Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - IX ZR 215/08

bei uns veröffentlicht am17.12.2009
vorgehend
Landgericht Magdeburg, 9 O 2205/07, 07.05.2008
Oberlandesgericht Naumburg, 5 U 72/08, 17.09.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 215/08
vom
17. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und
Grupp
am 17. Dezember 2009

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. September 2008 wird die Revision zugelassen , soweit die Beklagte zur Zahlung von 410.640 € verurteilt wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:


1
1. Erfolg hat die Nichtzulassungsbeschwerde im Blick auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 410.640€, wie sich aus dem Senatsurteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 214/08 (z.V.b.) ergibt, auf das vollinhaltlich Bezug genommen wird.
2
2. Hingegen ist die Beschwerde zurückzuweisen, soweit die Beklagte gegen die unstreitige Klageforderung in Höhe von 34.800 € mit auf sie nach Zahlung von Insolvenzausfallgeld gemäß § 187 Abs. 3 SGB III übergegangenen Forderungen aufrechnet. Insoweit ist ein Zulassungsgrund nicht gegeben. Der Wirksamkeit der Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen.
3
a) Zu § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist anerkannt, dass die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, selbständig angefochten werden kann. Der Verwalter kann die Wirkungen der Anfechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken (BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009 - IX ZR 147/06, WM 2009, 2394, 2395 Rn. 11).
4
b) Die Aufrechnung ist nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Regelung ist nicht auf Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners beschränkt, sofern der inzident zu prüfende Anfechtungstatbestand - hier (bei zugunsten der Beklagten unterstellter Kongruenz ) § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO - eine solche nicht voraussetzt (HKInsO /Kayser, 5. Aufl. § 96 Rn. 32). Als Rechtshandlung kommt grundsätzlich jedes Rechtsgeschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger - oder Schuldnerstellung führt (BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009, aaO Rn. 15). Danach liegt eine Rechtshandlung vor, wenn der Aufrechnende als Schuldner im Wege der Abtretung eine Forderung erlangt hat (OLG Köln NJW-RR 2001, 1493, 1494 m.w.N.; HmbKomm-InsO/Jacoby, 3. Aufl. § 96 Rn. 12). Ebenso sind Rechtshandlungen Dritter anfechtbar, die - wie im Streitfall die Beantragung von Insolvenzausfallgeld - kraft eines gesetzlichen Forderungsübergangs dem Aufrechnenden eine Gläubigerstellung verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009, aaO Rn. 16 ff).
5
c) Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind gegeben, weil die Beklagte die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nach Kenntnis des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin erworben hat. Da die Aufrechnung zu einer vollen Befriedigung der Beklagten führt, liegt auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) vor.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 07.05.2008 - 9 O 2205/07 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 17.09.2008 - 5 U 72/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - IX ZR 215/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - IX ZR 215/08

Referenzen - Gesetze

Insolvenzordnung - InsO | § 130 Kongruente Deckung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, we

Insolvenzordnung - InsO | § 129 Grundsatz


(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechts

Insolvenzordnung - InsO | § 96 Unzulässigkeit der Aufrechnung


(1) Die Aufrechnung ist unzulässig, 1. wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,2. wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens vo
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - IX ZR 215/08 zitiert 5 §§.

Insolvenzordnung - InsO | § 130 Kongruente Deckung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, we

Insolvenzordnung - InsO | § 129 Grundsatz


(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechts

Insolvenzordnung - InsO | § 96 Unzulässigkeit der Aufrechnung


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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2009 - IX ZR 214/08

bei uns veröffentlicht am 17.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 214/08 Verkündet am: 17. Dezember 2009 Hauck Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 103; BGB §§ 133

