Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2003 - LwZB 1/03

bei uns veröffentlicht am18.11.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
LwZB 1/03
vom
18. November 2003
in der Landwirtschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
LwVG § 48 Abs. 2 Satz 2
Der Beginn der Rechtsmittelfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach
der Verkündung wird nicht dadurch gehindert, daß die betroffene Partei von dem
konkreten Verkündungstermin keine Kenntnis hatte.
Gelingt es dem Anwalt einer Partei trotz mehrfacher, auch schriftlicher Anfragen
nicht, von dem Gericht zu erfahren, ob, gegebenenfalls wann und gegebenenfalls
mit welchem Inhalt eine Entscheidung verkündet worden ist, so beruht die Versäumung
der Rechtsmittelfrist auch dann nicht auf dem Verschulden des Anwalts, wenn
die absolute Frist des § 48 Abs. 2 Satz 2 LwVG i.V.m. § 517 ZPO abgelaufen ist. Es
ist der Partei nicht zuzumuten, fristwahrend ein Rechtsmittel gegen eine zu welchem
Zeitpunkt und mit welchem Inhalt auch immer ergangene Entscheidung einzulegen.
BGH, Beschl. v. 18. November 2003 - LwZB 1/03 - OLG Schleswig
AG Flensburg
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 18. November
2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und
die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter
Rukwied und Gose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 3. Zivilsenats - Senat für Landwirtschaftssachen - des SchleswigHolsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 14. Februar 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 11.433,30

Gründe:

I.


Nach Beweisaufnahme und Verhandlung beraumte das Landwirtschaftsgericht mit am 5. Februar 2002 verkündetem Beschluß einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 26. Februar 2002 an. An diesem Tag ver-
kündete es einen den Parteien unmittelbar danach zugesandten Beschluß, wonach der Verkündungstermin auf den 6. März 2002 verlegt werde. Nach weiteren sechs verkündeten, den Parteien aber nicht mitgeteilten Verlegungsbeschlüssen kam es am 4. April 2002 zur Verkündung eines Urteils, das nicht in vollständiger Form abgefaßt war, erst am 21. Oktober 2002 zur Geschäftsstelle gelangte und den Parteien am 23. Oktober 2002 zugestellt wurde. Aufgrund telefonischer Nachfrage hatten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten noch von einer Verlegung des Verkündungstermins auf den 21. März 2002 erfahren. Weitere schriftliche Nachfragen vom 27. Mai, 25. Juni, 23. Juli (mit Hinweis auf den drohenden Ablauf der absoluten Berufungsfrist) und 2. September 2002, ob denn nun eine Entscheidung verkündet worden sei und gegebenenfalls welche , blieben unbeantwortet.
Mit am 6. November 2002 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte gegen das Urteil des Landwirtschaftsgerichts, das ! " # "$&%" ' ' )(* sie in Höhe von 11.433,30 edereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses erstrebt.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (BGH, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, NJW 2002, 2473, vorgesehen für BGHZ 151, 42). Dem steht nicht ent- + ' , .- gegen, daß der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 rsteigt. Diese Wertgrenze gilt nach § 26 Nr. 8 EGZPO nur für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, nicht aber für die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß (BGH, Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, NJW-RR 2003, 132). Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde hat sich zwar auf diesen Zulässigkeitsgrund nicht ausdrücklich berufen, der Sache nach aber geltend gemacht, die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auf einer Würdigung, die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Eine solche Handhabung des Verfahrensrechts verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, 3030 f, vorgesehen für BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, Umdr. S. 4, zur Veröffentl. vorgesehen; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, Umdr. S. 3, zur Veröffentl. vorgesehen).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte die Berufung verspätet eingelegt hat. Die einmonatige Berufungsfrist (§ 517 ZPO) beginnt, unabhängig von der Zustellung des Urteils, nach §§ 48 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 2 Satz 3 LwVG spätestens mit dem Ablauf
von fünf Monaten nach der Verkündung. Da das Urteil hier am 4. April 2002 verkündet wurde, lief sie am 4. Oktober 2002 ab, so daß die am 6. November 2002 eingegangene Berufung nicht fristgerecht war. Soweit das Urteil unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften verkündet wurde, die das Berufungsgericht im einzelnen dargelegt hat, hindert dies nicht den Fristenlauf. Voraussetzung dafür ist lediglich eine wirksame Verkündung, die hier außer Zweifel steht (vgl. BGH, Beschl. v. 29. September 1998, KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144; Beschl. v. 6. Dezember 1988, VI ZB 27/88, NJW 1989, 1156, 1157).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann von einer Anwendung der §§ 48 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 2 Satz 3 LwVG auch nicht deswegen abgesehen werden, weil die Beklagte von dem konkreten Verkündungstermin keine Kenntnis hatte und ihre Bemühungen, vom Landwirtschaftsgericht Aufklärung zu erfahren, erfolglos blieben. Für die sachlich gleiche Vorschrift des § 516 ZPO a.F. (jetzt § 517 ZPO) hat der Bundesgerichtshof allerdings angenommen , daß die Norm dann unanwendbar sein könne, wenn die beschwerte Partei im Verhandlungstermin nicht vertreten gewesen und zu dem Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen worden sei (Urt. v. 20. April 1977, IV ZR 68/76, LM ZPO § 88 Nr. 3; zweifelnd Beschl. v. 1. März 1994, XI ZB 23/93, NJW-RR 1994, 1022). Dahinter steht die Erwägung, daß der Norm der Gedanke zugrunde liege, daß eine Partei, die vor Gericht streitig verhandelt habe, mit dem Erlaß einer Entscheidung rechnen müsse und es ihr daher zugemutet werden könne, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine Entscheidung ergangen sei (BGH, Urt. v. 20. April 1977, IV ZR 68/76 aaO). Ausgehend davon könne die Frist des § 516 ZPO a.F. (jetzt § 517 ZPO) nicht zu Lasten einer Partei zu laufen beginnen, die zu dem der Entscheidung
vorausgehenden Verhandlungstermin nicht ordnungsgemäß geladen und vertreten gewesen sei. Denn sie habe mit einer Entscheidung nicht zu rechnen brauchen und auch dahingehende Erkundigungen nicht einziehen müssen.
Solche Überlegungen tragen hier nicht. Wie die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, war die Beklagte in dem der Entscheidung vorausgehenden Verhandlungstermin ordnungsgemäß vertreten. Daß eine Entscheidung ergehen konnte, wußte sie. Zu den jeweils angesetzten Verkündungsterminen brauchte sie nicht geladen zu werden (§ 218 ZPO). Es war ihr daher zuzumuten, sich danach zu erkundigen, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt eine Entscheidung ergangen sein mochte. Nicht anders hat es der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten gesehen und sich dementsprechend verhalten. Daß seine Erkundigungen im konkreten Fall erfolglos blieben, hindert nicht den Lauf der Frist, sondern kann im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein. § 517 ZPO und die sachgleichen und auf denselben Wertungen beruhenden Vorschriften der §§ 48 Abs. 2 Satz 2, 21 Satz 2 Satz 3 LwVG setzen zwar - wenn man der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt - die generelle Möglichkeit der beschwerten Partei voraus, daß sie von einer Entscheidung zu ihren Lasten Kenntnis erhält, nimmt aber nicht Rücksicht auf die konkreten Umstände des Falles. Ziel der Norm ist es, unabhängig von einer Zustellung des Urteils und damit auch unabhängig von einer konkreten Kenntnis der beschwerten Partei nach Ablauf einer längeren Frist, die im allgemeinen zur Einlegung der Berufung trotz bestehender Erschwernisse ausreicht , für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu sorgen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 517 Rdn. 2). Dieser Zweck würde verfehlt, wollte man konkreten Umständen, die im Einzelfall einer
rechtzeitigen Berufungseinlegung entgegenstanden, für den Fristablauf Bedeutung beimessen.

b) Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde aber gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach § 233 ZPO ist sie zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist, zu der die Berufungsfrist des § 517 ZPO gehört, einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gegeben.
aa) Ein Verschulden der Beklagten selbst ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht in Erwägung gezogen worden. Ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte, liegt ebenfalls nicht vor. Allerdings trifft es zu - wovon das Berufungsgericht ausgeht -, daß der Prozeßbevollmächtigte einer Partei, in dessen Gegenwart Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt worden ist, sein weiteres Prozeßverhalten an der Möglichkeit ausrichten muß, daß in dem Verkündungstermin ein Urteil ergangen ist, das die von ihm vertretene Partei beschwert. Dies hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten aber nicht verkannt. Gestützt auf die gerichtliche Auskunft ist er davon ausgegangen , daß am 21. März 2002 eine möglicherweise seine Partei beschwerende Entscheidung verkündet worden ist, und hat in der Folgezeit drei schriftliche Anfragen an das Gericht gerichtet, um zu erfahren, welche Entscheidung ergangen sei. Diese blieben sämtlich unbeantwortet. Eine weitere Intensivierung seiner Bemühungen war nicht zu verlangen. Es ist nicht seine Aufgabe, massive Verstöße des Gerichts gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs durch überobligationsmäßige Anstrengungen auszugleichen. Er durfte vielmehr darauf vertrauen, daß seine Anfragen ordnungsgemäß bearbeitet und so recht-
zeitig beantwortet würden, daß seiner Partei keine Nachteile entstünden. Soweit das Berufungsgericht meint, er habe vorsorglich fristwahrende Berufung einlegen müssen, überspannt es die Anforderungen in einer Weise, die im Ergebnis zu einer nicht zu rechtfertigenden Erschwerung des Zugangs zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug führen würde und den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzte (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Denn eine Berufung gegen ein am 21. März 2002 verkündetes Urteil wäre von vornherein unzulässig gewesen, da an diesem Tag keine Entscheidung ergangen war. Auch der Weg, ein Rechtsmittel gegen ein möglicherweise zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt auch immer ergangenes Urteil einzulegen, kam nicht ernsthaft in Betracht. Wenn man überhaupt trotz des Kostenrisikos die vorläufige Einlegung eines Rechtsmittels für zumutbar erachtet, dann allenfalls gegen ein Urteil , von dessen Existenz die Partei Kenntnis hat und dessen Tenor sie kennt, mögen auch Tatbestand und Entscheidungsgründe ihr noch nicht zugestellt worden sein (vgl. BGHZ 2, 347, 349 f.; BGH, Beschl. v. 27. November 1969, IV ZB 58/69, VersR 1970, 159). Nicht angesonnen werden kann ihr hingegen, ein Rechtsmittel aufs Geratewohl einzulegen, auch auf die Gefahr hin, daß eine Entscheidung noch gar nicht ergangen ist oder wegen des Inhalts oder Umfangs von ihr nicht angefochten werden kann (vgl. auch BGH, Urt. v. 10. März 1956, IV ZR 268/55, LM ZPO § 551 Ziff. 7 Nr. 3; Wiedereinsetzung nach BGH, Beschl. v. 27. November 1969, IV ZB 58/69 aaO gewährt, da sich die das Rechtsmittel eröffnende Zulassung erst aus den nach Ablauf der FünfWochen -Frist zugestellten Urteilsgründen ergab).

b) Die Beklagte hat ihr Wiedereinsetzungsgesuch fristgerecht eingereicht (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO). Das Hindernis zur Berufungseinlegung entfiel
erst mit Zustellung des Urteils am 23. Oktober 2002. Die Beklagte hatte zwar zuvor durch Zustellung einer Rechtsmittelschrift des Klägers am 12. Oktober 2002 mittelbar davon erfahren, daß zwischenzeitlich offensichtlich ein Urteil ergangen war. Hieraus konnte sie aber nicht ersehen, daß auch sie durch das Urteil beschwert wurde. Der am 6. November 2002 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag , verbunden mit der nachgeholten Prozeßhandlung (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO), war daher rechtzeitig.

III.


Über die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens, zu denen auch die Kosten des für die Beklagte erfolgreichen Rechtsbeschwerdeverfahrens gehören , ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2000, II ZB 20/99, NJW 2000, 3284, 3286).
Wenzel Krüger Lemke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2003 - LwZB 1/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2003 - LwZB 1/03

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2003 - LwZB 1/03 zitiert 15 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 517 Berufungsfrist


Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 551 Revisionsbegründung


(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen. (2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründun

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 88 Mangel der Vollmacht


(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. (2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 218 Entbehrlichkeit der Ladung


Zu Terminen, die in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, ist eine Ladung der Parteien unbeschadet der Vorschriften des § 141 Abs. 2 nicht erforderlich.

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2005 - XII ZB 110/03

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 110/03 vom 23. Februar 2005 in der Familiensache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wa

Referenzen

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 11/02
vom
29. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 574 Abs. 2

a) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO kann nicht damit
begründet werden, daß die Frage der Statthaftigkeit nach § 574 Abs. 1 ZPO von
grundsätzlicher Bedeutung sei.

b) Die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574
Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist im Falle einer Divergenz zulässig, setzt dann
aber voraus, daß der Beschwerdeführer eine Abweichung darlegt. Eine Abweichung
liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage
anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen
gleichgeordneten Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts
(Fortführung von BGHZ 89, 149, 151).

c) Wird die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) darauf gestützt, daß die angefochtene Entscheidung
verfahrens- oder materiell-rechtlich fehlerhaft sei, so sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen
erfüllt, wenn der Rechtsfehler dazu führen kann, daß schwer erträgliche
Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - LG Chemnitz
AG Freiberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger,
Dr. Gaier und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 17. Januar 2002 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.540 ?.

Gründe:

I.


Durch Urteil des Amtsgerichts Freiberg vom 10. August 2001 ist der Beklagte zur Bestellung eines Wege- und Überfahrtsrechts auf seinem Grundstück und zur Bewilligung der Eintragung desselben in das Grundbuch verurteilt worden. Gegen dieses ihm am 17. August 2001 zugestellte Urteil hat er mit einem am 11. September 2001 bei dem Landgericht Dresden eingegangenen Schriftsatz seines Prozeûbevollmächtigten Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 18. September 2001, zugeleitet per Fax am selben Tage, hat der Prozeûbevollmächtigte des Beklagten den richterlichen Hinweis erhalten, daû nicht das Landgericht Dresden, sondern das Landgericht Chemnitz örtlich zuständig sei. Mit einem am 19. September 2001 bei dem Landgericht Chemnitz einge-
gangenen Schriftsatz hat der Prozeûbevollmächtigte des Beklagten daraufhin erneut Berufung eingelegt und gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das Landgericht Chemnitz hat mit Beschluû vom 17. Januar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er seinen Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt und die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses erstrebt.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Soweit sie sich gegen den die Berufung als unzulässig verwerfenden Teil des Beschlusses richtet, ist die Rechtsbeschwerde das nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsmittel. Soweit mit ihr zugleich die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs angegriffen wird, folgt die Statthaftigkeit aus § 238 Abs. 2 ZPO, wonach ebenfalls § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO anwendbar ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, § 238 Rdn. 7).
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Zulässigkeit nicht damit begründet werden, daû die Frage der Statthaftigkeit von grundsätzlicher
Bedeutung sei. Die Frage der Statthaftigkeit muû das Rechtsbeschwerdegericht stets prüfen. Nur wenn sie bejaht wird, stellt sich nach § 574 Abs. 2 ZPO die weitere Frage, ob die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung (Abs. 2 Nr. 1) oder aus Gründen der Rechtsfortbildung bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Abs. 2 Nr. 2) zulässig ist. Ist schon die Statthaftigkeit zu verneinen, kommt es nicht mehr zur Zulässigkeitsprüfung nach § 574 Abs. 2 ZPO, und zwar selbst dann nicht, wenn die Prüfung der Statthaftigkeit etwa Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand hätte. Das zeigt, daû die Prüfung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde keine Fragen aufwerfen kann, die zugleich die weitere Zulässigkeit begründen könnten.

