Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04

bei uns veröffentlicht am29.06.2006
vorgehend
Landgericht Bielefeld, 6 O 100/03, 16.09.2003
Oberlandesgericht Hamm, 28 U 173/03, 13.07.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 176/04
vom
29. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Vill
und Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer
am 29. Juni 2006

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Juli 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 28.890,02 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 544 ZPO); sie ist jedoch unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, "ob der Anwalt, dem ein Kostenfestsetzungsbeschluss zugestellt wird und der den Beschluss seinem Mandanten zu übersenden hat, die Frist unter Kontrolle nehmen muss, die die Zustellung des Kostenfestset- zungsbeschlusses in Gang gesetzt hat und die auf einem Vergleich beruht , den der Mandant mit einem Dritten im Prozess geschlossen hat", ist nicht klärungsbedürftig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Rechtsanwalt, der seine Partei durch einfachen Brief über den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung sowie über Rechtsmittelmöglichkeiten einschließlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet, trotz Schweigen des Mandanten keine Nachfrage halten. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ist eine Verpflichtung zur Nachfrage zu bejahen, etwa wenn der Anwalt den Verlust seiner Mitteilung befürchten muss oder wenn ihm der Standpunkt seines Mandanten, unter allen Umständen ein Rechtsmittel einlegen und durchführen zu wollen, aus bestimmten Umständen bekannt war (BGH, Beschl. v. 23. Januar 1963 - VIII ZB 19/62, VersR 1963, 435; v. 13. November 1991 - VIII ZB 29/91, VersR 1992, 898; Urt. v. 25. Oktober 2001 - IX ZR 19/99, NJW 2002, 290). Für die Übersendung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses , der eine für den Mandanten wichtige Frist in Lauf setzt, kann nichts anderes gelten. Ein besonders gelagerter Ausnahmefall, der eine Fristenkontrolle und Nachfrage beim Mandanten erfordern würde, liegt nicht vor. Die Beklagten konnten davon ausgehen, dass der Brief den Kläger rechtzeitig erreichen und dieser die erforderlichen Maßnahmen ergreifen würde.
3
Die Verpflichtung des Anwalts, nach dem Grundsatz des sichersten Weges den Nachweis des Zugangs empfangsbedürftiger Willenserklärungen des Mandanten an Dritte sicherzustellen oder drohende Verjährungen von Ansprüchen gegen Dritte unter Kontrolle zu nehmen, ist auf das Verhältnis des Anwalts zum Mandanten nicht übertragbar. Vergleichbar ist auch nicht der Fall, in dem der Anwalt weiß, dass der Mandant dazu entschlossen ist, Rechtsmittel einzulegen ; denn dort hat der Anwalt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Infor- mationsfluss gestört ist, wenn sich der Mandant nicht rechtzeitig meldet. Schließlich ist auch gegenüber dem Rechtsmittelanwalt eine Nachfrage, ob das Mandat übernommen wird, nur dann erforderlich, wenn keine allgemeine Absprache über die Übernahme solcher Mandate besteht oder sich konkrete Befürchtungen aufdrängen, dass mit dem Auftrag etwas nicht in Ordnung ist (BGHZ 105, 116, 117 f; BGH, Beschl. v. 19. Juni 2001 - VI ZB 22/01, VersR 2001, 1400, 1401). Die Beklagten konnten aber davon ausgehen, dass der Kläger das Notwendige veranlassen würde; die Übernahme einer Verpflichtung durch den Kläger war hier nicht zweifelhaft; der Kläger musste im eigenen Interesse tätig werden.
4
Die aufgeworfene Rechtsfrage ist im Übrigen nicht entscheidungserheblich. Auf einer fehlenden Fristenkontrolle konnte ein Schaden nur beruhen, wenn das Schreiben nicht rechtzeitig vor Fristablauf zugegangen wäre. Der Kläger, der hierfür beweispflichtig ist, hat dies nach den Feststellungen von Landgericht und Berufungsgericht nicht bewiesen. Dies wird von der Beschwerde nicht angegriffen, ein Zulassungsgrund insoweit nicht geltend gemacht.
5
Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
Ganter Vill Cierniak
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 16.09.2003 - 6 O 100/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 13.07.2004 - 28 U 173/03 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2001 - IX ZR 19/99