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 214/08
Verkündet am:
17. Dezember 2009
Hauck
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verpflichtet sich eine Personal-Service-Agentur durch einen Vertrag gegenüber
der Bundesagentur für Arbeit zur Einstellung von zuvor arbeitslosen Arbeitnehmern
in sozialversicherungspflichtige, nach einem Tarifvertrag zu vergütende
Beschäftigungsverhältnisse, so hat die Bundesagentur für Arbeit in der Insolvenz
der Personal-Service-Agentur die von ihr als Gegenleistung für die Einstellung
eines jeden Arbeitnehmers geschuldete Fallpauschale nicht an den Insolvenzverwalter
zu entrichten, wenn die Personal-Service-Agentur keine Lohnzahlungen
an die Arbeitnehmer erbracht hat.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 214/08 - OLG Naumburg
LG Dessau-Roßlau
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. September 2008 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 16. Februar 2004 über das Vermögen der M. , G. mbH (nachfolgend Schuldnerin) am 1. Mai 2004 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Der Schuldnerin wurde am 5. Februar 2003 von der beklagten B. die Erlaubnis für eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung auf die Dauer eines Jahres erteilt. Am 5./15. Mai 2003 schlossen die Par- teien einen "Vertrag über die Einrichtung und den Betrieb einer PersonalService -Agentur (PSA) auf der Grundlage des § 37c Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)" im sozialen Bereich; einen inhaltlich gleichlautenden Vertrag vereinbarten sie ebenfalls am 15. Mai 2003 im büro- und kaufmännischen Sektor. Neben dem eigentlichen Vertragstext waren unter anderem eine Leistungsbeschreibung und ein Preisangebot Gegenstand der vertraglichen Einigung.
3
Nach dem Inhalt der getroffenen Abreden ist die Schuldnerin verpflichtet, eine Personal-Service-Agentur (PSA) nach § 37c SGB III in Verbindung mit § 434g Abs. 5 SGB III im Bereich des Arbeitsamts Wittenberg einzurichten und als organisatorisch eigenständige Einheit zu betreiben. Die Schuldnerin hat vom Arbeitsamt vorgeschlagene Arbeitnehmer auf der Grundlage des Tarifvertrages über Arbeitnehmerüberlassung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse einzustellen und eine vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung durchzuführen. Sie erhält dafür je Arbeitnehmer eine monatliche Fallpauschale in Höhe von 1.400 €.
4
Im Januar 2004 stellte die - bereits geraume Zeit zuvor insolvenzreife - Schuldnerin die Lohnzahlungen an die Arbeitnehm er ein. Die Beklagte widerrief die zwischenzeitlich bis zum 7. Februar 2005 verlängerte Erlaubnis für gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gegenüber der Schuldnerin am 16. Februar 2004. Der Kläger verlangt für den Monat Februar 2004 von der Beklagten Zahlung von Fallpauschalen in Höhe des rechnerisch unstreitigen Betrages von 88.102 €. Das Berufungsgericht hat der von dem Landgericht abgewiesenen Klage stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
7
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der ungeschmälerten Fallpauschale werde nicht dadurch berührt, dass den Arbeitnehmern im fraglichen Zeitpunkt kein Lohn gezahlt worden sei. Der Sache nach berufe sich die Beklagte auf die aus § 103 Abs. 1 InsO folgende fehlende Durchsetzbarkeit der Klageforderung. Bilde die Lohnzahlung durch die Schuldnerin eine Gegenleistung für die Zahlung der Fallpauschale, liege ein beiderseits nicht vollständig erfüllter Vertrag mit der Folge vor, dass die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Ansprüche ihre Durchsetzbarkeit verlören. Für die Anwendung des § 320 BGB sei erst Raum, wenn der Kläger ein Erfüllungsverlangen geltend mache. Eine solche - auch konkludente - Erklärung liege nicht vor, weil der Kläger von der vollständigen Erfüllung des Vertrages durch die Schuldnerin ausgehe.
8
Die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer sei keine im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Zahlung der Fallpauschale stehende Leistung. Ein solches in den Verträgen nicht ausdrücklich vorgesehenes Gegenseitigkeitsverhältnis ergebe sich auch nicht im Wege der Vertragsauslegung. Zu den von der Schuldnerin gegenüber der Beklagten übernommenen Leistungspflichten gehöre nicht die Zahlung der Löhne an die Arbeitnehmer. Die Schuldnerin sei im Verhältnis zur Beklagten nur verpflichtet, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu begründen. Ein wirtschaftliches oder rechtliches Interesse der Beklagten, neben den Arbeitnehmern einen Anspruch auf Lohnzahlung zu erhalten, sei nicht ersichtlich , weil sie mit der Begründung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse von der Pflicht zu Entgeltersatzleistungen entbunden sei. Ein eigener Anspruch gegen die Schuldnerin auf Zahlung der Löhne an die Arbeitnehmer befreie die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Insolvenzausfallgeld. Die Höhe der Pauschale und ihre Degression deuteten nicht darauf hin, dass damit die Lohnzahlung durch die Schuldnerin an die Arbeitnehmer bezweckt werde.

II.


