pelikan, Ein Unternehmen schreibt Geschichte, S. 13 zur Änderung des Zeichens "Pelikan" im vergangenen Jahrhundert; Bugdahl, MarkenR 2003, 259, 266 und 269 f. zur Änderung des Bildzeichens des ErdalFroschs und des Dosendesigns dieser Marke im Laufe des 20. Jahrhunderts; Internetauftritt des Solinger Schneidwarenunternehmens J. Henckels, Geschichte der Marke Zwilling von 1731 bis 1969). Kann der Markeninhaber allein durch die Benutzung der modernisierten registrierten Form nicht beide eingetragenen Marken rechtserhaltend benutzen, verliert er die Priorität der - häufig wertvollen - älteren Marke. Verzichtet der Markeninhaber deshalb auf die Eintragung der neuen Marke, trägt er in zweifacher Hinsicht das Risiko, dass das neu gestaltete Zeichen sich nicht innerhalb der durch Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL (= § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG) bestimmten Grenzen hält. Wo diese Grenze verläuft, ist der Beurteilung im Einzelfall vorbehalten. Ergibt diese Prüfung durch die Gerichte, dass die abweichenden Bestandteile des neuen Zeichens den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Marke verändern (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG) bzw. die Unterscheidungskraft der eingetragenen Marke beeinflussen, verliert der Markeninhaber mangels rechtserhaltender Benutzung seiner eingetragenen älteren Marke nach Ablauf von fünf Jahren deren Schutz, ohne für das neue Zeichen Markenschutz durch Registrierung erworben zu haben. Der Benutzungszwang dient aber nicht dazu, die in älteren Marken verkörperten wirtschaftlichen Werte ohne zwingenden Grund zu zerstören und den Markeninhaber in der Fortentwicklung und Modernisierung seiner bereits vorhandenen - wertvollen - Marke zu behindern.
28
Eine Beschränkung der rechtserhaltenden Benutzung der Form eines Zeichens auf jeweils nur eine der eingetragenen Marken hat zudem zur Folge, dass der Markeninhaber den als Marke eingetragenen Stammbestandteil einer Markenfamilie rechtserhaltend nicht durch die Verwendung der einzelnen registrierten Zeichen der Markenfamilie benutzen kann. Für die Absicherung des Stammbestandteils der Serienzeichen durch den Schutz einer ebenfalls eingetragenen Marke besteht jedoch ein praktisches Bedürfnis. Dieses ist etwa für den Zeitraum des Aufbaus der Markenserie gegeben. Während dieses Zeitraums , in dem die einzelnen Marken noch nicht in einem solchen Ausmaß auf dem Markt präsent sind, dass sie die an eine Markenserie zu stellenden Anforderungen erfüllen (vgl. hierzu EuGH, GRUR 2008, 343 Rn. 62 bis 65 - Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]), hat der Markeninhaber regelmäßig ein beachtenswertes Interesse daran, den Stammbestandteil durch die Eintragung als Marke zu schützen, auch wenn er den Stammbestandteil nicht isoliert benutzt.
29
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist anerkannt , dass sich der Erwerb von Unterscheidungskraft einer Marke auch aus ihrer Benutzung als Teil einer anderen eingetragenen Marke ergeben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - C-488/06, Slg. 2008, I-5725 = GRUR Int. 2008, 830 Rn. 49 - Aire Limpio/ARBRE MAGIQUE). Durch die Benutzung einer bestimmten Form eines Zeichens könnte dieses danach zwar die von Haus aus fehlende Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 MarkenRL (= § 8 Abs. 3 MarkenG) und Art. 7 Abs. 3 GMV erwerben. Bei Anwendung der Grundsätze der Entscheidung "Il Ponte Finanziaria" würde aber dieselbe Ver- wendung nach Eintragung dieses Zeichens keine rechtserhaltende Benutzung mehr darstellen, was den Verfall dieser Marke zur Folge hätte.
30
Wenn die Vorlagefrage 1 verneint wird - Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL also nicht in jedem Fall einer nationalen Regelung wie § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG entgegensteht -, stellt sich die Frage, ob eine entsprechende nationale Bestimmung mit der Markenrechtsrichtlinie vereinbar ist (Vorlagefrage 2), wenn sie nicht auf Defensivmarken angewandt wird.
