Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 82/09

bei uns veröffentlicht am29.09.2011
vorgehend
Landgericht Krefeld, 5 O 356/07, 26.08.2008
Oberlandesgericht Düsseldorf, 22 U 168/08, 20.03.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 82/09
vom
29. September 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill, Raebel,
Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin Möhring
am 29. September 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. März 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 87.113,53 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Entgegen der Ansicht der Beschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
2
Mit der Rüge von Rechtsfehlern und der pauschalen Behauptung, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Senats grundlegend missverstanden , ist das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als Grund der Revisionszulassung nicht dargelegt. Die Beschwerdebegründung hätte vielmehr einen bestimmten, entscheidungserheblichen Obersatz des Berufungsurteils herausarbeiten müssen, der, sei es aufgrund eines Missver- ständnisses, sei es aufgrund anderer Erwägungen, von dem Obersatz einer Vergleichsentscheidung abweicht (BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - IX ZR 212/08, WM 2011, 1196 Rn. 3 bis 6). Daran fehlt es.
3
Bezüglich der ersten Schadensposition - Verlust eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 76.448,40 € - zeigt die Beschwerde weder zur Frage der Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB noch zur Frage der Beweislast für die Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung auf, dass das Berufungsurteil auf einem Obersatz beruht, der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines Oberlandesgerichts abweicht.
4
Die zweite Schadensposition betreffend die festgesetzte Zwangsverwaltervergütung hat das Berufungsgericht mit Recht an der Vorschrift des § 826 BGB gemessen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist der Beschluss über die Festsetzung einer solchen Vergütung der formellen und materiellen Rechtskraft fähig (vgl. zur Vergütung des Insolvenzverwalters BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353).
5
Auch hinsichtlich der dritten Schadensposition - Zinsschaden bezüglich des Vergleichsbetrags - ist eine Abweichung im Obersatz nicht dargelegt. Der Vortrag, das Berufungsgericht habe die Pflichten eines Zwangsverwalters in Bezug auf einen ihm ausgezahlten, nicht der Beschlagnahme unterfallenden Betrag grundlegend verkannt, genügt hierfür nicht.
Vill Raebel Gehrlein
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 26.08.2008 - 5 O 356/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.03.2009 - I-22 U 168/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 82/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 82/09

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen


Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjähru
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 82/09 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen


Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjähru

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. März 2011 - IX ZR 212/08

bei uns veröffentlicht am 23.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 212/08 vom 23. März 2011 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 Abs. 2 Satz 3 Rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht habe d

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07

bei uns veröffentlicht am 20.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 11/07 vom 20. Mai 2010 in dem Gesamtvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja InsO § 64 Abs. 1; InsVV § 8 Abs. 1 und 2; VergVO § 6 a) Die Festsetzung der Verwaltervergütung im I

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

3
1. Mit der Rüge von Rechtsfehlern und der Behauptung, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Senats zu der Frage, wann ein Scha- densersatzanspruch gegen den Steuerberater entstanden sei (beispielhaftes Zitat von BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786 und BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386), grundlegend missverstanden, ist das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als Grund der Revisionszulassung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) nicht dargelegt. Die Beschwerdebegründung hätte vielmehr einen bestimmten, entscheidungserheblichen Obersatz des Berufungsurteils herausarbeiten müssen , der, sei es aufgrund eines Missverständnisses, sei es aufgrund anderer Erwägungen, von dem Obersatz einer Vergleichsentscheidung abweicht. In dieser Hinsicht gilt nichts anderes als für die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsfortbildung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 50/09, WM 2010, 237 Rn. 4). Auf den Obersatzvergleich stellt der Senat auch für die Einheitlichkeitssicherung in ständiger Rechtsprechung ab (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZR 150/08, bei juris Rn. 2; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 56/09, bei juris Rn. 2; vom 16. September 2010 - IX ZB 203/09, bei juris Rn. 1).