9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist den Anforderungen an eine nach beiden Seiten hin interessengerechte Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) nicht gerecht geworden. Sie ergibt, dass die Schuldnerin gegenüber der Beklagten als Gegenleistung für die Gewährung der Fallpauschalen zur Lohnzahlung an die von ihr eingestellten Arbeitnehmer verpflichtet ist (§ 320 BGB). Mangels Lohnzahlung seitens der Schuldnerin kann die Beklagte die Entrichtung der Fallpauschalen verweigern.
10
1. Bilden die seitens der Schuldnerin an ihre Arbeitnehmer zu erbringenden Lohnzahlungen eine Gegenleistung im Sinne des § 320 BGB für die von der Beklagten versprochenen Fallpauschalen, liegt im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein beiderseits nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Vertrag nach § 103 InsO vor. Diese Vorschrift wird im Streitfall nicht durch § 116 InsO verdrängt , weil es sich um einen Vertrag sui generis handelt. Sie wäre selbst dann unanwendbar, wenn man von einem Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) ausginge, weil das Insolvenzverfahren nicht über das Vermögen des Geschäftsherrn , sondern des Geschäftsbesorgers eröffnet wurde (MünchKommInsO /Ott/Vuia, 2. Aufl. § 116 Rn. 4; FK-InsO/Wegener, 5. Aufl. § 116 Rn. 21). Da der Kläger die Erfüllung des Vertrages abgelehnt hat, greift § 103 Abs. 2 InsO ein.
11
a) Rechtlich zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung bewirkt. Vielmehr verlieren die noch offenen Ansprüche im Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit. Die Verfahrenseröffnung hat wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner (§ 320 BGB) zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche nur durchsetzen können, soweit es sich um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt (BGHZ 150, 353, 359; 155, 87, 90; BGH, Urt. v. 17. November 2005 - IX ZR 162/04, WM 2006, 144, 146; Urt. v. 1. März 2007 - IX ZR 81/05, WM 2007, 840, 841 Rn. 11).
12
b) Falls der Vertragspartner vor Insolvenzeröffnung im Unterschied zu dem Schuldner eine Teilleistung bewirkt hat, steht dem Vertragspartner ein der Teilleistung entsprechender Anspruch auf die Gegenleistung als Insolvenzforderung zu (MünchKomm-InsO/Kreft, aaO § 103 Rn. 25); in diesem Fall kann der Insolvenzverwalter einen Anspruch gegen den Vertragspartner nicht geltend machen (MünchKomm-InsO/Kreft, aaO § 103 Rn. 28). Sofern der Schuldner vor Verfahrenseröffnung anders als sein Vertragspartner teilweise geleistet hat, kann der Insolvenzverwalter grundsätzlich eine der tatsächlich bewirkten Leistung entsprechende anteilige Vergütung beanspruchen (MünchKomm- InsO/Kreft, aaO § 103 Rn. 32). Von beiden Vertragspartnern vor Insolvenzeröffnung erbrachte gleichwertige Teilleistungen werden in ihrer Wirksamkeit von der Insolvenzeröffnung nicht berührt (MünchKomm-InsO/Kreft, aaO § 103 Rn. 37). Haben beide Seiten bis zur Insolvenzeröffnung keine Teilleistungen erbracht, steht dem Insolvenzverwalter mangels eines Erfüllungsverlangens wegen der Einrede aus § 320 BGB kein durchsetzbarer Anspruch gegen seinen Vertragspartner zu (MünchKomm-InsO/Kreft, aaO § 103 Rn. 17).
13
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe die den Klageforderungen zugrunde liegenden Leistungen vor Insolvenzeröffnung ordnungsgemäß erfüllt, lässt die gebotene beiderseits interessengerechte Auslegung der insoweit maßgeblichen Vertragsbestimmungen vermissen.
14
a) Die tatrichterliche Auslegung ist für das Revisionsgericht nicht bindend , wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt werden. Die Vertragsauslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen (BGHZ 124, 39, 44 f; BGH, Urt. v. 31. Januar 1995 - XI ZR 56/04, NJW 1995, 1212, 1213; Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, NJW 1998, 2966). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (BGHZ 131, 136, 138). Dieser Grundsatz bezweckt, die Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen (BGHZ, aaO). Es geht hierbei nicht darum, dem Rechtsgeschäft zu dem Inhalt zu verhelfen, der dem Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengemäß erscheint. Maßgeblich ist vielmehr der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (BGHZ 143, 175, 178; BGH, Urt. v. 10. Juli 1998 - V ZR 360/96, NJW 1998, 3268, 3269 f).