b) Dem Beklagten kann auch nicht dahin gefolgt werden, daû der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO deswegen zukomme , weil höchstrichterlich ungeklärt sei, unter welchen Voraussetzungen ein unzuständiges Gericht einen infolge einer unrichtigen gerichtlichen Auskunft fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen seiner Fürsorgepflicht an das zuständige Gericht weiterleiten muû. Vielmehr ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 99 = NJW 1995, 3173, 3175) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daû ein unzuständiges Gericht fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten muû (BGH, Urt. v. 1. Dezember 1997, II ZR 85/97, NJW 1998, 908; Beschl. v. 11. Februar 1998, VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292; Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731). Ob im vorliegenden Fall das Landgericht Dresden nach diesen Grundsätzen verfahren ist oder ob es die Berufungsschrift in einer zur Wahrung der
Berufungsfrist ausreichenden Zeit an das Landgericht Chemnitz hätte weiterleiten können, ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf keiner höchstrichterlichen Beurteilung.

c) Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs entgegen der Meinung des Beklagten nicht erforderlich.
aa) Soweit der Beklagte diese Zulässigkeitsvoraussetzung im Hinblick auf eine angeblich abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLGZ 1981, 241) als erfüllt ansieht, so ist ihm insoweit beizutreten, als im Falle einer Divergenz die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bejahen sind. Nicht anders als bei dem für die Revision geltenden inhaltlich hiermit übereinstimmenden Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 116) hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gerade in Divergenzfällen ihren Platz (Divergenzbeschwerde ; vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 6). Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt ist allerdings, daû der Beschwerdeführer darlegt, daû die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts , von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung abweicht (vgl.
BGHZ 89, 149, 151 zu § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., § 546 Rdn. 44).
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Beklagte beruft sich zwar auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLGZ 1981, 241), die sich mit der Weiterleitung des von einer anwaltlich nicht vertretenen Partei beim unteren Gericht eingelegten Rechtsmittels befaût. Er verweist aber schon nicht auf einen von dieser Entscheidung abweichenden Rechtssatz in der angefochtenen Entscheidung. Daû diese möglicherweise vom Oberlandesgericht Karlsruhe aufgestellte Grundsätze - wie der Beklagte meint - nicht hinreichend berücksichtigt, stellt hingegen keine zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führende Abweichung dar. Im übrigen wäre für die Frage einer Abweichung nicht auf die zurückliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe abzustellen, sondern auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs.
bb) Soweit der Beklagte die angefochtene Entscheidung für verfahrens (Zugrundelegung der Zivilprozeûordnung alter Fassung) und materiell-rechtlich fehlerhaft hält, erfüllt dies ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar kann die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch auf materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Fehler gestützt werden. Voraussetzung ist aber, daû der Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berührt (BT-Drucks. 14/4722 S. 104). Da der Gesetzgeber insoweit ausdrücklich eine Angleichung an andere Verfahrensvorschriften, namentlich auch an § 80 OWiG, bezweckt hat, kann auf die zu dieser Vorschrift entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn
vermieden werden soll, daû schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im ganzen hat. Diese Voraussetzungen sind beispielsweise dann gegeben, wenn ein Gericht in einer bestimmten Rechtsfrage in ständiger Praxis eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt, der Rechtsfehler also "symptomatische Bedeutung" hat (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 543 Rdn. 13), nicht aber schon dann, wenn in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen worden ist, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (BGHSt 24, 15, 22). Anders verhält es sich nur dann, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu besorgen ist, daû dem Rechtsfehler ohne eine Korrektur durch das Rechtsbeschwerdegericht ein Nachahmungseffekt zukommen könnte, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt zu erschüttern, und deswegen eine höchstrichterliche Leitentscheidung erfordert (vgl. Hannich, in: Hannich/MeyerSeitz , ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 23). Dieser Tatbestand ist hier nicht erfüllt.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Bauner

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 31/02
vom
19. September 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 26 Nr. 8
Die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO gilt nicht für die Rechtsbeschwerde gegen
einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung unzulässig ist, weil es an
einer ordnungsgemäßen Bezeichnung des Berufungsführers in der Berufungsschrift
fehlt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geklärt. Eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht im Hinblick auf die durch das Grundgesetz
gewährleisteten Verfassungsgarantien zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
BGH, Beschl. v. 19. September 2002 - V ZB 31/02 - LG Potsdam
LG Brandenburg a.d. Havel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. September 2002 durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. April 2002 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.025

Gründe:

I.


Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat die auf Grundbuchberichtigung gerichtete Klage der Klägerin durch Urteil vom 21. Dezember 2001 abgewiesen. Gegen dieses der Klägerin am 11. Januar 2001 zugestellte Urteil haben ihre Prozeßbevollmächtigten mit einem am 11. Februar 2001 beim Landgericht Potsdam eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Schriftsatz enthält lediglich die Nachnamen der Parteien ohne Parteibezeichnungen und ohne Beifügung des angefochtenen Urteils sowie die Erklärung, für die Klägerin Berufung einzulegen.
Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluß vom 17. April 2002 die Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen, weder aus den Angaben in der Berufungsschrift noch aus den bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zugänglichen Unterlagen lasse sich ersehen, wer Rechtsmittelkläger und wer Rechtsmittelbeklagter sein solle. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses erstrebt.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Der Statthaftigkeit steht nicht entgegen, daß der Wert der !#"%$& ' '(*),+.-/( geltend gemachten Beschwer 20.000 3. Aufl., § 522 Rdn. 18). Diese Wertgrenze gilt nach § 26 Nr. 8 EGZPO nur für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO und kann auf die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß nicht entsprechend angewendet werden. Zwar gibt es Anhaltspunkte dafür, daß es der Gesetzgeber übersehen hat, daß durch die Einführung der Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden gegen Urteile erhebliche Unterschiede im Hinblick auf den Zugang zur Revisionsinstanz die Folge sind (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 13). Wird eine Revision durch Urteil verworfen, gilt für das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde diese für eine Übergangszeit vorgesehene Wertgrenze, wird sie durch Beschluß verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO), findet die Rechtsbeschwerde ohne diese Einschränkung statt. Obwohl der Gesetzgeber an sich einen weitgehenden Gleichlauf der Rechtsmittel bei Verwerfung durch Beschluß oder durch Urteil im Sinn hatte (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 96), läßt sich daraus jedoch
nicht auf eine planwidrige Regelungslücke schließen, die nur durch eine entsprechende Anwendung des § 26 Nr. 8 EGZPO geschlossen werden könnte. Zum einen gibt es – auch unabhängig von einer Wertgrenze – keinen völligen Gleichklang, was den Zugang zur Revisionsinstanz bei der Anfechtung von Beschlüssen und Urteilen anbelangt. Bei Urteilen ist die Revision stets statthaft , wenn sie das Berufungsgericht zugelassen hat. Auf weiteres kommt es dann nicht an; nur wenn sie nicht zugelassen wurde, erhalten die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) Bedeutung. Bei Beschlüssen ist die Rechtsbeschwerde zwar grundsätzlich statthaft; zulässig ist sie aber nur, wenn die besonderen Zulassungsgründe des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Zum anderen ist es durchaus fraglich, ob eine Annäherung der Voraussetzungen durch eine Einführung der Wertgrenze auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren herbeigeführt werden sollte. Wenigstens ebenso erwägenswert, wenn nicht sogar näherliegend, erscheint es, die Wertgrenze in Fällen der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Berufung verwerfende Urteile nicht anzuwenden (vgl. Meyer-Seitz, in: Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 522 ZPO Rdn. 16). Auch so könnte weitgehend ein Gleichlauf der Rechtsmittel erzielt und zudem erreicht werden, daß der Rechtsschutz gegen Entscheidungen, durch die die Berufung als unzulässig verworfen wurde, nicht deutlich hinter dem bisherigen Recht (§ 547 ZPO a.F.) zurück bleibt (vgl. Meyer-Seitz aaO Rdn. 15, 16). Angesichts dieser Umstände könnte eine Angleichung der Rechtsmittel dahingehend, daß die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO auch für die Rechtsbeschwerde gelten soll, nur von dem Gesetzgeber vorgenommen werden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.


