Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2009 - IX ZR 88/07

bei uns veröffentlicht am19.05.2009
vorgehend
Landgericht Nürnberg-Fürth, 2 O 1061/05, 16.08.2006
Oberlandesgericht Nürnberg, 8 U 2226/06, 16.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 88/07
vom
19. Mai 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer
und Dr. Pape
am 19. Mai 2009

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. April 2007 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 98.304,39 € festgesetzt.

Gründe:


1
Rechtssache Die hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht ist unter Berücksichtigung der Anforderungen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO an die Unentgeltlichkeit der Leistung im Drei-Personen-Verhältnis zu stellen sind (BGHZ 174, 228, 231 Rn. 8; Urt. v. 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03, NZI 2006, 583; v. 19. April 2007 - IX ZR 79/05, ZIP 2007, 1118, 1120 Rn. 16), mit Recht von Entgeltlichkeit ausgegangen. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung dieser Frage ist - auch im Fall nachträglicher Veränderungen - der der Vollendung des Rechtserwerbs (BGHZ 41, 17, 19; 162, 276, 281). Die einzelfallbezogenen Würdigungen des Berufungsgerichts sind im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen. Ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß oder ein sonstiger zulassungsrelevanter Verfassungsverstoß wird von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufgezeigt. Mit der Frage der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO hat sich das Berufungsgericht befasst.
2
einer Von weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Ganter Vill Lohmann
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 16.08.2006 - 2 O 1061/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 16.04.2007 - 8 U 2226/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2009 - IX ZR 88/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2009 - IX ZR 88/07

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Insolvenzordnung - InsO | § 134 Unentgeltliche Leistung


(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsg
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2009 - IX ZR 88/07 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Insolvenzordnung - InsO | § 134 Unentgeltliche Leistung


(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsg

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2007 - IX ZR 79/05

bei uns veröffentlicht am 19.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 79/05 Verkündet am: 19. April 2007 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 134 Erbringt der

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03

bei uns veröffentlicht am 20.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 226/03 Verkündet am: 20. Juli 2006 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 226/03 Verkündet am:
20. Juli 2006
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vereinbart der Schuldner mit seinem Vertragspartner, dass eine Belohnung für ein
bestimmtes Verhalten zur Hälfte an dessen Ehegatten gezahlt wird, um insoweit den
Schenkungsteuerfreibetrag auszunutzen, und wird anschließend entsprechend verfahren
, so ist die Zahlung an den Ehegatten auch dann als unentgeltliche, ohne Gegenleistung
erbrachte Zuwendung anfechtbar, wenn der beabsichtigte steuerliche
Erfolg aus Rechtsgründen nicht eingetreten ist.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel
, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. September 2003 im Kostenpunkt mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. sowie insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers in Höhe eines Anspruchs auf Zahlung von 255.645,94 € nebst Zinsen gegen die Beklagte zu 1. zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des K. (fortan: Schuldner). Der frühere Beklagte zu 2, der Ehemann der Beklagten zu 1 (fortan: Beklagte), war alleiniger Vorstand der AG (fortan: AG). Der Schuldner und sein Geschäftspartner S.
hatten im Jahr 1996 insgesamt 94 % der Stammaktien der AG erworben. Ende 1997 planten sie den Verkauf von mindestens 85 % der von ihnen gehaltenen Aktien. Um den früheren Beklagten zu 2 zu bewegen, bis zum Verkauf im Unternehmen zu verbleiben, versprachen sie ihm einen Betrag von 4 Mio. DM, der nach dem Verkauf der Aktien schenkweise gezahlt werden sollte. Um schenkungsteuerliche Freibeträge auszuschöpfen, sollten 3 Mio. DM an den früheren Beklagten zu 2 und 1 Mio. DM an die Beklagte gezahlt werden. Am 23. April 1998 wurde ein entsprechender Vertrag notariell beurkundet.
2
Nach dem Verkauf der Aktien im Oktober 1998, am 4. November 1998, wurde der notarielle Vertrag dahingehend geändert, dass sich der Schuldner und S. je allein verpflichteten, an den früheren Beklagten zu 2 und an die Beklagte je 1 Mio. DM in zwei Raten zu zahlen. Der Schuldner zahlte die vereinbarten Raten am 11. November 1998 und am 21. April 1999 an den früheren Beklagten zu 2 und an die Beklagte.
3
Am 1. Mai 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Mit seiner am 29. April 2002 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung von je 511.291,88 Euro (= 1 Mio. DM) nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von 255.645,94 € wegen der am 21. April 1999 gezahlten 500.000 DM gegen die Beklagte weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat die Zahlung der 500.000 DM an die Beklagte nicht für eine "unentgeltliche" Leistung des Schuldners im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO gehalten. Zwar habe die Beklagte selbst keine Gegenleistung erbracht. Bei Zahlungsvorgängen, an denen mehrere Personen beteiligt seien, sei jedoch eine wertende Betrachtung geboten. Leistungsempfänger im Rechtssinne sei nicht zwingend derjenige, der das Geld erhalten habe. Im vorliegenden Fall sei die Zahlung als "abgekürzter Zahlungsvorgang" zu werten, mit dem einerseits eine Leistung des Schuldners an den früheren Beklagten zu 2 und andererseits dessen Leistung an die Beklagte abgewickelt worden sei. Die steuerrechtlichen Vorstellungen der Beteiligten hätten außer Betracht zu bleiben, weil sie sachlich unzutreffend gewesen seien; tatsächlich habe keine Schenkung vorgelegen.

