Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - V ZB 14/10

bei uns veröffentlicht am21.01.2010
vorgehend
Amtsgericht Frankenthal (Pfalz), 2 XIV 41/09 B, 03.12.2009
Landgericht Frankenthal (Pfalz), 1 T 252/09, 08.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 14/10
vom
21. Januar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG kann das Rechtsbeschwerdegericht
wie das Beschwerdegericht vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen,
insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen
ist.
BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10 - LG Frankenthal (Pfalz)
AG Frankenthal (Pfalz)
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 3. Dezember 2009 in der Fassung des Beschlusses der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2010 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsbürger und lebt seit 28 Jahren in Deutschland. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der Ersatzpapiere, die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der Behörde hat das Amtsgericht die Sicherungshaft von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat diese auf die Beschwerde des Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt sind und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, über die noch nicht entschieden ist. Mit dem hier zu bescheidenden Antrag möchte er die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidungen erreichen.

II.

2
Der Antrag hat keinen Erfolg.
3
1. Er ist allerdings in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft. Der Gesetzgeber hat zwar in § 74 Abs. 4 FamFG nur eine Verweisung auf die Vorschriften des Verfahrens erster Instanz vorgesehen. Er hat dabei aber übersehen, dass die als Orientierung dienende Vorschrift des § 555 ZPO (vgl. Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 211) durch Sondervorschriften (§§ 565, 719 ZPO) ergänzt wird. Die dadurch entstandene planwidrige Lücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG zu schließen (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 61).
4
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
5
a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung , die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96).
6
b) Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Sicherungshaft wird sich nach bisherigem Sachstand als rechtmäßig erweisen.
7
aa) Der Betroffene ist auf Grund der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung nach §§ 56, 58 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.
8
bb) Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnissen bestand bei Anordnung und besteht auch jetzt der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (§ 62 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG).
9
(1) Der Betroffene meint, es lägen keinen konkreten, belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich der Abschiebung entziehen werde. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Beschaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 € in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anordnung von Sicherungshaft aus. Diese Einwände überzeugen den Senat nicht.
10
(2) Es ist zwar zweifelhaft, darin ist dem Betroffenen Recht zu geben, ob sich der begründete Verdacht, er wolle sich dem Vollzug der Ausreise entziehen , darauf stützen lässt, dass er zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland 1982 mehrfach untergetaucht ist. Dieser Verdacht ergibt sich aber daraus, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18. September 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilungen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich „macht, was er will“, wie es in dem Urteil heißt. Verlässliche Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft verändert hat und dem Vollzug der Ausweisung nicht entzieht, liegen nicht vor. Der Betroffene hat zwar nach seinen Angaben nach Bestandskraft der Ausweisung im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb ist seinem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit einer Rückkehr in seine Heimat abgefunden hat. Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in Deutschland einen festen Bezugspunkt hat oder begründen könnte, an dem er an dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeitpunkt angetroffen werden könnte. Daran ändert auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzumieten.
11
cc) Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die Anordnung der Sicherungshaft auch verhältnismäßig. Die Anordnung der Sicherungshaft kann zwar auch dann unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft zu betreiben (BayObLGZ 1991, 258, 260). Gemessen daran ist die Anordnung der Sicherungshaft aber nicht zu beanstanden. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft angeordnet. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der Ersatzpapiere betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die libanesischen Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der Ersatzpapiere nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 03.12.2009 - 2 XIV 41/09 B -
LG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 08.01.2010 - 1 T 252/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - V ZB 14/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - V ZB 14/10

Referenzen - Gesetze

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58 Abschiebung


(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Si

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - V ZB 14/10 zitiert 9 §§.

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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 565 Anzuwendende Vorschriften des Berufungsverfahrens


Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 64 Einlegung der Beschwerde


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll. (

Zivilprozessordnung - ZPO | § 555 Allgemeine Verfahrensgrundsätze


(1) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben, die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Einer Güteverhandlung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 719 Einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch


(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung einges

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Referenzen

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben, die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.

(2) Die Vorschriften der §§ 348 bis 350 sind nicht anzuwenden.

