Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2007 - IV ZB 22/07

bei uns veröffentlicht am14.11.2007
vorgehend
Amtsgericht Saarbrücken, 42 C 627/06, 16.05.2007
Landgericht Saarbrücken, 14 S 20/07, 27.08.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 22/07
vom
14. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 14. November 2007

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, ihr gemäß § 78b ZPO einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 27. August 2007 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. September 2007) wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 2.202 €

Gründe:


1
I. Die Beklagte wurde vom Amtsgericht zur Zahlung von Krankenversicherungsprämien in Höhe von 2.202,54 € verurteilt. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24. Mai 2007 zugestellt. Nach rechtzeitiger Einlegung der Berufung legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit einem am 20. Juli 2007 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz das Mandat nieder. Einen Antrag auf Verlän- gerung der gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 24. Juli 2007 ablaufenden Frist zur Begründung der Berufung stellte der Prozessbevollmächtigte nicht. Vielmehr beantragte die Beklagte am 23. Juli 2007 persönlich beim Landgericht, die Frist zu verlängern. Auf den Hinweis des Gerichts, dass insoweit Anwaltszwang bestehe, reagierte die Beklagte nicht. Darauf verwarf das Landgericht die Berufung mit Beschluss vom 27. August 2007 als unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden sei. In diesem Beschluss heißt es, die Rechtsbeschwerde sei im Hinblick auf die Anforderungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Insoweit berichtigte das Landgericht den Beschluss durch einen weiteren Beschluss vom 14. September 2007 dahin, dass dieser Satz entfalle. Der ursprüngliche Beschluss des Landgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29. August 2007 zugestellt. Der Berichtigungsbeschluss , aus dem sich für die Beklagte erst ergab, dass eine Beschwerde statthaft sei, wurde dem Prozessbevollmächtigten am 19. September 2007 zugestellt.
2
Mit einem am 2. Oktober 2007 eingegangenen Schreiben hat die Beklagte persönlich Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt und gebeten, ihr die Liste der hier zugelassenen Rechtsanwälte zu schicken. Der Senatsvorsitzende hat die Beklagte mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 darauf hingewiesen, dass die Frist zur Einlegung der Beschwerde durch einen zugelassenen Rechtsanwalt am 19. Oktober 2007 ablaufe. Mit einem an diesem Tage eingegangenen Schreiben hat die Beklagte um Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78b ZPO gebeten. Sie habe erfolglos zehn Anwälte von der ihr übersandten Liste der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwälte angerufen. Ihr sei mit der Begründung "besteht Interessenkollision" abgesagt worden. Drei Anwälte habe sie auch angeschrieben. Insoweit legt sie die Absageschreiben vor.


3
II. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist nicht begründet. Nach § 78b ZPO kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden , wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
4
1. Die zuerst genannte Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat und ihre darauf gerichteten Bemühungen dem Gericht substantiiert dargelegt und nachgewiesen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Partei zuzumuten, sich an mehr als vier der beim Bundesgerichtshof postulationsfähigen Rechtsanwälte zu wenden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Februar 2004 - IV ZR 290/03 - NJW-RR 2004, 864 unter 2 a m.w.N.). Hier hat die Beklagte durch Vorlage der Antwortschreiben die Nachfrage nur bei drei Anwälten belegt. Im Übrigen hat sie ihre Behauptung, zehn Anwälte erfolglos angerufen zu haben, weder nach Namen und Ablehnungsgründen konkretisiert noch belegt. Schon deshalb kam die Beiordnung eines Notanwalts hier nicht in Betracht.
5
Darüber 2. hinaus erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos. Die Beschwerde wäre als Rechtsbeschwerde gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderte. Die Beklagte hat solche Gesichtspunkte nicht aufgezeigt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) etwa im Hinblick darauf verletzt worden sein könnte, dass das Landgericht die Frist zur Begründung der Berufung nicht verlängert hat. Es wäre Sache des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gewesen, zugleich mit der Niederlegung seines Mandats geeignete Vorsorge für die Wahrung der kurz vor dem Ablauf stehenden Frist zur Berufungsbegründung zu treffen. Ein eventuelles Verschulden des Anwalts hat die Beklagte aber nicht behauptet. Sollte ein Verschulden anzunehmen sein, würde es noch mit der Niederlegung des Mandats einhergehen und daher gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Beklagten zuzurechnen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1991 - VI ZB 15/91 - VersR 1992, 378 f.; Urteil vom 15. März 2006 - XII ZR 138/01 - NJW 2006, 2334 Tz. 13-16). Mithin ist auch kein Grund für eine Wiedereinsetzung der Beklagten in die abgelaufene Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO ersichtlich.
6
III. Danach kommt die Beiordnung eines Notanwalts nicht in Betracht. Die Beschwerde ist nicht innerhalb der Frist des § 575 Abs. 1 ZPO formgerecht durch Einreichen einer Beschwerdeschrift eines beim Bundesgerichtshof postulationsfähigen Rechtsanwalts eingelegt worden.
Gründe für eine Wiedereinsetzung der Beklagten gegen den Ablauf dieser Frist sind nicht ersichtlich. Daher war die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 16.05.2007 - 42 C 627/06 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 27.08.2007 - 14 S 20/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2007 - IV ZB 22/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2007 - IV ZB 22/07