bei uns veröffentlicht am 25.10.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 19/99 Verkündet am: 25. Oktober 2001 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 176/04.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11

bei uns veröffentlicht am 13.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 592/11 vom 13. Juni 2012 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG §§ 17 Abs. 2, 39, 113 Abs. 1 Satz 2 ZPO §§ 160 Abs. 3 Nr. 7, 165, 311 Abs. 2 a) Die Wiedereinsetzung in

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 19/99 Verkündet am:
25. Oktober 2001
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach einer "Flucht in die Säumnis” ist der Anwalt grundsätzlich verpflichtet,
auch ohne ausdrückliche Weisung des Mandanten Einspruch gegen das
Versäumnisurteil einzulegen. Hält er jedoch nach eingehender Prüfung der
Erfolgsaussichten eine Fortsetzung des Verfahrens für aussichtslos, hat er
rechtzeitig vor Fristablauf mit dem Mandanten Rücksprache zu halten und
dessen Entscheidung einzuholen.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - IX ZR 19/99 - OLG Hamm
LG Arnsberg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 33. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die verklagten Rechtsanwälte auf Schadenersatz wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages in Anspruch.
Die Beklagten vertraten den Kläger in dessen Scheidungsverfahren; Teil des Mandats war die Abwehr von nachehelichen Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau des Klägers. In dieser Folgesache wies das Amtsgericht - Familiengericht - B. mit Verfügung vom 21. Juni 1994 darauf hin, daß es den Vortrag des Klägers zu den von ihm geltend gemachten unterhaltsrechtlichen
Belastungen für nicht ausreichend erachte. Das Gericht konkretisierte diesen Hinweis in der mündlichen Verhandlung am 26. September 1994 unter Bezugnahme auf die von dem Kläger behaupteten Darlehensverbindlichkeiten I. und P. Mit Schreiben vom 10. November 1994 übersandten die Beklagten dem Kläger einen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Ehefrau. Unter Hinweis auf eine vom Gericht gesetzte zweiwöchige Frist zur Stellungnahme endete das Schreiben mit den Worten: "Die Sache eilt also.” Der Kläger übergab den Beklagten daraufhin am 13. Dezember 1994 mehrere Bestätigungen über die Ausreichung von Darlehen, welche diese mit Schriftsatz vom selben Tage, eingegangen am 15. Dezember 1994, beim Amtsgericht einreichten.
Im Verhandlungstermin vom 19. Dezember 1994 wies das Amtsgericht das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 13. Dezember 1994 durch Beschluß als verspätet zurück. Die Beklagte zu 2, welche den Termin zusammen mit dem Kläger wahrgenommen hatte, stellte daraufhin keinen Antrag. Es erging sodann ein Versäumnisurteil, durch das der Kläger zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.000 DM verurteilt wurde. Die Beklagten haben dieses ihnen am 23. Dezember 1994 zugestellte Urteil dem Kläger mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 unter Angabe einer unzutreffenden, um einen Monat zu langen Einspruchsfrist übersandt. Gegen das Versäumnisurteil haben die Beklagten erst nach Fristablauf Einspruch eingelegt. Ein damit verbundener Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand blieb erfolglos.
Der Kläger hat den Beklagten vorgeworfen, ihn nicht über die prozessualen Nachteile verspäteten Vorbringens aufgeklärt, nicht rechtzeitig vor Ablauf der Einspruchsfrist eine Weisung zur Einspruchseinlegung eingeholt und nicht von sich aus rechtzeitig Einspruch eingelegt zu haben. Er hält die materi-
ell-rechtlichen Voraussetzungen einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner früheren Ehefrau nicht für gegeben und nimmt die Beklagten wegen behaupteter Unterhaltszahlungen in Höhe von 28.161,30 DM auf Schadenersatz in Anspruch; darüber hinaus begehrt er die Feststellung, daß die Beklagten zum Ersatz des durch die Versäumung der Einspruchsfrist entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet sind. Land- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht meint, eine verzögerte Bearbeitung des Verfahrens sei den Beklagten nicht anzulasten. Der Hinweis im Schreiben vom 10. November 1994, "die Sache eilt also”, sei ausreichend gewesen; er habe von dem Kläger als Aufforderung zu einer kurzfristigen Rücksprache verstanden werden müssen. Eine weitergehende Belehrungspflicht der Beklagten über die prozessualen Nachteile verspäteten Vorbringens habe angesichts der Erfahrung des Klägers als Verwaltungsangestellten im Umgang mit Behörden und Gerichten nicht bestanden.
Daß die Beklagten die Entscheidung über die Einspruchseinlegung nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger eigenmächtig hätten treffen wollen, sei wegen der dadurch verursachten weiteren Kosten und der Notwendigkeit, sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Einspruchsschrift vorzutragen, ebenfalls nicht zu beanstanden. Ein Verweis auf das bisherige schriftsätzliche Vorbringen sei wegen des für den Kläger eindeutig ungünstigen Verlaufs der Beweisaufnahme am 19. Dezember 1994 nicht sinnvoll gewesen.
Schließlich sei die fehlerhafte Belehrung über den Fristablauf für die unterbliebene Einspruchseinlegung nicht kausal gewesen, da der Kläger erst nach Ablauf der Einspruchsfrist das Schreiben der Beklagten vom 27. Dezember 1994 geöffnet und die Belehrung zur Kenntnis genommen habe.

