Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2011 - V ZB 118/10

bei uns veröffentlicht am28.04.2011
vorgehend
Landgericht Hamburg, 329 T 2/10, 01.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 118/10
vom
28. April 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Abschiebungshaft kann auch durch einen Richter auf Probe angeordnet werden. §
68 Abs. 4 FamFG ist auf die Haftanordnung nicht entsprechend anwendbar.

b) Wird dem Betroffenen der Haftantrag erst zu Beginn der Anhörung ausgehändigt
und kann der Betroffene ohne seinen Verfahrensbevollmächtigten nicht ohne weiteres
dazu Stellung nehmen, muss ihm Gelegenheit zur Prüfung und Besprechung
mit diesem gegeben werden. Der Erlass einer mehr als nur kurzfristigen einstweiligen
Haftanordnung kommt dann nicht in Betracht.
BGH, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 118/10 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird unter Aufhebung des Beschlusses der Zivilkammer 29 des Landgerichts Hamburg vom 1. April 2010 festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vom 23. November 2009 und vom 4. Januar 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Freien und Hansestadt Hamburg auferlegt.
Der Gegenstandswert wird auf 6.000 € festgesetzt.
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene war auf Grund einer nachträglich bis zum 11. März 2005 befristeten Aufenthaltserlaubnis ausreisepflichtig. Diese Entscheidung wurde nach Einstellung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 3. April 2007 bestandskräftig. Nachdem die beteiligte Behörde von dem Aufenthaltsort des Betroffenen im Jahr 2008 erfahren hatte, betrieb sie die Abschiebung. Dazu ordnete das Amtsgericht auf ihren Antrag am 16. November 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung die Inhaftierung des Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung bis zum 27. November 2009 an.
2
Auf einen in der Anhörung mündlich geänderten Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 23. November 2009 gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 4. Januar 2010 und auf Grund eines weiteren Antrags mit Beschluss vom 4. Januar 2010 die weitere Haft bis zum 27. Januar 2010 angeordnet. Gegen diese Beschlüsse hat der Betroffene mit am 30. Dezember 2009 und am 6. Januar 2010 eingegangenen Schriftsätzen Beschwerde erhoben, nach seiner Abschiebung am 21. Januar 2010 mit dem Antrag, die Verletzung seiner Rechte festzustellen. Die Beschwerden hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.


3
Das Beschwerdegericht hält die Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. November 2009 für verfristet. Der Beschluss sei dem Betroffenen in der Anhörung am 23. November 2009 ausgehändigt worden. Die Beschwerde habe deshalb bis zum 23. Dezember 2009 erhoben werden müssen. Daran ändere es entgegen der Ansicht des Betroffenen nichts, dass das Datum des Haftendes in dem Original des Beschlusses geändert und mit dem Datumsstempel „30. 12. 09“ versehen worden sei.In der der beteiligten Behörde erteilten Aus- fertigung seien entsprechende handschriftliche Änderungen vorgenommen worden. Der Datumsstempel diene der Fristenkontrolle. Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. Januar 2010 sei zwar zulässig, aber unbegründet. Mit diesem Beschluss habe das Amtsgericht die am 4. Januar 2010 endende Sicherungshaft bis zum 27. Januar 2010 verlängert. Dass der Beschluss von einem Richter auf Probe und nicht von einem auf Lebenszeit ernannten Richter erlassen worden sei, sei unerheblich. Das Gesetz behalte den Erlass der Sicherungshaft nicht Richtern auf Lebenszeit vor.

III.