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2007 - IV ZB 22/07 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78b Notanwalt


(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Re

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2007 - IV ZB 22/07 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2007 - IV ZB 22/07 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2004 - IV ZR 290/03

bei uns veröffentlicht am 16.02.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 290/03 vom 16. Februar 2004 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2006 - XII ZR 138/01

bei uns veröffentlicht am 15.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL XII ZR 138/01 Verkündet am: 15. März 2006 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Referenzen

(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 290/03
vom
16. Februar 2004
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 16. Februar 2004

beschlossen:
1. Der Antrag des Klägers, ihm gemäß § 78b ZPO einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 18. Juni 2003 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Streitwert : 36.813,02

Gründe:


1. Der Kläger und Beschwerdeführer hat von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Unfallversicherung wegen behaupteter 30%iger Invalidität infolge eines Auffahrunfalls gefordert. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil sie sich nach Auswertung zahlreicher ärztlicher Gutachten und Stellungnahmen und nach Einholung des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht davon

haben überzeugen können, daß Dauerschäden, welche bedingungsgemäße Invalidität begründen würden, auf den Unfall des Klägers zurückzuführen sind. Im Berufungsurteil ist die Revision nicht zugelassen worden.
Der Kläger hat hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) erhoben und beantragt, ihm für die Durchführung dieses Verfahrens einen Notanwalt nach § 78b Abs. 1 ZPO beizuordnen, nachdem sein bisheriger Prozeßbevollmächtigter das Mandat niedergelegt hat und weitere beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte nach der Behauptung des Klägers eine Übernahme des Mandats abgelehnt haben.
2. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist nicht begründet.
Nach § 78b ZPO kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

a) Die zuerst genannte Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden und ihre diesbezüglichen Bemühungen dem Gericht substantiiert dargelegt und gegebenenfalls nachgewiesen hat (vgl. BGH, Beschluß vom 12. Mai 1999 - IV ZR 207/98 - EzFamR ZPO § 78b Nr. 2 unter 1; Beschluß vom 27. April 1995 - III ZB 4/95 - BGHR ZPO § 78b Abs. 1 Anstrengungen, zumutbare 1). Schon daran fehlt es hier. Der Kläger trägt lediglich vor, daß und weshalb sein bisheriger Prozeßbevollmächtigter das Mandat niedergelegt hat, daß ein von ihm an-

gesprochener Rechtsanwalt erkrankt gewesen sei und daß zwei weitere, beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte das Mandat nicht hätten übernehmen können, weil die Beklagte zu ihren Mandanten zähle. Seine weitere Behauptung, er habe daneben auch andere beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte angesprochen, hat der Kläger weder mit Namen noch mit Ablehnungsgründen konkretisiert. Das reicht hier schon deshalb nicht aus, weil der Kläger seine Behauptungen - auch soweit er Rechtsanwälte namentlich benannt und Gründe für die Mandatsablehnung vorgetragen hat - nicht belegt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wäre ihm im übrigen zuzumuten gewesen , sich an mehr als vier der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte zu wenden (BGH, Beschluß vom 7. Mai 2003 - IV ZR 133/97 - unter 2; vgl. auch BGH, Beschluß vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 219/99 - MDR 2000, 412, in dem das Mandatsersuchen an lediglich drei Rechtsanwälte als nicht ausreichend angesehen worden ist).