a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung unzulässig ist, weil es an einer ordnungsgemäßen Bezeichnung des Berufungsführers in der Berufungsschrift fehlt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Auch die Rechtsbeschwerde verkennt nicht, daß es hierzu eine ständige Rechtsprechung gibt (s. nur BGH, Urt. v. 19. Februar 2002, VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430; Beschl. v. 15. Juli 1999, IX ZB 45/99, NJW 1999, 3124; BGHZ 65, 114; 21, 168, jew. m.w.N.) und daß sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen dieser Rechtsprechung hält. Es fehlt daher an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist gegeben, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, zur Veröffentl. in BGHZ bestimmt). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Wenn die Rechtsbeschwerde meint, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müsse im Hinblick auf das aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verfahrensgrundrecht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren und das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) korrigiert werden, verkennt sie, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Prüfung der formellen Voraussetzungen einer Berufungsschrift gerade im Hinblick auf die durch das Grundgesetz gewähr-
leisteten Verfassungsgarantien verlangt, daß der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen nicht in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden darf (BGH, Urt. v. 19. Februar 2002, VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430, 1431, unter Hinweis auf BVerfG, NJW 1991, 3140). Vielmehr muß die Frage, ob eine Berufung wegen unvollständiger oder fehlender Parteibezeichnung als unzulässig verworfen werden darf, vor dem Hintergrund des prozessualen Zwecks dieses Erfordernisses geprüft werden. Danach sind solche Mängel unbeachtlich, die in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keinen vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers aufkommen lassen (BGH, Beschl. v. 7. November 1995, VI ZB 12/95; vgl. auch BVerfGE 71, 202, 204 f). Diese Rechtsprechungsgrundsätze, die die gerade auch von Verfassungs wegen zu beachtenden Leitlinien hinreichend deutlich festlegen, bedürfen weder der Ergänzung noch der Korrektur. Insbesondere stellt es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Förmelei dar, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Identifizierung der Parteien eine zeitliche Grenze setzt, indem sie verlangt, daß aus der Berufungsschrift, allein oder mit Hilfe anderer Unterlagen, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein muß, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH, Beschl. v. 7. November 1995, VI ZB 12/95, VersR 1996, 251; Beschl. v. 15. Juli 1999, IX ZB 45/99, NJW 1999, 3124; Urt. v. 19. Februar 2002, VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430, 1431). Diese zeitliche Grenze beruht darauf, daß Mängel, die die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels begründen, stets nur bis zum Ende der Rechtsmittelfrist behoben werden können. Hinsichtlich der Parteibezeichnung gelten hierfür keine Besonderheiten. Es handelt sich dabei auch nicht um "rein formalistische Anforderungen", wie die Rechtsbeschwerde meint, sondern um Angaben, die den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten und
einem geregelten Ablauf des Verfahrens dienen (BGH, Beschl. v. 15. Juli 1999, aaO m.w.N.). Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels wird dabei – entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde – nicht von dem "zufälligen und kaum zuverlässig zu kontrollierenden Umstand abhängig gemacht, zu welchem Zeitpunkt das Berufungsgericht Kenntnis von der Person des Rechtsmittelführers erhält", sondern die Zulässigkeit des Rechtsmittels hängt – wie stets – von dem sachgerechten Kriterium ab, daß der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alle Zulässigkeitsvoraussetzungen schafft, sei es, daß er sie unmittelbar vorträgt oder beibringt, sei es, daß sie sich aus den Umständen ergeben. Darin liegt folglich keine sachlich nicht zu rechtfertigende Erschwerung des Zugangs zu den grundgesetzlich garantierten Instanzen. Vielmehr ist dies die Folge einer nicht den notwendigen Anforderungen genügenden Rechtsmittelschrift.

c) Schließlich ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Zwar können auch – worum es hier allein gehen kann – Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt begründen. Erforderlich ist aber, daß der Rechtsanwendungsfehler die Gefährdung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung besorgen läßt, sei es, daß aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Gefahr einer Wiederholung desselben Fehlers besteht, sei es, daß aufgrund der Publizitätswirkung das Vertrauen in die Rechtsprechung als Ganzes erschüttert ist oder daß ein Nachahmungseffekt gegeben ist (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, vorgesehen für BGHZ; Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, Umdr. S. 5 f, zur Veröffentl. vorgesehen). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Soweit die Rechtsbeschwerde die Verletzung von Verfahrensgrund- rechten geltend macht (s.o.), ist ihr zwar zuzugeben, daß hierdurch allgemeine Interessen berührt sein können, da die Mißachtung solcher Grundsätze, insbesondere des Gebots des willkürfreien Verfahrens, das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt erschüttern kann (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, Umdr. S. 7, zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen). Ein solcher Verstoß liegt hier indes – wie dargelegt – nicht vor. Die angefochtene Entscheidung berücksichtigt, was die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels anbelangt, alle vorgetragenen Umstände und ist in einem dem Prozeßrecht entsprechenden , insbesondere das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs beruhenden Verfahren ergangen.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/02
vom
4. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc

a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt,
wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als
einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die
Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung
überläßt, ist eine Frage des Einzelfalls und als solche einer Verallgemeinerung
nicht zugänglich.

c) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung
von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen
oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlaß, wenn es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte
an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise
fehlt.

d) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts nur dann, wenn bei der Auslegung
oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus
die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist in der Regel dann
der Fall, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen
Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - KG in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am4. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 8.835,12 ?.

Gründe:

I.


Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Herausgabe eines Grundstücks an die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verurteilt. Gegen dieses ihrem Prozeûbevollmächtigten am 24. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. September 2001 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag beantragt. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht: Eine im Büro des Beklagtenvertreters seit 1990 stets sehr zuverlässig und fehlerlos arbeitende Gehilfin habe die Akte am Freitag, dem 21. September 2001 (weisungsgemäû notierte dreitägige Vorfrist), im Büro
nicht auffinden können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie infolge Urlaubs einer weiteren Vollzeitmitarbeiterin und Abwesenheit einer nur an drei Tagen in der Woche tätigen Teilkraft die einzig verfügbare Angestellte gewesen. Wegen des von ihr zu bewältigenden auûerordentlichen Arbeitsanfalles habe sie die Aktensuche auf Montag, den 24. September 2001 (Ablauf der notierten Berufungsfrist ), verschoben. An diesem Tag habe die Gehilfin die im Fristenbuch eingetragenen Verfahrensakten herausgesucht, jedoch in der unzutreffenden, nicht überprüften Annahme, die den vorliegenden Fall betreffende Akte läge dem Beklagtenvertreter bereits mit einem Extrazettel "Fristablauf" vor, die rot notierte Berufungsfrist gestrichen und später im Fristenbuch neben der dort bereits durchgestrichenen Rotfrist einen Erledigungsvermerk mit ihrem Kürzel angebracht. Auch an diesem Tag sei sie als wiederum allein im Büro anwesende Angestellte einem auûerordentlichen Arbeitsdruck ausgesetzt gewesen. Allerdings habe der Beklagtenvertreter sie dadurch entlastet, daû er die am Wochenende und Montag eingegangene umfangreiche Post selbst bearbeitet, insbesondere die Notierung der jeweiligen Fristen und Termine verfügt habe. Diese Maûnahme habe sich in der Vergangenheit immer als ausreichend erwiesen , zumal der Beklagtenvertreter in Urlaubs- und Krankheitszeiten durch regelmäûige Stichproben überprüft habe, ob die im Kalender eingetragenen Fristen ordnungsgemäû gestrichen würden.
Das Kammergericht hat mit Beschluû vom 8. Februar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 5. März 2002 zugestellten Beschluû richtet sich die am 22. März 2002 eingegangene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Kammergericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, aaO, § 238 Rdn. 7). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 4; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 5; Zöller/Gummer, aaO, § 543 Rdn. 11). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung überläût, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Denn dabei ist nicht allein entscheidend, in welchem Umfang der Personalbestand reduziert ist, sondern es kommt vor allem darauf an, ob infolge einer angespannten Personallage eine erkennbare und durch zumutbare Maûnahmen behebbare Überlastung der mit der Fristenkontrolle betrauten, verfügbaren Mitarbeiter
eingetreten ist. Dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung je nach Fallgestaltung eine Erhöhung der grundsätzlichen Organisationspflichten eines Anwalts im Falle einer erheblichen Mehrbelastung des verfügbaren Personals manchmal bejaht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. April 1965, II ZB 11/64, VersR 1965, 596, 597: Ausfall zweier von drei Bürokräften; Beschl. v. 1. Juli 1999, III ZB 47/98, NJW-RR 1999, 1664: Ausfall zweier von drei Mitarbeiterinnen während eines Arbeitstages; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783 f: Reduzierung der Belegschaft auf fast die Hälfte für mehr als einen Monat; Beschl. v. 28. Juni 2001, III ZB 24/01, NJW 2001, 2975, 2976: Verzicht auf Eintragung des Fristablaufes bei Erkrankung einer Mitarbeiterin zum Fristende und unzureichender Wiedervorlagezeit wegen eines Wochenendes), teilweise aber auch verneint (BGH, Beschl. v. 17. November 1975, II ZB 8/75, VersR 1976, 343: Abwesenheit zweier von drei Kräften; Beschl. v. 29. Juni 2000, Vll ZB 5/00, NJW 2000, 3006: Ausscheiden eines Anwalts und Eheprobleme einer Anwaltssekretärin; Beschl. v. 27. März 2001, VI ZB 7/01, NJW-RR 2001, 1072, 1073: Doppeltes Fehlverhalten einer Bürokraft in einer Sache). Vorliegend erschöpft sich die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Beklagtenvertreters ebenfalls in einer Würdigung der konkreten Einzelfallumstände und ist damit nicht auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen übertragbar.
Ob einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zukommt, wenn nur die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, kann hier offen bleiben, weil dieser Tatbetand hier ebenfalls nicht vorliegt.
2. Aus denselben Gründen ist eine Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.
Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 104; BGHSt 24, 15, 21 f; Hannich in: Hannich/Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 7; Zöller/Greger, aaO, § 543 Rdn. 12). Die Beklagte zeigt aber nicht auf, daû über die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verschärfung der Organisationspflichten eines Anwalts in Fällen angespannter Personallage (vgl. vor allem Beschl. vom 1. Juli 1999, III ZB 47/98 aaO; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99 aaO; Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, aaO), zur fehlenden Zurechenbarkeit organisationsunabhängigen Fehlverhaltens von Angestellten (vgl. Beschl. v. 23. März 2001, VI ZB 7/01, aaO) oder zum Überwachungs- und Organisationsverschulden bei Häufung von Mängeln (vgl. Beschl. v. 18. Dezember 1997, III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11) hinaus eine Notwendigkeit für weitere sachverhaltsbezogene Leitlinien besteht. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlaû, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zunächst in den Fällen einer Divergenz
geboten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 5 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 8, § 574 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, aaO, § 543 Rdn. 6, 574 Rdn. 2). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, daû die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die von ihr angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidungen tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. BGHZ 89, 149, 151; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO).

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlieûlich auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23, § 574 Rdn. 12).
aa) Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Lipp, NJW 2002, 1700, 1701; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, aaO, § 543 Rdn. 8; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, Einl. Rdn. 103), namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Aus dem Beschluû des IX. Zivilsenats vom 7. März 2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 - zur Veröffentl. in BGHZ
vorgesehen) ergibt sich nichts anderes. Dieser verweist ledigIich darauf, daû zur Korrektur von Verfahrensgrundrechtsverletzungen (§ 544 ZPO) eine "auûerordentliche Rechtsbeschwerde" nicht statthaft ist. Zu der - hiervon zu unterscheidenden - Frage, unter welchen Voraussetzungen eine "statthafte" Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) zulässig ist, hat der IX. Zivilsenat dagegen nicht Stellung genommen. Ist die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäû § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, dann hat das Rechtsbeschwerdegericht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einen Grundrechtsverstoû der Vorinstanz zu beseitigen (vgl. BVerfGE 49, 252, 257 ff; 73, 322, 327; vgl. ferner BVerfG, Vorlagebeschl., ZVI 2002; 122), sofern diese nicht - etwa im Wege der Gegenvorstellung - die Grundrechtsverletzung selbst geheilt hat (vgl. BVerfGE 63, 77, 79; 73, 322, 327; BGHZ 130, 97, 99 ff; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, JZ 2000, 526 f; Beschl. v. 26. April 2001, IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; vgl. ferner BT-Drucks. 14/4722, S. 63). Da andererseits für die Frage, ob die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert, Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Bedeutung erlangen sollen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen (BT-Drucks. 14/4722 S. 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), wird eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde in der Regel nur dann zulässig sein, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (vgl. auch BVerfGE 47, 182, 187; 69, 233, 246; 73, 322, 329; 86, 133, 145 f; BVerfG, NJW-RR 2002, 68, 69), und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
bb) Die Beklagte zeigt jedoch keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff; 41, 332, 334 ff; 44, 302, 305 ff; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1993, 720; 1995, 249; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162). Demgemäû dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaût haben muû, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" zum Gericht (vgl. BVerfGE 25, 158, 166; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 67, 208, 212 ff), aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz (vgl. BVerfGE 44, 302, 305 ff; 62, 334, 336; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1995, 249; 1996, 2857; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162) nicht überspannt werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die nach Fristversäumung an den Vortrag und die Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 26, 315, 319, 320; 37, 100, 103; 40, 42, 44; 40, 88, 91; BVerfG, NJW 1997, 1770, 1771).
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoûen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts und
die Kausalität einer Pflichtverletzung zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daû die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maûnahmen grundsätzlich den von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Fristenkontrolle genügen (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; Beschl. v. 27. November 1996, XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daû im Büro des Beklagtenvertreters sowohl im Zeitpunkt der auf den 21. September 2001 notierten Vorfrist als auch bei Ablauf der Berufungsfrist (24. September 2001) infolge des Ausfalls von zwei Bürokräften und der hierdurch bedingten erheblichen Mehrbelastung der allein verbliebenen Mitarbeiterin eine Sondersituation gegeben war, die den Beklagtenvertreter ausnahmsweise zu einer eigenen Fristenkontrolle verpflichtete. Diese auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar hätte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung unterstellen dürfen, daû die allein verbliebene Bürokraft des Beklagtenvertreters auch deswegen einer erheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt war, weil sie nicht nur für diesen, sondern auch für einen mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen weiteren Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Hierin liegt jedoch kein Verstoû gegen die Grundrechte auf rechtliches Gehör und Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Denn eine Beeinträchtigung dieser Verfahrensgrundrechte läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts hierauf beruhte (vgl. BVerfGE 86, 133, 147; 89, 381, 392 f). Dies ist jedoch nicht der Fall, da bereits allein der im Büro des Beklagtenvertreters
selbst aufgetretene auûergewöhnliche Arbeitsanfall Anlaû zu einer eigenen Fristenkontrolle des Anwalts gab. Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten ergibt sich nämlich, daû das dort am 21. und 24. September anstehende Arbeitspensum von der verbliebenen Kanzleikraft allein nicht hinreichend bewältigt werden konnte.
(3) Auch für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein Verstoû hiergegen kommt nur in Betracht , wenn die angefochtene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 ff; BVerfG, NJW 1996, 1336; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99 aaO) oder wenn durch zu strenge Anforderungen an die Erfolgsaussicht eines Vorbringens (Prozeûkostenhilfe) eine sachwidrige Ungleichbehandlung erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82). Dies ist jedoch nicht der Fall.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 60/02
vom
20. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erkennt der Bevollmächtigte einer Partei, daß er einen Schriftsatz per Telefax nicht
mehr fristgerecht an das zuständige Gericht übermitteln kann, steht es der Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand grundsätzlich nicht entgegen, daß er den Schriftsatz
in anderer Weise noch rechtzeitig hätte übermitteln können, sofern die Unmöglichkeit
der rechtzeitigen Übermittlung per Telefax ihren Grund in der Sphäre des
Gerichts findet.
BGH, Beschl. v. 20. Februar 2003 - V ZB 60/02 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Februar 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 und 2 wird der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. September 2002 aufgehoben.
Den Beklagten zu 1 und 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 2.000

Gründe:

I.