(3) Ein Anerkenntnisurteil ergeht nur auf gesonderten Antrag des Klägers.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 114/07
vom
10. April 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Verfahrensfehler, der nach § 83 Nr. 6 ZVG zur Versagung des Zuschlags
führt, kann durch Nachholung der unterbliebenen Förmlichkeit geheilt werden,
wenn Rechte von Beteiligten nicht beeinträchtigt werden.

b) Das trifft in der Regel für Mängel bei der Titelzustellung zu (hier: unterbliebene
Zustellung der Vollmacht für eine Vollstreckungsunterwerfung).
BGH, Beschl. v. 10. April 2008 - V ZB 114/07 - LG Köln
AG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. April 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20. August 2007 wird zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 154.000 € festgesetzt.

Gründe


I.


1
Die Gläubigerin betreibt seit September 2001 die Zwangsversteigerung des Einfamilienhauses der Schuldnerin aus Grundpfandrechten, in deren Ansehung sich der Grundstückseigentümer der Zwangsvollstreckung unterworfen hatte. In der Versteigerung gab die Ersteherin das Meistgebot ab. Einen Antrag der Schuldnerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung wegen einer Herzerkrankung, die sich "akut zu verschlechtern drohe", wies das Amtsgericht zurück. Es erteilte den Zuschlag dennoch nicht in dem Versteigerungstermin , weil die Schuldnerin geltend gemacht hatte, die Vollstreckungsunterwerfung habe auf einer Vorbelastungsvollmacht der seinerzeitigen Grundstückseigentümerin beruht, die aber nicht zugestellt worden sei. Vor dem Termin zur Verkündung des Zuschlags am 3. Juli 2007 holte die Gläubigerin die Zustellung auch der Vorbelastungsvollmacht nach. Darauf erteilte das Amtsgericht den Zuschlag. Die Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Schuldnerin.

II.

2
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
3
1. Der Zuschlag ist nach § 83 Nr. 6 ZVG nur zu versagen, wenn die Zwangsversteigerung oder ihre Fortsetzung aus einem anderen als den in § 83 Nr. 1 bis 5 und 7 ZVG genannten – hier nicht einschlägigen – Gründen unzulässig ist. Ein solcher Grund liegt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht vor.
4
2. Allerdings hätte, das ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, die Zwangsversteigerung nicht angeordnet werden dürfen.
5
a) Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung aus zwei zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschulden, in deren Ansehung sich die damalige Grundstückseigentümerin nach näherer Maßgabe von § 800 Abs. 1 ZPO der Zwangsvollstreckung unterworfen hatte. Die Anordnung der Zwangsversteigerung setzte deshalb nach § 800 Abs. 2 ZPO zwar nicht die Zustellung auch der Urkunde voraus, aus welcher sich der Rechtserwerb der Schuldnerin ergab. Erforderlich war aber nach § 800 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 Satz 1 und § 750 ZPO die Zustellung der Urkunden, aus denen sich die (wirksame ) Unterwerfung der damaligen Grundstückseigentümerin unter die Zwangsvollstreckung ergab.
6
b) Zu diesen Urkunden gehörten nicht allein die – vor der Anordnung der Zwangsversteigerung zugestellten – Urkunden über die Bestellung der Grundschulden zugunsten der Gläubigerin unter den Bedingungen des § 800 Abs. 1 ZPO, sondern auch die in dem Kaufvertrag der Schuldnerin mit der damaligen Grundstückseigentümerin enthaltene Belastungsvollmacht.
7
aa) Bei der Errichtung der Grundschuldurkunden handelte die damalige Grundstückseigentümerin nämlich nicht selbst. Sie wurde vielmehr durch den Bürovorsteher des beurkundenden Notars vertreten. Dazu war dieser aufgrund einer Vorbelastungsvollmacht berechtigt, welche die damalige Grundstückseigentümerin in dem Grundstückskaufvertrag mit der Schuldnerin erteilt hatte. Hat aber ein Vertreter die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erklärt, ist die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nur zulässig, wenn die Vollmacht des Vertreters oder die Genehmigung von dessen Erklärungen seitens des Vertretenen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden dem Schuldner zugestellt worden sind oder mit dem Beginn der Vollstreckung zugestellt werden (Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, NJW-RR 2007, 358, 359).
8
bb) An dieser Entscheidung hält der Senat unter Berücksichtigung der im Schrifttum neben Zustimmung (Bolkart, MittBayNot 2007, 338, 339) geäußerten Kritik fest.
9
(1) Teils richtet sich die Kritik gegen das Ergebnis. Die Zustellung auch der Urkunde, aus der sich die Vollmacht für die Vollstreckungsunterwerfung ergebe, sei unnötig, weil sich die Wirksamkeit der Vollmachtsunterwerfung auch unter Berücksichtigung von § 185 Abs. 2 BGB aus dem Grundbuch ergebe (Wolf, ZNotP 2007, 86, 88) und weil der Schuldner sich in solchen Fällen schon vorweg der Vollstreckung unterworfen habe (Alff, Rpfleger 2007, 38, 39). Teils richtet sich die Kritik nur gegen die Herleitung dieses Ergebnisses aus § 750 Abs. 2 ZPO; das nicht angegriffene Ergebnis folge unmittelbar aus § 750 Abs. 1 ZPO (Böttcher, BWNotZ 2007, 109, 111 f.; wohl auch: Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 15 Rdn. 40.24; Zimmer, ZfIR 2007, 111, 112). Beides überzeugt nicht.
10
(2) Die Zustellung auch der Vollmacht hat der Senat für entbehrlich gehalten, wenn der spätere Schuldner selbst den Grundstückseigentümer vertreten hat (Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 9/05, NJW-RR 2005, 1359, 1360; zustimmend: Stöber, aaO, § 15 Rdn. 40.24). Dann nämlich wird die Vollstreckungsunterwerfung nach § 185 Abs. 2 BGB spätestens mit seinem Rechtserwerb wirksam (Senat, BGHZ 108, 372, 376). So lag es in dem von dem Senat am 21. September 2006 entschiedenen Fall (V ZB 76/06, aaO) indessen nicht. Auch im vorliegenden Fall ist eine solche Fallgestaltung nicht gegeben. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung aus einer Vorwegunterwerfung des späteren Schuldners. Auch diese Fallgestaltung lag seinerzeit nicht vor, weil die Grundschuld durch einen der mehreren Grundstückseigentümer namens auch der übrigen bestellt worden war. Im vorliegenden Fall scheitert die Möglichkeit einer Vorwegunterwerfung von vornherein daran, dass eine Ermächtigung zur Vorwegunterwerfung des Käufers und späteren Schuldners unter die Zwangsvollstreckung in das Grundstück in dem Kaufvertrag nicht vorgesehen ist.
11
(3) Hängt aber die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung von der Wirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung durch den Vertreter und damit von dessen Vertretungsmacht ab, ist diese Vertretungsmacht, das ist im Wesentlichen unbestritten (dazu Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, aaO), bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung in entsprechender Anwendung von § 726 (Abs. 1) ZPO zu prüfen. Die gedanklich zwingende Folge hiervon ist, dass sich die Zustellung wie auch in anderen Fällen des § 726 Abs. 1 ZPO nach § 750 Abs. 2 ZPO richtet (LG Bonn Rpfleger 1990, 374; LG Halle JW 1932, 3216, 3217; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 2. Aufl., Rdn.38.14; Bolkart, MittBay Not 2007, 338; insoweit auch Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 797 Rdn. 15). Die Zwangsversteigerung hätte deshalb mangels Zustellung auch der Vollmacht nicht angeordnet werden dürfen.
12
3. Dieser Mangel ist aber dadurch geheilt worden, dass die Kaufvertragsurkunde , welche die Vorbelastungsvollmacht enthielt, im Verlaufe des Zwangsversteigerungsverfahrens nachträglich zugestellt worden ist.
13
a) Ob Verstöße gegen die in § 83 Nr. 6 ZVG bezeichneten Verfahrensvorschriften grundsätzlich heilbar sind, ist umstritten. Aus der Vorschrift des § 84 ZVG, nach der die Versagungsgründe in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG der Erteilung des Zuschlags nicht entgegenstehen, wenn das Recht des Beteiligten nicht beeinträchtigt wird oder er das Verfahren genehmigt, ergebe sich, so leitete die früher herrschende Meinung ab, dass die in § 84 ZVG nicht in Bezug genommenen Verfahrensmängel nach § 83 Nr. 6 ZVG als absolute Versagungsgründe nachträglich nicht "heilbar" seien (OLG Hamm Rpfleger 2000, 171, 172; KG JW 1932, 1980, 1981; OLG Köln JW 1938, 2225; Hintzen in: Dassler /Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 83 Rdn. 2; Steiner /Storz, ZVG, 9. Aufl., § 83 Rdn. 5). Der Bundesgerichtshof folgt dem nicht; er hält auch Verfahrensfehler nach § 83 Nr. 6 ZVG für grundsätzlich heilbar (Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 285/03, NJW-RR 2004, 1366, 1367). Diese Entscheidung hat Zustimmung gefunden (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 83 Rdn. 7 a.E.). Sie ist aber auch auf Ablehnung gestoßen; sie stehe im Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers (Stöber, aaO, § 83 Rdn. 2.1, ders., NJW 2005, Sonderheft BayObLG S. 62, 63).
14
b) Dieser Einwand ist nicht berechtigt. Die grundsätzliche Heilbarkeit von Verfahrensfehlern nach § 83 Nr. 6 ZVG steht nicht im Widerspruch, sondern im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Vorschrift.
15
aa) Aus der Vorschrift des § 84 ZVG lässt sich der Ausschluss einer Heilung der in § 86 Nr. 6 ZVG bezeichneten Verfahrensfehler nur ableiten, wenn sie als abschließend anzusehen ist und sie den Umkehrschluss zulässt, dass andere als die dort genannten Verfahrensfehler generell nicht heilungsfähig sind. Das setzt aber voraus, dass dieses Normverständnis auch dem Willen des Gesetzgebers und ihrem Zweck entspricht. Daran fehlt es. Der Gesetzgeber wollte eine Heilung von Verfahrensfehlern in Fällen verhindern, in denen sich "nicht mit Sicherheit übersehen" ließ, ob ihre Verletzung Rechte von Beteiligten beeinträchtigte (Hahn/Mugdan, Ges. Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, V. Bd., Materialien zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und zur Grundbuchordnung, 1897 – ZVG-Materialien – S. 55). Diese Gefahr sah er bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht, die wie die in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG bezeichneten Vorschriften dem Schutz bestimmter Beteiligter dienen. Deshalb hat er in § 84 ZVG die Möglichkeit einer Heilung bei Fehlen einer Beeinträchtigung oder bei nachtäglicher Zustimmung vorgesehen.
16
bb) Bei den anderen Vorschriften sah er demgegenüber eine solche Gefahr. Deshalb hat er hier eine Heilung nicht vorgesehen. Gedacht hat der Gesetzgeber dabei in erster Linie an die Bestimmung einer zu kurzen Versteigerungsfrist und an eine Verkürzung der Bieterstunde, von denen er annahm, dass sie in jedem Fall den Kreis der Bieter einzuschränken und sich auf die Höhe des Meistgebots nachteilig auszuwirken geeignet seien (ZVG-Materialien S. 55). Die Verletzung solcher Vorschriften berührt nicht nur bestimmte Rechte oder Beteiligte. Ihre beeinträchtigende Wirkung lässt sich deshalb regelmäßig nicht eindeutig überblicken. So liegt es indessen nicht bei allen in § 83 Nr. 6 ZVG angesprochenen Verfahrensvorschriften. Es gibt auch unter ihnen Vorschriften , die nur dem Schutz bestimmter Beteiligter dienen oder bei denen sich das Fehlen einer Beeinträchtigung eindeutig feststellen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber auch in solchen Fällen die Erteilung des Zuschlags ausschließen wollte, lassen sich den ZVG-Materialien nicht entnehmen.
17
c) Aus dem in den Materialien dargestellten Regelungskonzept ergibt sich vielmehr, dass auch andere Verfahrensfehler heilbar sind. Dafür genügt es indessen nicht, wenn ein Beteiligter sie genehmigt, wie dies in § 84 ZVG für die in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG bestimmten Fälle vorgesehen ist. Vielmehr kommt eine Heilung in den anderen Fällen nur, aber auch immer dann in Betracht, wenn sich eindeutig feststellen lässt, dass der Verfahrensfehler Rechte von Beteiligten nicht beeinträchtigt. Dem folgt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Bei dem Fehlen der Prozessfähigkeit lässt sich die Beeinträchtigung der Interessen von Beteiligten nicht eindeutig ausschließen. Deshalb hat der Bundesgerichtshof hier eine Heilung abgelehnt (BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 76/04, FamRZ 2005, 200, 201). Demgegenüber lässt sich bei der Rückgabe des während des gesamten Zwangsversteigerungsverfahrens unverändert bestehenden Titels eine solche Beeinträchtigung eindeutig ausschließen. Deshalb hat der Bundesgerichtshof hier eine Heilung bejaht (Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 285/03, NJW-RR 2004, 1366, 1367).
18
d) Bei Zustellungsmängeln liegt es genauso.
19
aa) Die Zustellung der Vollmacht, die der Vollstreckungsunterwerfung zugrunde liegt, hat ebenso wie die Zustellung der Unterwerfungsurkunde selbst den Zweck, dem Schuldner unmissverständlich klarzumachen, dass der Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird, ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung zu unterrichten, ihm Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu machen, und ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs zu warnen (Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, NJW-RR 2007, 358, 359). Interessen anderer Beteiligter dient die Zustellung an den Schuldner nicht. Diese Zwecke werden erreicht, wenn Zustellungsmängel während des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens behoben werden.
20
bb) Zustellungsmängel können zwar im Einzelfall dazu führen, dass der Schuldner von der Anordnung der Zwangsversteigerung überrascht wird. Die Anordnung der Zwangsversteigerung gibt ihm aber Gelegenheit, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Entscheidend ist dann, dass er über die Grundlagen der Zwangsversteigerung unterrichtet wird und diese prüfen kann. Dazu reicht die Nachholung oder Ergänzung der Zustellung aus. Sie ermöglicht ihm, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Fehler zu beanstanden. Das gilt insbesondere in dem hier gegebenen Fall der fehlenden Zustellung allein der Vollmacht, die dem zugestellten Titel zugrunde liegt. In einer solchen Fallgestaltung ist der Schuldner über die Grundlage der Zwangsversteigerung ordnungsgemäß unterrichtet. Er hat lediglich noch zu prüfen, ob der Titel auch von der Vollmacht gedeckt ist. Das lässt sich ohne weiteres im weiteren Verlauf des Verfahrens nachholen.
21
cc) Daran ändert es nichts, dass die Zustellung auch der Vollmacht für die Vollstreckungsunterwerfung hier in der Frist für die Verkündung des Zuschlagsbeschlusses nachgeholt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schuldnerin angesichts eines Verfahrensverlaufs von etwa sechs Jahren hinreichend Gelegenheit, die ihr zugestellte Urkunde über die Vollstreckungsunterwerfung auch darauf zu prüfen, ob sie von der Vollmacht gedeckt war. Dass die Vollmacht tatsächlich bestand, konnte die Schuldnerin nicht überraschen und war auch leicht festzustellen. Sie war nämlich als Teil einer Vorbelastungsvollmacht in dem Kaufvertrag enthalten, an dem die Schuldnerin selbst mitgewirkt hatte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch LG Cottbus Rpfleger 2007, 563 f.). Sie diente auch allein dem Interesse der Schuldnerin, weil sie ihr die Finanzierung des Kaufpreises ermöglichen sollte.
22
4. Der Zuschlag war nicht im Hinblick auf die von der Schuldnerin geltend gemachten gesundheitlichen Gründe zu versagen. Sie werden von der Schuldnerin auch nicht mehr geltend gemacht.

IV.

23
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligen des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 03.07.2007 - 91 K 98/01 -
LG Köln, Entscheidung vom 20.08.2007 - 6 T 239/07 -

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.