31
(3) Gegen die Beschränkung der rechtserhaltenden Benutzung der Zeichenform auf jeweils nur eine eingetragene Marke sprechen nach Ansicht des Senats zudem folgende Erwägungen:
32
Benutzt der Markeninhaber eine von allen eingetragenen Marken abweichende , deren Unterscheidungskraft aber nicht beeinflussende Form, erscheint fraglich, welche eingetragene Marke dadurch im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL (= § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG) rechtserhaltend benutzt wird. Das kommt im vorliegenden Fall in folgender Konstellation in Betracht:
33
Das Zeichen "PROTIPLUS" ist in den grafischen Gestaltungen nicht eingetragen. Durch die vom Kläger behauptete Verwendung der grafisch gestalteten Form von "PROTIPLUS" könnte daher sowohl die Wortmarke "PROTIPLUS" als auch die Klagemarke "PROTI" im Sinne von Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a MarkenRL benutzt worden sein. Gleiches gilt für die ebenfalls nicht eingetragene, nach Darstellung des Klägers aber als reines Wortzeichen benutzte Form "Proti Power".
34
Fraglich erscheint das Vorliegen einer Benutzung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL auch, wenn der Markeninhaber zwei Formen von Zeichen benutzt, von denen eine Zeichenform mit einer der eingetragenen Mar- ken identisch übereinstimmt (erste Zeichenform) und die weitere Form (zweite Zeichenform) von den zwei eingetragenen Marken abweicht, ohne deren Unterscheidungskraft zu beeinflussen, und wenn die weitere benutzte Form (zweite Zeichenform) die größere Ähnlichkeit mit derjenigen Marke aufweist, die bereits durch die identisch übereinstimmende Form (erste Zeichenform) rechtserhaltend benutzt wird. Vom Vorliegen dieser Sachverhaltsvariante ist im Streitfall ebenfalls auszugehen. Der Kläger benutzt nach seiner Darstellung das Zeichen "PROTIPLUS" nicht nur als Wortmarke, sondern auch in grafisch gestalteter Form. Er verwendet außerdem nach seiner Behauptung die Wort-/Bildmarke "Proti Power" in dieser Form und als reines Wortzeichen. Wird die Vorlagefrage 1 bejaht oder die Vorlagefrage 2 verneint, kommt es auf die Vorlagefrage 3a an. Durch die Verwendung der grafisch gestalteten Form von "PROTIPLUS" oder der Form von "Proti Power" als reines Wortzeichen, die beide nicht eingetragen sind, könnte die Klagemarke "PROTI" rechtserhaltend benutzt worden sein.
35
dd) Sollte die Vorlagefrage 1 bejaht oder die Vorlagefrage 2 verneint werden, kommt im Streitfall in Betracht, dass die Vorschrift des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG auf Fallkonstellationen wie die vorliegende nicht angewandt werden kann, weil der Gerichtshof der Europäischen Union die Vorlagefrage 3 a bejaht oder das Berufungsgericht die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen hierzu nicht treffen kann. Dem Senat stellt sich dann die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG auf eingetragene Marken, die allein bislang durch die Markenrechtsrichtlinie harmonisiert sind (Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 89/104/EWG und Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2008/95/EG), nicht mehr angewandt werden kann (Vorlagefrage 3 b).
36
(1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass Gründe des Vertrauensschutzes die Anwendung einer geänderten Rechtsprechung erst auf künftige, dem Urteilserlass nachfolgende Fälle gebieten können. Danach können die durch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung veranlassten neuen Maßstäbe bei der Auslegung einer Norm auf Sachverhalte von der Anwendung ausgeschlossen sein, in denen die Beteiligten die maßgeblichen Vorkehrungen und Entscheidungen im Vertrauen auf eine seit langem bestehende gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung noch vor deren Änderung getroffen haben. In diesen Fällen können Grundsätze des Vertrauensschutzes der Anwendung eines geänderten Verständnisses einer Norm zwingend entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 377). Der Senat ist der Ansicht, dass mit dieser höchstrichterlich anerkannten Fallgruppe die vorliegend zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung zumindest vergleichbar ist.