15
b) Eine diese Grundsätze beachtende Auslegung der Parteivereinbarung ergibt, dass die Schuldnerin von der Beklagten die Zahlung der Fallpauschalen nur verlangen kann, wenn sie ihrerseits entsprechend der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung die tarifvertraglich geschuldeten Löhne an ihre Arbeitnehmer tatsächlich entrichtet.
16
aa) Der Vertragswortlaut sieht unter "Vertragsgegenstand" ausdrücklich vor, dass die Schuldnerin "Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" einstellt und eine "vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung" durchführt. Ferner ist unter "Gestaltung der Arbeitsverhältnisse" geregelt, dass sich "das Arbeitsentgelt und die sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 434g Abs. 5 SGB III nach einem Tarifvertrag über Arbeitnehmerüberlassung" richten. "Verleihfreie Zeiten" sind von der Schuldnerin für "arbeitsmarktorientierte Integrationsbemühungen und individuell geeignete Kurzzeitqualifizierungen zu nutzen, ohne dass die insoweit eventuell anfallenden Kosten vom Arbeitsamt gesondert vergütet werden". Die Schuldnerin erhält "für ihre Tätigkeit vom Arbeitsamt ein Honorar", das "aus einer monatlichen Fallpauschale und einer erfolgsbezogenen Integrations-/Vermittlungsprämie besteht". Als "monatliche Fallpauschale" wurde für "jeden eingestellten Arbeitslosen" ein Betrag von 1.400 € vereinbart, der sich ab dem vierten Kalendermonat auf 75 % und ab dem siebten Kalendermonat auf 50 % des Grundbetrags reduziert. Außerdem ist ausdrücklich vertraglich festgelegt, dass "die Gewährung weiterer Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung (z.B. Lohnkostenzuschüsse) nicht möglich ist". Diese Regelungen werden zudem in der als Vertragsbestandteil geltenden Leistungsbeschreibung wiederholt. Diese Vertragsbestimmungen lassen unzweideutig erkennen, dass die Zahlung von Arbeitsentgelt an die von ihr eingestellten Arbeitnehmer zu den von der Schuldnerin gegenüber der Beklagten übernommenen Pflichten gehört.
17
Die (1) vertragsgemäß geschuldete Einstellung von Arbeitnehmern in "sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" ist bereits für sich genommen mit der Zahlung von Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmer als Grundlage der Sozialversicherungspflicht verbunden. Die weitergehende ausdrückliche Anerkennung des Tarifvertrages über Arbeitnehmerüberlassung begründet eine Verpflichtung der Schuldnerin gegenüber der Beklagten, die tarifvertragliche Vergütung an die in Arbeitsverhältnisse übernommenen Arbeitnehmer zu entrichten. Die Einbeziehung der tarifvertraglichen Pflichten der Schuldnerin gegenüber ihren Arbeitnehmern in das Vertragsverhältnis mit der Beklagten entfaltet nur dann rechtliche Wirksamkeit, wenn die Beklagte die Durchsetzung dieser Pflichten vertraglich einfordern kann. Ist die Geltung des Tarifvertrages vereinbart, folgt daraus ohne weiteres, dass die dort vorgesehenen Lohnverpflichtungen auch tatsächlich zu erfüllen sind.
18
Als (2) Honorar für die von ihr geschuldeten Leistungen erhält die Schuldnerin eine monatliche Fallpauschale von 1.400 € je Arbeitnehmer. Der Begriff der "Pauschale" verdeutlicht, dass damit die gesamte Tätigkeit der Schuldnerin einschließlich der Zahlung von Arbeitsentgelt abgegolten ist (BTDrucks. 15/25 S. 28). Im Blick auf die nicht unbeträchtliche Höhe der Fallpauschale soll auf diese Weise vornehmlich der finanzielle Aufwand der Schuldnerin für die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer ausgeglichen werden. Dies erschließt sich auch aus der unter Nr. 9 getroffenen Vertragsklausel, wonach die Pauschale anteilig herabgesetzt wird, soweit der einzelne Arbeitnehmer statt in einem Vollzeitarbeitsverhältnis lediglich in einem Teilzeitarbeitsverhältnis tätig ist. Dienen die Zahlungen der Beklagten danach der Vergütung der von der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer, versteht es sich von selbst, dass die tatsächliche Lohnzahlung im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Gewährung der Fallpauschalen steht. Soweit die Fallpauschale zeitlich degressiv ausgestaltet ist, sollen damit - ohne dass der Zahlungszweck eine Änderung erfährt - lediglich die Bemühungen der Schuldnerin, eine Übernahme der Arbeitnehmer durch den Entleiher oder anderer Arbeitgeber zu verwirklichen, verstärkt werden (BTDrucks. aaO).
