Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2010 - IX ZR 79/09

bei uns veröffentlicht am15.04.2010
vorgehend
Landgericht Arnsberg, 4 O 28/07, 31.05.2007
Oberlandesgericht Hamm, 25 U 58/07, 27.03.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 79/09
vom
15. April 2010
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 15. April 2010

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. März 2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 352.521,16 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.

I.


2
Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte dagegen, wegen der Nichtverhinderung von Veruntreuungen zur Schadensersatzleistung in Höhe von 167.201,50 € verurteilt worden zu sein.
3
1. Vergeblich macht der Beklagte unter Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG geltend, der Vorwurf des Berufungsgerichts, bestimmte Buchungen nicht hinter- fragt zu haben, gehe ins Leere, weil es sich insoweit um ordnungsgemäße Buchungen gehandelt habe.
4
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Zeugin M. das Buchungskonto durchlaufende Positionen (Nr. 1590) für ihre Unterschlagungen zwischengeschaltet. Gegen diese tatbestandliche Feststellung hat der Beklagten einen Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) nicht geltend gemacht. Mithin ist für das Revisionsverfahren von der Richtigkeit dieser Feststellung auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Februar 2009 - IX ZR 78/07, WM 2009, 662, 663 Rn. 13). Wurde das Konto durchlaufende Positionen im Zuge der Unterschlagungen verwendet, so bewegt sich die Annahme, dass die dort ersichtliche Verbuchung eines ungewöhnlich hohen Betrages Anlass für Nachforschungen geben konnte, innerhalb des revisionsrechtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraumes des Tatgerichts. Im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht in der Stornierung eines Betrages von 1.941.512,41 €, sondern in der Erfassung des Stornovorganges über das Konto durchlaufende Positionen eine Nachforschungen aufdrängende Auffälligkeit erblickt. Über diese buchungsmäßigen Besonderheiten und die sich daraus ergebende Veranlassung einer umfassenden Kontrolle der gesamten Buchführung hat der Mitarbeiter D. ausweislich des Beklagtenvorbringens die Klägerin nicht unterrichtet.
5
2. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde meint, durch das Versäumnis des Beklagten sei der Schaden nicht kausal hervorgerufen worden und das vorsätzliche Handeln der Zeugin M. schließe eine Einstandspflicht des Beklagten aus, wird bereits ein Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargelegt (vgl. BGHZ 152, 182, 191).
6
Das Verschulden des Organs ist gemäß § 31 BGB als unmittelbar eigenes Verschulden der juristischen Person anzusehen. Darum führt ein Vorsatz des Organs des Geschädigten zum Ausschluss von Schadensersatzansprüchen gegen nur fahrlässig handelnde Dritte. Hat der Rechtsträger hingegen - wie im Streitfall - für vorsätzliches Handeln lediglich eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen einzustehen, wird im Falle eines fahrlässigen Handelns des Anspruchsgegners der Schaden lediglich gemindert (BGH, Urt. v. 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82, NJW 1984, 921, 922; Urt. v. 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90, NJW 1991, 3208, 3210).
7
3. Soweit der Beklagte wegen der Abtretung der Klägerin gegen ihren Geschäftsführer zustehender Schadensersatzansprüche ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag, dass die haftungsbegründenden Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 43 GmbHG erfüllt sind.

II.


8
Ein Zulassungsgrund greift auch nicht ein, soweit sich der Beklagte dagegen wendet, wegen der Hinnahme von gegen die Klägerin ergangenen Schätzungsbescheiden des Finanzamts zur Schadensersatzleistung in Höhe von 185.319,66 € verurteilt worden zu sein.
9
1. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu der Feststellung gelangt, dass der Beklagte die Möglichkeit, die Buchführung aus der Warenwirtschaft zu rekonstruieren, nicht substantiiert bestritten hat. Überdies ist die Nichtzulassungsbeschwerde der weiteren - tragenden - Erwä- gung des Berufungsgerichts nicht entgegengetreten, dass die von der Klägerin eingeschaltete Steuerberatungsgesellschaft nachträglich zu einer Wiederherstellung der Buchführung aus der Warenwirtschaft tatsächlich in der Lage war und Entsprechendes auch für den Beklagten gilt.
10
2. Soweit der Beklagte die als grundsätzlich eingestufte Rechtsfrage unterbreitet , welche Anforderungen an die Konkretisierung der Hinweispflicht des Steuerberaters vor Einspruch gegen Schätzungsbescheide nach Beanstandung der Buchhaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung zu stellen sind, fehlt es bereits an einer ordnungsgemäßen Darlegung des Zulassungsgrundes (BGHZ 152, 182, 191). Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte pflichtwidrig gehandelt hat, bildet ohnehin eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Arnsberg, Entscheidung vom 31.05.2007 - 4 O 28/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.03.2009 - 25 U 58/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2010 - IX ZR 79/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2010 - IX ZR 79/09

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 43 Haftung der Geschäftsführer


(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Sch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 31 Haftung des Vereins für Organe


Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

Zivilprozessordnung - ZPO | § 320 Berichtigung des Tatbestandes


(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung ein
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2010 - IX ZR 79/09 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 43 Haftung der Geschäftsführer


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Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2009 - IX ZR 78/07

bei uns veröffentlicht am 05.02.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 78/07 Verkündet am: 5. Februar 2009 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO §§ 115, 116 Die Ban

Referenzen

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

13
a) Im Zeitpunkt der Überweisung von 301.116,67 € befand sich auf dem Konto der Schuldnerin ein Guthaben von 238.221,54 €. Folglich beläuft sich der Bereicherungsanspruch der Beklagten infolge der das Guthaben übersteigenden Zahlung auf 62.895,13 €. Insoweit kann die Klägerin - entgegen ihrem Revisionsvorbringen - nicht deshalb Erstattung beanspruchen, weil sie Lastschriften widersprochen hat. Ein Zahlungsanspruch besteht - hier nicht, weil sich das Konto nach Rückbuchung einer Lastschrift - im Debet befand. In einem solchen Fall beschränkt sich der Anspruch auf die Korrektur der ungenehmigten Belas- tung (BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002 - IX ZR 125/02, WM 2002, 2408, 2409). Die Revision kann mit dem Vorbringen, die der Schuldnerin von der Beklagten eingeräumte Kreditlinie sei nicht ausgeschöpft gewesen, keine Beachtung finden , weil sie es versäumt hat, die gegenteiligen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mit Hilfe eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) anzugreifen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434, 1435 Rn. 11 m.w.N.).

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.