Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - IX ZA 76/11

bei uns veröffentlicht am14.06.2012
vorgehend
Amtsgericht Hamburg, 68c IK 368/09, 04.01.2011
Landgericht Hamburg, 326 T 24/11, 04.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 76/11
vom
14. Juni 2012
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 14. Juni 2012

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 26 des Landgerichts Hamburg vom 4. Mai 2011 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO), denn eine Rechtsbeschwerde wäre unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).
2
1. Die Erfolgsaussichten sind bereits deshalb zu verneinen, weil eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist nicht in Betracht kommt.
3
Ein rechtzeitig gestellter Prozesskostenhilfeantrag rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist nur dann, wenn die Partei vernünftigerweise nicht damit rechnen musste, ihr Antrag könne zurückgewiesen werden. Mit einer Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann die Partei lediglich dann rechnen, wenn sie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe in ausreichender Weise dargetan hat. Nur wenn diese ausreichende Darlegung innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgt, ist die Versäumung dieser Frist vom Antragsteller unverschuldet (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - IX ZA 8/03, ZVI 2003, 600, 601).
4
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die erforderlichen Belege wurden erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Akte gereicht; hierzu gehört insbesondere die Lohnbescheinigung (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003, aaO).
5
2. Auch im Übrigen sind keine Zulässigkeitsgründe gegeben. Im Hinblick auf die Höhe der im Vermögensverzeichnis nicht aufgenommenen Forderung der weiteren Beteiligten zu 2 und des sich hierzu verhaltenden Schreibens der H. S. an den Schuldner vom 10. März 2009 durfte dieser auch nicht - ohne weitere Überprüfungen vorzunehmen - das von seiner Verfahrensbevollmächtigten vorbereitete und offensichtlich fehlerhafte Verzeichnis unterzeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - IX ZB 250/08, WM 2011, 209 Rn. 9). Hierauf hat schon das Insolvenzgericht seine Entscheidung gestützt.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 04.01.2011 - 68c IK 368/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.2011 - 326 T 24/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - IX ZA 76/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - IX ZA 76/11

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - IX ZA 76/11 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2011 - IX ZB 250/08

bei uns veröffentlicht am 10.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 250/08 vom 10. Februar 2011 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 290 Abs. 1 Nr. 6; ZPO § 85 Abs. 2 Dem Schuldner kann das Fehlverhalten seines Verfahrensbevollmäch

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

9
Dies bedeutet nicht, dass sich der Schuldner durch die Einschaltung von Hilfspersonen jeglicher Verantwortung entledigen könnte. Lässt der Schuldner etwa die Antragsformulare, insbesondere das Vermögensverzeichnis gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO, von einem Dritten vervollständigen, hat er vor der Unterzeichnung die Richtigkeit aller Angaben zu überprüfen. Unrichtige Angaben sind ihm dann aufgrund eigenen Fehlverhaltens zuzurechnen; das ungeprüfte Unterschreiben eines von dritter Seite ausgefüllten oder noch auszufüllenden Formulars wird regelmäßig als grob fahrlässig, unter Umständen sogar als bedingt vorsätzlich hinsichtlich jeglicher im Text enthaltenen Unrichtigkeit angesehen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - IX ZB 167/09, ZVI 2010, 345 Rn. 9, 11). Die Entscheidung AG Göttingen ZVI 2003, 88, 89, die in der Kommentarliteratur als Beleg für eine mögliche Zurechnung fremden Verschuldens angeführt wird (FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl. § 290 Rn. 73), behandelt ebenfalls einen Fall eigenen Verschuldens des Schuldners, der ein unrichtig ausgefülltes Formular ungeprüft unterzeichnet hatte. Auch bei der Auswahl einer ersichtlich ungeeigneten, nicht fachkundigen oder mit den tatsächlichen Umständen des Falles nicht vertrauten Hilfsperson kann dem Schuldner vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zur Last fallen.