4
Die ohne Zulassung statthafte (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 und vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet.
5
1. Die Beschwerden des Betroffenen gegen die angegriffenen Haftanordnungen des Amtsgerichts waren fristgerecht erhoben und auch sonst zulässig.
6
a) Das trifft nicht nur für die am 6. Januar 2010 bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde gegen die Haftanordnung vom 4. Januar 2010 zu. Rechtzeitig war entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch die Beschwerde gegen die Haftanordnung vom 23. November 2009. Diese Beschwerde ist zwar erst am 30. Dezember 2009 bei dem Amtsgericht eingegangen. Sie ist aber nicht verspätet, weil es an dem erforderlichen aktenkundigen Nachweis fehlt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts vom 23. November 2009 dem Betroffenen vor dem 30. November 2009 zugestellt oder sonst schriftlich bekannt gemacht worden ist.
7
b) Das Anhörungsprotokoll erbringt den Nachweis einer Bekanntgabe des in den Akten enthaltenen Beschlusses vom 23. November 2009 nicht. Danach ist zwar in der Anhörung der dem Protokoll nachgeheftete Beschluss verkündet und dem Betroffenen und der beteiligten Behörde durch Aushändigung von Ausfertigungen bekannt gemacht worden. Welchen Inhalt der verkündete Beschluss und die ausgehändigten Ausfertigungen hatten, lässt sich den Akten, auf deren Inhalt es dafür nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 173 Satz 2 ZPO und nach § 41 Abs. 2 Satz 2 FamFG ankommt, jedoch nicht entnehmen. In dem Beschlussoriginal ist das ursprünglich mit „27. 11. 2009“ bestimmte En- de der Haft handschriftlich in „4. 1. 2010“ geändert worden. Ob diese Änderung auch schon bei der Verkündung des Beschlusses vorhanden war, ergibt sich aus den Akten nicht. Auf die Änderung ist der Abdruck eines Datumsstempels gesetzt, der das Datum „30. 12. 09“ ausweist.Das Datum entspricht dem des Eingangs der Beschwerde des Betroffenen bei dem Amtsgericht. Für die Anbringung dieses Stempelaufdrucks gab es bei normalem Verfahrensablauf keine Veranlassung. Das Verfahren war für das Amtsgericht mit dem Erlass der Haftanordnung abgeschlossen. Das Amtsgericht hatte, anders als das Beschwerdegericht meint, auch keinen Anlass für eine Fristenkontrolle. Die Kontrolle der Haftfrist war Aufgabe der beteiligten Behörde und der Justizvollzugsbehörde , die die Haft vollzog. Die Einhaltung der Rechtsmittelfrist hatte das Amtsgericht erst zu prüfen, wenn ein Rechtsmittel einging. Als Eingangsgericht musste es die Rechtsmittelfrist nicht im Blick auf eine etwa notwendige Rücksendung der Akten überwachen. Eine Feststellung des Inhalts des verkündeten Beschlusses ist auch nicht anhand der Ausfertigungen möglich, die dem Betroffenen und der beteiligten Behörde erteilt worden sind. Denn bei diesen Ausfertigungen handelt es sich nicht um korrigierte Reinschriften des Originals. Vielmehr sind die Änderungen von Hand in Abdrucke des Beschlussentwurfs eingetragen worden.
8
2. Die Haftanordnungen des Amtsgerichts vom 23. November 2009 und vom 4. Januar 2010 sind fehlerhaft und haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
9
a) Die Haftanordnung vom 23. November 2009 ist schon deshalb fehlerhaft , weil der nach § 417 FamFG erforderliche zulässige Haftantrag der beteiligten Behörde fehlte.
10
aa) Die beteiligte Behörde hat zwar unter dem 23. November 2009 einen schriftlichen Haftantrag bei dem Amtsgericht eingereicht. Darin hatte sie aber nur die Anordnung von Sicherungshaft bis zum 27. November 2009 beantragt. Das bedeutete für den Betroffenen keine Änderung seiner Lage, weil das Amtsgericht auf den Antrag der beteiligten Behörde schon mit Beschluss vom 16. November 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung die Inhaftierung des Betroffenen bis zu diesem Tag angeordnet hatte und diese Haft noch andauerte. Die von der beteiligten Behörde in der Sache angestrebte weitere Inhaftierung des Betroffenen über den 27. November 2009 hinaus bis zum 4. Januar 2010 hat sie dagegen nur mündlich und erst zu Beginn der Anhörung des Betroffenen durch den Haftrichter beantragt. Ob dieses Vorgehen zulässig war, ist zweifelhaft. Zwar kann ein Antrag nach § 25 Abs. 1 FamFG auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle gestellt werden. Der Antrag ist hier in das Protokoll über die Anhörung aufgenommen worden, das auch von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet worden ist. Zweifelhaft ist aber, ob dem Betroffenen der Haftantrag der beteiligten Behörde erst zu Beginn der Anhörung erstmals eröffnet werden durfte. Das ist nur in einfach gelagerten Sachverhalten zulässig, zu denen der Betroffene auch unter dem Gesichtspunkt der Überraschung ohne weiteres Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16). Ob das angenommen wer- den kann, wenn die beteiligte Behörde selbst erst in der Anhörung zu einer sinnvollen Antragstellung gelangt, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben.
11
bb) Ein Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 FamFG nicht nur vorliegen, sondern auch den Darlegungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genügen. Fehlt es daran, ist er unzulässig. Eine Haftanordnung darf dann nicht ergehen (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). So liegt es hier.
12
(1) Nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG muss der Haftantrag insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer enthalten. Inhalt und Umfang der erforderlichen Darlegung bestimmen sich nach dem Zweck des Begründungserfordernisses. Es soll gewährleisten, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und dass das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12).
13
(2) Gemessen daran genügten die Angaben der beteiligten Behörde den Anforderungen an die Begründung nicht. Nach dem schriftlichen Haftantrag, der dem Betroffenen nach dem Inhalt des Protokolls zunächst ausgehändigt worden ist, war die Anordnung der Haft nur bis zum 27. November 2009 notwendig. Von dieser Einschätzung ist der Vertreter der beteiligten Behörde in der Anhörung abgerückt. Er hat die geänderte Einschätzung aber nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolls lediglich damit erläutert, eine Abschiebung werde im Januar oder Februar 2010 möglich sein. Diese Angabe war gerade auch ange- sichts der bisher anderen Einschätzung der beteiligten Behörde unzureichend. Sie war nicht ansatzweise durch tatsächliche Anhaltspunkte unterlegt und bot weder dem Haftrichter eine taugliche Grundlage für die nach § 26 FamFG von Amts wegen anzustellenden Ermittlungen noch dem Betroffenen einen Ansatzpunkt , mit dem er sich hätte auseinandersetzen können.
14
cc) Dieser Fehler ist im weiteren Verfahren nicht geheilt worden. Die beteiligte Behörde hat zwar in ihrem Folgehaftantrag vom 29. Dezember 2009 näher erläutert, dass und aus welchen Gründen eine weitere Haft erforderlich sei. Dieser Haftantrag ist dem Betroffenen aber erst an dem Tag ausgehändigt worden , an dem die angeordnete Haft endete. Außerdem bot er keine nachvollziehbare Erklärung für die bereits angeordnete Haft. Er ließ vielmehr Zweifel daran aufkommen, dass die beteiligte Behörde das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung betrieb. Der fehlende zulässige Haftantrag konnte auch nicht nachträglich durch den Sachvortrag der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren ersetzt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19).