II.


6
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 32 KO, 134 InsO ist eine Zuwendung dann als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenüber steht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll (BGHZ 113, 98, 101; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279; BGH, Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156, 1157). Diese Begriffsbestimmung erweist sich jedoch dann als zu eng, wenn eine dritte Person in den Zuwendungs- oder den Gegenleistungsvorgang eingeschaltet worden ist. In solchen Fällen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für die von ihm erbrachte Leistung erhalten hat. Zu fragen ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Dies entspricht der in § 134 Abs. 1 InsO ebenso wie in § 32 Nr. 1 KO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass der Empfänger der Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat (BGHZ 41, 298, 302; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279 f; Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, aaO).
8
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte unmittelbare Empfängerin der am 21. April 1999 vom Schuldner an sie gezahlten 500.000 DM.
9
a) Der Schuldner hat am 21. April 1999 einen Betrag von 500.000 DM auf ein Konto des früheren Beklagten zu 2 überwiesen. Grundlage der Überweisung war das notariell beurkundete "Schenkungsversprechen" vom 4. November 1998, in dem der Schuldner versprochen hatte, der Beklagten einen Betrag von 1.000.000 DM zu schenken, und die Beklagte das Schenkungsversprechen angenommen hatte. Der Vertragsurkunde nach sollte der Schuldner den genannten Betrag unmittelbar an die Beklagte zahlen. So ist auch verfahren worden. Das Konto, auf welches das Geld in zwei Raten von 500.000 DM gelangt ist, gehörte zwar dem früheren Beklagten zu 2. Dabei han- delte es sich jedoch nur um die Zahlstelle. Eine nachträgliche Änderung des Vertrages dahingehend, dass nun doch der Gesamtbetrag von 2.000.000 DM an den früheren Beklagten zu 2 gezahlt werden sollte, hat die Beklagte nicht behauptet.
10
b) Der Schenkungsvertrag vom 4. November 1998 ist dem eigenen Vorbringen der Beklagten nach auch nicht nur zum Schein (§ 117 BGB) geschlossen worden.
11
aa) Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt oder nur zum Schein geschlossen wird, hängt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung davon ab, ob die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, oder ob sie ein ernstlich gemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachten (BGHZ 21, 378, 382; 36, 84, 87 f; 144, 331, 332; vgl. auch Staudinger/Singer, BGB (Bearb. 2004) § 117 Rn. 10; MünchKomm-BGB/Kramer, 4. Aufl. § 117 Rn. 12; Erman/Palm, BGB 11. Aufl. § 117 Rn. 12). Wollen die Parteien übereinstimmend nur den äußeren Anschein eines Rechtsgeschäfts erzeugen, dessen Rechtswirkungen aber nicht eintreten sollen, sind die von ihnen abgegebenen Erklärungen wirkungslos. Setzt der von den Parteien angestrebte Zweck dagegen die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraus, spricht dies umgekehrt gegen eine bloße Simulation. Ein bei seinem Abschluss tatsächlich gewollter Vertrag wird nicht allein deshalb zum Scheingeschäft, weil der mit ihm bezweckte Erfolg in der gewählten Rechtsform nicht erreicht werden kann (RG JW 1930, 2655; BGHZ 36, 84, 87 f; Soergel/Hefermehl, BGB 13. Aufl. § 117 Rn. 4). Wählen die Parteien eine bestimmte Rechtsgestaltung lediglich aus steuerlichen Gründen, fehlt es in der Regel nicht am erforderlichen Rechtsbindungswillen, weil die steuerliche Anerkennung ein gültiges, ernstlich gewolltes Rechtsgeschäft voraussetzt. Erweist sich die gewählte Vertragsgestaltung nachträglich als zivilrechtlich nachteilig, begründet das nicht den Einwand des Scheingeschäfts. Eine bestimmte vertragliche Regelung kann nicht gleichzeitig steuerlich gewollt, zivilrechtlich aber nicht gewollt sein (BGHZ 67, 334, 338; 76, 86, 89 f; BGH, Urt. v. 17. Januar 1990 - XII ZR 1/89, WM 1990, 856, 858; v. 5. Juli 1993 - II ZR 114/92, ZIP 1993, 1158, 1159). Anderes gilt nur dann, wenn die Parteien eine Steuerhinterziehung begehen wollten; denn zur Täuschung der zuständigen Finanzbehörden reicht der äußere Anschein eines Rechtsgeschäfts aus (vgl. BGHZ 67, 334, 338; BGH, Urt. v. 5. Juli 1993 - II ZR 114/92, WM 1993, 1683, 1685; Urt. v. 17. Dezember 2002 - XI ZR 290/01, BGH-Report 2003, 453, 454).
12
bb) Grundlage aller Zahlungen des Schuldners war, dass der frühere Beklagte zu 2 seine Tätigkeit als Vorstand der AG bis zum Verkauf der Anteilsmehrheit fortsetzte. Der frühere Beklagte zu 2 wollte jedoch, dass der Schuldner zwei Raten von je 500.000 DM unmittelbar an die Beklagte zahlte, damit auch deren Schenkungsfreibetrag ausgeschöpft wurde. Der Schuldner und die Beklagte waren damit einverstanden. Nach Vorstellung aller Beteiligten sollten damit die Steuerlasten vermindert werden, die den früheren Beklagten zu 2 als alleinigen Empfänger von 2.000.000 DM gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG getroffen hätten. Beide Eheleute sollten den persönlichen Freibetrag nach § 16 ErbStG geltend machen können, nicht nur der frühere Beklagte zu 2. Dazu sollten die jeweiligen Beträge tatsächlich unmittelbar vom "Schenker" an die Beklagte gezahlt werden, nicht nur zum Schein. Eine beabsichtigte Steuerhinterziehung hat die Beklagte nicht nur nicht behauptet, sondern mit Nachdruck in Abrede gestellt. Der notariell beurkundete Schenkungsvertrag war damit von allen Beteiligten - auch vom Schuldner und von der Beklagten - inhaltlich uneingeschränkt gewollt. Dass das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreicht werden konnte, weil der gesamte Vorgang der Einkommensteuer unterfiel, ändert daran ebenso wenig etwas wie die anfechtungsrechtlich schwache Stellung der Beklagten in der Insolvenz des Schuldners.
13
c) Aus den gleichen Gründen lässt sich die Abwicklung des Vertrages nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - in einen "abgekürzten Zahlungsvorgang" umdeuten, mit dem eine Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem früheren Beklagten zu 2 erfüllt worden und zugleich eine Zuwendung des früheren Beklagten zu 2 an die Beklagte erfolgt ist. Nach dem notariellen Vertrag vom 4. November 1998 hatte der Schuldner insoweit allein an die Beklagte zu zahlen, nicht an den früheren Beklagten zu 2.
14
3. Die übrigen Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO sind ebenfalls erfüllt. Die Beklagte hat keinerlei Gegenleistung an den Schuldner erbracht. Die Zahlung erfolgte innerhalb der Frist von vier Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2000. Sie hat zu einer Benachteiligung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger geführt. Wäre sie nicht erfolgt, stünde der Betrag von 500.000 DM der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zur Verfügung. Ob die zwischen dem Schuldner und seinem Geschäftspartner S. einerseits, dem früheren Beklagten zu 2 und der Beklagten andererseits getroffene "Gesamtvereinbarung" über den Verbleib des Beklagten zu 2 in der AG gegen Zahlung von insgesamt 4.000.000 DM für den Schuldner günstig war, weil so ein Wertverlust der zu verkaufenden Aktien vermieden wurde, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Mehrere Rechtshandlungen des Schuldners sind auch dann anfechtungsrechtlich selbstständig zu betrachten, wenn sie gleichzeitig vorgenommen worden sind oder sich wirtschaftlich ergänzen (BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489, 490; Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2371; Urt. v. 2. Juni 2005 - IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523). Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung ist deshalb isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Eine Vorteilsausgleichung findet grundsätzlich nicht statt (BGH, Urt. v. 2. Juni 2005, aaO). Der Zuwendung der jetzt noch streitigen 500.000 DM an die Beklagte stand keine den Verlust ausgleichende Gegenleistung gegenüber.

