Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2012 - IX ZB 192/11
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 4, 6, 7 InsO, Art. 103f Satz 1 EGInsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 2
- 1. Die geltend gemachte Gehörsverletzung liegt nicht vor. Der Schuldner musste mit einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde rechnen, nachdem die von seinem Verfahrensbevollmächtigten erbetene Begründungsfrist verstrichen war, ohne dass dieser eine Beschwerdebegründung zu den Akten gereicht hatte.
- 3
- 2. Das Beschwerdegericht ist - ohne dass Zulässigkeitsgründe berührt werden - davon ausgegangen, dass der Schuldner gegen seine sich aus § 97 InsO ergebenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verstoßen hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine Mitwirkungspflichtverletzung vorliegen, wenn der Schuldner den Insolvenzverwalter über erzielte Einkünfte nicht unmittelbar unterrichtet. Die hierauf bezogenen Auskunftspflichten sind unverzüglich und nicht erst nach Ablauf des Kalenderjahres zu erfüllen (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2012 - IX ZB 267/10, Rn. 3).
- 4
- 3. Ebenso wenig greifen Zulässigkeitsgründe gegen die Feststellung des Beschwerdegerichts ein, der Schuldner habe grob fahrlässig gehandelt. Die Anforderungen an die Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96 Rn. 9; vom 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258 Rn. 10). Der Senat könnte die Einschätzung des Beschwerdegerichts , der Schuldner habe grob fahrlässig gehandelt, nur darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt und bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
- 5
- Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch kein Raum für die Annahme einer Heilung der Auskunftspflichtverletzung. Auf die angeführten Rechtsprechungsgrundsätze (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 63/09, ZIP 2011, 133; vom 17. September 2009 - IX ZB 284/08, ZInsO 2009, 1954) vermag sich der Schuldner nicht zu berufen. Voraussetzung ist danach, dass der Schuldner von sich aus eine gebotene, aber zunächst von ihm unterlassene Auskunftserteilung selbständig nachholt (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010, aaO Rn. 6). Die Verletzungshandlung muss vom Schuldner selbst aufgedeckt werden (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - IX ZB 99/09, WM 2011, 416 Rn. 2). Der Schuldner räumt in der Rechtsbeschwerde ein, dass er die Lohnsteuerbescheinigung erst auf entsprechende Aufforderung des Insolvenzverwalters vorgelegt hat. Damit handelt es sich nicht um eine eigenständige Selbstoffenbarung (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - IX ZB 198/09, Rn. 3), sondern um ein vom Insolvenzverwalter veranlasstes Handeln des Schuldners.
- 6
- 4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG Neu-Ulm, Entscheidung vom 08.03.2011 - IN 466/06 -
LG Memmingen, Entscheidung vom 25.05.2011 - 42 T 773/11 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2012 - IX ZB 192/11
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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Apr. 2012 - IX ZB 192/11 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 6 der Insolvenzordnung, bei denen die Frist des § 575 der Zivilprozessordnung am 27. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen ist, ist die Insolvenzordnung in der bis zum 27. Oktober 2011 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102 § 7 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gilt Satz 1 entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.
(2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.
(3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen.
(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn
- 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, - 2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, - 3.
(weggefallen) - 4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, - 5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, - 6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, - 7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.