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 11/07
vom
20. Mai 2010
in dem Gesamtvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die Festsetzung der Verwaltervergütung im Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverfahren
entfaltet materielle Rechtskraft für den Vergütungsanspruch als
solchen und seinen Umfang; die Berechnungsgrundlage und der Vergütungssatz
einschließlich der hierbei bejahten oder verneinten Zu- oder Abschläge nehmen
als Vorfragen an der Rechtskraft nicht teil.

b) Ein Zweitverfahren über die Festsetzung der Verwaltervergütung kann nicht auf
Umstände gestützt werden, die bereits im Erstverfahren geltend gemacht worden
sind oder hätten geltend gemacht werden können.
BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape und
Grupp
am 20. Mai 2010

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 8. Januar 2007 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 40.331,12 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Nach rechtskräftiger Festsetzung seiner Vergütung als Gesamtvollstreckungsverwalter beantragte der weitere Beteiligte die Festsetzung einer zusätzlichen Verwaltervergütung einschließlich Erstattung von Umsatzsteuern in Höhe von 71.355,04 €. Der Verwalter stützte sich zur Begründung dieser Nachforderung auf Umstände, die teils bei der Erstfestsetzung seiner Ansicht nach nicht konkret beschieden, teils in seinem ersten Festsetzungsantrag nicht gesondert erwähnt worden waren. Das Amtsgericht gewährte dem weiteren Beteiligten daraufhin einen weiteren Zuschlag für den Erhalt von 30 Arbeitsplätzen im Zuge einer übertragenden Sanierung. Weitere beanspruchte Zuschläge für Arbeitnehmerangelegenheiten , hier aufgrund der Anordnung von Kurzarbeit, der Durchführung einer Differenzlohnberechnung sowie des Abschlusses und der Vorfinanzierung eines Sozialplanes, für die Sanierung von Grundstücksaltlasten und für lange Verfahrensdauer lehnte das Amtsgericht unter Verweisung auf die rechtskräftige Erstfestsetzung ab.
2
Auf die sofortige Beschwerde des Verwalters gewährte ihm das Landgericht einen weiteren Zuschlag für die überlange Verfahrensdauer von insgesamt zwölf Jahren. Im Übrigen bestätigte es die versagende amtsgerichtliche Zweitfestsetzung. Hiergegen wendet sich der Verwalter mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit welcher er seine Beschwer von 40.331,12 € vollen Umfanges angreift.

II.


