Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2008 - II ZR 52/08

bei uns veröffentlicht am01.09.2008
vorgehend
Landgericht München I, 20 O 1947/07, 12.06.2007
Oberlandesgericht München, 9 U 3939/07, 29.01.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 52/08
vom
1. September 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
einstimmig beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

1
Das Gesuch des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg, weil die besonderen Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Zwar besteht Masseunzulänglichkeit (§ 116 Satz 1 Nr. 1, 1. Halbsatz ZPO). Jedoch ist den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO).
2
Vorschüsse auf die Prozesskosten sind nur solchen Beteiligten zuzumuten , die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (Senat, Beschl. v. 6. Dezember 2007 - II ZA 12/07, Zit. nach juris Tz. 2; Beschl. v. 6. März 2006 - II ZB 11/05, ZIP 2006, 682, 683; BGH, Beschl. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490; BAG, Beschl. v. 28. April 2003 - 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947, 1948).
3
Diese Voraussetzungen liegen bei den am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigern der Schuldnerin nach den eigenen Angaben des Antragstellers vor.
4
Dass die Prozessführung auch dazu dient, der Insolvenzmasse Mittel zur Aufbringung der Verwaltervergütung zu verschaffen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Gegenteiliges lässt sich der von dem Antragsteller herangezogenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 15. Januar 1998 - IX ZB 122/97, ZIP 1998, 297, 298; Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 460/02, ZIP 2003, 2036; Beschl. v. 14. Juli 2005 - IX ZB 224/04, ZIP 2005, 1519) nicht entnehmen. Danach ist es allerdings dem Insolvenzverwalter ausnahmslos nicht zuzumuten, die Kosten eines Rechtsstreits selbst aufzubringen, den er im Interesse der Masse führt; der Insolvenzverwalter ist nicht "wirtschaftlich Beteiligter" i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, und zwar auch dann nicht, wenn durch die Prozessführung nur die Verfahrenskosten und die Verwaltervergütung eingebracht werden sollen.
5
Dies ändert jedoch nichts daran, dass es - wie der Antragsteller einräumt - hier den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubiger zuzumuten ist, die Prozesskosten zu finanzieren. Wirtschaftlich betrachtet geht es in diesem Rechtsstreit um die Durchsetzung einer Insol- venzforderung einschließlich Zinsen von rund 400.000,00 €, die die vom Antragsteller bezifferten Verfahrenskosten, Masseverbindlichkeiten und Verwaltervergütung bei weitem übersteigt. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist deshalb kein Raum (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 12.06.2007 - 20 O 1947/07 -
OLG München, Entscheidung vom 29.01.2008 - 9 U 3939/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2008 - II ZR 52/08

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a
Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2008 - II ZR 52/08 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2007 - II ZA 12/07

bei uns veröffentlicht am 06.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZA 12/07 vom 6. Dezember 2007 in dem Rechtsstreit Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2006 - II ZB 11/05

bei uns veröffentlicht am 06.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 11/05 vom 6. März 2006 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1 Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftl

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2003 - IX ZB 460/02

bei uns veröffentlicht am 18.09.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 460/02 vom 18. September 2003 in dem Prozeßkostenhilfeverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Kayser, Dr. Bergmann und am 18. Sep

Referenzen

Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZA 12/07
vom
6. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:


1
Das Gesuch des Klägers bleibt schon deshalb erfolglos, weil die besonderen Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Zwar besteht Masseunzulänglichkeit (§ 116 Satz 1 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO). Jedoch ist den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz ZPO).
2
Vorschüsse auf die Prozesskosten sind nur solchen Beteiligten zuzumuten , welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH, Beschl. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490; BAG, Beschl. v. 28. April 2003 - 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947, 1948). Dabei bestimmt sich die Zumutbarkeit anhand einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalles (Sen.Beschl. v. 6. März 2006 - II ZB 11/05, ZIP 2006, 682).
3
Die genannten Voraussetzungen sind jedenfalls bei zwei - am Insolvenzverfahren mit nicht unerheblichen Forderungsanmeldungen beteiligten - Gläubigern erfüllt. Die beteiligte Wohnungseigentümergemeinschaft und die W. AG haben bei einem Erfolg der Klage aus der Insolvenzmasse einen Betrag zu erwarten, der deutlich höher ist als die - von ihnen als Vorschuss aufzubringenden - Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4
Diese Gläubiger haben - festgestellte - Forderungen in Höhe von 529.689,75 € und 752.351,09 € angemeldet. Diese könnten im Falle eines Obsiegens des Klägers gegen den Beklagten mit dem - für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblichen - Zahlungsanspruch in Höhe von 766.937,82 € mit einer Quote von ca. 15,6 %, d.h. in Höhe von ca. 82.631,60 € und 117.366,77 € befriedigt werden. Denn es fehlen nach dem Vortrag des Klägers hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein gegen den Beklagten erwirkter Titel - ganz oder teilweise - nicht realisiert werden könnte. Selbst bei einem vorsorglichen Abschlag von 50 % wegen möglicher Prozess- und Vollstreckungsrisiken entfielen auf diese beiden Gläubiger bei einer dann maßgeblichen Quote von ca. 4 % Beträge in Höhe von mehr als 21.000,00 € bzw. 30.000,00 €. Zur weiteren Verfolgung des Prozesskostenhilfeantrags für das Berufungsverfahren sind - für das Beschwerdeverfahren - demgegenüber nur Prozesskosten in Höhe von 1.025,82 € aufzubringen.
Goette Kraemer Strohn
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 09.11.2005 - 20 O 39/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.08.2007 - 8 U 8/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 11/05
vom
6. März 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen den am Gegenstand des Rechtsstreits
wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen,
wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden
können.
BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - II ZB 11/05 - OLG Hamm
LG Siegen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. März 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Münke, Dr. Strohn und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Juni 2005 und der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Siegen vom 20. Januar 2005 aufgehoben.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 155.000,00 €

Gründe:


1
I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im September 1999 von der Antragsgegnerin zu 2 als deren Alleingesellschafterin mit einem Stammkapital von 155.000,00 € gegründet worden. Auf dem Konto der Schuldnerin ging das Stammkapital am 22. September 1999 in voller Höhe ein.
Geschäftsführer der Schuldnerin waren die Antragsgegnerin zu 2 und ihr Vater, der Antragsgegner zu 1. Im November 1999 erwarb die Schuldnerin zumindest weite Teile des einzelkäufmännischen Unternehmens des Antragsgegners zu 1. Der Antragsteller geht davon aus, dass der Erwerb auf der Grundlage einer bereits vor Gründung der Schuldnerin getroffenen Abrede und damit im Wege einer verdeckten Sachübernahme erfolgte. Im Oktober 2001 veräußerte und übertrug die Antragsgegnerin zu 2 ihren Geschäftsanteil an der Schuldnerin auf die Antragsgegnerin zu 3.
2
Der Antragsteller hat für die Klage, mit der er die Antragsgegner auf Zahlung des - aus dem Gesichtspunkt der verdeckten Sachübernahme - offenen Einlagebetrages von 155.000,00 € in Anspruch nehmen will, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Landgericht und Oberlandesgericht haben den Antrag wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO abgewiesen. Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde , für deren Durchführung der Senat Prozesskostenhilfe bewilligt hat, verfolgt er sein Begehren weiter.
3
II. Die statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und - ohne Einschränkung - zur Bewilligung der vom Antragsteller für das Verfahren erster Instanz begehrten Prozesskostenhilfe.
4
1. Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe versagt , weil nach seiner Ansicht den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten zumutbar ist. In Abgrenzung zur bisherigen Rechtsprechung meint das Beschwerdegericht, jedem Großgläubiger sei ein Prozesskostenvorschuss in der Höhe zuzumuten, wie er ihn aufbringen müsste, wenn er den durch die Pro- zessführung des Insolvenzverwalters zu erwartenden, zusätzlich auf ihn entfallenden Betrag im Wege der Einzelklage geltend machte.
5
2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
6
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die Klage Aussicht auf Erfolg hat. Im Hinblick auf den Erwerb von Teilen des einzelkaufmännischen Unternehmens des Antragsgegners zu 1 durch die Schuldnerin kommt eine verdeckte Sachübernahme, die einen Anwendungsfall der Regeln über die verdeckte Sacheinlage darstellt, in Betracht. Die hierfür erforderliche Abrede zwischen der Schuldnerin und der Antragsgegnerin zu 2 wird bei Vorliegen eines - hier gegebenen - sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs vermutet (BGHZ 132, 133, 139). Eine Identität des Inferenten mit dem Auszahlungsempfänger bzw. dem Gläubiger des Gegengeschäfts ist, wie der Senat entschieden hat (BGHZ 153, 107, 111; 132, 133, 136; 113, 335, 345 f.), für den sachlichen Zusammenhang nicht erforderlich. Daher steht der Annahme einer Erfolgsaussicht der Klage nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin zu 2 Einlageschuldnerin ist, der Kaufpreis für den Erwerb von Teilen des einzelkaufmännischen Unternehmens des Antragsgegners zu 1 jedoch an diesen geflossen ist.
7
b) Ebenfalls zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass die Prozesskosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können (§ 116 Satz 1 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO), weil die vorhandenen Mittel der Gemeinschuldnerin bereits nicht ausreichen, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.
8
c) Danach kommt es entscheidend darauf an, ob es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz ZPO). Diese Voraussetzung liegt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts vor.
9
aa) Wie das Beschwerdegericht im Ansatz nicht verkennt, sind Vorschüsse auf die Prozesskosten nur solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH, Beschl. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490; BAG ZIP 2003, 1947, 1948).
10
Ob Zumutbarkeit in diesem Sinne vorliegt oder nicht, soll nach Ansicht des Beschwerdegerichts im Rahmen einer komplexen Berechnung festgestellt werden. Hiernach müssen zunächst diejenigen Großgläubiger ermittelt werden, auf die mindestens 5 % der festgestellten Forderungen entfallen. Für diese Gläubiger soll sodann unter Berücksichtigung des Prozess- und des Ausfallrisikos der Betrag berechnet werden, der jeweils auf sie entfiele, wenn der Insolvenzverwalter die Klage gerichtlich geltend machen würde. Sodann sollen für die jeweiligen Gläubiger die Prozesskosten ermittelt werden, die sie aufbringen müssten, wenn sie den auf sie entfallenden Betrag im Wege der Einzelklage geltend machen würden. Sofern die Summe dieser hypothetischen Prozesskosten jedes einzelnen in die Betrachtung einzubeziehenden Gläubigers höher ist als der tatsächlich erforderliche Prozesskostenvorschuss, soll den wirtschaftlich Beteiligten die Finanzierung des Rechtsstreits zumutbar sein.
11
Dass diese Berechnungsweise in der Praxis gut handhabbar ist, erscheint dem Senat in hohem Maße zweifelhaft. Das Beschwerdegericht selbst hat den Nachweis hierfür jedenfalls nicht geführt, vielmehr ist seine Entscheidung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft und inkonsequent. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass das von dem Beschwerdegericht entwickelte System - entgegen der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Auffassung - zu eher voraussehbaren und deshalb rechtssicheren Ergebnissen führt. Denn es suggeriert durch seine Mathematisierung lediglich Objektivität, beruht jedoch letztlich entscheidend auf wertenden Elementen, weil z.B. das Ergebnis der Einschätzung des Prozess- und Vollstreckungsrisikos in die Bewertung eingeht.
12
Die Frage, ob die vom Beschwerdegericht vorgeschlagene Vorgehensweise grundsätzlich abzulehnen ist, kann jedoch offen bleiben. Denn sowohl bei einer konsistenten Anwendung des vom Beschwerdegericht zugrunde gelegten Berechnungsverfahrens (bb) als auch bei einer wertenden Abwägung aller Einzelumstände (cc) gelangt man zu dem Ergebnis, dass den wirtschaftlich Beteiligten die Vorfinanzierung des Prozesses nicht zumutbar ist.
13
bb) Das Beschwerdegericht nimmt an, dass die einzuklagende Forderung keinem Vollstreckungsrisiko unterliege und sich eine Forderung von 77.500,00 € realisieren lasse, während der Antragsteller umgekehrt ein Prozessrisiko nicht für gegeben hält, aber meint, dass allenfalls mit einem Erlös von 50.000,00 € gerechnet werden könne. Als Kosten des Insolvenzverfahrens berücksichtigt das Beschwerdegericht bei seinen Berechnungen einen Betrag von 22.617,65 €. Dabei übersieht es, worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist, dass dieser Betrag zwar bei einem Erlös von 50.000,00 €, wie ihn der Antragsteller annimmt, gerechtfertigt wäre, dass die Kosten des Insolvenzver- fahrens, die sich im Wesentlichen nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens bestimmen, § 58 GKG, bei einem Erlös von 77.500,00 € jedoch 24.866,11 € ausmachen.
14
Mit Recht rügt die Beschwerde des Weiteren eine inkonsequente Behandlung der für den Ausfall anerkannten Forderungen durch das Beschwerdegericht. Dieses zählt die V.bank B. eG mit einer für den Ausfall festgestellten Gesamtforderung von 88.269,51 € zwar zu dem Kreis der Gläubiger, denen ein Prozesskostenvorschuss zumutbar ist. Es berücksichtigt die für den Ausfall anerkannten Forderungen - bei Abzug von Drittrechten in Höhe von 2.100,50 € sind dies insgesamt 111.103,22 € - jedoch nicht bei der Berechnung der für den Fall der Rechtsverfolgung zu erwartenden Quotenerhöhung. Auf Grund dieses Fehlers geht das Beschwerdegericht zu Unrecht von einer aus der beabsichtigten Klage resultierenden Quotenerhöhung von 19,7 % aus statt von ca. 12,88 %. Legt man die letztgenannte geringere Quote zugrunde, so ergeben sich hieraus nach dem Berechnungsmodus des Beschwerdegerichts für die Einzelgläubiger in der Summe zumutbare Prozesskosten in Höhe von 7.887,30 €. Dieser Betrag liegt unter den für die Prozessführung erforderlichen Kosten in Höhe von 8.087,80 €, so dass aus Sicht des Beschwerdegerichts Prozesskostenhilfe hätte gewährt werden müssen.
15
cc) Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man - wie in der bewährten Praxis üblich - die Entscheidung offen auf eine wertende Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls stützt. Dazu gehört zunächst die Berücksichtigung der Tatsache, dass die im Falle der Rechtsverfolgung zu erwartende Insolvenzquote ebenso wie die Quotenerhöhung unter 13 % liegt. Zu berücksichtigen sind außerdem das vom Beschwerdegericht mit 50 % veranschlagte Prozessrisiko sowie das von ihm einseitig ohne jede Rückfrage beim Antragsteller zu Unrecht vernachlässigte Vollstreckungsrisiko, das den Antragsteller zu einem Forderungsabschlag von 68 % veranlasst hat. In Betracht zu ziehen ist ferner die Gläubigerstruktur. Es handelt sich um 34 Einzelgläubiger, von denen das Beschwerdegericht insgesamt sieben Großgläubiger benannt hat. Selbst wenn man - darin dem Beschwerdegericht folgend - die Bundesagentur für Arbeit sowie die Deutsche Angestellten Krankenkasse als Sozialleistungsträger außer Betracht lässt (zur alten Rechtslage Senat, Beschl. v. 7. Juli 1997 - II ZB 7/97, ZIP 1997, 1553, 1554; BGHZ 119, 372, 378; zweifelnd für die InsO etwa OLG Dresden ZinsO 2004, 275 m.w.Nachw.), verbleiben fünf Großgläubiger , von denen der größte, nämlich die V.bank B. eG, zudem nur für den Ausfall anerkannte Forderungen inne hat. Alle fünf Großgläubiger zu einem gemeinsamen Kostenvorschuss zu bewegen, erfordert einen hohen Koordinationsaufwand seitens des Insolvenzverwalters, zumal bekanntermaßen die Gefahr groß ist, dass jeder einzelne Gläubiger auf die Finanzierung der Kosten durch die anderen vertraut. Das macht eine Prozessfinanzierung durch die wirtschaftlich Beteiligten wenig wahrscheinlich. Zieht man schließlich noch in Betracht, dass der Rechtsverfolgung des Insolvenzverwalters im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens grundsätzlich ein eigenständiges, schutzwürdiges Interesse beizumessen ist (BGHZ 119, 372, 376 f.; BGH, Beschl. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1991, 1490, 1491) und dies gerade für die hier in Rede stehende Forderung wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften gilt, führt auch die wertende Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass es den wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen.
Goette Kurzwelly Münke
Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Siegen, Entscheidung vom 20.01.2005 - 6 O 94/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.06.2005 - 27 W 17/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 460/02
vom
18. September 2003
in dem Prozeßkostenhilfeverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Kayser, Dr. Bergmann und
am 18. September 2003

beschlossen:
Dem Antragsteller wird Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwalt Dr. B. beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. September 2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter Prozeßkostenhilfe für eine Klage auf Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung. Das Landgericht hat ihm Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert, er habe nicht hinreichend vorgetragen, die wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubiger zur Aufbringung der Kosten veranlaßt zu haben. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zwar habe er über-
zeugend dargelegt, daß von ihm nicht verlangt werden könne, Insolvenz- oder Massegläubiger zur Vorschußzahlung aufzufordern. Da die Masse aber unzulänglich sei, solle der beabsichtigte Rechtsstreit ausschließlich dazu dienen, die Verfahrenskosten im Rahmen der Rangklasse des § 54 InsO und insbesondere die Verwaltervergütung zu realisieren. In einem solchen Falle, in dem die Rechtsverfolgung des Verwalters allein eigenen wirtschaftlichen Interessen diene, könne eine Prozeßführung auf Kosten der Staatskasse aber nicht über § 116 ZPO gerechtfertigt werden. Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage, ob und inwieweit einem Insolvenzverwalter für eine Klage, die vorwiegend der Sicherung seines Vergütungsanspruchs diene, Prozeßkostenhilfe zu bewilligen sei, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht einheitlich beantwortet werde.

II.


Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1998 - IX ZB 122/97, ZIP 1998, 297 die Frage, ob der Verwalter an Prozessen, die er im Interesse der Masse führt, "wirtschaftlich beteiligt" und ob es ihm zuzumuten ist, unter Umständen die Kosten eines Rechtsstreites selbst aufzubringen, ausdrücklich auch für den Fall verneint, daß der Verwalter mit seinem Vergütungsanspruch selbst der rangbeste Gläubiger nach Verbrauch der baren Masse ist. Zur Begründung hat der Senat darauf verwiesen, daß der Verwalter die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe der Abwicklung eines geordneten Ge-
samtvollstreckungsverfahrens wahrnimmt und jede seinen Gebührenanspruch einschränkende Norm an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist (aaO S. 298; vgl. ferner BGHZ 116, 233, 238 f). Um eine solche Einschränkung handelte es sich auch dann, wenn § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO so zu verstehen wäre, daß der Verwalter die Masse betreffende Prozesse auf eigenes Kostenrisiko zu führen hätte.
2. An dieser Auffassung, die in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl. OLG Düsseldorf NZI 1999, 455, 456; OLG Jena ZIP 2001, 579, 580; OLG Köln OLGR 2000, 450 = NZI 2000, 540, 541; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 61. Aufl. § 116 Rn. 10; Kreft in HKInsO , 2. Aufl. § 129 Rn. 100; MünchKomm-InsO/Ott, § 80 Rn. 89; MünchKommZPO /Wax, 2. Aufl. § 116 Rn. 16; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 80 Rn. 61; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 80 Rn. 80; Zöller/Philippi, ZPO 23. Aufl. § 116 Rn. 10a), hält der Senat fest. Der Insolvenzverwalter nimmt mit der Anfechtung von Rechtshandlungen nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO eine ihm mit seinem Amt übertragene Aufgabe wahr (vgl. § 129 Abs. 1 InsO). Selbst wenn der aus einer Anfechtung zu erzielende Erlös wegen der vorweg zu befriedigenden (§ 53 InsO) Verfahrenskosten und der sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht zu einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger führt, besteht das Amt des Insolvenzverwalters mit den daraus folgenden Pflichten fort, solange die Kosten des Verfahrens gedeckt sind (vgl. § 208 Abs. 3 InsO). Erst wenn sich herausstellt, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, ist das Verfahren einzustellen (§ 207 Abs. 1 InsO). Die Pflicht des Verwalters, Rückgewähransprüche aus § 143 InsO gerichtlich geltend zu machen, wenn die Prozeßführung erfolgversprechend ist (vgl. MünchKomm -InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rn. 13), entfällt auch nicht, wenn wegen Mas-
seunzulänglichkeit das nach § 1 InsO im Vordergrund des Verfahrens stehende Ziel der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) nicht mehr erreicht werden kann. Wie der Senat gleichfalls bereits entschieden hat, ist die Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Anfechtung grundsätzlich ohne Bedeutung (BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99, WM 2001, 1777, 1780).

III.


Der angefochtene Beschluß ist somit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit es nach Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage (§ 116 Satz 2 i.V.m. § 114 letzter Halbs. ZPO) abschließend über das Prozeßkostenhilfegesuch entscheiden kann. Dem Antragsteller ist gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO die beantragte Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu gewähren.
Kreft Ganter Kayser
Bergmann

Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.