(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Schuldner beantragte am 1. November 2002 die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und Restschuldbefreiung. In dem mit seinen Anträgen vorgelegten Vermögensverzeichnis führte er eine ihm gehörende Eigentumswohnung auf Mallorca nicht auf, und im Gläubigerverzeichnis nannte er seine Mutter nicht. Mit Beschluss vom 24. Februar 2003 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren. Nach der Erklärung des Insolvenzverwalters ging bei ihm am 16. Mai 2003 ein Schreiben des Schuldners vom 14. Mai 2003 ein, in dem dieser mitteilte, seine Mutter habe im Jahr 1993 auf seinen Namen eine Wohnung auf Mallorca als Alterssitz gekauft. Am 4. Mai 2006 meldete die Mutter des Schuldners eine Darlehensforderung über rund 800.000 € gegen den Schuldner zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter gab die mit Grundpfandrechten zugunsten der Mutter des Schuldners und zugunsten einer spanischen Bank belastete Eigentumswohnung am 28. Februar 2007 aus dem Insolvenzbeschlag frei. Auf die im Schlusstermin gestellten Anträge des weiteren Beteiligten zu 1 und einer weiteren Gläubigerin hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen eines Verstoßes gegen die Obliegenheit des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zunächst versagt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat es seine Entscheidung im Abhilfeverfahren aufgehoben und die Versagungsanträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 führte zur erneuten Versagung der Restschuldbefreiung durch das Beschwerdegericht. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Aufhebung dieser Entscheidung und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1.
II.
- 2
- Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§§ 7, 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 1 bis 3, § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Sie führt in der Sache zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
- 3
- 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner habe grob fahrlässig seine Auskunftspflicht nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verletzt, weil er in seinem Insolvenzantrag weder die in seinem Eigentum stehende Immobilie auf Mallorca noch die Verbindlichkeit gegenüber seiner Mutter über rund 800.000 € angegeben habe. Das Schreiben des Schuldners vom 14. Mai 2003 vermöge den Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht zu entkräften. Es genüge entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht, um den Versagungstatbestand zu beseitigen , weil eine - vom Gesetz ohnehin nicht vorgesehene - Heilung eines Verstoßes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht in Betracht komme. Ob das Grundstück wertausschöpfend belastet gewesen sei, sei unerheblich, weil der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine tatsächliche Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht voraussetze.
- 4
- 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
- 5
- a) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, der Schuldner habe grob fahrlässig eine gesetzliche Auskunftspflicht verletzt und deshalb den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfüllt, indem er die Eigentumswohnung auf Mallorca in dem mit seinem Eröffnungsantrag vorgelegten Vermögensverzeichnis nicht angab, ist allerdings rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger setzt dieser Versagungstatbestand nicht voraus. Es genügt, dass die Verletzung der Auskunftspflicht nach ihrer Art geeignet ist, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden (BGH, Beschl. v. 8. Januar 2009 - IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rn. 10). Dies war hier zweifelsfrei der Fall.
- 6
- b) Das Beschwerdegericht hat jedoch die Prüfung versäumt, ob die Versagung der Restschuldbefreiung unverhältnismäßig ist (vgl. dazu allgemein BGH, Beschl. v. 8. Januar 2009, aaO Rn. 18). Holt der Schuldner im Regelinsolvenzverfahren von sich aus eine gebotene, aber zunächst von ihm unterlassene Auskunftserteilung nach, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist, beeinträchtigt seine Obliegenheitsverletzung letztlich die Gläubigerinteressen nicht. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist dann in der Regel unverhältnismäßig (BGH, Beschl. v. 20. März 2003 - IX ZB 388/02, WM 2003, 980, 982; v. 17. September 2009 - IX ZB 284/08, ZInsO 2009, 1954 Rn. 9 und 11; v. 18. Februar 2010 - IX ZB 211/09, WM 2010, 718 Rn. 6). Die Möglichkeit einer solchen "Heilung" ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht auf den Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt. Diese Einschränkung gilt nur im Verbraucherinsolvenzverfahren, weil dort schon für das der Verfahrenseröffnung vorangehende Schuldenbereinigungsverfahren richtige und vollständige Angaben des Schuldners erforderlich sind (BGH, Beschl. v. 17. März 2005 - IX ZB 260/03, NZI 2005, 461; v. 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96 Rn. 7; BayObLG NZI 2002, 392).
