Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2009 - IV ZB 13/09

bei uns veröffentlicht am02.12.2009
vorgehend
Landgericht Hamburg, 320 O 5/02, 11.07.2008
Hanseatisches Oberlandesgericht, 9 U 191/08, 20.04.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 13/09
vom
2. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch
am 2. Dezember 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 9. Zivilsenat, vom 20. April 2009 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Wert: 12.731,12 €

Gründe:


1
I. Das Landgericht verurteilte den Beklagten durch Versäumnisurteil , an die Klägerin eine Versicherungsleistung in Höhe von 12.731,12 € nebst Zinsen zurückzuzahlen. Gegen dieses Urteil legten seine Prozessbevollmächtigten fristgemäß Einspruch ein. Das Landgericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache auf den 11. Juli 2008 an; die Ladung wurde den Prozessbevollmächtigten am 8. April 2008 zugestellt. Mit Schreiben vom 10. April 2008 teilte der Beklagte mit, seinen Prozessbevollmächtigten das Mandat entzogen zu haben. Mit Schriftsatz vom 14. April 2008 zeigten auch diese an, den Beklagten nicht mehr zu vertreten. Im Einspruchstermin erschien für den Beklagten niemand. Daraufhin erging gegen ihn ein zweites Versäumnisurteil , durch das sein Einspruch verworfen wurde.
2
Das Berufungsgericht hat seine Berufung - nach entsprechendem Hinweis - gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss als unzulässig verworfen , da der Beklagte nicht schlüssig dargelegt habe, dass es an einer schuldhaften Säumnis fehle. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
3
Das II. Rechtsmittel ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - IV ZB 14/07 - NJWRR 2008, 889 Tz. 3; vom 23. Mai 2007 - IV ZB 48/05 - VersR 2007, 1535 Tz. 5; BGHZ 155, 21, 22), liegen nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt insbesondere nicht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
4
Das 1. Berufungsgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten zu Recht als unzulässig erachtet. Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das - wie hier gemäß § 345 ZPO - der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt wird, ein Fall schuldhafter Säumnis sei nicht gegeben. Dabei muss der Sachverhalt, der die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen soll, schlüssig und vollständig in der Berufungsinstanz vorgetragen werden ; die Beweislast für die behauptete unverschuldete Säumnis trägt die Partei, die sich darauf beruft (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2007 - IX ZR 100/06 - NJW 2007, 2047 Tz. 6 m.w.N.; vom 22. April 1999 - IX ZR 364/98 - NJW 1999, 2120 unter 1; vom 27. September 1990 - VII ZR 135/90 - NJW 1991, 42 unter I 2 m.w.N.).
5
Der 2. Berufungsbegründung des Beklagten lässt sich dazu nur entnehmen, die Beauftragung eines neuen Prozessbevollmächtigten habe sich als schwierig erwiesen, so dass das Gericht den Termin vom 11. Juli 2008 nicht habe festsetzen dürfen. Der Beklagte sei zudem auf die Bestimmung des § 87 Abs. 1 ZPO und die rechtlichen Folgen daraus weder durch das Gericht noch durch seine Prozessbevollmächtigten hingewiesen worden. Das vermag die Annahme einer unverschuldeten Säumnis indes nicht zu rechtfertigen.
6
a) Der Beklagte ist zum Termin am 11. Juli 2008 über seine Prozessbevollmächtigten geladen worden, denen die betreffende gerichtliche Verfügung am 8. April 2008 gemäß § 172 Abs. 1 ZPO zugestellt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Vollmachtsverhältnis zu den damaligen Prozessbevollmächtigten in jedem Fall Bestand, da es nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten in seiner Berufungsbegründung erst mit Schreiben vom 10. April 2008 beendet worden ist. Daher kommt es auf die Bestimmung des § 87 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO in diesem Zusammenhang von vornherein nicht an. Unbeschadet dessen ist die Vorschrift, der zufolge in Anwaltsprozessen die Kündigung eines Vollmachtsvertrages erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit erhält, hier anwendbar, weil sich bis zum Einspruchstermin kein neuer Prozessbevollmächtigter für den Beklagten bestellt hat (BGH, Urteil vom 25. April 2007 - XII ZR 58/06 - NJW 2007, 2124 Tz. 11).
7
b) Auf die Wirkungen des § 87 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO und den unverändert bestehenden Anwaltszwang brauchte das Landgericht nicht (nochmals) hinzuweisen. Dies schon deshalb nicht, weil der Beklagte - der auch früheren Prozessbevollmächtigten das Mandat entzogen hatte - einen solchen Hinweis bereits mit Verfügung vom 1. Juli 2004 erhalten hatte. Das Landgericht hat ihn unter diesem Datum wie folgt angeschrieben : "Bei Prozessen vor dem Landgericht müssen Sie sich durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Sie haben Gelegenheit, binnen vier Wochen mitteilen zu lassen, durch welchen neuen Rechtsanwalt Sie vertreten werden. Bis zu dieser Mitteilung gilt ihre bisherige Rechtsanwältin … weiterhin als zustellungsbevollmächtigt (§ 87 Abs. 1 ZPO)."
8
Darüber hinaus hat der Beklagte dem Landgericht im Zusammenhang mit seinem Schreiben vom 10. April 2008 mitgeteilt, sich "angesichts des bestehenden Anwaltszwanges" zu bemühen, "schnellstmöglich Ersatz zu finden". Das Landgericht konnte und durfte daher davon ausgehen, dass dem Beklagten weiterhin bewusst war, sich durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen zu müssen. Zusätzlich war der Beklagte am 25. September 2007 gerichtlich darüber belehrt worden, dass Terminsverlegungsanträge durch einen Rechtsanwalt erfolgen müssen und Versäumnisurteil ergehen kann, wenn für die Partei kein Rechtsanwalt im anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint.
9
c) Ein auf den 11. Juli 2008 bezogener Terminsverlegungsantrag ist nicht gestellt worden. Für das Landgericht bestand auch keine Veranlassung , den Termin gemäß § 227 ZPO von Amts wegen zu verlegen oder aufzuheben. Ein Anwaltswechsel oder die unterbliebene Neubestel- lung eines Anwalts ist dafür kein erheblicher Grund, es sei denn, dieses beruht nicht auf einem Verschulden der Partei, sondern auf einem vom Anwalt verschuldeten Vertrauensverlust (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2008 - II ZR 251/06 - VersR 2009, 802 Tz. 14). Dafür liegt kein hinreichend substantiierter Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz vor.
10
Der 3. mit der Rechtsbeschwerde zusätzlich geltend gemachte Gehörsverstoß nach Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Der Beklagte hat die Richter am Landgericht, die an den Versäumnisentscheidungen mitgewirkt haben, erfolglos wegen Befangenheit abgelehnt; seine sofortige Beschwerde ist mit Beschluss vom 1. April 2008 zurückgewiesen worden. Der Vorwurf des Beklagten, das Beschwerdegericht habe bei dieser Entscheidung den Inhalt der ergänzenden Beschwerdebegründung seiner Prozessbevollmächtigten nicht beachtet, geht bereits deshalb fehl, weil eine solche ergänzende Beschwerdebegründung nicht gefertigt worden ist. Die Prozessbevollmächtigten haben diese mit Schriftsatz vom 10. März 2008 lediglich angekündigt, nachfolgend aber nicht zu den Akten gereicht. Stattdessen haben sie sich mit Schriftsatz vom 26. März 2008 darauf beschränkt, das vom Beklagten verfasste Schreiben vom 3. März 2008 in Bezug zu nehmen; mit dem Inhalt dieses Schreibens hat sich das Beschwerdegericht auseinandergesetzt, was auch der Beklagte nicht in Frage stellt. Auch sonst vermag die Rechts
11
beschwerde für die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch zulassungswürdige Rechtsfehler nicht aufzuzeigen.
Terno Seiffert Wendt
Dr.Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 11.07.2008 - 320 O 5/02 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2009 - 9 U 191/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2009 - IV ZB 13/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2009 - IV ZB 13/09

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2009 - IV ZB 13/09 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür

Zivilprozessordnung - ZPO | § 172 Zustellung an Prozessbevollmächtigte


(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des

Zivilprozessordnung - ZPO | § 87 Erlöschen der Vollmacht


(1) Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. (2) Der Bevollmächti

Zivilprozessordnung - ZPO | § 514 Versäumnisurteile


(1) Ein Versäumnisurteil kann von der Partei, gegen die es erlassen ist, mit der Berufung oder Anschlussberufung nicht angefochten werden. (2) Ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung oder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 345 Zweites Versäumnisurteil


Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäum

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2009 - IV ZB 13/09 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2009 - IV ZB 13/09 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2008 - IV ZB 14/07

bei uns veröffentlicht am 20.02.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 14/07 vom 20. Februar 2008 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke am 20. Februar 2008 beschlossen: Die Recht

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2008 - II ZR 251/06

bei uns veröffentlicht am 03.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 251/06 vom 3. März 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 140; ZPO §§ 227, 341 a, 345, 347, 514, 539, 543, 544, 551, 565 a) Gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufun

Bundesgerichtshof Urteil, 22. März 2007 - IX ZR 100/06

bei uns veröffentlicht am 22.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 100/06 Verkündet am: 22. März 2007 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 345, 514 Abs. 2 S

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2007 - XII ZR 58/06

bei uns veröffentlicht am 25.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 58/06 Verkündet am: 25. April 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - IV ZB 48/05

bei uns veröffentlicht am 23.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 48/05 vom 23. Mai 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO §§ 233 B, 85 Abs. 2 Der Prozessbevollmächtigte hat seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise sofort nach Eingang des Urteils - vo

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 14/07
vom
20. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke
am 20. Februar 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Mai 2007 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 300 €

Gründe:


1
I. Die Kläger behaupten, der zunächst durch Erbschein ausgewiesene Vater der Beklagten sei nicht Erbe seiner 1965 verstorbenen Tante (Erblasserin) geworden, sondern deren (von einer anderen Frau schon 1920 adoptierte) nachverstorbene Tochter; diese habe die Kläger als Erben eingesetzt. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte ein Anteil am Erlös eines Grundstücks. Davon wurden an den Vater der Beklagten im Dezember 1995 und März 1996 insgesamt 1.448.200,14 DM ausgezahlt. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Vater der Beklagten in der Folgezeit jeweils ungefähr die Hälfte dieses Betrages an seine beiden Töchter weitergegeben habe. Die Kläger nehmen die Beklagte im Wege einer auf § 822 BGB gestützten Stufenklage in Anspruch. Das Landgericht hat sie durch Teilurteil verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, "was sie aus dem Nachlass" ihrer Großtante erhalten habe, insbesondere Auskunft darüber zu erteilen, "welchen Betrag sie unentgeltlich" von ihrem Vater aus dessen vermeintlichem Anteil an dem zum Nachlass der Großtante gehörenden Grundstückserlös erhalten habe. Den für die Erteilung dieser Auskunft erforderlichen Aufwand hat das Landgericht auf maximal 600 € geschätzt; es hat die Berufung nicht zugelassen.
2
gegen Die dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten ist durch den angegriffenen Beschluss als unzulässig verworfen worden, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
3
Das II. Rechtsmittel ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04 - NJW 2006, 2637 Tz. 5; Senatsbeschluss vom 23. Mai 2007 - IV ZB 48/05 - VersR 2007, 1535 Tz. 5), sind nicht erfüllt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung der Hinweispflicht und verstößt daher nicht gegen das Recht der Beklagten auf Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG).
4
1. Dass der für den Wert des Beschwerdegegenstands hier maßgebliche Aufwand an Zeit und Kosten der zur Auskunft verurteilten Beklagten (vgl. BGHZ 128, 85 ff.) über 600 € hinausgehe, hat das Berufungsgericht zunächst mit dem Argument in Zweifel gezogen, wenn die Beklagte nichts erhalten habe, könne sie mit minimalem Aufwand die ihr im Teilurteil des Landgerichts aufgegebenen Fragen verneinen. Sie habe sich bisher im Rechtsstreit nicht dazu geäußert, ob sie überhaupt etwas von ihrem Vater aus dem Nachlass der Erblasserin erhalten habe.
5
DiesesProzessverhalt en hat das Landgericht aber dahin gewertet, dass die Beklagte den Vortrag der Kläger, der Vater habe jeweils etwa die Hälfte des erhaltenen Betrages an seine beiden Töchter weitergegeben , nicht bestritten habe. In ihrer Berufungsbegründung hat die Beklagte lediglich geltend gemacht, das Landgericht habe den Einwand der Verjährung zu Unrecht nicht für begründet gehalten, weil die Kläger früher als vom Landgericht angenommen Kenntnis davon erlangt hätten, dass der Vater der Beklagten das Geld an seine Töchter weitergegeben habe. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berufung hat die Beklagte betont , sie sei nicht etwa - lediglich - dazu verurteilt worden mitzuteilen, ob sie etwas aus dem Nachlass der Erblasserin von ihrem Vater unentgeltlich erhalten habe, sondern was und welchen Betrag. Deshalb bedürfe es einer Überprüfung der Kontoauszüge der Beklagten. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die titulierten Auskunftsfragen schlicht hätte verneinen können.
6
2. Das Berufungsgericht hält es weiter nicht für ausgeschlossen, dass das Geld vom Vater bar an die Beklagte weitergegeben worden sei, so dass die nach ihrem Vortrag von ihr bereits vernichteten Kontoauszüge des Jahres 1997 nicht wiederbeschafft zu werden brauchten. Auch insoweit wirke es sich nachteilig für die Beklagte aus, dass sie sich zum Erhalt des Geldes überhaupt nicht geäußert habe. Dem hält die Beschwerde entgegen, jedenfalls fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der Vater den gesamten, der Beklagten zugedachten Betrag ihr bar ausgehän- digt und nicht wenigstens teilweise auch überwiesen habe. Eine nur auf Barzahlungen abstellende Auskunft wäre mithin weder vollständig noch sachdienlich. Im Hinblick darauf lässt sich nicht feststellen, dass eine Überprüfung der Kontoauszüge hier überflüssig wäre.
7
3. Weiter meint das Berufungsgericht, die Beklagte habe nicht dargelegt , warum sie die erforderlichen Informationen nicht bei ihrem Vater erfragen könne, der möglicherweise noch über entsprechende Kontoauszüge verfüge und außerdem in einem anderen Verfahren den Klägern gegenüber zur Auskunft über den Verbleib des Nachlasses verurteilt worden sei. Demgegenüber weist die Beschwerde mit Recht darauf hin, dass der am 15. August 1905 geborene, also schon mehr als 100 Jahre alte Vater auch durch das von den Klägern gegen ihn erwirkte Urteil nicht der Beklagten gegenüber zur Auskunft verpflichtet sei. Deshalb kann die Beklagte nicht auf eine Nachfrage bei ihrem Vater verwiesen werden.
8
4. Was die Kosten einer Beschaffung der Kontoauszüge der Beklagten angeht, hat sie eine Bescheinigung der C. vorgelegt. Danach kostet die Nacherstellung von Kontoauszügen, die älter als acht Jahre sind, für den Zeitraum eines ganzen Jahres mindestens 750 €. Außerdem hat die Beklagte vorgetragen, sie sei mittlerweile 70 Jahre alt und könne nacherstellte Kontoauszüge in Form tabellarischer, mit bankinternen Kürzeln versehener Übersichten nicht ohne Unterstützung etwa eines Steuerberaters auswerten. Deshalb belaufe sich ihr Aufwand auf mindestens 1.000 €.