19
(3) Ferner ist in dem Vertrag ausdrücklich vorgesehen, dass von der Schuldnerin durchgeführte arbeitsmarktorientierte Integrationsbemühungen und individuell geeignete Kurzzeitqualifizierungen nicht gesondert vergütet werden und auch die Gewährung weiterer Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung wie Lohnkostenzuschüsse ausscheidet. Im Umkehrschluss ist dieser Regelung zu entnehmen, dass die Schuldnerin für die Zahlung der Arbeitsentgelte an die Arbeitnehmer keine zusätzliche Vergütung verlangen kann, sondern diese Leistungen durch die Pauschale abgegolten sind. Mithin hat die Schuldnerin das gesamte vertraglich übernommene Leistungsspektrum einschließlich der Lohnzahlung an die Arbeitnehmer zu erfüllen, um in den Genuss der Vergütung durch die vereinbarten Fallpauschalen zu gelangen. Dass unabhängig von der Lohnzahlung zu vergütende Teilleistungen erbracht wurden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
20
bb) Dieses vom Wortlaut ausgehende Verständnis des Vertrages ist entsprechend den Motiven des Gesetzgebers auch allein interessengerecht.
21
(1) Bereits der Gesetzgeber hat im Rahmen der Einführung des § 37c, § 434g Abs. 5 SGB III zum Ausdruck gebracht, dass die Personal-ServiceAgenturen nur eine Vergütung von dem Arbeitsamt erhalten, wenn das von ihnen geleistete Arbeitsentgelt dem Tarifvertrag über Arbeitsüberlassung entspricht (BT-Drucks. 15/25 S. 37). Diese Regelung wäre mit Rücksicht auf die von dem Arbeitsamt gewährte Gegenleistung jeden Sinnes beraubt, wenn es der Schuldnerin im Verhältnis zu der Arbeitsverwaltung freistünde, ob sie die tarifvertraglich festgelegten Entgelte tatsächlich an ihre Arbeitnehmer zahlt. Unterschreitet eine wirtschaftlich gesunde Personal-Service-Agentur aus übertriebenem Erwerbsinteresse gegenüber ihren Arbeitnehmern die tarifvertraglichen Vergütungssätze, ist die Arbeitsverwaltung folglich berechtigt, die Zahlung der Fallpauschale zu verweigern. Nicht anders verhält es sich, wenn - wie hier - eine insolvente Personal-Service-Agentur die Lohnzahlung völlig einstellt.
22
(2) Der zwischen der Schuldnerin und der Beklagten geschlossene Vertrag sieht für verleihfreie Zeiten die Vornahme arbeitsorientierter Integrationsbemühungen und individuell geeigneter Kurzzeitqualifizierungen vor. Nach dem Vertragsinhalt sind die Arbeitnehmer jedoch "vorrangig" an andere Arbeitgeber mit dem Ziel der Übernahme zu überlassen. Da für während verleihfreier Zeiten vorgenommene Maßnahmen keine gesonderte Vergütung durch das Arbeitsamt gezahlt wird, soll das finanzielle Risiko, dass die Schuldnerin als PersonalService -Agentur in bestimmten Zeiten keinen Ausgleich durch Zahlungen von Entleihern erhält, ersichtlich mit der Fallpauschale abgegolten werden. Folgerichtig kann die Schuldnerin unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern tätig sind oder an Qualifizierungsmaßnahmen der Schuldnerin teilnehmen, Zahlung der Fallpauschalen nur verlangen, wenn sie in der Lage ist, die tarifvertraglichen Entgelte an die Arbeitnehmer zu entrichten.
23
(3) Schließlich ist nach dem Vertragsinhalt im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben (BT-Drucks. 15/25 S. 28) die Zahlung von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung wie Lohnkostenzuschüssen ausgeschlossen. Würden - wie es dem Kläger vorschwebt - Fallpauschalen trotz Abbruchs der Leistung von Arbeitsentgelt gewährt, so käme es mittelbar zu vertragswidrigen Lohnzuschüssen, weil die Beklagte nunmehr als Ersatz für die von der Schuldnerin nicht mehr geleistete Lohnzahlung Insolvenzausfallgeld (§§ 183 ff SGB III) zu erbringen hätte. Ein Anspruch auf die Fallpauschale kann demzufolge nur bestehen, wenn die Personal-Service-Agentur die tarifvertraglich geschuldete Entlohnung tatsächlich erbringt.
24