- 7
- c) Das Beschwerdegericht ist zugunsten des Schuldners davon ausgegangen , dass sein Schreiben vom 14. Mai 2003, in dem er auf seine Eigentumswohnung auf Mallorca hingewiesen hat, dem Insolvenzverwalter am 16. Mai 2003, also weniger als drei Monate nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und noch vor dem ersten Bericht des Insolvenzverwalters und vor der ersten Gläubigerversammlung, zugegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Eigentumswohnung als weiterer Vermögensgegenstand des Schuldners im Insolvenzverfahren noch nicht bekannt. Dann liegt es nahe, dass die Nichtangabe dieses Vermögensgegenstands in dem mit dem Eröffnungsantrag vorge- legten Verzeichnis jedenfalls für sich allein die Versagung der Restschuldbefreiung nicht rechtfertigt.
- 8
- d) Die vom Beschwerdegericht bisher getroffenen Feststellungen erlauben es nicht, die Versagung der Restschuldbefreiung auf den Umstand zu stützen , dass der Schuldner in den mit dem Eröffnungsantrag eingereichten Unterlagen die Darlehensforderung seiner Mutter nicht angegeben hat. Insoweit liegt der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ebenfalls vor. Das Beschwerdegericht hat jedoch keine Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) und zu der Behauptung des Schuldners getroffen, er habe auch insoweit sein ursprüngliches Versäumnis rechtzeitig korrigiert.
- 9
- 3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts war danach aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, da nach dem festgestellten Sachverhältnis die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Zunächst sind im Blick auf die Nichtangabe der Forderung der Mutter des Schuldners die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Sodann ist zu prüfen, ob die Versagung der Rest- schuldbefreiung verhältnismäßig ist, sei es allein wegen einer der beiden in Rede stehenden Pflichtverletzungen oder bei einer Gesamtbetrachtung.
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 28.04.2008 - 104 IN 6019/02 -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.02.2009 - 86 T 531/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 16. Oktober 2008 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 7. November 2008 aufgehoben.
Der Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung wird abgelehnt.
Der Gläubiger trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Auf den mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Eigenantrag wurde am 23. Mai 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und Rechtsanwalt R. zum Insolvenzverwalter bestellt.
- 2
- Das von der Schuldnerin gefertigte, dem Eröffnungsantrag beigefügte Gläubiger- und Forderungsverzeichnis wies die F. G. mbH (nachfolgend: F. GmbH) als Inhaberin einer durch ein Versäumnisurteil titulierten Forderung über 9.904,34 € aus. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 setzte die Schuldnerin den Insolvenzverwalter durch Übermittlung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses davon in Kenntnis, dass der Beteiligte zu 1 und nicht die F. GmbH Inhaber der vorbezeichneten Forderung ist. Der Beteiligte zu 1 berief sich gegenüber dem Amtsgericht durch Schreiben vom 31. März 2008 auf seine Gläubigerstellung. Außerdem beantragte er mit Schreiben vom 17. Mai 2008, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Das Amtsgericht ordnete am 20. Mai 2008 das schriftliche Verfahren an und setzte für die Stellung von Anträgen auf Versagung der Restschuldbefreiung eine Frist bis zum 27. Juni 2008.
- 3
- Auf den Antrag vom 17. Mai 2008 hat das Amtsgericht der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.
II.
- 4
- Landgericht Das hat ausgeführt, es liege der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor, weil die Schuldnerin als Gläubiger einer Forderung eine Person bezeichnet habe, der die Forderung tatsächlich nicht zustehe. Die Schuldnerin habe mindestens grob fahrlässig gehandelt, weil ihr die wahre Gläubigerstellung erkennbar gewesen sei. Die Schuldnerin habe überdies Zahlungsaufforderungen des wahren Gläubigers nicht zum Anlass genommen, das Amtsgericht über die tatsächlichen Verhältnisse zu unterrichten.
III.
- 5
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.
- 6
- 1. Eine Versagung der Restschuldbefreiung scheidet aus, weil es bereits an dem zulässigen Antrag eines Gläubigers fehlt.