15
b) Fehlerhaft ist auch die Haftanordnung vom 4. Januar 2010.
16
aa) Das ergibt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen aber nicht schon daraus, dass die Haftanordnung von einem Richter auf Probe erlassen worden ist. Nach § 22 Abs. 5 Satz 2 GVG dürfen bei den Amtsgerichten Richter auf Probe eingesetzt werden, soweit nicht besondere Vorschriften den Einsatz solcher Richter generell oder unter bestimmten Voraussetzungen einschränken. Eine solche Einschränkung sieht § 23c Abs. 2 Satz 2 GVG nur für Betreuungssachen vor. Solche Sachen dürfen Richtern auf Probe erst nach Ablauf des ersten Jahres nach der Ernennung übertragen werden. Entsprechendes gilt nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GVG für den Einsatz von Richtern auf Probe in Strafsachen. Ihnen darf die Leitung eines Schöffengerichts erst nach Ablauf eines Jahres seit ihrer Ernennung übertragen werden. Eine vergleichbare Einschränkung sieht das Gesetz für Abschiebungshaftsachen nicht vor. Sie ergibt sich auch nicht aus § 68 Abs. 4 FamFG. Diese Vorschrift betrifft nur den Einsatz von Richtern auf Probe als Einzelrichter einer Beschwerdekammer, um den es hier nicht geht. Sie ist auf den Einsatz von Richtern auf Probe bei dem Amtsgericht auch nicht entsprechend anwendbar. Der Gesetzgeber hat ihren Einsatz als Einzelrichter einer Beschwerdekammer ausgeschlossen, um der Bedeutung der Entscheidungen des Beschwerdegerichts Rechnung zu tragen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 208). Diese Überlegung lässt sich auf die Entscheidung des Amtsgerichts nicht übertragen.
17
bb) Der Betroffene rügt aber im Ergebnis zu Recht, dass er entgegen § 420 Abs. 1 FamFG nicht ordnungsgemäß angehört worden ist.
18
(1) Das ergibt sich zwar, anders als der Betroffene meint, nicht schon daraus , dass seine Verfahrensbevollmächtigten ohne die von diesen erbetene vorherige Terminabsprache zu dem Termin geladen worden sind und an der Teilnahme an dem Anhörungstermin verhindert waren. Der Haftrichter ist im Grundsatz nur verpflichtet, dem Verfahrensbevollmächtigten, der sich bei Gericht für den Betroffenen gemeldet hat, von dem Anhörungstermin zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Teilnahme zu geben (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZA 2/10, juris Rn. 10; OLG Celle, InfAuslR 2008, 136, 137; OLG Rostock, FGPrax 2006, 187, 188; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 420 Rn. 2; Lesting in Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung , 5. Aufl., § 420 FamFG Rn. 3). Ob er generell verpflichtet ist, bei vorübergehender Verhinderung des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen jedenfalls von einer endgültigen Haftanordnung abzusehen (so Keidel/Budde, aaO, § 420 Rn. 2; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, § 420 Rn. 7), hat der Senat bislang nicht entschieden. Die Frage kann auch hier offen bleiben.
19
(2) Hier jedenfalls kam der Erlass einer endgültigen Haftanordnung schon deshalb nicht in Betracht, weil der Betroffene den Haftantrag nicht kannte.
20
(a) Den Zeitpunkt, zu dem das Gericht des ersten Rechtszugs dem Betroffenen den Haftantrag der beteiligten Behörde zuzuleiten hat, legt die Vorschrift des § 23 Abs. 2 FamFG zwar nicht verbindlich fest. Dieser Zeitpunkt bestimmt sich einerseits danach, was zu der dem Richter im Freiheitsentziehungsverfahren obliegenden Sachaufklärung erforderlich ist, andererseits danach , was den Betroffenen in die Lage versetzt, das ihm von Verfassungs wegen zukommende rechtliche Gehör auch effektiv wahrzunehmen. Der Haftantrag muss dem Betroffenen aber jedenfalls dann vor der Anhörung übermittelt werden, wenn er ohne vorherige Kenntnis des Antragsinhalts nicht in der Lage ist, zur Sachaufklärung beizutragen und seine Rechte wahrzunehmen (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16). So lag es hier.
21
(b) Die Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen hatten zwar kurz nach Eingang der Ladung zu dem Anhörungstermin am Nachmittag des 30. Dezember 2009 um Übermittlung des Haftantrags gebeten. Nicht festzustellen ist aber, ob der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 29. Dezember 2009 zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon vorlag. Er ist nach dem Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen auf Übermittlung einer Abschrift abgeheftet und trägt keinen Eingangsstempel. Den Akten lässt sich auch nicht entnehmen, ob eine Kopie des Haftantrags den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen überhaupt noch vor der Anhörung zugeleitet worden ist und ob das gegebenenfalls so rechtzeitig geschehen ist, dass diese mit dem Betroffenen vor dem am Freitag, dem 1. Januar 2010, beginnenden verlängerten Wochenende noch Kontakt aufnehmen konnten. Die Übermittlung des Haftantrags an den Betroffenen oder seine Verfahrensbevollmächtigten ist aber als Voraussetzung einer sinnvollen Anhörung eine Verfahrensgarantie, deren Einhaltung aktenkundig zu machen ist. Unterbleibt dies, ist zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass das nicht geschehen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360 für den Haftantrag und Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 165/10, InfAuslR 2011, 119, 120 Rn. 5 für Belehrung nach Art. 36 WÜK).
22
(c) Dem Betroffenen selbst ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nach dem Inhalt des Protokolls erstmals zu Beginn der Anhörung ausgehändigt worden. Im unmittelbaren Anschluss daran in die Anhörung einzutreten, ist zwar nicht zu beanstanden, wenn der Sachverhalt, der dem Haftantrag zugrunde liegt, einfach und überschaubar und der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung in der Lage ist, zu dem Antrag Stellung zu nehmen (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16). Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor. Der am Tag der Anhörung endenden Haft lag ein Haftantrag zugrunde, der mangels einer ausreichenden Begründung nicht prüffähig (und damit unzulässig) war. Mit den Fragen , ob die beteiligte Behörde die Abschiebung des Betroffenen mit der gebotenen Beschleunigung betrieben hatte und ob die in dem neuerlichen Haftantrag angeführten Gründe für die Verzögerung ausreichten und eine weitere Haftanordnung rechtfertigten, war der Betroffene ersichtlich überfordert. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass er sich ohne Unterstützung seiner Verfahrensbevollmächtigten nicht zu dem Haftantrag äußern könne.
23
(3) Dem Betroffenen musste deshalb Gelegenheit gegeben werden, den Haftantrag zu prüfen und sich mit seinen Verfahrensbevollmächtigten zu besprechen. Ohne Gelegenheit dazu durfte eine mehr als nur kurzfristige vorläufige Haftanordnung nicht ergehen. Dieser Fehler ist nicht heilbar (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154 Rn. 12).
24
3. Der Antrag des Betroffenen auf Verfahrenskostenhilfe ist unbegründet, weil er seine persönlichen Verhältnisse nicht unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars oder in gleichwertiger Weise dargelegt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 214/10, NVwZ-RR 2011, 87, 88).

IV.


25
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 83 Abs. 2 und 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, der Körperschaft , der die beteiligte Behörde angehört, zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen zu ver- pflichten. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach §§ 128c Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Gegenstand der Anfechtung waren zwei eigenständige Haftanordnungen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidungen vom 23.11.2009 und 04.01.2010 - 219d XIV 35925 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 01.04.2010 - 329 T 2/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2011 - V ZB 118/10

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2011 - V ZB 169/11

bei uns veröffentlicht am 03.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 169/11 vom 3. November 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2011 durch die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. B

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - V ZB 48/12

bei uns veröffentlicht am 14.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 48/12 vom 14. Juni 2012 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt

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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/09
vom
25. Februar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5; AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; Art. 19 der Verordnung (EG)
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung)

a) Auch in den Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG ist ein § 62
FamFG entsprechender Feststellungsantrag des Betroffenen zulässig. Einer
Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es auch in diesen Fällen nicht.

b) Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt
aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten
Drittstaatsangehörigen (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, §§ 57
Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist nicht schon dann unzulässig,
wenn der Ausländer bei der Grenzbehörde um Asyl nachgesucht hat (§ 18 Abs.
1 AsylVfG).

c) Bei seiner Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, ob die Abschiebung
innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, muss der Haftrichter
das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem
Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung
des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen.

d) Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin IIVerordnung
) - solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die
Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur
Sicherung der Abschiebung nicht anordnen und hat auf die Beschwerde des
Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2009 aufgehoben und festgestellt, dass dieser Beschluss die Beteiligte zu 1 in ihren Rechten verletzt hat.
Der weitergehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.
Die in den Rechtsmittelverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten werden beiden Beteiligten zu gleichen Teilen auferlegt. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Hälfte der der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligte zu 1, eine afghanische Staatsangehörige, traf am 9. September 2009 mit einem Flug aus Athen kommend auf dem Flughafen Düsseldorf ein. Bei einer Kontrolle durch Beamte der Beteiligten zu 2 wies sie sich durch einen gefälschten bulgarischen Reisepass aus. Bei der Vernehmung anlässlich ihrer Ingewahrsamnahme gab sie an, aus ihrem Heimatland über den Iran mithilfe einer Schlepperorganisation mit gefälschten Dokumenten in die Türkei gekommen und von dort mit einem Boot nach Griechenland befördert worden zu sein. Sie stelle in Deutschland einen Asylantrag. Das von dem Asylersuchen unterrichtete Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (im Folgenden: Bundesamt) bat die griechischen Behörden um Übernahme der Beteiligten zu 1.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht Düsseldorf am 10. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 angeordnet. Die Beteiligte zu 1 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, sie umgehend aus der Haft zu entlassen. Der Beschwerdebegründung vom 6. Oktober 2009 hat sie eine Abschrift des an demselben Tage bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Maßnahmen zum Vollzug ihrer Verbringung nach Griechenland beigefügt.
3
Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen; diese ist jedoch auf Grund der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung aller Maßnahmen zur Verbringung nach Griechenland mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen worden. Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Beteiligte zu 1, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft und die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung festzustellen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, schon wegen der unerlaubten Einreise ohne Pass und Aufenthaltstitel sei ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu bejahen. Zudem liege der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, weil wegen der unerlaubten Einreise der Beteiligten zu 1 mithilfe von Schleusern und ohne gültige Papiere und ihrer Erklärung, nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen, der begründete Verdacht bestehe, dass sie sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde.
5
Der gegenüber der Beteiligten zu 2 mündlich gestellte Asylantrag stehe der Haft nicht entgegen, da die Beteiligte zu 1 dadurch noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben habe. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, dass eine Zurückschiebung nach Griechenland wegen der dortigen Verhältnisse unzulässig sei, obliege die Prüfung dieses Einwands nicht dem Haftrichter, sondern sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte.
6
Auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (2 BvQ 56/09) und vom 23. September 2009 (2 BvQ 68/09) rechtfertigten keine Aufhebung der Haftanordnung, weil nicht erkennbar sei, welche tatsächlichen Umstände ihnen zugrunde gelegen hätten.
7
Die Haftanordnung sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, weil das Beschwerdegericht auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1 nicht feststellen könne, dass eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die die Beteiligte zu 1 nicht zu vertreten habe, nicht möglich sein werde.

III.

8
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
9
Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheits- entziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 FEVG i.V.m. §§ 19, 22, 27, 29 FGG) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden (BVerfG NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war (BVerfG, a.a.O.; Senat BGHZ 153, 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 62 Rdn. 4).
10
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die freiheitsentziehende Maßnahme ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sich - wie hier - die Hauptsache bereits vor Anhängigkeit des Rechtsmittels erledigt hat und mit diesem allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts durch die Inhaftierung festzustellen.
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist teilweise begründet. Zwar verletzte nicht schon die Inhaftierung, aber die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
12
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bejaht.
13
aa) Die Anordnung der Freiheitsentziehung auf Antrag der Beteiligten zu 2 war nach § 417 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beteiligte zu 2 (Bundespolizei) ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde, der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG für die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 13) - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen ist (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 616, 617).
14
bb) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 war im Zeitpunkt der Anordnung der Haft begründet.
15
(1) Es lag der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor. Die Beteiligte zu 1 war auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 AufenthG von dem Haftrichter zu prüfen (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, Rz. 7 - juris; KG NVwZ 1997, 516).
16
(2) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wegen des begründeten Verdachts, dass die Beteiligte zu 1 sich der Zurückschiebung nach Griechenland entziehen werde, auf Grund der unerlaubten Einreise und der Erklärung der Beteiligten zu 1, in Deutschland bleiben zu wollen, bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
17
b) Dass die Beteiligte zu 1 gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ihrer Zurückschiebung nicht entgegen.
18
aa) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist einem Ausländer, der gegenüber der Grenzbehörde um Asyl nachsucht (§ 18 Abs. 1 AsylVfG), die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist eine gesetzliche Anordnung für das Verfahren der Grenzbehörden bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Hintergrund der Regelung ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1, im Folgenden: Dublin II-Verordnung). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG soll dem Ausländer bereits die Einreise verweigert werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die sachliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (HK-AuslR/Bruns, § 18 AsylVfG Rdn. 14; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 18, Rdn. 58).
19
§ 18 Abs. 3 AsylVfG erweitert die Aufgaben der Grenzbehörden in den Fällen, in denen sie dem Ausländer zwar nicht mehr die Einreise verweigern können, weil dieser bereits die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat und damit eingereist ist (§ 13 Abs. 2 AufenthG), er jedoch noch im grenznahen Raum und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. Die Grenzbehörde hat dann dessen Zurückschiebung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Ausländer ihr gegenüber erklärt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen.
20
bb) Der Ausländer erwirbt durch das gegenüber der Grenzbehörde geäußerte Asylersuchen noch nicht die unmittelbar auf Gesetz beruhende Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese schlösse allerdings eine Zurückschiebung auf Grund unerlaubter Einreise grundsätzlich aus, was von dem Haftrichter auch von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. zum früheren Recht: BayObLGZ 1993, 154, 155; 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812). Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem Asylersuchen gegenüber der Grenzoder der Ausländerbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit der Stellung eines Asylantrags nach §§ 13, 14, 23 AsylVfG bei dem zuständigen Bundesamt erworben (vgl. Senat, BGHZ 153, 18, 20).
21
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Bestimmungen über den Asylantrag und über den Zeitpunkt seiner Stellung (Art. 2 Buchstabe c, Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) meint, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits mit der Protokollierung des Asylersuchens durch die Grenzbehörde entstehe, ist ihr nicht zu folgen. Die Inhaftierung des Asylbewerbers wegen unerlaubter Einreise ist nicht bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in dem ihm die Entscheidung nach Art. 19 Dublin IIVerordnung mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag nicht geprüft und er an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde widerspricht nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 AsylVfG. Sie lässt sich auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. Dringlichkeitsverfahren in Art. 17 Abs. 2 Dublin II-Verordnung vereinbaren. Dieses ist dann anzuwenden, wenn der Asylantrag nach einer Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts gestellt, der Betroffene wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen worden ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen angekündigt oder vollzogen werden oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet. Das Dringlichkeitsverfahren setzt somit eine Festnahme und eine Inhaftierung eines sich um Asyl bewerbenden Ausländers wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat voraus; es verpflichtet jedoch den um die Aufnahme des Asylbewerbers ersuchten anderen Mitgliedstaat um beschleunigte Prüfung und Entscheidung, andernfalls seine Zustimmung zur Aufnahme wegen Verfristung nach Art. 18 Abs. 6, 7 Dublin IIVerordnung als erteilt gilt (Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, 2. Aufl., Art. 17 Anm. K 11 und Art. 18 K 12 ff.).
22
c) Erfolg hat die Rechtsbeschwerde jedoch deshalb, weil das Beschwerdegericht den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verkannt hat.
23
aa) Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass für Entscheidungen, ob Zurückschiebungen von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden (BGHZ 78, 145, 147; Senat, BGHZ 98, 109, 112).
24
bb) Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG abverlangten Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Abschiebung in den kommenden drei Monaten nicht befugt ist, nur auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu verweisen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungs- und die Zivilgerichte darf sich nicht zu Lasten des Ausländers auswirken. Die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 GG) verlangt vielmehr eine eigene Sachverhaltsermittlung des Haftrichters, der den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen muss (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660).
25
cc) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Angesichts der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vorgelegten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und 23. September 2009 (2 BvQ 68/09 - juris) drängte es sich auf, dass auch das Verwaltungsgericht dem anhängigen Eilantrag der Beteiligten zu 1 stattgeben und deren Zurückschiebung nach Griechenland aussetzen würde. Jedenfalls durfte das Beschwerdegericht nicht ohne eine Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht zu dem dort anhängigen Verfahren die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Haftanordnung zurückweisen.
26
Maßgebend für die Aussetzung der Zurückschiebungen von Asylbewerbern nach Griechenland waren nämlich nicht besonders gelagerte Umstände in den jeweiligen Einzelfällen, sondern - wie das Bundesverfassungsgericht allgemein und das OVG Münster (NVwZ 2009, 1571) detailliert ausgeführt haben - davon unabhängige ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass Griechenland die europarechtlichen Mindestnormen für die Anerkennung und den Status der Bewerber um internationalen Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Abl. L 304/12) und für das Verfahren nach der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (ABl. L 326/13) nicht einhält. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Regelung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art. 5 bis 14 der Dublin II-Verordnung) und die Überstellungen der Asylbewerber nach Art. 19 Dublin II-Verordnung durch den Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, in den für die Sachentscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat (OVG Münster, aaO, 1572).
27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
28
3. Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auch der Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 ist dagegen unbegründet.
29
a) Das Hindernis, das einem baldigen Vollzug eines sofort vollziehbaren Zurückschiebungsbescheids entgegensteht, entsteht erst, wenn der Antrag gestellt ist, aufgrund dessen die zuständigen Verwaltungsgerichte den Vollzug der behördlichen Entscheidung aussetzen.
30
Die Behandlung der Asylbegehren unter Anwendung der Dublin II-Verordnung obliegt den nach §§ 2, 3 AsylVfBV zuständigen Behörden, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird (HK-AuslR/Bruns, AsylVfG, § 27a Rdn. 14, 18 und 23; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rdn. 18 ff. und Rdn. 59 ff.). Die Aussetzung einer Zurückschiebung setzt daher einen Antrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Verwaltungsgericht voraus. Legt der betroffene Ausländer dagegen kein Rechtsmittel ein, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass die zuständige Behörde die Zurückschiebung (an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat) so schnell wie ihr möglich vollziehen wird.
31
b) Der Pflicht des Haftrichters, den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seine Prognose einzubeziehen (BVerfG NJW 2009, 2569, 2570), fehlt ohne den Antrag des Betroffen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das zuständige Verwaltungsgericht die Grundlage. Nach Aktenlage hat die Beteiligte zu 1 den Antrag nach § 123 VwGO an das Verwaltungsgericht erst zeitgleich mit der Begründung der Beschwerde gestellt, so dass nicht schon das die Haft anordnende und über die Abhilfe entscheidende erstinstanzliche Gericht, sondern erst das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 die Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Zurückschiebung bei der Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung in den nächsten drei Monaten berücksichtigen konnte.

IV.

32
Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.09.2009 - 151 XIV 49/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.10.2009 - 18 T 51/09 -
14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).

(1) Dokumente, deren Inhalt eine Termins- oder Fristbestimmung enthält oder den Lauf einer Frist auslöst, sind den Beteiligten bekannt zu geben.

(2) Die Bekanntgabe kann durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 der Zivilprozessordnung oder dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. Soll die Bekanntgabe im Inland bewirkt werden, gilt das Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn nicht der Beteiligte glaubhaft macht, dass ihm das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

(3) Ist eine Bekanntgabe nicht geboten, können Dokumente den Beteiligten formlos mitgeteilt werden.

(1) Ein elektronisches Dokument kann elektronisch nur auf einem sicheren Übermittlungsweg zugestellt werden.

(2) Einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments haben zu eröffnen:

1.
Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie
2.
Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts.
Sonstigein professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, sollen einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eröffnen.

(3) Die elektronische Zustellung an die in Absatz 2 Genannten wird durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen, das an das Gericht zu übermitteln ist. Für die Übermittlung ist der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte strukturierte Datensatz zu verwenden. Stellt das Gericht keinen strukturierten Datensatz zur Verfügung, so ist dem Gericht das elektronische Empfangsbekenntnis als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln.

(4) An andere als die in Absatz 2 Genannten kann ein elektronisches Dokument elektronisch nur zugestellt werden, wenn sie der Zustellung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren zugestimmt haben. Die Zustimmung gilt mit der Einreichung eines elektronischen Dokuments im jeweiligen Verfahren auf einem sicheren Übermittlungsweg als erteilt. Andere als natürliche Personen können die Zustimmung auch allgemein erteilen. Ein elektronisches Dokument gilt am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach als zugestellt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Empfänger nachweist, dass das Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

(1) Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht.

(2) Anwesenden kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben werden. Dies ist in den Akten zu vermerken. In diesem Fall ist die Begründung des Beschlusses unverzüglich nachzuholen. Der Beschluss ist im Fall des Satzes 1 auch schriftlich bekannt zu geben.

(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, ist auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu geben.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Beteiligten können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgeben, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist.

(2) Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, können vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zur Niederschrift abgegeben werden.

(3) Die Geschäftsstelle hat die Niederschrift unverzüglich an das Gericht zu übermitteln, an das der Antrag oder die Erklärung gerichtet ist. Die Wirkung einer Verfahrenshandlung tritt nicht ein, bevor die Niederschrift dort eingeht.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.

(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.

12
bb) Den Anforderungen an die Begründung des Haftantrags wird auch nicht dadurch genügt, dass nach der Akte der Bescheid des Bundesamtes vom 7. Oktober 2009 dem Haftantrag beilag. Die Behörde muss nämlich in dem Antrag selbst die die Verlassenspflicht begründenden Tatsachen bezeichnen. Nur dann ist gewährleistet, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, FamFG, § 417 Rn. 14).

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).

(1) Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter vor.

(2) Einem Richter beim Amtsgericht kann zugleich ein weiteres Richteramt bei einem anderen Amtsgericht oder bei einem Landgericht übertragen werden.

(3) Die allgemeine Dienstaufsicht kann von der Landesjustizverwaltung dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts übertragen werden. Geschieht dies nicht, so ist, wenn das Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt ist, einem von ihnen von der Landesjustizverwaltung die allgemeine Dienstaufsicht zu übertragen.

(4) Jeder Richter beim Amtsgericht erledigt die ihm obliegenden Geschäfte, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, als Einzelrichter.

(5) Es können Richter kraft Auftrags verwendet werden. Richter auf Probe können verwendet werden, soweit sich aus Absatz 6, § 23b Absatz 3 Satz 2 bis 5, § 23c Abs. 2 oder § 29 Abs. 1 Satz 2 nichts anderes ergibt.

(6) Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte in Insolvenz- und Restrukturierungssachen nicht wahrnehmen. Richter in Insolvenz- und Restrukturierungssachen sollen, soweit dies zur Erfüllung der jeweiligen Richtergeschäftsaufgabe erforderlich ist, über belegbare Kenntnisse auf den Gebieten des Insolvenzrechts, des Restrukturierungsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren notwendigen Teile des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts und des Rechnungswesens verfügen. Einem Richter, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, dürfen die Aufgaben eines Insolvenz- oder Restrukturierungsrichters nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse alsbald zu erwarten ist.

(1) Bei den Amtsgerichten werden Abteilungen für Betreuungssachen, Unterbringungssachen und betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen (Betreuungsgerichte) gebildet.

(2) Die Betreuungsgerichte werden mit Betreuungsrichtern besetzt. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte des Betreuungsrichters nicht wahrnehmen.

(1) Das Schöffengericht besteht aus dem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzenden und zwei Schöffen. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Vorsitzender sein.

(2) Bei Eröffnung des Hauptverfahrens kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Zuziehung eines zweiten Richters beim Amtsgericht beschlossen werden, wenn dessen Mitwirkung nach dem Umfang der Sache notwendig erscheint. Eines Antrages der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht, wenn ein Gericht höherer Ordnung das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

10
a) Falls der Betroffene rügen will, dass seine Anhörung vor dem Amtsgericht nicht ordnungsgemäß war, weil sie nicht im Beisein seines Bevollmächtigten stattgefunden hat, hätte das keinen Erfolg. Einem Verfahrensbevollmächtigten muss zwar die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Anhörungstermin teilzunehmen (OLG Karlsruhe InfAuslR 2006, 90; OLG Schleswig OLGR 2007, 495). Das ist hier aber erfolgt. Der Bevollmächtigte ist am Tag des Eingangs des Antrags der Ausländerbehörde bei dem Amtsgericht per Telefax zu dem Anhörungstermin am 10. Dezember 2009 geladen worden. Eine Teilnahme er- folgte wegen einer Terminskollision nicht. Ein Verlegungsantrag wurde nicht gestellt. Daher liegt keine verfahrensfehlerhafte Anhörung vor.

(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.

(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.

14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).
5
Nach der genannten Vorschrift sind die konsularischen Vertretungen des Heimatstaates eines Betroffenen auf Verlangen unverzüglich von dessen Inhaftierung zu unterrichten (Satz 1); auf dieses Recht ist der Betroffene unverzüg- lich hinzuweisen (Satz 3). Das Gericht hat deshalb neben der Belehrung des Betroffenen sicherzustellen, dass eine von diesem verlangte Unterrichtung der konsularischen Vertretung unverzüglich erfolgt. Da es sich bei den Rechten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen um Verfahrensgarantien handelt, muss deren Beachtung für die Rechtsmittelinstanzen nachvollziehbar sein und daher aktenkundig gemacht werden. Die Belehrung des Betroffenen, seine Reaktion hierauf und die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung (sofern verlangt) sind zu dokumentieren. Unterbleibt dies, kann nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensgarantien des Wiener Übereinkommens gewahrt worden sind; dies wirkt zugunsten des Betroffenen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360 für den Haftantrag).
12
cc) Wegen der Verstöße gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. § 62 Abs. 1 FamFG). Denn das Unterlassen der mündlichen Anhörung drückt wegen deren grundlegender Bedeutung der gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Zurückschiebung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf, der durch die Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist; dementsprechend verbietet sich bei der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung einer Freiheitsentziehung die Untersuchung, ob diese auf dem Unterbleiben der mündlichen Anhörung beruht (BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 214/10
vom
14. Oktober 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FamFG § 76; ZPO § 117 Abs. 4; PKHVV §§ 1, 2
Ein Betroffener muss grundsätzlich auch nach seiner Abschiebung die Erklärung
über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem durch § 1 PKHVV
festgelegten Formular abgeben oder eine gleichgestellte Unterlage vorlegen.
BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 214/10 - LG Krefeld
AG Krefeld
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag der Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 4. August 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene ist ukrainische Staatsangehörige. Sie hatte sich mehrere Jahre in Tschechien aufgehalten und war dann nach Deutschland ausgereist. Sie wandte sich am 7. September 2009 an die Polizei in Kaldenkirchen, um den Verlust ihres Rucksacks und Passes zu melden. Dort wurde sie festgenommen. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 vom 8. September 2009 ordnete das Amtsgericht gegen die Betroffene Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 7. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an.
2
Am 10. November 2009 hat die Betroffene bei dem Amtsgericht beantragt , den Beschluss des Amtsgerichts vom 8. September 2009 aufzuheben und festzustellen, dass die "Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig gewesen ist. Gegen die Zurückweisung ihres Antrags hat die Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt, nach ihrer Abschiebung in die Ukraine am 25. November 2009 mit dem Antrag festzustellen, dass die "Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig war. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen hat die Betroffene fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie beantragt, ihr für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Betroffene nicht vorgelegt.