c) An dem von § 320 BGB vorausgesetzten Gegenseitigkeitsverhältnis fehlt es nicht deswegen, weil die Schuldnerin die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer und nicht an die Beklagte als ihre Vertragspartnerin zu erbringen hat.
25
Ohne die Schaffung von Personal-Service-Agenturen obläge es der Beklagten , Arbeitslose durch die Gewährung von Entgeltersatzleistungen (§ 116 SGB III), insbesondere Arbeitslosengeld (§§ 117 ff SGB III), zu unterstützen. Mit Hilfe der verwirklichten vertraglichen Gestaltung werden Arbeitslose in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen; zugleich wird die Beklagte, welche die Einstellung von Arbeitslosen durch Zahlung der Fallpauschalen (mittelbar) vergütet , von der Zahlung öffentlicher Unterstützungsleistungen befreit. Folglich bezweckt die Beklagte mit ihrer Zahlung in ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse eine Leistung der Schuldnerin an die bei dieser eingestellten Arbeitslosen. Die hier gewählte vertragliche Gestaltung ähnelt im Blick auf die von der Schuldnerin als Gegenleistung für die Bezuschussung der Arbeitsverhältnisse zu Gunsten der Beklagten übernommene Zahlung von Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmer der Konstellation einer Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB). Es ist anerkannt, dass es für die Annahme eines Gegenseitigkeitsverhältnisses ausreicht , wenn der Schuldner die Leistung vertragsgemäß zugunsten eines Dritten zu bewirken hat (RGRK-BGB/Ballhaus, 12. Aufl. Rn. 3 vor § 320; Staudinger /Otto, BGB 2004 § 320 Rn. 17). Demnach ist ein Synallagma hier gegeben, weil die Lohnzahlung der Schuldnerin nach Sinn und Zweck des Vertrages dazu dient, die Beklagte von Ansprüchen Arbeitsloser auf Entgeltersatzleistungen zu befreien. Der von ihr übernommenen Verpflichtung, die Beklagte von öffentlichen Ansprüchen Arbeitsloser zu entbinden, genügt die Schuldnerin nicht bereits durch die Begründung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen , sondern erst durch die Auszahlung des geschuldeten Arbeitsentgelts, weil die Beklagte im Falle einer Insolvenz an die Beschäftigten Insolvenzgeld (§§ 183 ff SGB III) zu entrichten hat. Zwar ist bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Verleiher mit der Pflicht des Entleihers zur Zahlung der vereinbarten Vergütung nicht synallagmatisch verknüpft (BGHZ 161, 241, 251 f). Vorliegend handelt es sich jedoch weder um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag noch um die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Vielmehr war hier der Wille der Vertragsschließenden - ähnlich wie bei der synallagmatisch an die Überlassung von Arbeitnehmern gebundenen Vergütung (BGHZ, aaO) - darauf gerichtet, durch die Gewährung von Fallpauschalen die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer zu entgelten.
26
3. Vorliegend haben beide Vertragspartner bezogen auf den der Klageforderung zugrunde liegenden Monat Februar 2004 keine vertraglichen Leistungen bewirkt, weil die Schuldnerin die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht entlohnt und die Beklagte keine Fallpauschalen gezahlt hat. In einem solchen Fall steht dem Kläger als Insolvenzverwalter mit Rücksicht auf die Nichterfüllungseinrede des Vertragspartners (§ 320 BGB) ein durchsetzbarer Anspruch gegen diesen nicht zu. Selbst wenn man - anders als der Senat - im Betrieb der Personal-Service-Agentur und in der Aufrechterhaltung der Beschäftigungsverhältnisse mit den Arbeitnehmern von der Schuldnerin bewirkte Teilleistungen erkennen wollte, könnte sie hierfür nach der unter der Geltung von § 17 KO begründeten und auf § 103 InsO übertragbaren Rechtsprechung eine anteilige Vergütung nur dann beanspruchen, wenn die von der Beklagten geschuldete Gegenleistung teilbar wäre (BGHZ 129, 336, 340). An der Teilbarkeit der Gegenleistung fehlt es indes, weil die Beklagte eine nicht auf Einzelleistungen aufspaltbare Pauschale schuldet.

III.


27
Auf die begründete Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und auf der Grundlage des gewonnenen Auslegungsergebnisses die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 20.06.2008 - 2 O 39/08 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 17.09.2008 - 5 U 90/08 -

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.