Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2009 - IX ZA 29/09

bei uns veröffentlicht am05.11.2009
vorgehend
Landgericht Saarbrücken, 16 O 534/05, 18.01.2008
Landgericht Saarbrücken, 8 U 102/08, 10.06.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 29/09
vom
5. November 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 5. November 2009

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2009 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Eine Zulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil bliebe ohne Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Das Berufungsgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO abgewichen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Gewährung und Entgegennahme einer inkongruenten Deckung ein starkes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die entsprechende Kenntnis des Anfechtungsgegners dar (BGHZ 123, 320, 326; zuletzt BGH, Urt. v. 5. März 2009 - IX ZR 85/07, ZIP 2009, 922, 924 Rn. 17, z.V.b. in BGHZ 180, 98, mit weiteren Nachweisen). Nach allgemeiner Lebenserfahrung sind Schuldner regelmäßig nicht bereit, anderes oder mehr zu leisten, als sie schulden. Tun sie das dennoch , so müssen dafür im Allgemeinen besondere Beweggründe vorliegen. Das weiß auch der Leistungsempfänger; eine entsprechende Bevorzugung weckt in ihm den entsprechenden Verdacht.
3
Verfahrensgrundrechte der Beklagten, insbesondere deren Anspruch auf rechtliches Gehör, wurden nicht verletzt. Sonst gebotene Hinweise des Gerichts können entfallen, wenn die betroffene Partei von der Gegenseite die nötige Unterrichtung erhalten hat (BGHZ 170, 67, 75 Rn. 19; BGH, Beschl. v. 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05, NJW-RR 2008, 581, 582 Rn. 2). Der Kläger hat seine Klage auch mit der Vorschrift des § 133 InsO begründet. Der Hinweisbeschluss vom 17. März 2009 kann die Beklagte nicht davon abgehalten haben, rechtzeitig und vollständig zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift vorzutragen. Gleiches gilt hinsichtlich der Schadenshöhe. Die Beklagte ist erstinstanz- lich zur Zahlung von 30.000 € verurteilt worden; sie hätte allen Anlass gehabt, schon vor dem 17. März 2009 dazu vorzutragen, was gegen einen Schaden in dieser Höhe spricht.
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 18.01.2008 - 16 O 534/05 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 10.06.2009 - 8 U 102/08-29- -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2009 - IX ZA 29/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2009 - IX ZA 29/09

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2009 - IX ZA 29/09 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2009 - IX ZA 29/09 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2007 - IX ZR 207/05

bei uns veröffentlicht am 20.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 207/05 vom 20. Dezember 2007 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Vill am 20. D

Bundesgerichtshof Urteil, 05. März 2009 - IX ZR 85/07

bei uns veröffentlicht am 05.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 85/07 Verkündet am: 5. März 2009 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja InsO § 133 Abs. 1 Satz 1 a

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

17
Diese Grundsätze sind von der Rechtsprechung für den umgekehrten Fall entwickelt worden, dass in der Krise eine inkongruente Deckung gewährt wird, was im Allgemeinen ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes darstellt (BGHZ 123, 320, 326; BGH, Urt. v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, WM 1997, 545, 547; v. 19. November 1998 - IX ZR 116/97, NJW 1999, 641, 643; v. 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, 1397; v. 13. Mai 2004 - IX ZR 128/01, ZIP 2004, 1370, 1372). Dieses Beweisanzeichen wird entkräftet, wenn Umstände feststehen, welche den Benachteiligungsvorsatz in Frage stellen (BGH, Urt. v. 18. November 2004 - IX ZR 299/00, ZIP 2005, 769, 771). Der Schluss von der Inkongruenz auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann insbesondere dann ungerechtfertigt sein, wenn die Gewährung der inkongruenten Deckung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich allerdings fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist (BGH, Urt. v. 1. April 2004 - IX ZR 205/00, ZIP 2004, 957, 959; v. 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Rn. 18). Im Streitfall kann weder von einer Krise noch von der Gewährung einer inkongruenten Deckung ausgegangen werden. Wird zugleich mit der Gewährung eines Kredits die Stellung bestimmter Sicherheiten vereinbart, so ist deren Bestellung im Allgemeinen kongruent. Für eine Ausnahme ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.
2
1. Ein gerichtlicher Hinweis ist entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH, Urt. v. 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, WM 2007, 984, 986 Tz. 19; v. 24. September 1987 - III ZR 188/86, NJW 1988, 696 f; v. 2. Oktober 1979 - VI ZR 245/78, NJW 1980, 223 f).

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.