II.


Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Beklagten haben ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag (§§ 611, 675 BGB) schuldhaft verletzt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren sie auch ohne ausdrückliche Anweisung des Klägers verpflichtet, gegen das Versäumnisurteil vom 19. Dezember 1994 Einspruch einzulegen.

a) Grundsätzlich braucht der Anwalt, der seine Partei durch einfachen Brief über den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung sowie über Rechtsmit-
telmöglichkeiten einschlieûlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet hat, trotz Schweigens des Mandanten keine Nachfrage zu halten. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ist eine Verpflichtung zur Nachfrage zu bejahen, etwa wenn der Anwalt den Verlust seiner Mitteilung befürchten muûte oder wenn ihm der Standpunkt seines Mandanten, unter allen Umständen ein Rechtsmittel einlegen und durchführen zu wollen, aus bestimmten Umständen bekannt war (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Januar 1963 - VIII ZB 19/62, VersR 1963, 435, 436; v. 5. Mai 1986 - II ZR 102/86, VersR 1986, 966, 967; v. 13. November 1991 - VIII ZB 29/91, VersR 1992, 898, 899). Eine Verpflichtung zur Nachfrage besteht beispielsweise dann, wenn der Mandant in einem Parallelrechtsstreit mit dem gleichen Sachverhalt, in dem am selben Tag ein Urteil verkündet wurde, bereits Berufung hat einlegen lassen (BGH, Beschl. v. 14. Mai 1981 - VI ZB 39/80, VersR 1981, 834 f.), aber wohl nicht, wenn die Berufungseinlegung in dem Parallelverfahren bereits dreieinhalb Jahre zurückliegt (BGH, Beschl. v. 4. Oktober 1990 - V ZB 7/90, VersR 1991, 124).

