Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZR 129/08

bei uns veröffentlicht am22.10.2009
vorgehend
Landgericht Koblenz, 15 O 122/03, 31.01.2007
Oberlandesgericht Koblenz, 5 U 280/07, 05.06.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 129/08
vom
22. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 22. Oktober 2009

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Juni 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 312.426,07 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.
2
1. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Artikel 103 Abs. 1 GG einen Zulassungsgrund, weil das Berufungsgericht zu Unrecht von einer Modifizierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler ausgegangen sei.
3
Berufungsgericht Das ist in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein grober Behandlungsfehler ausnahmsweise keine Umkehr der Beweislast begründet, wenn ein haftungsrechtlicher Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden äußerst unwahrscheinlich ist. Dies entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 159, 48, 55, BGH, Urt. v. 8. Januar 2008 - VI ZR 118/06, NJW 2008, 1304 Rn. 11). Soweit das Berufungsgericht irrig von einer Änderung der Rechtsprechung "- wenn auch nur in Nuancen -" ausgegangen sein sollte, beruht die angegriffene Entscheidung nicht auf dieser rechtlichen Würdigung. Im Blick auf die angeführte Begründung des Berufungsgerichts scheidet ein Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO aus (BGH, Urt. v. 3. Oktober 1980 - V ZR 125/79, NJW 1981, 1045, 1046).
4
2. Zu Unrecht rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG).
5
Berufungsgericht Das hat entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht angenommen, dass der Vorwurf unzureichenden Sachvortrags durch die Nichtannahme der Revision in dem Vorprozess präjudiziert sei. Vielmehr schließt die angefochtene Entscheidung in zutreffender tatsächlicher Würdigung einen Zurechnungszusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem Ergebnis des Vorprozesses aus. Es fehlt ausnahmsweise an dem für die Zurechnung der anwaltlichen Pflichtverletzung notwendigen inneren Zusammenhang , wenn der anwaltliche Fehler schlechthin ungeeignet war, die gerichtliche Fehlentscheidung hervorzurufen (BGHZ 174, 205, 211 f Rn. 19). Wie die Beschwerde selbst vorträgt, haben sich in dem Vorprozess bereits die Gutachter J. und G. mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Unterzuckerung die cerebralen Schäden des Klägers hervorgerufen hat. Auf der Grundlage dieser Gutachten hat das Berufungsgericht in dem Vorprozess einen Ursachenzusammenhang als unwahrscheinlich erachtet. Bei dieser Sachlage kann ausge- schlossen werden, dass das Berufungsgericht im Falle der ausdrücklichen Geltendmachung dieser ohnehin berücksichtigten möglichen ärztlichen Pflichtverletzung durch die Beklagten auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 31.01.2007 - 15 O 122/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 05.06.2008 - 5 U 280/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZR 129/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZR 129/08

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZR 129/08 zitiert 3 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2008 - VI ZR 118/06

bei uns veröffentlicht am 08.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 118/06 Verkündet am: 8. Januar 2008 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

11
Wie der erkennende Senat mehrfach (vgl. etwa Senat, BGHZ 159, 48, 54; Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03 - VersR 2005, 228, 229) dargelegt hat, führt ein grober Behandlungsfehler - wie ihn das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls zu Recht bejaht hat - regelmäßig zur Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Behandlungsfehler, wenn dieser geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. Nahelegen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht (vgl. Senat, BGHZ 159, 48, 54 m.w.N.). Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist nach einem groben Behandlungsfehler nur dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt, oder der Patient durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente für den Handlungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 159, 48, 55). Diese Grundsätze verkennt das Berufungsgericht, wenn es davon ausgeht, der Kläger habe (nach grob fehlerhafter Behandlung) beweisen müssen, dass es sich um eine Infektion und nicht um eine hyperergisch -allergische Reaktion gehandelt habe.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.