3
Die nach Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Januar 2004 - IX ZB 62/03, ZIP 2004, 1072; v. 26. Januar 2006 - IX ZB 183/04, ZInsO 2006, 203 Rn. 6) ist unbegründet. Die Rechtskraft der Erstfestsetzung stand im Beschwerdefall dem Nachforderungsverlangen des Verwalters entgegen, welches auf keine neuen Tatsachen gestützt ist.
4
1. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf die im vergütungsrechtlichen Schrifttum wohl allgemein vertretene Ansicht, dass die materielle Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses nur die einzelnen Berechnungsposten des Vergütungsanspruchs ergreift, nicht jedoch dessen Gesamtumfang, so dass in ei- ner Zweitfestsetzung Erhöhungsgründe nachgeschoben werden können, welche in die Erstfestsetzung nicht einbezogen waren (vgl. HK-InsO/Keller, 5. Aufl. § 8 InsVV Rn. 10; Uhlenbruck/Mock, InsO 13. Aufl. § 64 Rn. 13; Eickmann /Prasser in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 8 InsVV Rn. 27; MünchKommInsO /Nowak, 2. Aufl. § 64 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Büttner, 3. Aufl. § 64 Rn. 17; FK-InsO/Lorenz, 5. Aufl. § 8 InsVV Rn. 28; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 8 Rn. 31; Graeber, Vergütung im Insolvenzverfahren von A bis Z Rn. 179 f; Grub EWiR 2000, 587, 588 unter 3. 2). Das Rechtsmittel gibt dem Bundesgerichtshof erstmals Gelegenheit, zu dieser Rechtsfrage Stellung zu nehmen. Seine vereinzelt zugunsten der vorstehend wiedergegebenen Ansicht zitierten Beschlüsse vom 10. November 2005 (IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93 f) und vom 26. Januar 2006 (aaO) betreffen andere Fälle. Dort ging es jeweils um Massezuflüsse nach abschließender Rechnungslegung des Verwalters, verfahrensrechtlich mithin um neue Tatsachen (so ausdrücklich der Beschluss vom 26. Januar 2006, aaO S. 204 Rn. 18 und 27). Ähnlich verhielt es sich bei den im Schrifttum zitierten Entscheidungen des LG Halle (ZInsO 2000, 410) und des LG Magdeburg (ZIP 2004, 1915). Allein der Beschluss des AG Potsdam vom 27. Oktober 1999 (ZIP 2000, 630) betraf eine erweiterte Berechnungsgrundlage der Sequestervergütung, die bereits bei der Erstfestsetzung hätte berücksichtigt werden können.
5
Ansicht Die des Schrifttums geht anscheinend zurück auf Eickmann (VergVO 1. Aufl. § 6 Rn. 25), der eine Analogie zur Rechtskraftwirkung bei Kostenfestsetzungsbeschlüssen nach den §§ 103 ff ZPO befürwortete. Den Grund hierfür sah er darin, dass die Verwaltervergütung sich wie das Kostenfestsetzungsverfahren aus Einzelpositionen zusammensetze, die jeweils einer gesonderten rechtlichen Würdigung bedürfen. Diesem Argument (noch heute Eickmann /Prasser, aaO) folgen von den oben genannten Autoren ausdrücklich No- wak (aaO) und Haarmeyer/Wutzke/Förster (aaO). Die rechtliche Prüfung erweist diese Ansicht als in Begründung und Ergebnis unzutreffend.
6
2. Für das Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Vergütungsfestsetzungsverfahrens gemäß § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 und 2 InsVV oder § 6 VergVO sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht unmittelbar anzuwenden. Das Festsetzungsverfahren über die Verfahrenskosten gemäß § 54 Nr. 2 InsO ist kein Rechtsstreit; sonst wäre nach Art. 92 GG schon seine Übertragung auf den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 Buchst. e, § 18 Abs. 1 RpflG) verfassungswidrig. Ein Parteienstreit zwischen dem vergütungsberechtigten Insolvenzverwalter und der mit der Vergütungspflicht belasteten, vom Insolvenzverwalter selbst repräsentierten Masse kann nicht stattfinden. Es handelt sich vielmehr um ein besonderes Rechtspflegeverfahren, für welches eigene Grundsätze über das Wiederaufgreifen nach rechtskräftigem Abschluss gelten. Deshalb hat der Senat in seinen Beschlüssen vom 10. November 2005 (aaO) und 26. Januar 2006 (aaO) einen Zweitantrag im Festsetzungsverfahren trotz Rechtskraft der Erstfestsetzung für zulässig erachtet, wenn sich durch neue Tatsachen - dort nachträgliche Massezuflüsse, die den Vergütungsberechtigten zuzurechnen waren - die Sachlage nach der Erstfestsetzung zugunsten der Antragssteller geändert hatte.
7
3. Um eine andere Frage handelt es sich bei der Annahme, dass auf die Rechtskraftwirkung der Vergütungsfestsetzung die entsprechenden Grundsätze für Kostenfestsetzungsbeschlüsse zu übertragen seien. Der Senat hat bereits klargestellt, dass das Verfahren der Vergütungsfestsetzung einem Kostenfestsetzungsverfahren nach der Zivilprozessordnung nicht gleichsteht (vgl. BGHZ 175, 48, 50 Rn. 9). Die Begriffsähnlichkeit, die aus § 54 Nr. 2 InsO abgeleitet werden kann, ist für die behandelte Frage unerheblich.
8