Mit am 25. Juni 2002 den Beklagten zugestelltem Teilurteil vom 21. Juni 2002 hat das Landgericht Chemnitz zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 2 entschieden. Hiergegen haben die Beklagten zu 1 bis 3 am 9. Juli 2002 bei dem Oberlandesgericht Dresden Berufung eingelegt. Die Begründung der für
die Beklagten zu 1 und 2 (im folgenden: Beklagte) eingelegten Berufung ist mit am 9. September 2002 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 27. August 2002 haben die Beklagten Wiedereinset- zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung ihres Antrags haben sie ausgeführt, ihr sachbearbeitender Prozeßbevollmächtigter sei in Urlaub gewesen. Wegen der hiermit verbundenen Überlastung habe sein Vertreter die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um 14 Tage herbeiführen wollen. Er habe am Montag, dem 26. August 2002, ab 19.44 Uhr vergeblich versucht, von dem Büro ihrer Bevollmächtigten in C. aus den zur Fristverlängerung notwendigen Antrag per Fax an das Oberlandesgericht zu versenden.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.


Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht ohne Verschulden der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten versäumt worden. Nachdem der antragstellende Bevollmächtigte sich mehr als eine Stunde lang vergeblich bemüht habe, den Antrag auf Verlängerung der Frist per Fax an das Berufungsgericht zu versenden, habe ihm klar sein müssen, daß der Antrag auf diesem Wege nicht fristgerecht gestellt werden konnte. Er habe da-
her eine andere zumutbare Möglichkeit, wie die Aufgabe eines Blitztelegramms , die Beauftragung eines Kurierdienstes mit 24-Stunden-Service oder die Übersendung des Faxes an ein in Dresden residierendes Rechtsanwaltsbüro mit der Bitte um Einwurf in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts, ergreifen müssen, um den Antrag bis 24.00 Uhr zu übermitteln, oder aber selbst mit dem Auto von Chemnitz nach Dresden fahren müssen.

III.


Die Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 574 Abs. 1, 2 ZPO zulässig. Sie hat schon deshalb Erfolg, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 20 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Die Voraussetzungen für die beantragte Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist liegen vor.
1. Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 69, 381, 385; 88, 118, 123 ff). Die Gerichte dürfen daher bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen (BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636). Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Zwar sind die nach der jeweili-
gen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren Anstrengungen zur Wah- rung des rechtlichen Gehörs auch insoweit zu verlangen (vgl. BVerfGE 74, 220, 225); die aus der Wahl des Übermittlungsweges per Telefax herrührenden besonderen Risiken der technischen Gegebenheiten des gewählten Kommunikationsmittels dürfen aber nicht auf den Nutzer des Mediums abgewälzt werden , wenn die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts liegt (BVerfG NJW 1996, 2857; 2001, 3473).
So liegt der Fall hier: Nach Auskunft der Geschäftsstellenverwalterin des Berufungsgerichts vom 5. September 2002 beruht die Unmöglichkeit, am Abend des 26. August 2002 einen Schriftsatz per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln, darauf, daß in beide Faxgeräte des Berufungsgerichts nicht genügend Papier eingelegt war. Dieses Versäumnis des Gerichts kann nicht dazu führen, den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten den für die Übermittlung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eröffneten Weg zu versagen. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Verlängerungsantrag einer anderen Stelle des Oberlandesgerichts fristwahrend per Fax hätte übermittelt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 6. März 1995, II ZB 1/95, NJW 1995, 1431). So verhält es sich bei dem Oberlandesgericht Dresden nicht.
2. Das Vorbringen der Beklagten zur Begründung des Antrags auf Fristverlängerung bedeutete einen erheblichen Grund im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Die Beklagten konnten daher darauf vertrauen, daß ihrem Antrag stattgegeben würde (BGH, Beschl. v. 5. Juli 1989, IVb ZB 53/89, BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 3; v. 2. November 1989, III ZB 49/89, BGHR ZPO
§ 233 Fristverlängerung 4; v. 23. Juni 1994, VII ZB 5/94 NJW 1994, 2957; u. v. 24. Oktober 1996, VII ZB 25/96, NJW 1997, 400).
Damit war dem Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten stattzugeben.
Tropf Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 71/02
vom
30. April 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Berufungsbeklagte hat die Wahl, ob er sich der Berufung des Gegners anschließt
oder ob er, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, eigenständig
Berufung einlegt. Nur im ersteren Fall verliert der Angriff gegen das
Urteil seine Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt (§ 524 Abs. 4
ZPO).

b) Die Möglichkeit, Anschlußberufung einzulegen, besteht auch innerhalb der für
den Berufungsbeklagten offenen Frist zur Einlegung einer eigenständigen Berufung.

c) Zur Auslegung einer "selbständigen Anschlußberufung", die innerhalb der für eine
eigenständige Berufung laufenden Frist eingelegt worden ist.
BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Hanau
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. April 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof.
Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen das beiden Parteien am 16. Juli 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Beklagte am 9. August 2002 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 zurückgenommen hat.
Mit Schriftsatz vom 16. August, per Fax am selben Tag bei Gericht eingegangen , haben die Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen , und zugleich "selbständige Anschlußberufung" mit der Ankündigung eingelegt, daß Anträge hierzu innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gestellt
würden. Vor Ablauf der - verlängerten - Begründungsfrist haben sie das Rechtsmittel begründet.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Rücknahme der Berufung des Beklagten habe das Anschlußrechtsmittel der Kläger wirkungslos gemacht (§ 524 Abs. 4 ZPO). Außerdem sei das Rechtsmittel entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht zugleich mit der Anschlußschrift begründet worden. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses beantragen.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf einer Würdigung, die den Klägern den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, 3030 f., vorgesehen für BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, Umdruck S. 4, zur Veröffentl. vorgesehen).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 524 Abs. 4 ZPO zu Unrecht bejaht. Das Rechtsmittel der Kläger hätte durch die Rücknahme der Berufung des Beklagten nur dann seine Wirkung verloren, wenn es sich um eine Anschlußberufung gehandelt hätte. Das ist aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, an dessen Auslegung der Senat nicht gebunden ist (BGHZ 4, 328, 334; BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211), nicht der Fall.

a) Der von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger verwendete Begriff der "selbständigen Anschlußberufung" ist dem neuen Zivilprozeßrecht, das vorliegend anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO), fremd. Der Berufungsbeklagte hat nach neuem Recht zwei Möglichkeiten. Er kann sich entweder der Berufung des Gegners anschließen (§ 524 ZPO) oder, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, selbständig Berufung einlegen (anders, aber abwegig [nur Anschlußberufung möglich], Grunsky, NJW 2002, 800, 801 Fn. 7). Nur im ersten Fall verliert der Angriff gegen das Urteil seine Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt (§ 524 Abs. 4 ZPO), und nur im Falle der Anschließung muß die Berufung in der Anschlußschrift begründet werden (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Wird hingegen selbständig Berufung eingelegt , ist dieses Rechtsmittel vom Schicksal der gegnerischen Berufung unabhängig. Es bleibt wirksam, wenn jene zurückgenommen wird. Für sie laufen eigenständige Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und zur Begründung (§ 520 Abs. 2 ZPO). Welche Möglichkeit der Berufungsbeklagte wählt, steht in seinem Belieben (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, Aktualisierungsband, § 524 Rdn. 3; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 524 Rdn. 5). Inner-
halb der noch für ihn offenen Berufungsfrist (§ 517 ZPO) kann er Anschlußberufung nach § 524 ZPO (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher aaO; a.A. von Olshausen , NJW 2002, 802) oder selbständig Berufung einlegen. Nur wenn die eigene Berufungsfrist verstrichen ist, ist er auf die Anschlußberufung beschränkt.