b) Im Streitfall waren die Beklagten von sich aus zur Einlegung des Einspruchs verpflichtet. Nach ihrer eigenen Darstellung hat die Beklagte zu 2 in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 1994 allein deshalb die Antragstellung unterlassen und den Erlass eines dem Kläger nachteiligen Versäumnisurteils in Kauf genommen, weil sie durch die "Flucht in die Säumnis" eine Zurückweisung des Vorbringens zu den unterhaltsrechtlich relevanten Darlehensbelastungen des Klägers vermeiden wollte. In dieser Situation ist - im Gegensatz zur Rechtsmitteleinlegung nach Abschluû der Instanz - die Frage der Einlegung eines Rechtsbehelfs regelmäûig nicht offen. Denn Sinn und Zweck der "Flucht in die Säumnis” ist es gerade, durch die Einlegung eines
Einspruchs den Weg für eine Fortsetzung des Verfahrens frei zu machen (vgl. Prütting/ Weth ZZP 98 [1985], 131, 134 ff.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 296 Rn. 79 f.; MünchKomm-ZPO/Prütting, 2. Aufl. § 296 Rn. 112). Der Mandant nimmt hier allein aus taktischen Erwägungen eine aus seiner Sicht nachteilige - weil seine Einwendungen nicht berücksichtigende - Säumnisentscheidung hin mit der klaren Zielsetzung, diese nach einem Einspruch durch Wiederholung des andernfalls präkludierten Vortrags zu korrigieren. Aufgrund dessen muû der Anwalt, solange er keine gegenteilige Weisung erhalten hat, davon ausgehen , daû der Mandat eine Fortsetzung des Verfahrens wünscht. Er ist deshalb verpflichtet, auch ohne ausdrückliche Weisung des Mandanten Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen oder, wenn er nach eingehender Prüfung der Erfolgsaussichten eine Fortsetzung des Verfahrens für aussichtslos erachtet , rechtzeitig vor Fristablauf mit dem Mandanten Rücksprache zu halten und dessen Entscheidung einzuholen.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durften die Beklagten auf eine Einspruchseinlegung ohne vorherige Befragung des Klägers nicht deshalb verzichten, weil ein Verweis auf das bisherige schriftsätzliche Vorbringen wegen des für den Kläger ungünstigen Verlaufs der Beweisaufnahme am 19. Dezember 1994 nicht sinnvoll gewesen wäre oder die Beklagten ohne weitere Informationen durch den Kläger den Einspruch in der Einspruchsschrift nicht umfassend hätten begründen können (vgl. § 340 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Den Beklagten wäre es möglich gewesen, in der Einspruchsschrift zu den Darlehen P. und I. auch ohne zusätzliche Angaben des Klägers vorzutragen. Insoweit hatten die Beklagten im Schriftsatz vom 13. Dezember 1994 zum
Beweis des Bestehens der behaupteten Darlehensverbindlichkeiten aussagekräftige Urkunden vorgelegt; zudem hätten die Darlehensgeber G. und Gü. P. sowie T. I. als Zeugen benannt werden können. Dies gilt umso mehr, als die Beklagten die beiden Letztgenannten bereits in ihrem Schriftsatz vom 7. September 1994 als Zeugen für die Behauptung des Klägers angeboten hatten, ihre Darlehen würden nach wie vor bedient.
2. Sollte das weitere Verfahren ergeben, daû dem Kläger ein Schaden entstanden ist, weil er auf Grund des Versäumnisurteils ohne materiell-rechtliche Grundlage Unterhaltszahlungen zu leisten und geleistet hat - das Berufungsgericht hat hierzu, von seinem Standpunkt aus konsequent, keine Feststellungen getroffen -, so ist der Pflichtverstoû der Beklagten für diesen Schaden auch ursächlich; denn im Falle eines rechtzeitigen Einspruchs hätte eine Beweisaufnahme zu den von dem Kläger vorgetragenen Darlehensverbindlichkeiten durchgeführt werden müssen (siehe unten zu III.).