b) Davon abgesehen ist die Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache auch aussichtslos. Denn Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO sind hier nicht ersichtlich.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen , weil sie nicht innerhalb der Frist des § 544 Abs. 2 ZPO durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO) begründet worden ist.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 138/01 Verkündet am:
15. März 2006
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bestellt der Prozessbevollmächtigte einer Partei für diese einen Bevollmächtigten
für die höhere Instanz, so enthält die Erteilung der Instanzvollmacht
zugleich - gegebenenfalls stillschweigend - die Begründung eines Vertragsverhältnisses
zur Partei. Das Verschulden des auf diese Weise beauftragten Anwalts
, der das Mandat angenommen hat, ist der Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO
zuzurechnen.
BGH, Versäumnisurteil vom 15. März 2006 - XII ZR 138/01 - OLG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2001 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden , den Unterhaltsantrag der Antragsgegnerin abgewiesen und den Zugewinnausgleich sowie die Versorgungsausgleich geregelt. Das Urteil ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 20. Juli 2000 zugestellt worden.
2
Am 18. August 2000 hat der Antragsteller durch Rechtsanwalt E. gegen das Urteil Berufung eingelegt. Durch Verfügung vom 18. September 2000 ist auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 15. November 2000 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2000, beim Oberlandesgericht eingegangen am 17. Oktober 2000, hat Rechtsanwalt E. sein Mandat niedergelegt. Mit Schrift- satz vom 13. November 2000, der am 14. November 2000 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, hat sich für den Antragsteller Rechtsanwalt B. bestellt und beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung "um einen (weiteren?) Monat" zu verlängern. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers habe ihn soeben telefonisch beauftragt, diesen im Berufungsverfahren zu vertreten. Die Frist zur Begründung der Berufung laufe nach der ihm erteilten Information am 15. November 2000 ab. Derzeit liege ihm nicht einmal die Handakte erster Instanz vor und erst recht nicht die Gerichtsakte, so dass er sich keinen Überblick über den bisherigen Verlauf des Rechtsstreits verschaffen könne. Den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin habe er nicht erreichen können, um dessen Einverständnis einzuholen.
3
Mit noch am gleichen Tag abgesandter Verfügung vom 15. November 2000 ist Rechtsanwalt B. auf die fehlende Anhörung der Gegenseite aufmerksam gemacht sowie darauf hingewiesen worden, dass die Frist bereits einmal um zwei Monate verlängert worden und die Sache wegen der inzwischen vorliegenden Begründung der Berufung der Antragsgegnerin terminierungsreif sei. Mit Telefax vom 15. November 2000 hat Rechtsanwalt B. dem Berufungsgericht mitgeteilt, der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin sei mit der Fristverlängerung einverstanden, was dieser mit am 16. November 2000 eingegangenem Schriftsatz auch bestätigt hat. Mit Terminsverfügung vom 20. November 2000 ist der Fristverlängerungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen worden, das Verfahren werde durch eine Fristverlängerung verzögert, da die Berufung der Antragsgegnerin terminierungsreif sei und der Antragsteller hinreichend Gelegenheit gehabt habe, die Berufung zu begründen. Diese Verfügung ist Rechtsanwalt B. am 23. November 2000 zugestellt worden. Am 7. Dezember 2000 hat er angezeigt, dass er den Antragsteller nicht mehr vertrete. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2000 hat der Antragsteller persönlich beantragt, ihm einen beim Oberlandesgericht zugelassenen ortsansässigen Fachanwalt für Familienrecht nach § 121 ZPO beizuordnen. Durch Beschluss vom 18. Dezember 2000 hat das Berufungsgericht diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die wirtschaftlichen Verhältnisse für Prozesskostenhilfe seien nicht nachgewiesen; für den Fall, dass der Antrag als auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78 b ZPO gerichtet verstanden werden solle, seien die Voraussetzungen dafür nicht ausreichend vorgetragen.
4
Am 19. Dezember 2000 hat sich Rechtsanwalt W. für den Antragsteller bestellt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet. Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat er vorgetragen: Innerhalb der bis zum 15. November 2000 verlängerten Berufungsbegründungsfrist habe der Antragsteller , nachdem Rechtsanwalt E. das Mandat niedergelegt habe, am 30. Oktober 2000 Rechtsanwältin A. mit der weiteren Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Diese habe am 2. November 2000 das Mandat wegen eines Beinbruchs niedergelegt. Seitens des Antragstellers seien anschließend erfolglose Anfragen beim "Anwaltsservice" erfolgt. Der erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte habe dem Antragsteller dann Rechtsanwalt B. vermittelt, der am 20. November 2000 die Übernahme des Mandats zugesagt habe. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2000 habe Rechtsanwalt B. dem Antragsteller mitgeteilt, dass er sich aufgrund starker beruflicher Inanspruchnahme und wegen des Umfangs der Angelegenheit zu einer Vertretung nicht in der Lage sehe.
5
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Antragstellers.