b) Da die Kläger die "selbständige Anschlußberufung" innerhalb der für sie laufenden Berufungsfrist eingelegt haben, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche der beiden Möglichkeiten sie gewählt haben. Dabei ist der Auslegungsgrundsatz zu beachten, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211 m.w.N.). Danach ist vorliegend von einer selbständigen Berufung auszugehen.
aa) Dem Umstand, daß der Rechtsmittelschriftsatz der Kläger die ausdrückliche Bezeichnung "Anschlußberufung" enthält, kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine entscheidende Bedeutung zu. Dieses Wortlautargument verliert schon durch das beigefügte Eigenschaftswort an Überzeugungskraft, das auf ein selbständiges, also gerade nicht von der gegnerischen Berufung abhängiges Rechtsmittel hinweist.
bb) Unterstützt wird dieser Hinweis durch den Vermerk "Original zur Fristwahrung per Fax ...", der dem Schriftsatz vorangestellt ist. Für eine Anschlußberufung wäre er ohne Bedeutung. Die hierfür zu beachtende Frist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO hatte noch nicht einmal zu laufen begonnen. Bedeutung kam ihm allein vor dem Hintergrund einer selbständigen Berufung
zu. Hierfür lief die Frist am 16. August 2002, dem Datum des Schriftsatzes, ab. Um diese Frist zu wahren, mußte der Prozeßbevollmächtigte die Übermittlung per Telefax anordnen.
cc) Dazu paßt weiter die Ankündigung, Anträge "innerhalb der Berufungsbegründungsfrist" zu stellen. Damit kann bei verständiger Würdigung nur die Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zur Begründung der - selbständigen - Berufung gemeint sein. Denn für die Anschlußberufung verlangt das Gesetz eine Begründung in der Anschlußschrift selbst (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Soweit § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine erneute Anschlußberufung - mit entsprechender Begründung - bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift erlaubt (vgl. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher § 524 Rdn. 41), kann diese Frist nicht gemeint sein. Sie hatte noch nicht zu laufen begonnen.

d) Das von dem Berufungsgericht hervorgehobene Argument, daß die Auslegung ihre Grenzen in dem berechtigten Vertrauen des Gegners auf den objektiven Erklärungsinhalt des Rechtsmittelschriftsatzes finden müsse, ist ohne Gehalt. Durch eine Auslegung wird der objektive Erklärungsinhalt einer Prozeßhandlung gerade ermittelt (s. nur Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., vor § 128 Rdn. 25). Auf diese objektive Erklärungsbedeutung darf der Prozeßgegner vertrauen. Sie begrenzt aber nicht die Auslegung, sondern ist deren Ergebnis. Vielmehr begrenzt das Auslegungsergebnis das Vertrauen des Prozeßgegners.
Vorliegend konnte der Beklagte angesichts der aufgezeigten Umstände nicht annehmen, daß eine Anschlußberufung eingelegt war, der er durch Rück-
nahme der eigenen Berufung den Boden hätte entziehen können. Objektiv betrachtet handelt es sich um eine selbständige Berufung.
Wenzel Krüger Klein
Gaier Schmidt-Räntsch

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.

(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zu Terminen, die in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, ist eine Ladung der Parteien unbeschadet der Vorschriften des § 141 Abs. 2 nicht erforderlich.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen.

(2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. § 544 Absatz 8 Satz 3 bleibt unberührt. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Revisionskläger erhebliche Gründe darlegt; kann dem Revisionskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Revisionsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar:
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Ist die Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden, kann zur Begründung der Revision auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden.

(4) § 549 Abs. 2 und § 550 Abs. 2 sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 20/99
vom
24. Juli 2000
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Es ist mit dem Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens
unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die ein nach
§ 175 BGB als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes der
Sendung auf dem Postweg überhaupt nicht erhalten hat, die Wiedereinsetzung
gegen die Versäumung der Einspruchsfrist allein deshalb zu versagen,
weil sie den Zustellungsbevollmächtigten nicht bestellt hat.
BGH, Beschluß vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99 - OLG Frankfurt a.M.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. Juli 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

beschlossen:
Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten werden der Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. August 1999 und der Beschluß der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juni 1999 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Nichteinhaltung der Einspruchsfrist hinsichtlich des Versäumnisurteils der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 1998 gewährt.
Beschwerdewert: 10 Mio. DM

Gründe:


I. Die Klägerin nimmt als Konkursverwalterin über das Vermögen der D. Bank AG den in L. wohnhaften Beklagten aus einem Zeichnungsschein gemäß § 185 AktG sowie aus unerlaubter Handlung auf Zahlung von 10 Mio. DM in Anspruch. Die Klageschrift, die Verfügung des Gerichts zum schriftlichen Vorverfahren gemäß § 276 ZPO einschließlich einer
Belehrung über das Erfordernis der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten gemäß § 174 Abs. 2 ZPO und des Hinweises auf die Konsequenzen einer ansonsten möglichen Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175 Abs. 1 ZPO) wurden dem Beklagten persönlich am 3. März 1998 im Wege der Rechtshilfe nach § 199 ZPO zugestellt. Nachdem der Beklagte hierauf nicht reagiert hatte, erließ das Landgericht am 19. November 1998 antragsgemäß ohne mündliche Verhandlung ein entsprechendes Versäumnisurteil und setzte darin die Einspruchsfrist auf sechs Wochen fest. Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 24. November 1998 durch Aufgabe zur Post (§ 175 Abs. 1 Satz 2 ZPO), der Klägerin per Empfangsbekenntnis am 25. November 1998 zugestellt. Auf Antrag der Klägerin wurde - im Hinblick auf eine beabsichtigte Auslandsvollstreckung - das Versäumnisurteil dem Beklagten nochmals, und zwar nunmehr laut einer förmlichen Zustellungsbestätigung am 25. März 1999 im Wege der Auslandszustellung, zugestellt. Der Beklagte legte über seine daraufhin beauftragten Prozeßbevollmächtigten am 16. April 1999 Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Das Landgericht, das den Einspruch zunächst für wirksam hielt und dementsprechend die Frist zur Einspruchsbegründung antragsgemäß bis zum 10. Juni 1999 verlängerte, stellte sodann die frühere Zustellung vom 24. November 1998 fest und ließ den bis dahin fehlenden Zustellungsvermerk nach § 213 ZPO durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 6. Mai 1999 nachholen. Nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis beantragten die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, denen erstmals am 27. April 1999 Akteneinsicht gewährt worden war, am 10. Mai 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; zur Glaubhaftmachung bezogen sie sich auf eine eidesstattliche Versicherung des Beklagten, nach der ihm das Versäumnisurteil erstmals am 18. März 1999 zugestellt worden ist; dabei handelte es sich - seinem Vorbringen zufolge - um die formale Auslandszustellung, die entgegen der offiziellen Zustellungsbestätigung bereits an diesem Tage erfolgte. Das
Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als verspätet verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der weiteren sofortigen Beschwerde.
II. Die gemäß § 568 a ZPO statthafte weitere sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Vorinstanzen haben zwar zutreffend den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 19. November 1998 als verspätet angesehen; sie haben ihm jedoch zu Unrecht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist verweigert und damit auch rechtsfehlerhaft seinen Einspruch als unzulässig verworfen.
1. Bei Einlegung des Einspruchs am 16. April 1999 war allerdings die Einspruchsfrist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bereits verstrichen. Sie begann - da es sich um ein im schriftlichen Vorverfahren erlassenes Versäumnisurteil handelte - mit der letzten der von Amts wegen zu bewirkenden Zustellungen an die Parteien, d.h. hier mit der Urteilszustellung an die Klägerin am 25. November 1998 (§§ 310 Abs. 3, 331 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1994 - XII ZB 90/94, NJW 1994, 3359, 3360 m.w.N.). Die Zustellung an den Beklagten galt bereits mit der Aufgabe zur Post am Tage zuvor als bewirkt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO), weil der Beklagte - nach der ordnungsgemäßen Verfahrenseinleitung - entgegen § 174 Abs. 2 ZPO bis dahin keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hatte. Auch die Förmlichkeiten dieses - verfassungsrechtlich unbedenklichen (BVerfG NJW 1997, 1772) - Zustellungsverfahrens wurden eingehalten. Die Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle hat gemäß § 213 ZPO in den Akten vermerkt, zu welcher Zeit und unter welcher Adresse die Aufgabe zur Post erfolgt ist; der Wirksamkeit des Vermerks steht nicht entgegen, daß er erst einige Zeit nach dem Zustellungsvorgang während des Einspruchsverfahrens gefertigt wurde (BGH, Beschl. v. 22. Februar 1989 - IVb ZB 150/88, FamRZ 1989, 1287, 1288 m.w.N.). Die mit der letzten der vorgenannten Amtszustellungen am 25. November 1998 in Gang gesetzte Einspruchsfrist war zur Zeit der Einspruchseinlegung zweifelsfrei abgelaufen.
2. Dem Beklagten ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert war (§ 233 ZPO).
Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, der Beklagte habe als Adressat der Zustellung durch Aufgabe zur Post nach § 175 ZPO das Risiko des hier in Betracht kommenden Verlustes der Sendung im postalischen Bereich und der dadurch bedingten Unkenntnis von der fingierten Zustellung und dem Fristenlauf zu tragen, weil in der Nichtbenennung des Zustellungsbevollmächtigten ein die Wiedereinsetzung hinderndes Mitverschulden liege. Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Regelungen der §§ 174 Abs. 2, 175 ZPO dienen allerdings - im Interesse der Prozeßwirtschaftlichkeit, aber auch des Justizgewährungsanspruchs des Klägers - einer zügigen Förderung des Rechtsstreits durch das Gericht und die Parteien; sie sollen der Gefahr unangemessener Verzögerungen bei solchen Verfahren vorbeugen, an denen im Ausland wohnende Parteien beteiligt sind. Als unmittelbare Folge des Verstoßes gegen die in § 174 Abs. 2 ZPO angeordnete Verpflichtung zur Bestellung eines Zustellungsbe-
vollmächtigten geht daher wegen der Fiktion des § 175 Abs. 1 Satz 3 ZPO bei der Berechnung des Fristenlaufs die Postlaufzeit grundsätzlich zu Lasten des Zustellungsadressaten. Damit ist jedoch kein genereller Ausschluß der Wiedereinsetzungsvorschriften verbunden; vielmehr wendet der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den Fällen der Versäumung von Notfristen, die aus Zustellungen gemäß § 175 ZPO resultieren, Wiedereinsetzungsrecht an (BGH, Urt. v. 10. November 1998 aaO S. 1192 m.w.N.; vgl. dazu auch BVerfG aaO S. 1772). Ein die Wiedereinsetzung hinderndes Verschulden kann daher nicht - wie dem Oberlandesgericht offenbar vorschwebt - ohne Rücksicht auf die konkreten Hinderungsgründe für die Fristversäumung bereits aus dem Verstoß gegen § 174 Abs. 2 ZPO hergeleitet werden. Führt die Fiktion des § 175 ZPO im Extremfall dazu, daß beim tatsächlichen Zugang des Urteils die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen ist oder erhält der Empfänger - wie hier - bis zum Fristablauf wegen Verlustes der Sendung auf dem Postweg überhaupt keine Kenntnis vom Erlaß des Urteils, so wird eine wesentliche Aufgabe der Zustellung, dem Empfänger rechtliches Gehör zu verschaffen und ein faires Verfahren zu gewährleisten (BVerfG NJW 1988, 2361), verfehlt. Mit dem im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens ist es nach Ansicht des Senats unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die ein nach § 175 ZPO als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes der Sendung auf dem Postweg überhaupt nicht erhält, den Rechtsbehelf des Einspruchs endgültig abzuschneiden, und zwar allein deshalb, weil sie den Zustellungsbevollmächtigten nicht bestellt hat (BGH, Beschl. v. 4. Dezember 1991 - IV ZB 4/91, NJW 1992, 1701, 1702; BVerfG aaO S. 1772).
Im vorliegenden Fall ist danach - nicht anders als bei gewöhnlichen, nicht auf einer Fiktion beruhenden Inlandszustellungen - die Fristversäumung des Beklagten als unverschuldet anzusehen, weil ihm ein Verlust der Sendung
auf dem Postweg nicht anzulasten ist. Ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 14. Mai 1999 ist ihm die am 24. November 1998 zur Post gegebene Sendung mit dem Versäumnisurteil nie zugegangen, so daß von einem derartigen Verlust auszugehen ist. Nach Aktenlage besteht kein Anlaß, an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Der Beklagte hat - obwohl ihm dies hinsichtlich eines etwaigen Fristenlaufes eher ungünstig war - versichert, die im Wege der Auslandszustellung wiederholte Übermittlung des Versäumnisurteils bereits am 18. März 1999 tatsächlich erhalten zu haben und nicht etwa eine Woche später - wie von der englischen Behörde in der Zustellungsurkunde vermerkt. Die Richtigkeit der diesbezüglichen Versicherung ergibt sich zudem daraus, daß der Inhalt der Sendung bereits durch die englischen Rechtsanwälte des Beklagten am 23. März 1999 per Fax an seine derzeitigen Prozeßbevollmächtigten übermittelt worden ist. Da der Beklagte nach Erhalt der Auslandszustellung sogleich seine Prozeßbevollmächtigten bestellt und mit der Einlegung des Einspruchs beauftragt hat, erscheint seine weitere Versicherung glaubhaft, er würde selbstverständlich - auch angesichts des Streitwerts von 10 Mio. DM - umgehend die Rechtsanwälte schon früher beauftragt haben, wenn ihn die am 24. November 1998 zur Post aufgegebene Sendung tatsächlich erreicht hätte.
3. Die - von den Vorinstanzen auf der Grundlage ihres Rechtsstandpunkts folgerichtig nicht geprüften - formalen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind ebenfalls gegeben, insbesondere ist die Frist des § 234 ZPO eingehalten. Diese Frist begann frühestens am 27. April 1999, dem Tag, an dem den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten erstmals Akteneinsicht gewährt wurde; somit war die Einreichung des Gesuchs am 10. Mai 1999 rechtzeitig. Eine frühere Behebung des Hindernisses - Unkenntnis von der gemäß § 175 ZPO fingierten früheren Zustellung vom 24. November 1998 - kommt
nicht in Betracht. Gerade weil die Auslandszustellung des Urteils am 18. März 1999 erfolgte, mußte der Beklagte nicht mit einer früheren Zustellung gemäß § 175 ZPO rechnen, weil eine "doppelte" Zustellung jedenfalls grundsätzlich nicht ohne weiteres erwartet werden konnte. Folgerichtig haben seine Prozeßbevollmächtigten auch zunächst am 31. März 1999 nur Akteneinsicht beantragt und sich am 16. April 1999 mit der Einlegung des Einspruchs begnügt, weil die Akte wegen der Auslandszustellung bei Gericht nicht vor dem 27. April 1999 verfügbar war. Hinzu kam, daß selbst das Landgericht zunächst von der Rechtzeitigkeit des Einspruchs ausging, indem die Kammervorsitzende unter dem 23. April 1999 den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten schriftlich bescheinigte , daß das Versäumnisurteil am 25. März 1999 zugestellt sei, und im übrigen die Frist zur Einspruchsbegründung antragsgemäß bis zum 10. Mai 1999 verlängerte. Das Gericht selbst stellte erst am 6. Mai 1999 nach Aktendurchsicht die bereits am 24. November 1998 gemäß § 175 ZPO bewirkte frühere Zustellung fest und ließ den bis dahin fehlenden Aktenvermerk nach § 213 ZPO nachholen; erst danach wies es durch Schreiben vom 6. Mai 1999 den Beklagten auf die veränderte Situation hin. Bei dieser Sachlage mußten die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten jedenfalls nicht vor der eigenen Akteneinsicht die frühere – zudem damals noch nicht förmlich bescheinigte - Zustellung vom 24. November 1998 bemerken.
4. Mit der die Wiedereinsetzung stattgebenden Entscheidung ist zugleich die auf die Fristversäumung gestützte Einspruchsverwerfung durch das Landgericht gegenstandslos.
5. Über die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens - zu denen auch die Kosten der für den Beklagten erfolgreichen Beschwerdeverfahren gehö-
ren - ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen (vgl. Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 238 Rdn. 11 m. Rechtsprechungsnachw.).

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke