Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2012 - V ZB 118/12

bei uns veröffentlicht am06.12.2012
vorgehend
Amtsgericht Passau, XIV B 66/12, 24.04.2012
Landgericht Passau, 2 T 75/12, 12.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 118/12
vom
6. Dezember 2012
in der Zurückschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke,
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Passau vom 12. Juni 2012 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Passau vom 24. April 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste am 24. April 2012 unerlaubt aus Österreich nach Deutschland ein und wurde an der Grenze festgenommen. Die beteiligte Behörde entnahm der Datenbank EURODAC, dass der Betroffene in Rumänien einen Asylantrag gestellt hatte, und erwirkte bei dem Amtsgericht noch am selben Tag die Anordnung einer Haft von sechs Wo- chen Dauer zur Sicherung der Zurückschiebung des Betroffenen "primär nach Rumänien", aber auch in einen anderen Zielstaat, in den er einreisen dürfe oder der ihn aufnehmen müsse. Das zuständige Bundesamt ersuchte am 25. April 2012 Rumänien um Rücknahme des Betroffenen. Diese lehnte Rumänien mit der Begründung ab, der Betroffene sei von Bulgarien aus illegal nach Rumänien eingereist; Bulgarien habe sich zur Rücknahme bereit erklärt. Dorthin wurde der Betroffene am 22. Mai 2012 zurückgeschoben. Das Landgericht hat die Beschwerde , mit welcher der Betroffene die Feststellung anstrebt, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden zu sein, zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

2
Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für rechtmäßig. Ihr liege ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Er enthalte insbesondere die notwendigen Angaben zur Durchführbarkeit der Zurückschiebung. Die Haftgründe nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG hätten vorgelegen. Der Betroffene sei unerlaubt eingereist. Er habe der beteiligen Behörde gegenüber unwahre Angaben gemacht, woraus zu entnehmen sei, dass er sich der Zurückschiebung habe entziehen wollen. Mit deren Vollzug sei innerhalb weniger Wochen zu rechnen gewesen. Die beteiligten Behörden hätten die Zurückschiebung auch beschleunigt betrieben.

III.

3
Diese Erwägungen halten in einem entscheidenden Punkt einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Haftanordnung war rechtswidrig, weil ihr kein zulässiger Haftantrag zugrunde lag. Dieser Fehler ist im weiteren Verfahren nicht geheilt worden.
4
1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, juris Rn. 7).
5
2. Zu den Angaben zur Durchführbarkeit der Zurückschiebung gehören nicht nur konkrete, auf den Zielstaat bezogene Angaben dazu, welchen Zeitraum eine Zurückschiebung dorthin regelmäßig in Anspruch nimmt (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10). Vielmehr muss bei einer Zurückschiebung nach der Dublin-II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, ABl. L 50 S. 1) auch ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat - hier Rumänien - nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10 mit Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, juris Rn. 13, insoweit in NVwZ 2011, 320 nicht abgedruckt ). Das wiederum bestimmt sich wesentlich danach, in welchem in der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Verfahren die Zurückschiebung erfolgen soll, insbesondere ob eine Aufnahme nach Art. 10, 16 Abs. 1 Buchstabe a der Dublin-II-Verordnung oder eine Wiederaufnahme nach Art. 4 Abs. 5 oder Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c bis e jeweils in Verbindung mit Art. 20 Dublin-II-Verordnung betrieben werden soll. Demgemäß kann der Richter in die Prüfung, ob eine Zurückweisung in den angegebenen Zielstaat durchführbar ist, erst eintreten, wenn ihm mitgeteilt wird, welches Verfahren zur Durchführung der Zurückschiebung beabsichtigt ist.
6
3. Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag nicht.
7
a) Die beteiligte Behörde hat zwar angegeben, dass eine Zurückschiebung nach Rumänien nach ihren Erfahrungen im Durchschnitt 31 Tage, längstens 43 Tage, in Anspruch nehme. Sie hat auch mitgeteilt, sie habe dem EURODAC -Register entnommen, dass der Betroffene in Rumänien am 19. November 2011 einen Asylantrag gestellt habe. Daraus ergebe sich, dass Rumänien für die Antragsbearbeitung zuständig sei. Das genügt aber nicht.
8
b) Dem Haftantrag lässt sich nicht entnehmen, in welchem Verfahren die Zurückschiebung betrieben werden soll. Der Hinweis auf die Bearbeitungszuständigkeit deutet eher auf ein Aufnahmeverfahren hin, während die Angabe in dem EURODAC-Register auch das Wiederaufnahmeverfahren zuließe, das später tatsächlich gewählt worden ist. Die Entscheidung darüber, ob eine Aufnahme oder eine Wiederaufnahme beantragt wird, obliegt allerdings dem zuständigen Bundesamt. Ohne Information darüber kann der Richter indessen nicht prüfen, ob der Zielstaat den Betroffenen zurücknehmen muss und eine Zurückschiebung gelingen kann. Diese Angabe muss deshalb bei dem Bun- desamt abgefragt und in dem Haftantrag mitgeteilt werden. Wenn die Umstände eine vorherige Rückfrage bei dem Bundesamt nicht zuließen und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestand, musste sich die beteiligte Behörde zunächst darauf beschränken, eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß § 427 FamFG zu beantragen (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10 aE). Das ist nicht geschehen.
9
c) Der Mangel des Haftantrags wäre zwar - mit Wirkung für die Zukunft - geheilt worden, wenn die beteiligte Behörde die fehlenden Angaben rechtzeitig nachgeholt und der Betroffene Gelegenheit erhalten hätte, dazu in einer persönlichen Anhörung Stellung zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 61/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 188/11, juris Rn. 12 f.). Dazu ist es aber nicht gekommen. Die beteiligte Behörde hat ihren Schriftsatz mit den erforderlichen Angaben erst am 21. Mai 2012 bei dem Amtsgericht eingereicht. Zu diesem ist der Betroffene nicht mehr persönlich gehört worden, weil er tags darauf nach Bulgarien zurückgeschoben worden ist, das für die Bearbeitung seines Asylantrags zuständig ist, weil er dort erstmals unerlaubt in die Europäische Union eingereist ist.

IV.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 Abs. 2, § 81 Abs. 1, § 430 FamFG und Art. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Czub Kazele
Vorinstanzen:
AG Passau, Entscheidung vom 24.04.2012 - 1 XIV B 66/12 -
LG Passau, Entscheidung vom 12.06.2012 - 2 T 75/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2012 - V ZB 118/12

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 417 Antrag


(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (
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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zu

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 427 Einstweilige Anordnung


(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedür

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).
7
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Beschwerdegericht ihr Einvernehmen mit der Abschiebung der Betroffenen telefonisch mitgeteilt und das Beschwerdegericht die Beteiligten in dem Termin zur Anhörung der Betroffenen davon unterrichtet hat. Damit entfiel zwar das deren Abschiebung entgegenstehende Hindernis, jedoch nicht die in der Beschwerdeinstanz nicht heilbare Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Ohne einen nach § 417 FamFG wirksamen Haftantrag durfte die Abschiebungshaft weder angeordnet noch verlängert werden (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, NVwZ 2010, 1508, 1509 Rn. 19 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 16). Einen erneuten Haftantrag vor dem Amtsgericht hat die Beteiligte zu 2 jedoch nicht gestellt.
10
bb) Ein weiterer Mangel des Haftantrags liegt darin, dass entgegen § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG jegliche Begründung zu der Durchführ- barkeit der Zurückschiebung und zu der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer von drei Monaten fehlt. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen bzw. Zurückschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2012 – V ZB 127/11, Rn. 7 f., juris; Beschluss vom 27. Oktober 2011 – V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 12 f.). Diese Angaben waren hier nicht deshalb entbehrlich, weil bei Rückübernahmen nach der Dublin II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, Abl. L 50/1 vom 25. Februar 2003) grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können. Denn das gilt nur, wenn festgestellt ist, dass der Mitgliedstaat zur Rückübernahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 29. September 2010 – V ZB 233/10, Rn. 13, juris [insoweit in NVwZ 2011, 320 nicht abgedruckt]). Angaben zu der Rücknahmeverpflichtung Großbritanniens nach der Dublin II-Verordnung enthält der Haftantrag jedoch nicht. Konnte die Behörde unmittelbar nach der Verhaftung des Betroffenen noch keine solchen Angaben machen, hätte sie sich darauf beschränken müssen , eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß § 427 FamFG zu beantragen.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

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bb) Ein weiterer Mangel des Haftantrags liegt darin, dass entgegen § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG jegliche Begründung zu der Durchführ- barkeit der Zurückschiebung und zu der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer von drei Monaten fehlt. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen bzw. Zurückschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2012 – V ZB 127/11, Rn. 7 f., juris; Beschluss vom 27. Oktober 2011 – V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 12 f.). Diese Angaben waren hier nicht deshalb entbehrlich, weil bei Rückübernahmen nach der Dublin II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, Abl. L 50/1 vom 25. Februar 2003) grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können. Denn das gilt nur, wenn festgestellt ist, dass der Mitgliedstaat zur Rückübernahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 29. September 2010 – V ZB 233/10, Rn. 13, juris [insoweit in NVwZ 2011, 320 nicht abgedruckt]). Angaben zu der Rücknahmeverpflichtung Großbritanniens nach der Dublin II-Verordnung enthält der Haftantrag jedoch nicht. Konnte die Behörde unmittelbar nach der Verhaftung des Betroffenen noch keine solchen Angaben machen, hätte sie sich darauf beschränken müssen , eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß § 427 FamFG zu beantragen.
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a) Eine rückwirkende Heilung kommt ohnehin nicht in Betracht. Liegt allerdings das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vor, kann das dazu führen, dass der Haftantrag zulässig wird. Voraussetzung ist, dass die Behörde die Antragsbegründung um die Darlegung zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360; Beschluss vom 3. Mai 2011 -V ZA 10/11, juris Rn. 11).
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bb) Unerheblich ist, dass nach der Rechtsprechung des Senats die mit der Inhaftierung aufgrund eines unzulässigen Haftantrags einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10 Rn. 7, juris; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 14, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19). Liegt nämlich im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) vor, kann das dazu führen, dass insoweit erstmals ein zulässiger Haftantrag vorhanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Das ist dann der Fall, wenn die den Haftantrag stellende Behörde die Antragsbegründung um die Darlegungen zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Ab diesem Zeitpunkt fehlt es jedenfalls im Hinblick auf das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) nicht mehr an einem zulässigen - und insoweit begründeten - Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.