- 7
- a) Gemäß § 290 Abs. 1 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn einer der in dieser Vorschrift genannten Versagungsgründe vorliegt und die Versagung von einem Insolvenzgläubiger im Schlusstermin beantragt worden ist. Die Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung soll nach der Gesetzesbegründung deshalb erst nach Anhörung der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters im Schlusstermin erfolgen, damit für die gesamte Verfahrensdauer festgestellt werden kann, ob der Schuldner seinen Auskunftsund Mitwirkungspflichten genügt hat. Beantragt ein Gläubiger vorher die Versagung der Restschuldbefreiung, so handelt es sich lediglich um die Ankündigung eines Antrages nach § 290 Abs. 1 InsO, der noch nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann (BGH, Beschl. v. 20. März 2003 - IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413, 414 m.w.N.). Wird anstelle des Schlusstermins das schriftliche Verfahren angeordnet und eine Frist zur Stellung von Anträgen auf Versagung der Restschuldbefreiung gesetzt, so muss der Antrag innerhalb der Frist gestellt werden (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2008 - IX ZB 53/08, ZInsO 2008, 1272 Rn. 9).
- 8
- b) Im Streitfall fehlt es - worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist - am Erfordernis eines innerhalb der von dem Amtsgericht gesetzten Frist gestellten Versagungsantrags. Der Gläubiger hat seinen bereits am 17. Mai 2008 gestellten Versagungsantrag nicht innerhalb der durch Beschluss vom 20. Mai 2008 bis zum 27. Juni 2008 bestimmten Frist erneuert. Bei dieser Sachlage fehlt es bereits an einem wirksamen Antrag als Voraussetzung für die Versagung der Restschuldbefreiung.
- 9
- 2. Überdies haben die Vordergerichte nicht beachtet, dass infolge der von der Schuldnerin vorgenommenen Berichtigung mit Rücksicht auf den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003, aaO) eine die Versagung der Restschuldbefreiung tragende Pflichtverletzung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) nicht anzunehmen ist.
- 10
- a) Es bestehen bereits Bedenken, ob der Verstoß als grob fahrlässig zu bewerten ist, weil die F. GmbH tatsächlich von dem Beteiligten zu 1 in der Vergangenheit mit der Beitreibung von Mietforderungen betraut worden war und der Irrtum der Schuldnerin vor diesem Hintergrund schwerlich auf einer auch subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, WM 2006, 1438 Rn. 10; v. 27. September 2007 - IX ZB 243/06, NZI 2007, 733, 734 Rn. 9; Beschl. v. 19. März 2009 - IX ZB 212/08, ZInsO 2009, 786, 787 Rn. 7) beruht.
- 11
- b) Dieser Verstoß wiegt jedenfalls gering. Denn die Schuldnerin hat im Streitfall nicht etwa die Forderung eines Gläubigers verschwiegen (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 2008 - IX ZB 212/07, ZInsO 2008, 1278), sondern die Forderung tatsächlich angegeben, aber lediglich einer falschen Person zugeordnet. Schließlich hat die Schuldnerin bereits am 28. Dezember 2006 und somit lange, bevor am 17. Mai 2008 der unzulässige Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt wurde, ihre Angaben korrigiert und den wahren Gläubiger benannt (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003, aaO; v. 17. Juli 2008 - IX ZB 183/07,ZInsO 2008, 920, 921 Rn. 13). Damit konnte dem Beteiligten zu 1 aus der fehlerhaften Gläubigerbezeichnung ein Nachteil nicht erwachsen. Bei dieser Sachlage scheidet eine die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigende Pflichtverletzung aus.
- 12
- 3. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO).
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Hanau, Entscheidung vom 16.10.2008 - 70 IN 257/06 -
LG Hanau, Entscheidung vom 07.11.2008 - 3 T 293/08 -
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.