9
a)DiesesVorbringen hält das Berufungsgericht nicht für glaubhaft gemacht. Was die Notwendigkeit der Zuziehung eines Steuerberaters zur Auswertung angehe, fehle es an jedem Mittel einer Glaubhaftmachung. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist es auch dem nicht besonders Kundigen mit geringem Aufwand möglich, den nacherstellten Kontoauszügen zumindest den überwiesenen Betrag, den Überweisenden und den Verwendungszweck zu entnehmen. Aus der vorgelegten Bestätigung der C. über den Preis für eine Nacherstellung von Kontoauszügen gehe nicht hervor, dass die Beklagte dort überhaupt eine Kontoverbindung unterhalte. Es könne sich um eine ganz allgemeine Auskunft zu den üblichen Kosten für derartige Leistungen handeln. Der Kostenaufwand von 750 € erscheine sehr hoch gegriffen. Es sei nicht ungewöhnlich , dass langjährigen Kunden Sonderkonditionen eingeräumt würden. Obwohl die Kläger in ihrer Berufungserwiderung auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen hätten, habe die Beklagte keine Auskunft vorgelegt, die sich auf eine tatsächlich bestehende Kontoverbindung der Beklagten beziehe.
10
b) Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht die Beklagte darauf nicht vor seiner Entscheidung gemäß § 139 ZPO hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Darauf beruht der angegriffene Beschluss jedoch nicht (zu dieser Voraussetzung vgl. BGHZ 151, 221, 227; 154, 154, 165; BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - NJW 2003, 3205 unter II 1 a bb). Deshalb braucht auch nicht geklärt zu werden, ob das Berufungsgericht im vorliegenden Fall etwa im Hinblick auf die Stellungnahme der Kläger zur Zulässigkeit der Berufung von einem eigenen Hinweis absehen konnte.
11
Die Beklagte hat in der Beschwerde zwar im Wortlaut mitgeteilt, was sie vor dem Berufungsgericht vorgetragen hätte, wenn ihr dazu Gelegenheit gegeben worden wäre. Daraus geht aber nicht hervor, dass die Beklagte überhaupt und insbesondere in dem hier fraglichen Zeitraum ein Konto bei der C. unterhalten hätte. Vielmehr macht die Beklagte geltend, "die Kosten für die Nacherstellung von Kontoauszügen , welche älter als 8 Jahre sind, betragen bei der C. mindestens 750,00 €". Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht angesprochenen Sonderkonditionen für langjährige Kunden heißt es lediglich: "Die Klägerin hätte keinen Nachlaß erhalten." Im Folgenden führt die Beklagte hinsichtlich des Betrages von 750 € aus, "die allgemein hohen Kosten für die Nacherstellung von alten Kontoauszügen" ergäben sich daraus, dass in einem "meist" nicht am Ort der angefragten Bank befindlichen Archiv der richtige Mikrofilm ermittelt und mit Hilfe von Lesegeräten durch Bankangestellte durchgesehen werden müsse. Diese Ausführungen besagen nichts zu den konkreten Verhältnissen einer bestimmten Bank.
12
Außerdem bezieht sich die Beklagte zur Glaubhaftmachung ihres neuen Vortrags in der Beschwerdebegründung nur auf das Zeugnis eines Mitarbeiters der C. in B. sowie auf Sachverständigengutachten. Auch der Vortrag zur Notwendigkeit einer Auswertung nacherstellter Kontoauszüge durch einen Steuerberater wird allein durch Bezugnahme auf Sachverständigengutachten belegt. Die Beklagte hat den Wert des Beschwerdegegenstands jedoch nach § 511 Abs. 3 ZPO glaubhaft zu machen. Dazu bedarf es präsenter Beweismittel (§ 294 Abs. 2 ZPO); deren Beibringung ist allein Sache der Partei, der die Last der Glaubhaftmachung obliegt; die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1995 - XII ZB 173/95 - FamRZ 1996, 408 unter II 2 b; Urteil vom 20. Oktober 1997 - II ZR 334/96 - NJW-RR 1998, 573 unter 1 a.E.; BGHZ 156, 139, 141). Für die Prüfung der Zulässigkeit einer Berufung ist eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Mithin eignen sich die von der Beklagten in der Beschwerde angeführten Beweismittel, selbst wenn sie den Zeugen und einen Sachverständigen stellen würde, hier von vornherein nicht zur Glaubhaftmachung. Die Beklagte hätte die vom Berufungsgericht geforderte nähere Bankauskunft vorlegen müssen oder aber ein von ihr eingeholtes schriftliches Sachverständigengutachten sowie eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen.
13
Danach c) wäre die Entscheidung des Berufungsgerichts, wenn ihm das in der Beschwerdebegründung wörtlich wiedergegebene Vorbringen der Beklagten schon vor seiner Entscheidung vorgelegen hätte, nicht anders ausgefallen. Seine Auffassung, ein 600 € übersteigender Aufwand der Beklagten sei nicht glaubhaft gemacht, ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
14
Den Wert des zur Auskunftserteilung erforderlichen Aufwands setzt das Berufungsgericht gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen fest; das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04 - NJW-RR 2005, 219 unter II 2 c aa; vom 31. Januar 2007 - XII ZB 133/06 - NJW-RR 2007, 724 Tz. 5). Das macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Die Kläger haben vorgetragen, üblicherweise verlangten Banken für die Nacherstellung von Kontoauszügen maximal 10 € pro Monat. Also wären für die von der Beklagten für erforderlich gehaltene Nacherstellung der Kontoauszüge eines Jahres 120 € anzusetzen. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte sei trotz ihres Alters in der Lage, aus nacherstellten Kontoauszügen jedenfalls den überwiesenen Betrag, den Überweisenden und den Verwendungszweck ohne fremde Hilfe zu entnehmen, bringt die Beschwerde nichts vor. Für diese Arbeit hat das Berufungsgericht einen Zeitaufwand von immerhin 10 Stunden geschätzt und in Anlehnung an §§ 20, 22 JVEG mit insgesamt 170 € bewertet. Unter Berücksichtigung von Fahrt- und Telefonkosten hat es den Aufwand der Beklagten und mithin den Streitwert ihrer Berufung nachvollziehbar auf insgesamt 300 € festgesetzt.
15
Mithin bleibt die Rechtsbeschwerde unabhängig davon, ob das Berufungsgericht seine Hinweispflicht verletzt hat, ohne Erfolg.
Seiffert Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 22.06.2006 - 12 O 710/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.05.2007 - 2 U 94/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 48/05
vom
23. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 233 B, 85 Abs. 2
Der Prozessbevollmächtigte hat seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise
sofort nach Eingang des Urteils - vom Zeitpunkt der Zustellung
und über die daraus folgenden Umstände der Rechtsmitteleinlegung zu unterrichten
, dass die Partei den Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels auch unter
Berücksichtigung einer ausreichenden Überlegungsfrist noch innerhalb der
Rechtsmittelfrist erteilen kann; eine Information eine Woche vor Fristablauf ist
auch in einfachen Fällen dann nicht rechtzeitig, wenn der Prozessbevollmächtigte
Anhaltspunkte dafür hat, dass der Mandant nicht erreichbar sein könnte
(Bestätigung und Fortführung von BGH, Beschluss vom 1. Oktober 1992 - IX
ZB 41/92 - VersR 1993, 630).
BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - IV ZB 48/05 - OLG Zweibrücken
LG Landau
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 23. Mai 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 23. November 2005 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Streitwert: Bis 65.000 €

Gründe:


1
I. Der Kläger macht Leistungen aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Das Landgericht wies die Klage durch Urteil vom 15. Juli 2005 ab, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Juli 2005 zugestellt wurde. Diese informierten den Kläger unter Übersendung des Urteils mit Schreiben vom 17. August 2005 über den Verfahrensausgang und die Möglichkeit, bis zum 19. August 2005 Berufung einlegen zu lassen.
2
Am 12. September 2005 legte der Kläger durch seine zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er vorgetragen: Da er seit Übersendung des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2005 von seinen damaligen Prozessbevollmächtigten nicht weiter informiert worden sei, habe er an einem nicht mehr feststellbaren Tag im Juli in deren Kanzlei angerufen. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin habe ihm keine weitergehenden Informationen gegeben, sie habe erklärt, man müsse abwarten, wie es weitergehen werde. Er habe bei diesem Telefonat erwähnt, er werde im August vorübergehend zur Luftveränderung an der Nordsee sein. Vom 12. bis 26. August 2005 sei er im Urlaub auf Sylt gewesen. Das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. August 2005 sei ihm erst durch Zustellung der während des Urlaubs gesammelten Post am 27. August 2005 zur Kenntnis gelangt.
3
Durch Beschluss vom 23. November 2005 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung beruhe auf einem Verschulden der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten. Sie hätten den Kläger nach Zustellung des Urteils am 21. Juli 2005 unverzüglich vom Ausgang des Verfahrens in Kenntnis setzen müssen. Wäre dies geschehen, hätte er schon vor der Abreise in den Urlaub über die Einlegung der Berufung entscheiden können. Davon abgesehen liege auch ein eigenes Verschulden des Klägers vor. Bei dem ihm bekannten fortgeschrittenen Verfahrensstand habe er mit Zustellungen oder sonstigen Mitteilungen rechnen und deshalb dafür sorgen müssen, für seine Prozessbevollmächtigten am Urlaubsort erreichbar zu sein.
4
Dagegen richtet sich die vom Kläger eingelegte Rechtsbeschwerde.
5
II.DieRechtsbeschwerd e ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04 - NJW 2006, 2637 Tz. 5), sind nicht erfüllt. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt. Der angefochtene Beschluss lässt zulassungsrelevante Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere beruht er nicht auf einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Er entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und erschwert dem Kläger den Zugang zum Berufungsgericht nicht in unzumutbarer Weise.
6
Das 1. Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Frist zur Einlegung der Berufung in erster Linie durch ein schuldhaftes Verhalten der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers verursacht worden ist, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
7
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Rechtsanwalt jede Frist bis zu ihrem Ende uneingeschränkt ausnutzen darf. Die Beschwerde verkennt, dass der Rechtsanwalt zwar gegenüber dem Gericht die Rechtsmittelfrist bis zum letzten Tag ausschöpfen darf, gegenüber seinem Mandanten aber aus dem Anwaltsdienstvertrag (§§ 675, 611 BGB) weitergehende Pflichten hat (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 1992 - IX ZB 41/92 - VersR 1993, 630 unter 2 a). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 1. Oktober 1992 aaO m.w.N. und vom 12. März 1969 - IV ZB 1061/68 - VersR 1969, 635 unter 2) hat der Prozessbevollmächtigte seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise sofort nach Eingang des Urteils - vom Zeitpunkt der Urteilszustellung in Kenntnis zu setzen und sie über die daraus folgenden Umstände der Rechtsmitteleinlegung zu unterrichten, dass die Partei den Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Überlegungsfrist noch innerhalb der Rechtsmittelfrist erteilen kann. Er darf es seinem Mandanten nicht zumuten, gegebenenfalls erst am Tag des Fristablaufs - und damit ohne jede Überlegungsfrist - vor die Entscheidung gestellt zu werden, ob er ein Rechtsmittel einlegen wolle. Zudem kommt allgemein in Betracht, dass der Mandant an diesem Tag nicht erreichbar oder verhindert ist. Unter Berücksichtigung der üblichen Übermittlungsdauer muss sogar in einfachen Fällen die vollständige geschuldete Unterrichtung mindestens eine Woche vor Fristablauf erfolgen. Eine Information eine Woche vor Fristablauf ist aber in jedem Fall dann nicht rechtzeitig, wenn der Prozessbevollmächtigte Anhaltspunkte dafür hat, dass der Mandant nicht erreichbar sein könnte.
8
Daran b) gemessen haben die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ihre Informationspflicht schuldhaft verletzt. Sie hätten den Kläger nicht erst mit Schreiben vom 17. August 2005 und damit knapp fünf Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist (22. August 2005) über die am 21. Juli 2005 erfolgte Zustellung des Urteils und über die sich daraus ergebenden Umstände der Berufungseinlegung unterrichten dürfen. Vielmehr waren sie dazu - zumindest telefonisch - bereits im Juli 2005 verpflichtet. Denn der Kläger hatte die sachbearbeitende Rechtsanwältin in dem von ihm geschilderten Telefonat auf die für August 2005 geplante Reise an die Nordsee hingewiesen. Sie musste deshalb damit rechnen, dass der Kläger im August 2005 vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr erreichbar war und einen Auftrag zur Einlegung der Berufung nicht rechtzeitig erteilen konnte. Deshalb kommt es, anders als die Beschwerde meint, nicht darauf an, ob das Schreiben vom 17. August 2005 noch am selben Tag zur Post aufgegeben worden ist. Die Prozessbevollmächtigten konnten ohne Verschulden weder am 17. August 2005 noch etwa eine Woche vor Fristablauf davon ausgehen, den Kläger werde die geschuldete Information vor Fristablauf erreichen. Aus dem Schreiben vom 17. August 2005 ergibt sich im Übrigen, dass eine frühere Mitteilung wohl beabsichtigt war, aber wegen Urlaubsabwesenheit der sachbearbeitenden Rechtsanwältin versehentlich unterblieben ist. Dies entschuldigt sie nicht. Ein Rechtsanwalt hat nicht nur bei absehbarer Verhinderung durch Krankheit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 1996 - II ZB 7/95 - NJW 1996, 1540 unter II 1 b), sondern erst recht bei Urlaubsabwesenheit für einen Vertreter zu sorgen.
9
Die verspätete Unterrichtung des Klägers war damit für die Versäumung der Frist jedenfalls mitursächlich. Aus dem Verhalten des Klägers nach dem 27. August 2005 ergibt sich, dass er die Berufung bei pflichtgemäßem Verhalten seiner Prozessbevollmächtigten rechtzeitig hätte einlegen lassen.
10
2. Auf ein eigenes Verschulden des Klägers an der Fristversäumung und die Ausführungen der Beschwerde hierzu kommt es danach nicht an.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 15.07.2005 - 4 O 544/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 23.11.2005 - 1 U 140/05 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Ein Versäumnisurteil kann von der Partei, gegen die es erlassen ist, mit der Berufung oder Anschlussberufung nicht angefochten werden.

(2) Ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung oder Anschlussberufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. § 511 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäumnisurteil, durch das der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch nicht zu.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 100/06
Verkündet am:
22. März 2007
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Prozessbevollmächtigte, der zu einem auswärtigen Gerichtstermin anzureisen
hat, ist bei der Auswahl des öffentlichen Verkehrsmittels grundsätzlich frei; er kann
sich auch für das Flugzeug entscheiden.

b) Bezieht der Prozessbevollmächtigte einen Inlandsflug in die Reiseplanung ein,
braucht er für die Bemessung von Pufferzeiten für den Übergang zu einem Anschlussverkehrsmittel
grundsätzlich keine Verzögerungen von mehr als einer Stunde
in Rechnung zu stellen.

c) Eine auf die Entwicklung der Wetterverhältnisse zur geplanten Flugzeit ausgerichtete
Beobachtungspflicht trifft den Prozessbevollmächtigten nur bei bereits bestehenden
oder angekündigten Schlechtwetterlagen, welche die Durchführung der Reise
wahrscheinlich verhindern.
BGH, Urteil vom 22. März 2007 - IX ZR 100/06 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. März 2007 durch die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser, Cierniak
und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 28. April 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Er verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung von der Beklagten einen Betrag von noch 158.103,09 € zuzüglich Zinsen. Gegen das im schriftlichen Vorverfahren ergangene Versäumnisurteil des Landgerichts Neubrandenburg hat die Beklagte , vertreten durch ihren in Karlsruhe kanzleiansässigen Prozessbevollmächtigten , form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. In dem auf den 27. Oktober 2005, 14.00 Uhr anberaumten Termin zur Verhandlung über den Einspruch ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Er hatte um 10.25 Uhr durch seine Kanzlei mitteilen lassen, dass der von ihm gebuchte Flug ab Karlsruhe/Baden-Baden wegen Nebels ausgefallen sei. Gegen 14.40 Uhr hat er dem Gericht telefonisch angezeigt , dass sich seine zunächst für 15.30 Uhr angekündigte Ankunft weiter verzögern werde. Wegen starken Verkehrsaufkommens und einer Straßenumlei- tung zwischen Berlin und Neubrandenburg werde er das Gericht voraussichtlich erst gegen 16.00 Uhr erreichen.
2
Nach 14.45 Uhr hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils beantragt, welches sodann verkündet worden ist. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung mit der Begründung eingelegt , ein Fall verschuldeter Säumnis liege nicht vor. Das Berufungsgericht hat das zweite Versäumnisurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


4
Berufungsgericht Das hat ausgeführt: Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung gemäß § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO lägen vor. Unter diese Bestimmung sei unter anderem der hier gegebene Fall zu fassen, dass die Partei unverschuldet säumig gewesen sei. Die Beklagte habe die maßgeblichen Tatsachen für den Ausschluss ihres Verschuldens vollständig und schlüssig vorgetragen. Die Berufung sei begründet, weil ein Fall unverschuldeter Säumnis gegeben sei. Maßstab sei die übliche, von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt, nicht das unabwendbare Ereignis. Die Reiseplanung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten - eine Kombina- tion von Flug- und Bahnreise - sei nicht zu beanstanden. Ein Prozessbevollmächtigter dürfe auf alle öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen. Linienflüge seien Bestandteil des öffentlichen Personenverkehrs. Dem Rechtsanwalt sei es daher grundsätzlich zuzubilligen, bei Reisen innerhalb Deutschlands die zeitsparende Nutzung des Flugzeuges in die Reiseplanung einzubeziehen. Er müsse allerdings entsprechende Pufferzeiten einrechnen, um das Erreichen des weiteren Anschlusses - hier die Bahn ab Berlin - sicherzustellen. Dies sei geschehen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten aufgrund der Wetterlage nicht auf den pünktlichen Flug des von ihm gebuchten Flugzeuges habe vertrauen dürfen, seien nicht ersichtlich. Konkrete Witterungsumstände, die bei einer sorgfältigen Person begründete Zweifel geweckt hätten, dass die Maschine rechtzeitig abheben würde, hätten sich nicht aufgedrängt. Die allgemeine Erkenntnis, dass im Herbst Witterungsverhältnisse auftreten könnten, die einem pünktlichen Abflug entgegenständen, reiche ebenso wenig aus wie die in den Wetterberichten des Vorabends angekündigte Möglichkeit von Nebel im Abfluggebiet. Nach der Absage des Fluges im Laufe des Vormittags des Verhandlungstages seien dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten keine anderweitigen Pflichtverletzungen vorzuwerfen. Einen Unterbevollmächtigten hätte er nicht beauftragen müssen. Seinen Mitteilungspflichten an das Gericht sei er rechtzeitig nachgekommen.

II.


5
Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das - wie hier gemäß § 345 ZPO - der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen soll, muss vollständig in der Berufungsinstanz vorgetragen und darf in der Revisionsinstanz nicht ergänzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 22. April 1999 - IX ZR 364/98, WM 1999, 1532, 1533). Die Verschuldensfrage ist nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. BGHZ 141, 351, 355; BGH, Urt. v. 22. April 1999 - IX ZR 364/98, aaO S. 1533; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 514 Rn. 8). Die Beweislast für die Voraussetzungen einer unverschuldeten Säumnis liegt beim Berufungskläger.
7
2. Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage ein Verschulden der Beklagten, die sich ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechen lassen muss, ohne Rechtsfehler verneint.
8
a) Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung ausgeführt und durch Vorlage des Flugscheines sowie einer Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn belegt, ihr Prozessbevollmächtigter habe für den Terminstag den Flug DI 7486 mit dem planmäßigen Abflug ab Karlsruhe/Baden-Baden um 8.30 Uhr und der planmäßigen Ankunft in Berlin-Tegel um 9.50 Uhr gebucht. Geplant sei gewesen , von Berlin-Tegel um 11.18 Uhr mit der S-Bahn nach Henningsdorf zu fahren , um von dort mit Regionalzügen der Deutschen Bahn über Oranienburg nach Neubrandenburg zu gelangen. Planmäßige Ankunft in Neubrandenburg sei 13.31 Uhr gewesen, also eine halbe Stunde vor Terminsbeginn.
9
aa) Diese Reiseplanung weist allerdings den von der Revision aufgezeigten Schwachpunkt auf, dass der Zeitpuffer für den Übergang vom Flugzeug zur S-Bahn in Berlin-Tegel etwas knapp bemessen ist. Zum einem musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine sich im üblichen Rahmen haltende Verzögerung der Landung des von ihm benutzten Flugzeuges in Berlin-Tegel in Rechnung stellen. Zum anderen reiste er nicht nur mit Handgepäck, sondern - nach seinen eigenen Angaben in der Berufungsbegründungschrift - mit einem aufgegebenen Gepäckstück, welches die mitgeführten Akten enthielt. Er musste also die Gepäckausgabe auf dem Flughafen in Tegel abwarten. Hierdurch reduzierte sich der eingeplante Zeitpuffer von rechnerisch 88 Minuten, der auch noch ausreichen musste, um vom Flughafen Berlin-Tegel zum S-Bahnhof Tegel zu gelangen.
10
Der von der Beklagten geplante zeitliche Ablauf entsprach gleichwohl der Sorgfalt, die an einen ordentlichen Rechtsanwalt zu stellen ist. Bei der von der Revision zugrunde gelegten Fahrzeit von zweieinhalb Stunden mit dem Taxi vom Flughafen Berlin-Tegel nach Neubrandenburg, die der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten am Terminstag auch tatsächlich benötigt hat, hätte er bei einem Verlassen des Flughafens erst gegen 11.30 Uhr die Reiseplanung ändern und sich für eine Taxifahrt unmittelbar nach Neubrandenburg entscheiden können. In diesem Fall hätte er das Landgericht zur Terminsstunde erreicht. Angesichts dieser offen gehaltenen Alternative zur Bahnfahrt ab Berlin war die eingeplante Übergangszeit in Tegel noch angemessen.
11
bb) Entgegen der Auffassung der Revision brauchte die Beklagte weder einen witterungsbedingten Ausfall des Inlandsflugs von Baden-Baden nach Berlin noch eine Flugverzögerung von mehr als einer Stunde in ihre Zeitbedarfsrechnung einstellen.
12
(1) Das Berufungsgericht hält einen Prozessbevollmächtigten aus zutreffenden Gründen für berechtigt, für seine Anreise zu einem Gerichtstermin grundsätzlich jedes beliebige öffentliche Verkehrsmittel zu wählen. Der Auffas- sung der Revision, der Rechtsanwalt müsse sich für denjenigen Verkehrsträger entscheiden, der die sicherste Gewähr für eine pünktliche Ankunft biete, was eine Flugreise im Herbst ausschließe, kann dagegen nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht mit Recht betont, sind Flugreisen im Geschäftsverkehr üblich. Ein Reisender darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass Flugzeuge planmäßig starten und landen. Er muss lediglich konkreten Hinweisen auf Flugausfälle nachgehen. Nach dem Inhalt des vom dem Geschäftsführer der BadenAir Park GmbH verfassten Schreibens vom 31. Oktober 2005, welches die Beklagte mit der Berufungsbegründung vorgelegt hat, sind die morgendlichen Berlinflüge der gewählten Fluggesellschaft in den zehn Tagen vor dem 27. Oktober 2005 pünktlich abgewickelt worden. Deshalb bestand kein Anlass, die Anreise auf den Vortag der Verhandlung vorzuziehen oder aber am Terminstag auf Frühzüge der Deutschen Bahn ab Karlsruhe auszuweichen.
13
(2) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war auch nicht im Blick auf den Wortlaut der im Berufungsverfahren von dem Kläger aktenkundig gemachten Wettervorhersage in der Hauptnachrichtensendung der ARD vom 26. Oktober 2005 gehalten, seine Reiseplanung am Vorabend umzustellen. Die Mitteilung, dass die Nacht im Süden klar sei, sich später gebietsweise Nebel oder Hochnebel bilde und es nach Nebelauf lösung viel Sonnenschein gebe, ließ für die Vormittagsstunden des 27. Oktober 2005 nicht auf dichten Nebel im Bereich des Flughafens Karlsruhe/Baden-Baden schließen, der Flugausfälle oder erhebliche Verspätungen mit Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen würde. Angesichts des durch die vorgelegte Wettervorhersage belegten ruhigen Herbstwetters mit Sonnenschein und örtlichen Eintrübungen stellt es eine Überspannung der Anforderungen dar, wenn der Prozessbevollmächtigte gehalten wäre, die weitere Entwicklung des herbstlichen Wetters im Auge zu behalten, um notfalls kurzfristig auf alternative Verkehrsverbindungen oder Ver- kehrsmittel, insbesondere den Abflug von einem anderen Flughafen oder die Wahl der Deutschen Bahn, umzudisponieren. Eine auf das zukünftige Wetter ausgerichtete Beobachtungspflicht trifft den Prozessbevollmächtigten grundsätzlich nur bei bereits bestehenden oder angekündigten Schlechtwetterlagen, welche die Durchführung der Reise wahrscheinlich verhindern. Eine solche lag weder am 26. Oktober 2005 vor noch war sie für den 27. Oktober 2005 in Aussicht.
14
b) Die Revision meint, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe am Verhandlungstag bereits um 9.30 Uhr, spätestens aber um 10.25 Uhr - dem Zeitpunkt des ersten Anrufs seiner Kanzlei beim Prozessgericht - reagieren müssen, weil sich nach längerer Wartezeit auf dem Flughafen in Baden-Baden und nach Aufzehrung des eingeplanten Zeitpuffers von ca. einer Stunde schon deutlich abgezeichnet habe, dass der Termin in Neubrandenburg nicht zu halten gewesen sei. Die Rüge ist unbegründet. Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist auch insoweit nicht erkennbar.
15
aa) Eine schnellere alternative Verkehrsverbindung nach Neubrandenburg als der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Anspruch genommene Transfer von Baden-Baden nach Stuttgart, Flug von dort nach Berlin und Taxifahrt von Berlin-Tegel nach Neubrandenburg ist nicht erkennbar und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt.
16
bb) Entgegen der Auffassung des Klägers musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in dieser Situation auch keinen Terminsvertreter als Unterbevollmächtigten bestellen. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass sich der Aktenbestand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2005 auf über 900 Seiten belaufen habe und eine umfassende Einarbeitung eines Unterbevollmächtigten nicht zu erwarten gewesen sei. Bei dieser Sachlage hätte eine kurzfristige Beauftragung eines Terminsvertreters zumindest dem Sinn und Zweck der mündlichen Verhandlung widersprochen, falls der Anwalt sich in der ihm verbliebenen kurzen Zeit überhaupt in die Lage hätte versetzen können, prozessordnungsgemäß an der mündlichen Verhandlung mitzuwirken (vgl. § 137 Abs. 1 bis 3, § 333 ZPO). Hat der Unterbevollmächtigte auch nur einen eingeschränkten Pflichtenkreis, zählt doch zu seinen Pflichten in jedem Fall die ordnungs- und weisungsgemäße Wahrnehmung des Gerichtstermins, für den die Untervollmacht erteilt worden ist. Hiermit ist es im Regelfall nicht zu vereinbaren, eine Rechtssache streitig zu verhandeln, ohne sie überhaupt zu kennen (vgl. Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 252). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte den in Aussicht genommenen Terminsvertreter deshalb zur Annahme eines in hohem Maße risikobehafteten Mandats drängen müssen. Dies war ihm nicht zuzumuten.
17
cc) Eine schuldhafte Säumnis liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte , der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare unternimmt, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen (BGH, Urt. v. 19. November 1998 - IX ZR 152/98, NJW 1999, 724; v. 3. November 2005 - I ZR 53/05, NJW 2006, 448, 449). Mit der Erfüllung dieser Verpflichtung soll dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden, die Verhandlung gemäß § 337 ZPO zu vertagen (Musielak/Stadler, aaO § 337 Rn. 6; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. § 514 Rn. 9). Diesen Mitteilungspflichten hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat, voll umfänglich genügt, indem er das Prozessgericht gegen 10.25 Uhr, also mehr als 3 ½ Stunden vor der Terminsstunde, über die erwartete Verspätung infor- mieren ließ und es durch zwei weitere Anrufe über den jeweiligen Stand der sich weiter verzögernden Anreise auf dem Laufenden hielt. Für weitergehende Informationspflichten, etwa gegenüber dem gegnerischen Prozessbevollmächtigten , gibt die Prozessordnung keine Grundlage.
Ganter Raebel Kayser
Cierniak Fischer
Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 27.10.2005 - 10 O 71/04 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 28.04.2006 - 3 U 163/05 -

(1) Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit.

(2) Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat.

(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens, einer Rüge nach § 321a oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung betreffen. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gehört zum ersten Rechtszug.

(2) Ein Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Rechtszuges zuzustellen, dessen Entscheidung angefochten wird. Wenn bereits ein Prozessbevollmächtigter für den höheren Rechtszug bestellt ist, ist der Schriftsatz diesem zuzustellen. Der Partei ist selbst zuzustellen, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten nicht bestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 58/06 Verkündet am:
25. April 2007
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Anwaltsprozess erlangt die Kündigung einer Vollmacht nach § 87 Abs. 1
ZPO dem Gegner und dem Gericht gegenüber erst durch die Anzeige der Bestellung
eines neuen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Das setzt voraus, dass
der neu benannte Rechtsanwalt für das betreffende Verfahren postulationsfähig
ist (§ 78 ZPO). Ist dies (noch) nicht der Fall, bleibt der früher bevollmächtigte
Rechtsanwalt weiterhin zustellungsbevollmächtigt.
BGH, Urteil vom 25. April 2007 - XII ZR 58/06 - OLG Düsseldorf
AG Mühlheim an der Ruhr
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 2006 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
2
Die Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts vom 23. Dezember 2004 (insoweit rechtskräftig) geschieden. Zugleich wurde der Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.067 € zu zahlen. Gegen diese Verurteilung legten die - am Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsanwälte A. & M. für den Antragsteller rechtzeitig Berufung ein und begründeten diese.
3
Nachdem das Berufungsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, meldete sich Rechtsanwalt G. für den Antragsteller und teilte mit, diesen künftig zu vertreten. Die früheren Verfahrensbevollmächtigten A. & M. legten ihr Mandat nieder. Im Verhandlungstermin erschien Rechtsanwalt G. und erklärte, "er sei nicht beim Oberlandesgericht zugelassen und könne deshalb heute nicht verhandeln". Auf Antrag des Antragsgegnervertreters wurde die Be- rufung des Antragstellers durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dieses Urteil wurde den früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, den Rechtsanwälten A. & M., am 1. Juni 2005 zugestellt. Am 6. Juni 2005 veranlasste die Geschäftsstelle eine weitere Zustellung des Versäumnisurteils an Rechtsanwalt G., der das Versäumnisurteil am 11. Juni 2005 erhielt. Nachdem Rechtsanwalt G. am 24. Juni 2005 als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht zugelassen worden war, legte er am (Montag) 27. Juni 2005 Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein.
4
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Oberlandesgericht den Einspruch als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision des Antragstellers.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

6
Das Berufungsgericht hat den Einspruch des Antragstellers gegen das - seine Berufung zurückweisende - Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits mit Zustellung des Versäumnisurteils an die früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers begonnen. Im Anwaltsprozess erlange die Kündigung der Vollmacht nach § 87 Abs. 1 ZPO dem Gegner und dem Gericht gegenüber (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. § 87 Rdn. 6) erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Durch die Bestellung des Rechtsanwalts G. sei diese Folge aber noch nicht eingetreten, weil dieser seinerzeit nicht als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht zugelassen gewesen sei. Damit folge der Senat der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts bei einem Gericht Prozesshandlungsvoraussetzung sei und zum Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein müsse. Die Bestellung des Rechtsanwalts G. sei deswegen mangels Postulationsfähigkeit noch nicht wirksam gewesen, so dass die Vollmacht der früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers fortgedauert habe. Das Versäumnisurteil sei somit am 1. Juni 2005 wirksam an diese zugestellt worden. Dass im Rubrum des Versäumnisurteils Rechtsanwalt G. aufgeführt gewesen sei und dass das Versäumnisurteil später auch ihm zugestellt worden sei, ändere an der Wirksamkeit der Zustellung an die früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nichts. Der durch Rechtsanwalt G. am 27. Juni 2005 eingelegte Einspruch sei deswegen verspätet und somit unzulässig.
7
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob für die Wirksamkeit der Bestellung eines neuen Verfahrensbevollmächtigten dessen Postulationsfähigkeit gegeben sein müsse, "in Rechtsprechung und Literatur durchaus auch verneint oder offen gelassen worden" sei.

II.

8
Die angefochtene Entscheidung hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, weil dieser nicht innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO eingegangen ist.
9
1. Die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil des Berufungsgerichts beginnt nach § 539 Abs. 3 i.V.m. § 339 Abs. 1 2. Halbs. ZPO mit Zustellung des Versäumnisurteils. Eine solche wirksame Zustellung ist hier am 1. Juni 2005 an die früher bevollmächtigten Rechtsanwälte des Antragstellers A. & M. erfolgt.
10
Nach § 172 Abs. 1 ZPO hat die Zustellung in einem anhängigen Verfahren , auch soweit es um die Zustellung eines Versäumnisurteils geht, an den für den Rechtszug bestellten Verfahrensbevollmächtigten zu erfolgen. Die Rechtsanwälte A. & M. hatten den Antragsteller im Berufungsverfahren vertreten sowie die Berufung eingelegt und diese begründet. An der Prozessvollmacht für diese Rechtsanwälte hat sich für den Gegner und das Gericht zunächst weder durch die Bestellung des Rechtsanwalts G. als neuer Verfahrensbevollmächtigter des Antragstellers mit Schriftsatz vom 23. Mai 2005 noch durch die Niederlegung des Mandats durch die Rechtsanwälte A. & M. vom 25. Mai 2005 etwas geändert.
11
Nach § 87 Abs. 1 1. Halbs. ZPO gilt eine Vollmacht grundsätzlich bis zur Anzeige ihres Erlöschens als fortbestehend. Im Anwaltsprozess - wie hier nach § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor dem Oberlandesgericht - erlangt die Kündigung einer Vollmacht nach § 87 Abs. 1 2. Halbs. ZPO erst dann rechtliche Wirksamkeit , wenn die Bestellung eines neuen Verfahrensbevollmächtigten angezeigt wird. Dies setzt allerdings voraus, dass der neue Rechtsanwalt auch in der Lage ist, die Partei rechtswirksam zu vertreten. Der neu bestellte Verfahrensbevollmächtigte muss mithin für das betreffende Verfahren postulationsfähig sein (BAG AP Nr. 36 zu § 11 ArbGG 1953; BGH, Beschluss vom 22. Mai 1984 - III ZB 31/83 - MDR 1985, 30). Diese Postulationsfähigkeit des neu bevoll- mächtigten Rechtsanwalts ist Prozesshandlungsvoraussetzung und muss deswegen schon im Zeitpunkt der Zustellung des Versäumnisurteils gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - NJW 2005, 3773). Eine erst später erlangte Postulationsfähigkeit wirkt somit nicht auf den Zeitpunkt einer früheren Prozesshandlung zurück.
12
2. Danach hatten die Bestellung des Rechtsanwalts G. und die Niederlegung des Mandats durch die Rechtsanwälte A. & M. zunächst keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der letzteren erteilten Prozessvollmacht. Rechtsanwalt G. ist erst zum 24. Juni 2005 als Rechtsanwalt am Oberlandesgericht zugelassen worden und auch erst ab diesem Zeitpunkt postulationsfähig gewesen. Vor diesem Zeitpunkt, also auch noch bei Zustellung des Versäumnisurteils am 1. Juni 2005, waren weiterhin die früher bevollmächtigten Rechtsanwälte A. & M. zustellungsbevollmächtigt. Somit war die Zustellung an diese Rechtsanwälte am 1. Juni 2005 nach § 172 Abs. 1 ZPO wirksam. Die zweiwöchige Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO lief deswegen am 15. Juni 2005 ab. In diesem Zeitpunkt war der Einspruch des Antragstellers aber weder eingelegt noch begründet. Den erst später eingegangenen Einspruch hat das Berufungsgericht deswegen zu Recht nach § 539 Abs. 3 i.V.m. § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen.
13
3. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers war ihm auch nicht von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbs. ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu bewilligen. Denn der anwaltlich vertretene Antragsteller hat die Einspruchsfrist nicht ohne Verschulden versäumt (§ 85 Abs. 2 ZPO). Im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung musste er von einer wirksamen Zustellung an die Rechtsanwälte A. & M. am 1. Juni 2005 ausgehen, obwohl Rechtsanwalt G. als sein Verfahrensbevollmächtigter im Versäumnisurteil aufgeführt war und diesem das Versäumnisur- teil am 11. Juni 2005 ebenfalls zugestellt worden ist. Entsprechend haben die Rechtsanwälte A. & M. den Antragsteller ausweislich ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2005 nach Erhalt des Versäumnisurteils schriftlich auf dessen Zustellung und den Fristablauf am 15. Juni 2005 hingewiesen.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Mülheim an der Ruhr, Entscheidung vom 23.12.2004 - 28 F 91/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.02.2006 - II-8 UF 30/05 -

(1) Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit.

(2) Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 251/06
vom
3. März 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 140; ZPO §§ 227, 341 a, 345, 347, 514, 539, 543, 544, 551, 565

a) Gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts findet die Revision
ohne Zulassung statt.

b) Ein Anwaltswechsel nach einer Erschütterung des Vertrauensverhältnisses ist nur
dann ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung, wenn die Partei darlegt,
dass der Anwalt den Vertrauensverlust verschuldet hat.
BGH, Beschluss vom 3. März 2008 - II ZR 251/06 - OLG Hamm
LG Paderborn
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. März 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Zweiten Versäumnisurteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. September 2006 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Streitwert: 53.818,58 €

Gründe:

I.


1
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 53.818,58 € durch Versäumnisurteil am 28. März 2006 zurückgewiesen, weil in dem Termin zur mündlichen Verhandlung für den Beklagten niemand erschienen war. Nach Eingang des form- und fristgerechten Einspruchs bestimmte der Vorsitzende des Berufungsgerichts Verhandlungstermin auf den 12. September 2006. In der Terminsladung war in Abweichung von der Terminsverfügung als Ladungszweck angegeben: "Zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil". Im August 2006 teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit, dass er die Vertretung unter Aufrechterhaltung des Rechtsmittels niederlege. Am 4. September 2006 meldete sich ein neuer Prozessbevollmächtigter und beantragte, den Termin aufzuheben , weil ohne Einsicht in die Gerichtsakte und Erörterung der Angelegenheit eine sachgerechte Vertretung nicht möglich sei. Der Anwaltswechsel sei aufgrund der Mandatsentziehung notwendig geworden. Nach Zurückweisung des Gesuchs erneuerte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 11. September 2006 seinen Antrag mit der Begründung, der Beklagte habe sich nach einem anderen Rechtsanwalt umgesehen, weil das Vertrauensverhältnis zum bisherigen Prozessbevollmächtigten erschüttert sei. In der mündlichen Verhandlung am 12. September 2006 erschien - wie angekündigt - für den Beklagten niemand. Das Berufungsgericht verwarf den Einspruch durch ein zweites Versäumnisurteil.
2
Dagegen legte der Beklagte "Nichtzulassungsbeschwerde/Revision" ein. Innerhalb der verlängerten Begründungsfrist reichte er eine von ihm derart bezeichnete "Nichtzulassungsbeschwerdebegründung" ein mit dem Antrag, die Revision zuzulassen; ein Revisionsantrag wurde nicht angekündigt.

II.

3
1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht statthaft. Der Beschwerde unterliegen nur Urteile des Berufungsgerichts, in denen die Revision nicht zugelassen ist (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie setzt voraus, dass die Revision nicht ohnehin zulässig ist. Das ist hier der Fall. Gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts findet die Revision ohne Zulassung statt, §§ 565, 514 Abs. 2 ZPO (MünchKommZPO/Wenzel 3. Aufl. § 565 Rdn. 3; MünchKommZPO/Rimmelspacher 3. Aufl. § 539 Rdn. 20; Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO 3. Aufl. §§ 543 Rdn. 3, 542 Rdn. 51 und 565 Rdn. 3; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 539 Rdn. 16 und § 543 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 66.Aufl. §565 Rdn.3; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 27. Aufl. § 565 Rdn. 2; Hk-ZPO/Kayser 2. Aufl.
§ 565 Rdn. 2; ebenso zu § 566 ZPO a.F. BGH, Urt. v. 11. Oktober 1978 - IV ZR 101/77, NJW 1979, 166; a.A. Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform 2002 mit Zustellungsreformgesetz § 543 Rdn. 4). Das ergibt sich aus § 565 ZPO. Wenn dort hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Versäumnisurteilen die Vorschriften des Berufungsverfahrens für entsprechend anwendbar erklärt werden, kann dies im Hinblick auf § 514 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur bedeuten, dass wie die Berufung (§ 511 Abs. 2 ZPO) auch die Revision ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes oder eine Zulassung zulässig ist. Andernfalls entstünden im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes des von einem zweiten Versäumnisurteil Betroffenen (Art. 103 Abs. 1 GG) bedenkliche Lücken, weil ohne Zulassung durch das Berufungsgericht, die in Fällen einer Säumnisentscheidung eher unwahrscheinlich ist, die Wertgrenze nach § 26 Nr. 8 EGZPO überschritten sein müsste, um zu einer Überprüfung der Entscheidung durch das Revisionsgericht zu gelangen. Für dieses Ergebnis spricht schließlich, dass der Gesetzgeber den Verweis auf die Vorschriften über die Anfechtbarkeit von Versäumnisurteilen im Wortlaut aus § 566 ZPO in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung unverändert übernommen hat, obwohl ihm bekannt war, dass der Bundesgerichtshof (Urt. v. 11. Oktober 1978 - IV ZR 101/77, NJW 1979, 166) daraus abgeleitet hat, dass die Anfechtbarkeit von Versäumnisurteilen auch in der Revision keiner Zulassung bedarf.
4
Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, denen zufolge die Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts nur nach Zulassung statthaft ist (BAGE 53, 396; NZA 2007, 944; NZA 2004, 871; DB 1994, 2556), stehen dieser Auslegung von § 565 ZPO nicht entgegen. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts beruht auf den Besonderheiten der Regelung des Zugangs zum Revisionsgericht im Arbeitsgerichtsgesetz, insbesondere der eigenständigen Regelung von Zulassungsgründen für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in § 72 a Abs. 3 Satz 2 ArbGG (BAG NZA 2004, 871; NZA 2007, 944).
5
2. Die unzulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann nicht als Revision behandelt werden.
6
a) Mit der Einreichung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und mit der Begründungsschrift wird nicht zugleich eine Revision eingelegt und begründet. Das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision und das Revisionsverfahren sind verschiedene Verfahren. Das Gesetz trennt in § 544 ZPO klar zwischen dem Zulassungs- und dem Revisionsverfahren , und die Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ersetzt die Revisionsbegründung nicht, wie § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO zeigt (BGH, Beschl. v. 20. Dezember 2007 - III ZR 27/06 z. V. b.).
7
b) Die danach erforderliche Revisionsbegründung (§ 551 ZPO) hat der Beklagte nicht eingereicht. Da der Beklagte ursprünglich nicht nur Nichtzulassungsbeschwerde , sondern zugleich auch Revision eingelegt hat, wäre dies zu erwarten gewesen.
8
Der Schriftsatz kann nicht in eine Revisionsbegründung umgedeutet werden. Eine solche Umdeutung kommt in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98, ZIP 2001, 305; Beschl. v. 26. Oktober 1999 - X ZB 15/99, VersR 2001, 730; Beschl. v. 1. Oktober 1986 - IVb ZB 83/86, FamRZ 1987, 154). Das ist etwa angenommen worden, wenn eine Beschwerdebegründung versehentlich für eine zugelassene und eingelegte Revision eingereicht wird und deren Anforderungen entspricht (BGH, Urt. v.
17. Februar 2005 - IX ZR 159/03, NJW-RR 2005, 794). Dagegen ist eine Umdeutung nicht möglich, wenn kein offensichtliches Versehen vorliegt und absichtlich eine Beschwerdebegründung eingereicht wird. Dann entspricht die Umdeutung nicht dem mutmaßlichen Willen des Beschwerdeführers und stehen ihr schutzwürdige Interessen des Gegners entgegen. Weil die Anschlussrevisionsfrist mit der Zustellung der Revisionsbegründung beginnt (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO), muss dem Gegner aus Gründen der Rechtssicherheit jedenfalls erkennbar sein, dass ihm eine Revisionsbegründung und nicht eine Beschwerdebegründung zugestellt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Dezember 2007 - III ZR 27/06 z. V. b.).
9
Der innerhalb der Begründungsfrist eingereichte Schriftsatz des Beklagten ist nicht versehentlich, sondern offensichtlich bewusst als Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eingereicht. Der Schriftsatz ist ausdrücklich als Nichtzulassungsbeschwerdebegründung bezeichnet worden. In ihm wird die Zulassung der Revision beantragt, ein Revisionsantrag fehlt dagegen. Die Begründung erläutert, dass nach dem Zivilprozessreformgesetz im Gegensatz zum früheren Rechtszustand neben der unverschuldeten Säumnis eine Zulassung der Revision erforderlich sei. Um eine vorsorgliche Behandlung (auch) als Revisionsbegründung wird nicht gebeten, was mindestens zu erwarten gewesen wäre, wenn der Beklagte sich die Möglichkeit hätte erhalten wollen, auch den zweiten mit der Einlegung der kombinierten Nichtzulassungsbeschwerde und Revision eröffneten Weg der Kontrolle der angefochtenen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof offen zu halten.
10
3. Die Revision hätte im Übrigen auch keinen Erfolg.
11
a) Das Berufungsurteil wäre nicht schon wegen des Fehlens von Tatbestand oder Entscheidungsgründen nach § 547 Nr. 6 ZPO aufzuheben. Das den Einspruch verwerfende zweite Versäumnisurteil muss nach §§ 540 Abs. 2, 313 b Abs. 1 Satz 1 ZPO keine Gründe enthalten (Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, ZPO 66. Aufl. § 313 b Rdn. 3; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. § 539 Rdn. 18; a.A. Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 313 b Rdn. 1; Wieczorek/ Schütze/Rensen, ZPO 3. Aufl. § 313 b Rdn. 2). Das zweite Versäumnisurteil wird in § 345 ZPO ausdrücklich als Versäumnisurteil bezeichnet. Versäumnisurteile bedürfen nach § 313 b Abs. 1 Satz 1 ZPO weder des Tatbestandes noch der Entscheidungsgründe. Davon sind auch Versäumnisurteile nicht ausgenommen, gegen die nicht der Einspruch, sondern die Berufung oder die Revision stattfindet.
12
b) Das Berufungsgericht hat den Einspruch zu Recht nach § 345 ZPO durch Versäumnisurteil verworfen.
13
aa) Nach § 345 ZPO ist der Einspruch durch zweites Versäumnisurteil zu verwerfen, wenn der Einspruchsführer in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung nicht erscheint. Der Beklagte ist in dem zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termin nicht erschienen. Dass der Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung über Einspruch und Hauptsache geladen wurde, sondern zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil , hinderte den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils nicht. Es kann dahinstehen , ob damit nur zur abgesonderten Verhandlung über den Einspruch oder ob - was aufgrund der Regel des § 341 a ZPO, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung über Einspruch und Hauptsache bestimmt ist, näher liegt und wie der Beklagte die Ladung nach seinem Terminsverlegungsantrag auch verstanden hat - trotz der verkürzten Formulierung auch zur Verhandlung in der Hauptsache geladen wurde. Ein zweites Versäumnisurteil kann nämlich nach § 345 ZPO auch in einem Termin ergehen, der nur zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch anberaumt ist. Wenn eine abgesonderte Verhandlung über den Einspruch angeordnet ist oder eine Partei eine Ladung so verstanden hat und verstehen konnte, kann sie die Verhandlung zur Hauptsache verweigern, aber nicht auch die Verhandlung über den Einspruch, zu der sie geladen wurde. Auch im Zwischenverfahren nach Anordnung einer abgesonderten Verhandlung ist nach § 347 Abs. 2 ZPO ein Versäumnisurteil zu erlassen, wenn der Einspruch nicht durch ein kontradiktorisches unechtes Versäumnisurteil als unzulässig zu verwerfen ist. Dieses Versäumnisurteil ist ebenfalls ein technisch zweites Versäumnisurteil, das auf Verwerfung des Einspruchs zu lauten hat. Das entspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Zweck des § 345 ZPO. Mit der Verwerfung des Einspruchs durch das zweite Versäumnisurteil und dem Ausschluss eines weiteren Einspruchs soll dem Säumigen die Möglichkeit abgeschnitten werden, durch eine bloße Wiederholung des Einspruchs den Prozess immer weiter zu verzögern oder gar zum Stillstand zu bringen. Auch mit einer abgesonderten Verhandlung über den Einspruch soll das Verfahren vorangebracht und dem Säumigen nicht die Möglichkeit einer weiteren Prozessverschleppung eingeräumt werden.
14
bb) Der Beklagte war auch nicht ohne sein Verschulden am Erscheinen im Termin gehindert (§ 337 Abs. 1 ZPO). Mit der Ablehnung der Terminsverlegung verletzte das Berufungsgericht, anders als der Beklagte meint, seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht. Voraussetzung jeder Terminsverlegung ist, dass ein erheblicher Grund nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. Die fehlende Vorbereitung eines Termins infolge des Anwaltswechsels ist nach § 227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO kein erheblicher Grund, es sei denn, der Anwaltswechsel geschah ohne Verschulden der Partei (BGHZ 27, 163, 165; Beschl. v. 24. November 1988 - III ZR 69/88, BGHR ZPO § 227 - Anwaltswechsel 1). Bei einem Verlust des Vertrauensverhältnisses zum früheren Anwalt fehlt ein Verschulden der Partei nur dann, wenn der Anwalt den Vertrauensverlust verschuldet hat (BVerwG NJW 1986, 339) und der Grund zum Anwaltswechsel erst zu diesem Zeitpunkt im Rechtsstreit offenbar wurde. Ein solches Verschulden seines früheren Anwalts hat der Beklagte gegenüber dem Berufungsgericht nicht einmal dargelegt, nachdem ihm durch die Verfügung des stellvertretenden Vorsitzenden des Berufungszivilsenats vor Augen geführt worden war, dass ein schlichter Anwaltswechsel keinen Grund zur Vertagung gibt.
Goette Kurzwelly Kraemer Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Paderborn, Entscheidung vom 07.10.2004 - 3 O 437/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 12.09.2006 - 9 U 236/04 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.