Entscheidungsgründe:

6
Gegen die im Verhandlungstermin nicht vertretene Antragsgegnerin ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis; es berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.).
7
Die Revision hat keinen Erfolg.
8
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht bewilligt werden könne, weil der betreffende Antrag nicht fristgerecht gestellt worden sei. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt : Die den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zurückweisende Verfügung des Vorsitzenden sei dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 23. November 2000 zugestellt worden. Innerhalb der deshalb bis zum 7. Dezember 2000 laufenden Wiedereinsetzungsfrist sei ein Wiedereinsetzungsgesuch, das gemäß § 236 Abs. 2 ZPO mit der Berufungsbegründung habe verbunden werden müssen, nicht eingereicht worden. Es könne dahinstehen, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zugleich als solcher in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist zu verstehen sei. Dieser sei jedenfalls nicht begründet, weil der Antragsteller nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Wiedereinsetzungsfrist einzuhalten. Er sei aufgrund der mit Schriftsatz vom 13. November 2000 angezeigten Bestellung von Rechtsanwalt B. bis zu dessen Mandatsniederlegung durch Schreiben vom 5. Dezember 2000 ohnehin, wegen § 87 Abs. 1 ZPO aber sogar darüber hinaus bis zur Neubestellung von Rechtsanwalt W., also durchgehend bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist anwaltlich vertreten gewesen. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen Rechtsanwalt B. einen Wiedereinsetzungsantrag nicht rechtzeitig eingereicht habe.
9
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
10
2. Der Antragsteller, der die Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat, hat die vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegte zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO a.F., die am 7. Dezember 2000 endete, nicht gewahrt, da sein Wiedereinsetzungsantrag erst am 19. Dezember 2000 bei dem Berufungsgericht einging. Eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ist zu recht versagt worden, weil der Antragsteller nicht ohne Verschulden gehindert war, diese Frist zu wahren (§ 233 ZPO).
11
a) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, ein Verschulden ergebe sich bereits daraus, dass der Antragsteller mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 87 Abs. 2 ZPO bis zur Bestellung von Rechtsanwalt W. durchgehend anwaltlich vertreten gewesen und nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen Rechtsanwalt B. einen Wiedereinsetzungsantrag nicht rechtzeitig eingereicht habe, beanstandet die Revision dies allerdings zu Recht.
12
Die Stellung als Bevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO, nach dem das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichsteht, endet grundsätzlich mit der Beendigung des Auftragsverhältnisses, also vor allem mit der Kündigung durch die Partei oder mit der Niederlegung des Mandats. § 87 ZPO greift insoweit nicht ein. Ein schuldhaftes Verhalten des Anwalts nach der Mandatsniederlegung muss die Partei sich daher nicht zurechnen lassen (Senatsbeschluss vom 10. Juli 1985 - IVb ZB 102/84 - VersR 1985, 1185, 1186; BGH Beschluss vom 9. März 1983 - VIII ZB 3/83 - VersR 1983, 540; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 85 Rdn. 14; MünchKomm-ZPO/ von Mettenheim 2. Aufl. § 85 Rdn. 22; Musielak/Weth ZPO 4. Aufl. § 85 Rdn. 16; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 85 Rdn. 24).