III.


15
Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen umfangreich zum Verbleib der ihr zugewandten 500.000 DM - insbesondere zum Erwerb von Aktien und zu in der Folgezeit eingetretenen Verlusten - vorgetragen und Beweis angetreten. Mit diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht sich nach der Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO) auseinanderzusetzen haben. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob und von welchem Zeitpunkt an die Beklagte wusste oder den Umständen nach wissen musste, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligte (§ 143 Abs. 2 Satz 2 InsO).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 12.11.2002 - 4 O 48/02 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.09.2003 - 1 U 166/02 -
16
c) Im Verhältnis zu der Beklagten war die Leistung der Schuldnerin unentgeltlich. Im Allgemeinen wird eine unentgeltliche Leistung dann angenommen , wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Partei aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Gegenwert zufließen soll (BGHZ 113, 98, 101; 141, 96, 99f; 162, 276, 279; st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 9. November 2006 - IX ZR 285/03, NZI 2007, 101). In einem Drei-Personen-Verhältnis, wie es hier vorliegt, kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung des Schuldners jedoch nicht darauf an, ob er selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat (BGHZ 141, 96, 99 f; 162, 276, 279; BGH, Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, NZI 2006, 399, 400; v. 20. Juli 2006 – IX ZR 226/03, NZI 2006, 583). Im vorliegenden Fall hat weder die Schuldnerin einen Gegenwert erhalten noch die Beklagte einen solchen erbracht.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.