37
(2) Nachdem unter Geltung des deutschen Warenzeichengesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes, des Warenzeichengesetzes und weiterer Gesetze vom 4. September 1967 (BGBl. I 953) mit Wirkung ab 1. Januar 1968 der Benutzungszwang für Marken eingeführt worden war (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 WZG), hat der Senat wiederholt ausgesprochen, dass eine rechtserhaltende Benutzung keine identische Verwendung des Warenzeichens erfordert , sondern zeichenmäßig bedeutungslose Abwandlungen oder Zusätze unbeanstandet zu bleiben haben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1978 - I ZR 67/76, GRUR 1978, 642, 643 f. - SILVA; GRUR 1985, 46, 47 - IDEE-Kaffee). Der Senat hat insoweit jedoch nur geringfügige Abweichungen der Benutzungsform von dem eingetragenen Zeichen als unschädlich angesehen, weil eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung im Warenzeichengesetz zur rechtserhaltenden Benutzung durch von der Eintragung abweichende Zeichenformen fehlte (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1974 - I ZR 28/73, GRUR 1975, 135, 137 - KIM- Mohr; Beschluss vom 13. Juli 1979 - I ZB 25/77, GRUR 1979, 856, 858 - Flexiole ). Nachdem in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL die rechtserhaltende Benutzung durch die Verwendung abgewandelter Benutzungsformen Eingang in die Markenrechtsrichtlinie gefunden hatte, ist der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen, dass zu einer Fortgeltung der als streng empfundenen deutschen Rechtsprechung kein Anlass bestand (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Markenrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 12/6581, S. 83). In diese Zielsetzung der Neuregelung des Benutzungszwangs im Markengesetz fügt sich auch die Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG ein. Deren Vereinbarkeit mit der Markenrechtsrichtlinie ist vor der "BAINBRIDGE"Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, GRUR 2008, 343) deshalb in der deutschen Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - niemals in Zweifel gezogen worden. Die Markeninhaber konnten angesichts der gesetzlichen Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG daher darauf vertrauen, dass die Benutzung einer Marke in einer Form, die von der Eintragung abwich, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wurde (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL), auch dann als Benutzung galt, wenn die benutzte Form ebenfalls als Marke eingetragen war. Das Vertrauen auf die Gültigkeit des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG für eingetragene Marken hält der Senat gegenüber einer richtlinienkonformen Auslegung gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL, falls die Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG mit der Richtlinie nicht in Einklang steht, für so gewichtig, dass er die Bestimmung ihrem Wortlaut gemäß jedenfalls auf vor der Veröffentlichung der "BAINBRIDGE"-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegende Sachverhalte weiter anwenden möchte.
38
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicher- weise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1998 - C-347/96, Slg. 1998, I-937 Rn. 30 - Solred; Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04, Slg., 2005, I-9981 = NJW 2005, 3695 Rn. 77 - Mangold/Helm). Andererseits ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anerkannt, dass die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots der Anwendung einer Gemeinschaftsregelung im Einzelfall entgegenstehen können (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 1992 - C-163/90, Slg. 1992, I-4625 Rn. 30 bis 34 - Legros; Urteil vom 20. Mai 2003 - C-469/00, Slg. 2003, I-5053 = GRUR 2003, 609 Rn. 99 bis 101 - Grana Padano; Urteil vom 20. Mai 2003 - C-108/01, Slg. 2003, I-5121 = GRUR 2003, 616 Rn. 95 bis 97 - Prosciutto di Parma; Urteil vom 16. Juni 2005 - C-105/03, Slg. 2005, I- 5285 = EuZW 2005, 433 Rn. 44 und 47 - Pupino; Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = EuZW 2006, 730 Rn. 110 - Adeneler).
39
Maßgebliche Bedeutung kommt insoweit aus Sicht des Senats dem Umstand zu, dass das Recht an der Marke in den Schutzbereich des Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und des Art. 14 des Grundgesetzes fällt (vgl. zu Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtscharta Meyer/Bernsdorff , Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl., Art. 17 Rn. 13; zu Art. 14 GG BVerfGE 51, 193, 216 f.; 78, 58, 70; 95, 173, 188; BGH, Urteil vom 2. April 2009 - I ZR 209/06, GRUR 2009, 678 Rn. 32 = WRP 2009, 839 - POST/RegioPost). Das Markenrecht steht dem Markeninhaber zwar nicht schrankenlos zu, sondern wird erst durch die auf die Markenrechtsrichtlinie zurückgehenden Bestimmungen des Markengesetzes konkretisiert (vgl. BGH, GRUR 2009, 678 Rn. 32 - POST/RegioPost). Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass die vorliegende Fallkonstellation durch die deutsche Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG ausdrücklich gesetzlich geregelt war und das Vertrauen eines Markeninhabers in die Gültigkeit dieser Bestimmung wegen des durch Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtscharta und Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechts an der Marke das Interesse an einer der Bestimmung entgegenstehenden anderslautenden Auslegung anhand der Markenrechtsrichtlinie deutlich überwiegt (vgl. auch Lange, WRP 2008, 693, 699).
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Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 16.09.2008 - 33 O 484/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.05.2009 - 6 U 195/08 -
24
Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall für die Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Wort-/Bildmarken nicht nur auf deren Bildbestandteil, sondern auch auf deren Wortbestandteil abzustellen. Der Bildbestandteil der Klagemarke (das „Gemini-Logo“) mag zwar für den Gesamteindruck der Klagemarke - wie das Berufungsgericht angenommen hat - prägend oder jedenfalls mitprägend sein. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festge- stellt, dass der Wortbestandteil der Klagemarke („Kappa“) gegenüber diesem Bildbestandteil zu vernachlässigen ist. Auch hinsichtlich der Beklagtenmarke hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass der Wortbestandteil („Kappa“) gegenüber dem Bildbestandteil (dem stilisierten Buchstaben „K“) weitgehend in den Hintergrund tritt.