a) Durch den zulässigen Einspruch wird der Prozess in die Lage zurückversetzt , in der er sich vor Eintritt der Säumnis in der mündlichen Verhandlung befand, § 342 ZPO. Das einmal verspätete Vorbringen bleibt damit verspätet (vgl. BGHZ 76, 173, 177; BGH, Urt. v. 23. Oktober 1980 - VII ZR 307/79, NJW 1981, 286). Jedoch fehlt es an der nach § 296 Abs. 2 ZPO für eine Zurückweisung erforderlichen Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits, wenn in dem auf den Einspruch anzuberaumenden Termin zur mündlichen Verhandlung - § 341a ZPO - die verspätet vorgebrachten Verteidigungsmittel berücksichtigt werden können (vgl. BGHZ 75, 138, 142 f.; 76, 173, 178 f.). Dabei obliegt es dem Gericht, im Rahmen einer umfassenden Terminsvorbereitung alles Zumutbare zu unternehmen, um die Folgen der Fristversäumung auszuglei-
chen (st. Rspr., BGH aaO; BGH, Urt. v. 22. Oktober 1998 - VII ZR 82/97, NJW 1999, 585; vgl. auch BVerfG, NJW 1990, 2373 f.; NJW-RR 1995, 377 f.; NJWRR 1999, 1079). Allerdings ist das Gericht nicht verpflichtet, die Verhandlung so weit hinauszuschieben, daû alle nach dem verspäteten Vorbringen in Betracht kommenden Beweise erhoben werden können (BGH, Urt. v. 23. Oktober 1980 aaO). Zumutbar sind vorbereitende Anordnungen gemäû § 273 ZPO aber jedenfalls dann, wenn es sich um einfache und klar abgrenzbare Streitpunkte handelt, die ohne unangemessenen Zeitaufwand geklärt werden können (BGHZ 91, 293, 304; BGH, Urt. v. 22. November 1995 - VIII ZR 195/94, NJW 1996, 528, 529). Unter diesen Voraussetzungen ist eine Beweisaufnahme mit vier oder sogar sechs Zeugen stets zumutbar (BGH, Urt. v. 7. Oktober 1986 - VI ZR 262/85, VersR 1987, 259; v. 21. März 1991 - III ZR 118/89, NJW 1991, 2759, 2760 f.; v. 22. November 1995 aaO).

b) Im Streitfall ging es um ein einfaches und klar abgegrenztes Beweisthema , nämlich die Gewährung von zwei Darlehen an den Kläger durch die Eheleute P. und T. I. sowie deren Rückführung in monatlichen Raten. Hierzu waren die drei Darlehensgeber als Zeugen zu vernehmen. Es ist nicht ersichtlich , da eine derartige Beweisaufnahme - auch bei Berücksichtigung etwaiger Gegenzeugen der früheren Ehefrau des Klägers - die Grenzen des Zumutbaren gesprengt hätte.

c) Die Beklagten waren an einer Wiederholung des Vortrags zu den Darlehen P. und I. auch nicht dadurch gehindert, daû das Familiengericht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 1994 den entsprechenden Vortrag durch Beschluû zurückgewiesen hatte.
Dies war wirkungslos, weil eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens nur im Rahmen eines Endurteils erfolgen kann (allg. Meinung, vgl. Stein/Jonas/ Leipold aaO § 296 Rn 124) und eingehend zu begründen ist (BGH, Urt. v. 22. Oktober 1998 - VII ZR 82/97, NJW 1999, 585; vgl. BVerfG MDR 1987, 904 Nr. 6). Auch diesem Erfordernis hat das Familiengericht nicht Genüge getan. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung lediglich formelhaft den Wortlaut des § 296 Abs. 2 ZPO wiederholt.
3. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 S. 1 ZPO), weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist.

III.


Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, wie der Unterhaltsrechtstreit zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Beklagten fristgerecht Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 19. Dezember 1994 eingelegt hätten (st. Rspr., vgl. BGHZ 124, 86, 96; 133, 110, 111; BGH, Urt. v. 6. Juli 2000 - IX ZR 198/99, NJW 2001, 673, 674). Insoweit handelt es sich um Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität, zu deren Beurteilung die Beweismaûstäbe des
§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO heranzuziehen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192, 196; 133, 110, 113).
Kreft Stodolkowitz Kirchhof Richter am Bundesgerichtshof Dr. Fischer ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit verhindert , seine Unterschrift beizufügen. Kreft Raebel

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.