Nach der Grundsatzentscheidung der Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts vom 9. Februar 1899 (RGZ 27, 402 f) kommt es im hier erörterten Zusammenhang auf die Rechtsnatur des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs einerseits und des Vergütungsanspruchs für Konkurs-, Gesamtvollstreckungs - oder Insolvenzverwalter andererseits an. Das Reichsgericht hat zutreffend danach unterschieden, ob Gegenstand der Entscheidung der Gesamtanspruch einer Partei auf die gesamte Kostenmenge sei, für welche die einzelnen Posten nur die rechnerische Grundlage bildeten. Unter dieser Voraussetzung umfasse die richterliche Festsetzung wenigstens alle die Kosten, welche der die Kostenfestsetzung Nachsuchende bei seinem Festsetzungsgesuch geltend zu machen in der Lage war. Diese Voraussetzung hat das Reichsgericht für die Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs verneint, weil er sich aus einer Aneinanderreihung selbständiger Einzelansprüche summiere. Es liegt nach dieser Sichtweise nur eine gegenständlich begrenzte Häufung von Einzelansprüchen vor, wenn in einem Kostenfestsetzungsgesuch ein bestimmter Gebührentatbestand fehlt und der Antragsteller auf weitergehende Erstattung nicht verzichtet hat. Insoweit besteht die Möglichkeit, die Festsetzung dieser Gebühr nachzuholen, selbst wenn die Erstfestsetzung rechtskräftig geworden ist. Für den Kostenerstattungsanspruch nach der Zivilprozessordnung hat diese Sichtweise wegen der einzelnen Gebühren- und Auslagentatbestände , aus denen sich die erstattungsfähigen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zusammensetzen, zumindest vieles für sich.
9
Die Unterscheidung zwischen selbständigen Einzelansprüchen und unselbständigen Berechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs führt jedoch bei der Vergütung des Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverwalters zu einem anderen Ergebnis. Hier erbringt die Masse ihre Leistung aufgrund eines einheitlichen Anspruchs, dessen Höhe sich nach unselbständigen Berechnungsfaktoren bestimmt. Der Vergütungsanspruch des Verwalters umfasst keine Aneinanderreihung von Gebührentatbeständen, sondern stellt ein Produkt aus der Berechnungsgrundlage (§ 1 InsVV; §§ 1, 2 VergVO) und dem durch Zuund Abschläge (§ 3 InsVV; § 4 VergVO) erhöhten oder verminderten Regelsatz (§ 2 InsVV; § 3 VergVO) dar. Zu- und Abschläge beim Vergütungssatz können zwar zunächst der Höhe nach einzeln bewertet werden. Dies ist jedoch nicht notwendig. Es genügt die Prüfung dem Grunde nach, so dass anschließend in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer auf das Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung der Gesamtzuschlag oder Gesamtabschlag bestimmt werden kann (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757, 1758 f unter II. 2. b; v. 23. März 2006 - IX ZB 20/05, ZIP 2006, 858, 859 Rn. 5; v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZInsO 2006, 642, 643 Rn. 12; v. 26. April 2007 - IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330, 1332 Rn. 16). Die Zu- und Abschlagsgründe der Verordnung (§ 3 Abs. 1 Buchst. a bis c Abs. 2 Buchst. d InsVV; § 4 Abs. 2 Buchst. a und b, Abs. 3 Buchst. d VergVO) stehen überdies in engem Zusammenhang mit Umfang und Entwicklung der Masse, so dass der Vergütungssatz auch nicht unabhängig von der Berechnungsgrundlage bestimmt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, ZIP 2007, 784, 786 Rn. 19; v. 24. Januar 2008 - IX ZB 120/07, ZIP 2008, 514 Rn. 7, 8). Deshalb ist es möglich, dass bei nachträglichem Massezufluss in einer Zweitfestsetzung bisher gewährte Zuschläge modifiziert werden (offengelassen in BGH, Beschl. v. 26. Januar 2006, aaO S. 204 Rn. 27).
10
Beim Vergütungsanspruch des Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverwalters liegt es also nicht anders als bei sonstigen Vergütungsansprüchen, die sich, wie etwa das Architektenhonorar (vgl. dazu BGHZ 45, 223, 230 unter 3. b, cc), trotz Ermittlung aus komplexen Bemessungsfaktoren nicht in selbständige Einzelansprüche aufspalten lassen. Über eine solche einheitliche Vergütung kann entgegen der Ansicht des insolvenzrechtlichen Schrifttums vorbehaltlich einer Teilklage oder Teilfestsetzung nur als einheitlicher Anspruch entschieden werden. Auf ihn und seinen Umfang allein bezieht sich die materielle Rechtskraft der Festsetzung gemäß § 64 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und 2 InsO, § 6 VergVO. Die Ausführungen des Gerichts zur Berechnungsgrundlage und zum Vergütungssatz einschließlich der hierfür bejahten oder verneinten Zu- oder Abschläge nehmen als bloße Vorfragen nach allgemeinen Grundsätzen an der materiellen Rechtskraft der Vergütungsfestsetzung nicht teil. Nach der vom Reichsgericht (aaO) für einen Gesamtanspruch genannten Regel umfasst der Festsetzungsgegenstand folglich alle Tatsachen, die der Antragsteller im Verlauf des Festsetzungsverfahrens geltend machen konnte. Die Berufung auf solche Tatsachen ist nicht geeignet, ihm ein Zweitverfahren zu eröffnen.
11
4. Nach diesen Grundsätzen war das Zweitverfahren im Beschwerdefall unzulässig; denn der Rechtsbeschwerdeführer hat sich ausschließlich auf Tatsachen gestützt, die er schon im Erstverfahren geltend gemacht hat oder hätte geltend machen können.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Grupp

Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 18.04.2006 - N 175/03 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 08.01.2007 - 3 T 428/06 -