II.

3
Der Antrag der Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist unbegründet.
4
1. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe setzt nach § 76 FamFG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO nicht nur voraus, dass der Betroffene nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und unter Einsatz seines Einkommens und Vermögens nach Maßgabe von § 115 ZPO die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Nach § 117 Abs. 4 ZPO muss er sich zu der dafür erforderlichen Darlegung des in § 1 i.V.m. Anlage 1 PKHVV festgelegten Formulars bedienen. Dieses muss vollständig und so ausgefüllt werden, dass eine gerichtliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen möglich ist (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 - XII ZB 83/07, FamRZ 2008, 868; Beschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07, FamRZ 2008, 871). Hat der Betroffene in der Beschwerdeinstanz das vorgeschriebene Formular vollständig ausgefüllt zu den Akten gereicht, genügt in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Bezugnahme auf die vorliegende Erklärung, wenn sie unmissverständlich ist und Veränderungen seitdem nicht eingetreten sind (Senat , Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZA 8/04, FamRZ 2004, 1961).
5
2. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
6
a) Die Betroffene hat im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Sie hat allerdings auf ihre in der Beschwerdeinstanz vorgelegte formgerechte Erklärung Bezug genommen. Diese Bezugnahme war indessen nicht ausreichend, weil sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen durch ihre Abschiebung in die Ukraine grundlegend verändert haben. Dass sie sich trotz der Veränderung ihrer Lebensumstände im Ergebnis nicht verändert hätten , hat die Betroffene nicht erklärt.
7
b) Die Vorlage der Erklärung auf dem vorgeschriebenen Formular ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Betroffene in der Ukraine aufhält und unsicher ist, ob ihr Verfahrensbevollmächtigter in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit ihr Kontakt aufnehmen und das Formular vollständig ausgefüllt vorlegen kann.
8
aa) Der Formularzwang gilt auch für Anträge auf Verfahrenskostenhilfe von Verfahrensbeteiligten, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in einem anderen Staat haben. § 117 Abs. 4 ZPO sieht für sie keine Ausnahme vor. Die Zivilprozessordnung verweist im Gegenteil für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an Beteiligte im EU-Ausland in § 1076 ZPO uneingeschränkt auch auf § 117 Abs. 4 ZPO. Beteiligte im EU-Ausland haben dazu zwar das in § 1 EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung i.V.m. der Anlage zu dieser Vorschrift bestimmte Formular zu verwenden. Dieses Formular folgt in der Diktion dem auf Grund von Art. 16 der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. Nr. L 26 S. 41, be- richtigt in ABl. Nr. L 32 S. 15) bestimmten Standardformular, unterscheidet sich aber inhaltlich nicht von dem sonst zu verwendenden Formular.
9
bb) Eine (zu berücksichtigende) Erklärung der ukrainischen Behörden oder der deutschen diplomatischen Vertretung in der Ukraine, in der die Bedürftigkeit der Betroffenen nach Maßgabe von Art. 21 des im Verhältnis zur Ukraine anwendbaren Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1. März 1954 (BGBl. 1958 II S. 576 i.V.m. Bek. vom 18. November 1999, BGBl. 2000 II S. 18) bescheinigt wird, hat die Betroffene ebenfalls nicht vorgelegt.
10
c) Von der Abgabe der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes abzusehen.
11
aa) Der Betroffene eines Freiheitsentziehungsverfahrens vor deutschen Gerichten hat zwar einen aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (BVerfGE 85, 337, 345; 88, 118, 123 f.; 108, 341, 347). Der Zugang zu den Gerichten und zu den im Verfahrensrecht vorgesehenen Rechtsmittelverfahren darf ihm nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 81, 123, 129). Diese Anforderungen sind auch bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die die Situation einer unbemittelten Person weitgehend der Situation eines Bemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes angleichen soll, zu beachten (vgl. BVerfGE 67, 245, 248). Sie stehen aber dem Zwang zur Verwendung des mit § 1 PKHVV festgelegten Formulars für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Beteiligten mit Aufenthalt in einem anderen Staat nicht entgegen. Denn auch solchen Beteiligten steht Verfahrenskostenhilfe nur zu, wenn sie bedürftig sind und dies in der von dem Gesetzgeber festgelegten Form darlegen. Diese Darlegung wird durch den Formularzwang auch bei Abgabe der Erklärung im Ausland nicht erschwert.
12
bb) Es mag allerdings Fälle geben, in denen der Betroffene in dem Staat, in den er abgeschoben worden ist, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen, etwa infolge einer Inhaftierung, gehindert ist, die Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars oder durch eine gleichwertige Bescheinigung des Aufenthaltsoder des Heimatstaats abzugeben. Wie dann zu verfahren ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Betroffene nicht vorgetragen hat, dass es sich in ihrem Fall so verhält. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Krefeld, Entscheidung vom 08.09.2009 - 29 XIV 37/09/B -
LG Krefeld, Entscheidung vom 04.08.2010 - 7 T 289/09 -

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.