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b) Der Antragsteller wurde indessen vom 14. November bis 7. Dezember 2000 durch Rechtsanwalt B. vertreten und muss sich deshalb dessen in diese Zeit fallendes schuldhaftes Verhalten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Zu Unrecht macht die Revision insofern geltend, ein etwaiges Verschulden dieses Anwalts könne dem Antragsteller schon deshalb nicht zugerechnet werden , weil ein Auftragsverhältnis mit diesem nicht zustande gekommen sei; Rechtsanwalt B. habe die Übernahme des Mandats nur in Aussicht gestellt, sich dann aber, als am 4. Dezember 2000 der Vertrag habe geschlossen werden sollen, Bedenkzeit bis zum 5. Dezember 2000 erbeten und dann die Übernahme des Mandats abgelehnt.
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Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts sowie nach dem Inhalt des Schriftsatzes vom 13. November 2000 ist Rechtsanwalt B. von dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beauftragt worden. Dazu ist der Prozessbevollmächtigte nach § 81 ZPO - neben der Partei - befugt (zu den Pflichten des von seinem Mandanten mit einem Rechtsmittelauftrag betrauten erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten , insbesondere zu der Pflicht, die Bestätigung des Auftrags zu überwachen vgl. BGH Beschluss vom 25. Januar 2001 - IX ZB 120/00 - NJW 2001, 1576). Die Erteilung der Instanzvollmacht enthält zugleich - gegebenenfalls stillschweigend - die Begründung eines Vertragsverhältnisses zur Partei (Stein/Jonas/Bork aaO § 81 Rdn. 19, 21; Musielak/Weth aaO § 81 Rdn. 9; MünchKomm-ZPO/von Mettenheim aaO § 81 Rdn. 14; BGH Urteile vom 31. Januar 2001 - VIII ZR 142/00 - NJW 2001, 1356 und vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02 - ZIP 2004, 92, 93). Rechtsanwalt B. ist in der Folgezeit auch im Rahmen des begründeten Auftragsverhältnisses tätig geworden, hat das Mandat also angenommen, ohne dass dies dem Mandanten gegenüber hätte erklärt werden müssen (§ 151 S. 1 BGB). Dieser Annahme steht die von der Revision angeführte Entscheidung des VIII. Zivilsenats (BGHZ 47, 320, 321 f.) nicht entgegen, da sie eine andere Fallgestaltung betrifft. Während in dem damals zugrunde liegenden Sachverhalt ein dem zweitinstanzlichen Rechtsanwalt zugegangenes Angebot mangels Kenntnis nicht angenommen worden war, ist im vorliegenden Fall von einem rechtswirksam zustande gekommenen Auftrag auszugehen. Das Verschulden von Rechtsanwalt B. ist dem Antragsteller deshalb nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen, was nicht davon abhängt, auf welche Weise das Mandatsverhältnis zustande gekommen ist.
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Die Anwendung von § 85 Abs. 2 ZPO widerspricht nicht der Entscheidung des VI. Zivilsenats (vom 25. Juni 1991 - VI ZB 15/91 - VersR 1992, 378 f.). Dort ist eine Verschuldenszurechnung auch für den Fall des zeitlichen Zusammenfallens von Mandatsniederlegung und schuldhaftem Verhalten bejaht worden ; ausgenommen worden ist nur der Fall, dass das schuldhafte Verhalten des Rechtsanwalts nach der Beendigung des Mandatsverhältnisses liegt. Die Verschuldenszurechnung hängt in derartigen Fällen dagegen nicht von vorausgegangenen Zusagen des Anwalts ab. Dieser Umstand trat in dem Fall, den der VI. Zivilsenat zu entscheiden hatte, nur noch hinzu, ohne dass es darauf angekommen wäre.
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3. Ein Verschulden von Rechtsanwalt B. ist darin zu sehen, dass er das Mandat zur Unzeit niedergelegt hat, nämlich am letzten Tag der Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag. Soweit die Revision darauf abhebt, Rechtsanwalt B. habe dies nicht grundlos getan, sondern wegen seiner überaus starken beruflichen Inanspruchnahme und wegen des Umfangs der Angelegenheit, kann sie auch damit nicht durchdringen. Die Revision führt nämlich weiter aus: "Schon aus seinem Bestellungsschriftsatz vom 13. November 2000 geht hervor, dass Rechtsanwalt B. ersichtlich das Mandat nur unter der Voraussetzung übernehmen wollte, dass die Berufungsbegründungsfrist (mindestens) um einen weiteren Monat, also bis zum 15. Dezember 2000, verlängert werde". Dann wusste Rechtsanwalt B. aber am 23. November 2000, als ihm die Ablehnung der Fristverlängerung zugestellt wurde, dass er das Mandat nicht werde zu Ende führen können, hätte also schon zu diesem Zeitpunkt hieraus die erforderlichen Konsequenzen ziehen und sogleich entscheiden müssen, ob er doch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet oder ob er das Mandat niederlegt. Dann hätte dem Antragsteller die volle Wiedereinsetzungsfrist zur Verfügung gestanden. Legt ein Anwalt das Mandat aber zur Unzeit nieder, ist dieses mit der Vertragsbeendigung zusammenfallende Verschulden der Partei zuzurechnen (BGH Beschluss vom 25. Juni 1991 aaO S. 379; Musielak/Weth aaO § 85 Rdn. 16; MünchKomm-ZPO/von Mettenheim aaO § 85 Rdn. 22; Zöller/Vollkommer aaO § 85 Rdn. 24; a.A. Stein/Jonas/Bork aaO § 85 Rdn. 14). Das gilt auch im vorliegenden Fall.
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4. Dieses Verschulden ist auch für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ursächlich geworden. Dem steht nicht, wie die Revision meint, entgegen , dass die Versäumnis auf einen Fehler des Berufungsgerichts zurückzuführen sei, nämlich darauf, dass der Senatsvorsitzende die von Rechtsanwalt B. am 14. November 2000 beantragte erneute Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung abgelehnt habe. Der Umstand, dass die Berufungsbegründungsfrist mit Rücksicht auf die erst am 10. November 2000 zur Verfügung stehenden Akten hätte verlängert werden müssen, lässt die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zwar als unverschuldet erscheinen und würde deshalb insoweit die Gewährung von Wiedereinsetzung rechtfertigen (vgl. BGH Beschluss vom 21. Februar 2000 - II ZB 16/99 - NJW-RR 2000, 947 f. unter II 2). Diese wurde indessen innerhalb der bis zum 7. Dezember 2000 laufenden Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht beantragt. Vielmehr hat Rechtsanwalt B. am letzten Tag der Frist das Mandat niedergelegt. Darin liegt sein dem Antragsteller zuzurechnendes Verschulden. Dass der Antragsteller einen Anspruch darauf gehabt hätte, die Akten - ebenso wie der Antragsgegnervertreter - für fast drei Monate, mindestens aber bis zum 15. Dezember 2000 zu erhalten, ist rechtlich nicht zu begründen. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist mag zwar knapp sein, wenn es gilt, eine Rechtsmittelbegründung nachzuholen (vgl. jetzt: § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hier hätte dem Antragsteller aber die Zeit vom 14. November 2000 (Beauftragung von Rechtsanwalt B.) bis zum 7. Dezember 2000 zur Verfügung gestanden. Diese hätte - wie die weitere Entwicklung gezeigt hat - möglicherweise ausgereicht, zumal Rechtsanwalt W. gezeigt hat, innerhalb welch kurzer Zeit die Sache hätte bearbeitet werden können. Im Übrigen ging auch Rechtsanwalt B. ersichtlich davon aus, die Sache in der Zeit vom 5. Dezember 2000 (Entscheidung über die Beibehaltung des Mandats) bis zum 15. Dezember 2000 (letzter Tag der begehrten Fristverlängerung), also innerhalb von 10 Tagen, bearbeiten zu können.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.06.2000 - 259 F 3048/94 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.05.2001 - 2 UF 190/00 -

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.